Urteil des OLG Stuttgart vom 08.05.2014

OLG Stuttgart: die post, auflage, nachlassgericht, rechtsmittelinstanz, vollmacht, notariat, rüge, gesetzesänderung, vergütung, hauptsache

OLG Stuttgart Beschluß vom 8.5.2014, 8 W 167/14
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten Z. 4 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Notariats II – Nachlassgericht – Nürtingen vom 2. April 2014, Az. II NG 128/2013, wird
zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte Z. 4 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 2.376,55 EUR
Gründe
I.
1 Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. April 2014 hat das Notariat entsprechend dem
Antrag der Beschwerdegegner vom 31. Januar 2014 die geltend gemachten
Rechtsanwaltskosten von 2.376,55 EUR für das Beschwerdeverfahren vor dem
Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 8 W 431/13) in Ansatz gebracht.
2 Gegen die am 4. April 2014 zugestellte Entscheidung hat die Beteiligte Z. 4 durch ihren
Verfahrensbevollmächtigten am 8. April 2014 Beschwerde eingelegt und diese mit
Schriftsatz vom 15. April 2014 weiter begründet.
3 Das Notariat hat die Akten ohne Abhilfe mit Schreiben vom 5. Mai 2014 dem
Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
4 Gemäß § 85 FamFG sind für das Kostenfestsetzungsverfahren die §§ 103-107 ZPO
entsprechend anwendbar.
5 Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. April 2014 ist damit die sofortige
Beschwerde gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 567 ff. ZPO als
Rechtsmittel gegeben.
6 Die Beschwerdefrist von zwei Wochen gemäß § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO (Zimmermann in
Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 85 FamFG Rn. 16; Gottwald in Bassenge/Roth,
FamFG/RPflG, 12. Auflage 2009, § 85 FamFG Rn. 5) wurde eingehalten.
7 Auch der erforderliche Beschwerdewert von über 200 EUR gemäß § 567 Abs. 2 ZPO ist
erreicht - nicht anwendbar ist § 61 Abs. 1 FamFG (über 600 EUR; Zimmermann in Keidel,
a.a.O.; Gottwald in Bassenge/Roth, a.a.O., Rn. 6).
8 Nachdem auch die geforderte Form (§ 569 Abs. 2 ZPO) gewahrt wurde, ist das
Rechtsmittel zulässig.
9 Zur Entscheidung befugt ist das Oberlandesgericht gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG
(Zimmermann in Keidel, a.a.O.) und hier der originäre Einzelrichter gemäß § 568 Abs. 1 S.
1 ZPO (Gottwald in Bassenge/Roth, a.a.O., Rn. 5).
2.
10 Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
11 Denn das Notariat ist an die im Senatsbeschluss vom 21. Januar 2014, Az. 8 W 431/13,
getroffene unanfechtbare Kostengrundentscheidung gebunden und in dem sich
anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren als reinem Höheverfahren nur noch befugt,
diese betragsmäßig auszufüllen.
12 Soweit der Beschwerdeführerin der Kostenfestsetzungsantrag der Beteiligten Z. 1-3 vom
31. Januar 2014 erst nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2. April 2014
übermittelt wurde, hat sie zu Recht die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt. Dieser
Verfahrensfehler führt aber nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Denn
die Gewährung des rechtlichen Gehörs konnte im Beschwerdeverfahren – wie geschehen
– nachgeholt werden.
13 Ihre Einwendungen gegen die Kostenfestsetzung des Notariats sind jedoch nicht
geeignet, der Beschwerde in der Sache zum Erfolg zu verhelfen.
14 Im Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht haben sich die Verfahrensbevollmächtigten
der Beteiligten Z. 1-3 mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2013 für diese legitimiert und ihre
ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert. Diese wurde bislang nicht
infrage gestellt und erstmals im vorliegenden die Kostenfestsetzung betreffenden
Beschwerdeverfahren bestritten, dass für das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache
eine entsprechende Auftragserteilung vorgelegen habe.
15 Der BGH hat mit Beschluss vom 14. Juli 2011, Az. V ZB 237/10, in juris (m.w.N.),
festgestellt, dass gemäß § 88 ZPO der Mangel der Vollmacht eines
Prozessbevollmächtigten von dem Gegner zwar in jeder Lage des Rechtsstreits und damit
grundsätzlich auch noch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden kann.
Da in diesem Verfahren Einwendungen gegen die zu Grunde liegende
Kostengrundentscheidung nicht erhoben werden können, ist die Rüge allerdings
unbeachtlich, soweit sie sich auf die Vollmacht zur Führung des Prozesses in der
Hauptsache bezieht. Gerügt werden kann nur die Berechtigung, einen
Kostenfestsetzungsantrag für die Partei zu stellen.
16 Die Rüge der Beteiligten Z. 4 bezieht sich aber ausschließlich auf den Mangel der
Vollmacht im Hauptsacheverfahren und ist deshalb im vorliegenden Beschwerdeverfahren
unbeachtlich.
17 Im übrigen wurde die ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert. Hierin
liegt eine ausreichende Glaubhaftmachung im Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 104 Abs.
2 S. 1, 294 ZPO; Greger in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 294 ZPO Rn. 5, m.w.N.).
18 Die Auftragserteilung – wie auch die Verfahrensbevollmächtigung – können formlos (§ 89
Abs. 2 ZPO), d.h. nicht nur schriftlich, sondern ebenso mündlich oder stillschweigend
erteilt werden. Selbst zunächst auftragslose Handlungen des Rechtsanwalts können
nachträglich genehmigt werden (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage 2013,
Vorbem. 3 RVG-VV Rn. 41 ff., m.w.N.).
19 Der Erbscheinsantrag der Beteiligten Z. 1-3 datiert vom 12. September 2013. Die danach
eingereichte Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 11. Oktober 2013 wurde an die
gesetzliche Vertreterin der Beschwerdegegner mit Schreiben des Nachlassgerichts vom
17. Oktober 2013 zur Stellungnahme weitergeleitet. Hierauf hat sich mit Schriftsatz vom
25. Oktober 2013 der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten Z. 1-3 für diese legitimiert
und seine ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert. Nachdem deren
gesetzliche Vertreterin den gegnerischen Schriftsatz vom 11. Oktober 2013 an die
Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten Z. 1-3 zur Bearbeitung übergeben hat, liegt
hierin die erforderliche Auftragserteilung und Bevollmächtigung. Diese wiederum
beschränken sich nicht nur auf das erstinstanzliche Verfahren, sondern ebenfalls auf die
Rechtsmittelinstanz (§§ 11 FamFG, 81 ZPO; Zimmermann in Keidel, FamFG, 18. Auflage
2014, § 11 FamFG Rn. 17 und 18; Vollkommer in Zöller, a.a.O., § 81 ZPO Rn. 1 ff., insbes.
Rn. 3, § 87 ZPO Rn. 11; je m.w.N.).
20 Mithin bestehen gegen die ordnungsgemäße Beauftragung und Bevollmächtigung der
Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdegegner zum Tätigwerden für diese im
Erbscheins-Beschwerdeverfahren keine Bedenken.
21 Beim Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 85 FamFG in Verbindung mit §§ 103 ff. ZPO
handelt es sich um ein ausschließliches Höheverfahren. Dennoch ist in diesem Verfahren
darüber zu entscheiden, ob zur Festsetzung beantragte Anwaltskosten nach Grund und
Höhe festsetzungsfähig sind, sofern die Kostengrundentscheidung – wie vorliegend – die
Anwaltsgebühren nicht ausdrücklich als erstattungsfähig bezeichnet (Zimmermann in
Keidel, a.a.O., § 85 FamFG Rn. 9, m.w.N.).
22 Grundsätzlich reicht dabei jede Tätigkeit im Interesse des Mandanten aus, um die volle
Verfahrensgebühr zu verdienen. Insbesondere genügt die Entgegennahme der Information
oder die Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, wobei eine interne
Überprüfung regelmäßig unterstellt wird. Die Einreichung eines Schriftsatzes ist nicht
erforderlich. (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., Nr. 3200 RVG-VV Rn. 16 ff, insbes.
Rn. 21, m.w.N.).
23 Das Beschwerdeschreiben der Beteiligten Z. 4 vom 6. Dezember 2013 und das
Nichtabhilfe-/Vorlageschreiben des Notariats vom 12. Dezember 2013 wurden am 18.
Dezember 2013 durch das Oberlandesgericht an den Beschwerdegegnervertreter
weitergeleitet. Bereits zuvor hatte er von der Beschwerdeeinlegung Kenntnis erhalten und
wegen der Befürchtung eines länger dauernden Rechtsmittelverfahrens die Anordnung
einer Nachlasspflegschaft beantragt. Hierbei handelte es sich zwar nicht um ein Schreiben
im Erbscheins-Beschwerdeverfahren. Der Rechtsanwalt verdient aber eine – zunächst –
1,1-Verfahrensgebühr in der Rechtsmittelinstanz bereits mit der ersten Tätigkeit in
Ausführung des Auftrags, z.B. mit der Entgegennahme der Information. Ob die Sache bei
der höheren Instanz schon rechtshängig ist, ist belanglos. Der Rechtsanwalt, der den
Auftrag erhalten hat, den Rechtsmittelgegner zu vertreten, erhält die erhöhten Gebühren,
selbst wenn es zu dem Rechtsmittelverfahren nicht kommt, soweit er nur im Rahmen
dieses Auftrags schon tätig geworden ist. Nicht nötig ist, dass der Rechtsanwalt nach
außen hin tätig ist, dass er Anträge stellt oder zur Sache vorträgt (Müller-Rabe, a.a.O.,
m.w.N.).
24 Insoweit ergibt sich aus dem Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten Z.
1-3 vom 17. Dezember 2013 eine hinreichende erste Tätigkeit des Rechtsanwalts zur
Ausführung des Auftrags in der Rechtsmittelinstanz, um die 1,1-Verfahrensgebühr nach §
13 RVG, Nr. 3201 Abs. 1 Z. 1 und Nr. 3200 RVG-VV auszulösen.
25 Gemäß § 60 Abs. 1 RVG ist die Vergütung des Rechtsanwalts nach bisherigem Recht zu
berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im
Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der
Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Ist der
Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung in derselben
Angelegenheit bereits tätig, ist die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das
nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen.
26 Die Beschwerde, über die der Senat mit Beschluss vom 21. Januar 2014 entschieden hat,
wurde in dem durch den Erbscheinsantrag vom 12. September 2013 eingeleiteten
Verfahren von der Beteiligten Z. 4 am 6. Dezember 2013 erhoben. Das zweite
Kostenrechtsmodernisierungsgesetz ist bereits am 1. August 2013 in Kraft getreten (Art.
50), so dass dieses vorliegend zur Anwendung kommt.
27 Danach ist aber nicht nur – wie aufgrund des alten Kostenrechts nach herrschender
Meinung bei Beschwerden in Erbscheins- oder Nachlassverfahren angenommen –
lediglich eine 0,5-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3500 RVG-VV angefallen. Vielmehr hat
das zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz gemäß Vorbem. 3.2.1 Nr. 2b RVG-VV die
Beschwerden gegen Endentscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit gebührenrechtlich der Berufung gleichgestellt, was gleichermaßen auch
für Beschwerden in Erbscheins- oder Nachlassverfahren gilt (Müller-Rabe in
Gerold/Schmidt, a.a.O., Vorbem. 3.2.1 RVG-VV Rn. 25, Nr. 3500 RVG-VV Rn. 4, m.w.N.).
28 Demgemäß ist – wie vom Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten Z. 1-3 zu Recht
geltend gemacht – eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Abs. 1 Z. 1 und Nr. 3200
RVG-VV angefallen und erstattungsfähig zuzüglich der 0,6-Erhöhungsgebühr nach Nr.
1008 RVG-VV für zwei weitere Auftraggeber (Beteiligte Z. 1-3) unter Zugrundelegung der
neuen Gebührentabelle zu § 13 Abs. 1 RVG, woraus sich ein Betrag von 1.977,10 EUR
aus dem vom Senat festgesetzten Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens von
46.269,50 EUR ergibt. Hinzu kommt die Post- und Telekommunikationspauschale von 20
EUR (Nr. 7002 RVG-VV) sowie die Umsatzsteuer von 19 %, mithin 379,45 EUR (Nr. 7008
RVG-VV). Insgesamt beläuft sich der Erstattungsbetrag damit auf 2.376,55 EUR, wie vom
Nachlassgericht zu Recht festgesetzt.
29 Die sofortige Beschwerde war danach als unbegründet zurückzuweisen.
30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (Zimmermann in Keidel, a.a.O., § 85
FamFG Rn. 17) und Nr. 1912 FamGKG-KV (Wolf in Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, 1.
Auflage 2010, Nr. 1912 FamGKG-KV, Rn. 2).
31 Im Hinblick auf die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels wurden die Beschwerde vom 7. April
2014 und die weitere Beschwerdebegründung vom 15. April 2014 sowie das
Vorlageschreiben des Nachlassgerichts vom 5. Mai 2014 vor der Entscheidung des
Senats nicht an die Beteiligten Z. 1-3 zu etwaigen Stellungnahme weitergeleitet, so dass
ihr Verfahrensbevollmächtigter in diesem Beschwerdeverfahren keine weitere
erstattungsfähige Tätigkeit entfaltet hat.