Urteil des OLG Stuttgart vom 06.06.2014

OLG Stuttgart: verfall, kaufpreis, verkehrswert, auflage, entziehen, rückkauf, geldstrafe, entstehung, einziehung, depot

OLG Stuttgart Urteil vom 6.6.2014, 2 Ss 541/13
Leitsätze
1. Bei einer Marktmanipulation durch tateinheitlich begangene, alsbald aufeinanderfolgende
Verkaufs- und Rückkaufsgeschäfte unterliegt nur der einfache Wert der Wertpapiere dem Verfall.
Das im Verfallsrecht geltende Bruttoprinzip steht dem nicht entgegen. 2. Wird Wertersatzverfall
nach § 73a Satz 1 StGB angeordnet, richtet sich die Höhe des Verfallsbetrags regelmäßig nach
dem Wert des Verfallsgegenstands zum Zeitpunkt der Entstehung des Wertersatzanspruchs.
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts - Kleine Strafkammer -
Stuttgart vom 24. Mai 2013 im Ausspruch über den Wertersatzverfall dahingehend abgeändert,
dass bei dem Angeklagten ein Betrag in Höhe von
47.490,67 EUR als Wertersatz für verfallen erklärt wird.
Dem Angeklagten wird gestattet, den Verfallsbetrag binnen sechs Monaten nach
Rechtskrafteintritt zu bezahlen.
2. Im Übrigen werden die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft als
unbegründet.
v e r w o r f e n.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels, die Staatskasse trägt die Kosten des
Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dadurch veranlassten notwendigen Auslagen des
Angeklagten.
Gründe
I.
1 Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, er habe im Jahr 2008 durch mehrere
Börsengeschäfte irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage und den
Börsenpreis der gehandelten Aktien gegeben (§ 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG) und auf diese
Weise vorsätzliche Marktmanipulation nach § 38 Abs. 2 WpHG begangen. Mit Urteil des
Senats vom 4. Oktober 2011 wurde auf die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft
Stuttgart das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 2010 gegen den
Angeklagten wegen dreier Ordnungswidrigkeiten nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu einer
Geldbuße von 20.000,00 EUR ohne eine Verfallsanordnung mit den Feststellungen
aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das
Amtsgericht Stuttgart zurückverwiesen.
2 Durch Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 28. März 2012 wurde der Angeklagte wegen
dreier Vergehen der verbotenen Marktmanipulation zu der Gesamtgeldstrafe von 140
Tagessätzen zu je 180,00 EUR mit einer Ratenzahlungsvergünstigung (700,00 EUR
monatlich) verurteilt. Es wurde der Wertersatzverfall von 101.498,00 EUR mit einer
Ratenzahlungsvergünstigung (1014,98 EUR monatlich), die mit einer Verfallklausel
versehen war, angeordnet. Auf die jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten
Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft änderte das Landgericht
Stuttgart mit dem angefochtenen Urteil vom 24. Mai 2013 das Urteil des Amtsgerichts vom
28. März 2012 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass es die Geldstrafe gegen
den Angeklagten auf 90 Tagessätze zu je 150,00 EUR herabsetzte, von der wegen
konventionswidriger Verfahrensverzögerung 20 Tagessätze als bereits vollstreckt gelten
sollten. Weiter setzte es die Anordnung des Wertersatzverfalls auf den Betrag von
54.899,55 EUR herab und gestattete dem Angeklagten, die Geldstrafe binnen drei
Monaten nach Rechtskrafteintritt und den Verfallsbetrag binnen sechs Monaten nach
Rechtskrafteintritt zu bezahlen. Die weitergehenden Berufungen des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft verwarf das Landgericht.
3 Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Revision gegen das Urteil des
Landgerichts vom 24. Mai 2013 rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Er
beantragt, nachdem er das Rechtsmittel in der Revisionshauptverhandlung auf die
Verfallsanordnung beschränkt hat, die Aufhebung des Urteils im Ausspruch über den
Wertersatzverfall und das Entfallen einer solchen Anordnung. Die Staatsanwaltschaft hat
ihre rechtzeitig eingelegte Revision gegen das Urteil des Landgerichts vom 24. Mai 2013
in der Revisionsbegründungsschrift auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz
beschränkt und beantragt, das Urteil des Landgerichts insoweit aufzuheben und den
Verfall von Wertersatz in Höhe von 101.498,41 EUR anzuordnen. Die
Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart ist der Revision der Staatsanwaltschaft beigetreten
und beantragt, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Stuttgart zurückzuverweisen. Sie
beantragt weiter, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
II.
4 Die zulässige Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils des Landgerichts
Stuttgart vom 24. Mai 2013 im Ausspruch über die Anordnung des Wertersatzverfalls. Der
Senat setzt den Betrag des Wertersatzverfalls entsprechend § 354 Abs. 1, 3. Alternative
StPO auf 47.490,67 EUR herab. Im Übrigen sind die Revisionen des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft unbegründet.
5 1. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft haben ihre Rechtsmittel in der
Berufungsinstanz jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die
Rechtsmittelbeschränkungen sind gemäß § 318 Satz 1 StPO wirksam, weil die vom
Amtsgericht im Urteil vom 28. März 2012 getroffenen Feststellungen eine ausreichende
Grundlage für die Entscheidung über die Rechtsfolgen der Taten bilden.
6 Damit sind im Wesentlichen die folgenden Feststellungen des Amtsgerichts in Rechtskraft
erwachsen:
7
„Der Angeklagte und der gesondert verfolgte frühere Mitangeklagte waren jeweils Inhaber
von Aktien der M. AG, der D. AG und der W. AG. Der Angeklagte übte aufgrund seiner
beruflichen Kenntnisse als Bankmitarbeiter im Wertpapierhandel die
Vermögensverwaltung für den früheren Mitangeklagten aus und war im Besitz der hierfür
erforderlichen Bankvollmachten über dessen Aktiendepots. Nachdem sich die Aktien
ungünstig entwickelt hatten, führte der Angeklagte für seine eigenen Aktienpakete jener
Unternehmen im eigenen Namen und zugleich im Namen des früheren Mitangeklagten
unmittelbar aufeinanderfolgende Verkaufs- und Rückkaufsgeschäfte durch. Der
Angeklagte wollte dadurch gegenüber dem Finanzamt in seinen
Einkommensteuererklärungen sowie jenen des früheren Mitangeklagten den
eingetretenen Wertverlust der Aktien dokumentieren, um seine bzw. die
Einkommensteuer des früheren Mitangeklagten zu mindern. Im Einzelnen verkaufte der
Angeklagte am 22. Mai 2008 20.000 Stück Aktien der M. AG und am 10. Dezember 2008
7.918 Stück der D. AG sowie 9.140 Stück der W. AG zu einem Gesamtpreis von
42.398,86 EUR an den früheren Mitangeklagten und kaufte diese zum im Wesentlichen
gleichen Preis wenige Minuten später wieder zurück. Weiter kaufte er am 9. Dezember
2008 ein Aktienpaket des früheren Mitangeklagten zu insgesamt 5.000 Stück der D. AG
für 4.250,00 EUR und verkaufte es wenige Minuten später an den früheren
Mitangeklagten zum gleichen Preis zurück. Weiter verkaufte der Angeklagte dem früheren
Mitangeklagten am 22. Mai 2008 ein Aktienpaket der M. AG zu 8.169 Stück für 8.250,69
EUR, ohne dass ein Rückkauf erfolgte. Aufgrund der Geschäfte erfolgte an der jeweiligen
Börse bei unbedeutendem anderweitigem Handel dieser Aktien jeweils die Feststellung
des vom Angeklagten bestimmten Preises als Kurs der Aktie, der sich nicht in
erheblichem Ausmaß, aber auch nicht nur bagatellhaft vom Kurs der Aktie vor der
Vornahme der Geschäfte unterschied. Die Geschäfte waren weiter geeignet, irreführende
Signale für das Angebot und die Nachfrage dieser Aktien sowie ihres Börsenpreises zu
geben.“
8 Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil vom 24. Mai 2013 ergänzend festgestellt,
dass der Angeklagte die aus den fraglichen Geschäften in seinem Depot verbliebenen
Aktien in den Jahren 2008 und 2009 allesamt mit nicht nur unerheblichen Verlusten zu
einem Kaufpreis von noch 34.988,98 EUR endgültig verkauft hat.
9 2. In der Revisionsinstanz haben der Angeklagte - dieser in der Hauptverhandlung mit
Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft - und die Staatsanwaltschaft ihre Rechtsmittel
auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz beschränkt. Diese Beschränkung ist - auch
erst in der Revisionsinstanz (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57. Auflage, § 344, Rn. 4 m.w.N.) -
entsprechend § 318 StPO wirksam (Fischer, StGB, 60. Auflage, § 73, Rn. 41).
10 A) Die Revision des Angeklagten
11 Die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil vom 24. Mai 2013 zur
Anordnung des Verfalls von Wertersatz halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12 Allerdings hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Verteidigung zu Recht
angenommen, dass im vorliegenden Fall grundsätzlich die gesamten nach dem
Bruttoprinzip zu bestimmenden Erlöse des Angeklagten aus den abgeurteilten Verkaufs-
und Rückkaufsgeschäften dem Verfall unterliegen. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle
Vermögenswerte für verfallen zu erklären, die dem Täter unmittelbar aus der
Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen
sind (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 27. November 2013 - 3 StR 5/13, WM 2014,
414). Erfasst werden solche Vorteile, die der Tatbeteiligte nach dem Schutzzweck der
Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil sie von der Rechtsordnung als
Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung gewertet werden. Der dem Verfall
unterliegende Vorteil bestimmt sich somit danach, was letztlich strafbewehrt ist. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH a.a.O.) ist im Fall der Marktmanipulation
durch Irreführung nach § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG in der Fassung vom 1. November 2007
das abgeschlossene Geschäft als solches verboten und nicht genehmigungsfähig.
Entgegen der Auffassung der Verteidigung kann die Bestimmung in § 3 Abs. 2 Nr. 2
MaKonV, wonach von einem Geschäft keine irreführenden Signale im Sinne des § 20a
Abs. 1 Nr. 2 WpHG ausgehen, wenn das abgestimmte Verhalten im Einklang mit den
jeweiligen Marktbestimmungen rechtzeitig angekündigt worden ist, einem
Genehmigungsvorbehalt nicht gleichgestellt werden. Der Angeklagte hat deshalb aus den
Taten nicht nur die ersparten Aufwendungen für die Herbeiführung der Genehmigung im
Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt (vgl. hierzu BGHSt 57, 79ff.; BGH NJW 2010,
882ff.). Denn zur Irreführung geeignete Geschäfte im Sinne der §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr.
1, 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. sollen zum Schutz vor Preismanipulationen von
Wertpapierkursen ganz verhindert werden, wenn diese Gefahr nicht durch eine
rechtzeitige Ankündigung des abgesprochenen Geschäfts wirksam und im Einklang mit
den jeweiligen Marktbestimmungen abgewendet worden ist. Solche Ankündigungen
erfolgten in den vorliegenden Fällen nicht. Deshalb unterliegt grundsätzlich der gesamte
vom Angeklagten aus den Geschäften erlangte Erlös dem Verfall (BGH, Urteil vom 27.
November 2013, a. a. O.).
13 Jedoch tritt im vorliegenden Fall die Besonderheit auf, dass der Tatbestand der
Marktmanipulation in der Mehrzahl der Fälle durch alsbald aufeinanderfolgende Verkaufs-
und Rückkaufsgeschäfte verwirklicht worden ist, für die das Amtsgericht zu Recht
Tateinheit angenommen hat. Das nach dem Willen des Gesetzgebers (Entwurf der
Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des
Strafgesetzbuchs und anderer Gesetze, BT-Drs. 12/1134, Seite 12) im Verfallsrecht
anzuwendende Bruttoprinzip untersagt es, bei der Bestimmung des Erlangten im Sinne
von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB die Gegenleistung und sonstige Aufwendungen des Täters in
Abzug zu bringen. So soll verhindert werden, dass der Täter die drohende
Verfallsanordnung bei der Begehung der Tat als finanziell risikolos betrachtet, weil er im
Entdeckungsfall nur die Nettogewinnabschöpfung befürchten muss. Durch die
Kombination von Verkauf und Rückkauf im vorliegenden Fall tritt dadurch aber eine
scheinbare Verdoppelung des Vermögensgegenstands ein, weil der Täter beim
Verkaufsgeschäft den Kaufpreis erlangt, ohne dass das veräußerte Aktienpaket in Abzug
zu bringen ist, und beim Rückkauf das Aktienpaket, ohne dass der aufgewendete (Rück-)
Kaufpreis abgezogen wird. Gleichwohl handelt es sich nur um zwei verschiedene
Erscheinungsformen desselben Vermögenswerts. Sinn und Zweck der Verfallsvorschiften
ist es, dem Täter diesen zu entziehen (vgl. Schmidt in Leipziger Kommentar, StGB, 12.
Auflage, § 73, Rn. 8), nicht aber den doppelten Wert. Bei der sich daraus ergebenden
Einschränkung, dass nur der Verfall des einfachen Werts des Vermögensgegenstands
anzuordnen ist, handelt es sich der Sache nach nicht um eine Ausnahme vom
Bruttoprinzip, weil dieses lediglich untersagt, die Leistung, die Gegenleistung und sonstige
Aufwendungen innerhalb eines Veräußerungsgeschäfts zu saldieren, aber keine Aussage
darüber trifft, auf welche Weise zwei verschiedene Geschäfte zueinander in Beziehung zu
setzen sind.
14 Der Senat nimmt im vorliegenden Fall die Einschränkung bei den Rückkaufsgeschäften
aus dem Aktiendepot des Angeklagten in der Weise vor, dass lediglich die ihm nach der
Ausführung beider, im Abstand von wenigen Minuten tateinheitlich abgewickelter
Geschäfte verbliebenen Aktien dem Verfall unterliegen, wohingegen die zunächst
erlangten Kaufpreise nicht vom Verfall erfasst werden. Hinsichtlich der nach dem
Rückkaufsgeschäft vom 9. Dezember 2008 im Aktiendepot des früheren Mitangeklagten
verbliebenen Aktien führt der Senat die Begrenzung der Verfallsanordnung auf den
einfachen Wert des Vermögensgegenstands dergestalt durch, dass allein der vom
Angeklagten erlangte Kaufpreis in Höhe von 4.250,00 EUR dem Verfall unterliegt.
15 Ohne Bedeutung ist dabei, dass der Angeklagte bei den Rückkaufsgeschäften aus seinem
Aktiendepot bereits vor den Taten Inhaber der Aktien war. Denn aufgrund des
Verkaufsgeschäfts war er es für kurze Zeit nicht mehr und wurde es erst dann wieder. Dies
genügt für die Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Es handelt sich um eine der
Einziehung von sog. Beziehungsgegenständen nach §§ 74ff. StGB ähnliche
Fallgestaltung, deren Rechtsgrundlage aber § 73 Abs.1 Satz 1 StGB ist. Denn ein Fall des
Vorrangs des Rechts der Einziehung (vgl. hierzu Schmidt in Leipziger Kommentar, StGB,
12. Auflage, § 73, Rn. 27) ist hier nicht gegeben, weil das WpHG keine Vorschriften über
die Einziehung von Beziehungsgegenständen enthält. Somit ist dem Angeklagten der
einfache Wert der Vermögensgegenstände zu entziehen, die er zur Markmanipulation
benutzt hat. Das Gleiche gilt für den Einsatz seines Vermögens zur Durchführung des
Rückkaufsgeschäfts betreffend das Depot des früheren Mitangeklagten.
16 Damit unterlagen nach der Beendigung der Taten folgende Gegenstände dem Verfall:
17
- 20.000 Stück M.-Aktien (Tat 1 a,b)
- 7.918 Stück D.-Aktien (Tat 3 a,b)
- 9.140 Stück W.-Aktien (Tat 3 c-f)
- 4.250,00 EUR Kaufpreis für 5.000 Stück D.-Aktien (Tat 2 a,b)
- 8.250,69 EUR Kaufpreis für 8.169 Stück M.-Aktien (Tat 1c).
18 Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Anordnung des Verfalls dieser
Gegenstände als solcher im Sinne von § 73a Satz 1 StGB nicht möglich ist, weil der
Angeklagte die ihm verbliebenen Aktien aus den Taten verkauft und die eingenommenen
Kaufpreise mit seinem sonstigen Vermögen vermischt hat. Deshalb ist gemäß § 73a Satz
1 StGB der Verfall eines Geldbetrags anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht.
Hinsichtlich der dem Verfall unterliegenden Aktien hat das Landgericht im angefochtenen
Urteil keinen Gebrauch von der Möglichkeit des § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB gemacht, die vom
Angeklagten für die Aktien erzielten Veräußerungserlöse zum Gegenstand der
Verfallsanordnung zu machen. Es hat aber die vom Angeklagten erzielten
Veräußerungserlöse als Verkehrswert der Aktien angesehen und sich dabei darauf
gestützt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der im Wertpapierhandel
berufstätige Angeklagte die Aktien unter Wert verkauft hat. Diese Feststellung ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und damit für den Senat verbindlich.
19 In rechtlicher Hinsicht zutreffend ist die Anordnung des Verfalls dieses Geldbetrags aber
nur, wenn es auf den Verkehrswert der Aktien zum Zeitpunkt der Entstehung des
Wertersatzanspruchs nach § 73a Satz 1 StGB ankommt, weil die Aktien nur zu diesem
Zeitpunkt genau diesen Wert hatten. Der Senat schließt sich der in der Literatur
vertretenen Auffassung, die dies annimmt (Joecks in Münchener Kommentar, StGB, 2.
Aufl., § 73a, Rdnr. 16; Wolpers/Horn in SK, StGB, Stand 2013, § 73a, Rdnr. 3; Güntert; Die
Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 68), jedenfalls für Fälle der
vorliegenden Art an. Dafür spricht die Struktur der Vorschriften in 73ff. StGB. Denn bis zum
Eintritt der Unmöglichkeit der Herausgabe des Verfallsgegenstands ist vom
Verfallsschuldner dieser in natura herauszugeben. Einer Bewertung des Gegenstands
bedarf es dabei regelmäßig nicht. Es liegt deshalb im Fall der Unmöglichkeit seiner
Herausgabe nahe, für die Bewertung auf den Zeitpunkt des Übergangs zum
Wertersatzanspruch abzustellen. Gegen die überwiegende Auffassung, die die Bewertung
bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vornimmt
(Schmidt in Leipziger Kommentar, a.a.O., § 73a, Rn. 13; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 73a,
Rdnr. 3; Eser in Schönke Schröder, StGB, 28. Aufl., § 73a Rdnr. 11; ähnlich BGH, Urteil
vom 27. August 1953, in St 4, 305ff. zum im Jahr 1953 geltenden Einziehungsrecht),
spricht, dass Wertsteigerungen des ursprünglichen Verfallsgegenstands, die erst nach
dem Zeitpunkt der Entstehung des Wertersatzanspruchs eintreten, schon deswegen nicht
zu berücksichtigen sind, weil sie dem Vermögen des Betroffenen selbst nicht mehr
zugutegekommen sind (Joecks, a.a.O.). So liegt es im vorliegenden Fall beim bis zur
Berufungshauptverhandlung wieder gestiegenen Börsenpreis der Aktien der W. AG.
20 Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Staatsanwaltschaft Stuttgart, dass auf den -
im vorliegenden Fall für alle Aktien höheren - Verkehrswert zum Zeitpunkt der
rechtswidrigen Erlangung des Vermögensgegenstands abzustellen sei. Die
Staatsanwaltschaft beruft sich dabei auf die Vorschrift des § 73a Satz 2 StGB, wonach das
Gericht eine ergänzende Wertersatzverfallsanordnung auch neben der Verfallsanordnung
für einen Gegenstand trifft, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten
zurückbleibt. Sie schließt daraus, dass der Verfallsschuldner das Risiko einer
Wertverschlechterung des Verfallsgegenstands zwischen dessen Erlangung und der
Veräußerung tragen soll. Diesen Sinngehalt hat die Vorschrift nach der Auffassung des
Senats aber nicht. Die Vorschrift geht auf den Entwurf der Bundesregierung für ein
Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1962 (BTDrs. IV/650, S. 1, 30) zurück, die vom
Sonderausschuss des Bundestags für eine Strafrechtsreform im Wesentlichen in leicht
erweiterter Form übernommen wurde (vgl. BTDrs. V/4095, S. 1, 40). In der Begründung
des Entwurfs der Bundesregierung aus dem Jahr 1962 (a.a.O. S. 245) heißt es hierzu,
dass die Vorschrift „für einen Ausnahmefall“ die Möglichkeit der Anordnung des
Wertersatzverfalls neben dem Verfall eines Ersatzgegenstands (nach § 73 Abs. 2 Satz 2
StGB in der seit dem 1. Januar 1975 geltenden Fassung) eröffnen soll, „z.B. dann wenn
der Täter das aus der Tat Erlangte zu einem Schleuderpreis verkauft oder Bestandteile
davon teils verkauft, teils verschenkt hat“. Mit der Vorschrift sollte also ausgeschlossen
werden, dass der Täter durch wertmindernde Verfügungen rechtsmissbräuchlich mit Erfolg
auf den wirtschaftlichen Gegenwert der Verfallsanordnung Einfluss nimmt. Die Bedeutung,
dass der Täter das Risiko der Wertverschlechterung des ursprünglich erlangten
Verfallsgegenstands tragen soll, kann der Vorschrift damit aber nicht entnommen werden
(ebenso Rönnau/Hohn, wistra 2002, 445, 451). Der Sinn der Verfallsvorschriften ist es
vielmehr, dem Täter das zu entziehen, was er aus der Tat erlangt hat. Hat sich der Wert
des erlangten Gegenstands ohne Zutun des Täters verschlechtert, so ist ihm nur der ihm
verbliebene Wert zu entziehen. Der Senat weicht dabei nicht von der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 27. August 1953 (BGHSt 4, 305, a.a.O.) ab, so dass eine
Divergenzvorlage nach § 121 Abs. 2 GVG an den Bundesgerichtshof zu unterbleiben hat.
Denn die Vorschrift des § 73a Satz 1 StGB, zu der der Senat Stellung nimmt, ist
zusammen mit den weiteren Vorschriften über den Verfall in §§ 73 bis 73e StGB erst mit
Wirkung ab dem 1. Januar 1975 in Kraft getreten (vgl. Schmidt in Leipziger Kommentar,
a.a.O., vor § 73, Rn. 11). Der Bundesgerichtshof hat sich demgegenüber zu § 401 Abs. 2
AO in der damals gültigen Fassung geäußert.
21 Somit ergibt sich aufgrund der tatrichterlichen Feststellungen nach dem Verkauf der
tatgegenständlichen Aktien folgende Berechnung des gegen den Angeklagten
anzuordnenden Wertersatzverfalls:
22
Wert 20.000 Stück M.-Aktien (Tat 1a,b):
18.800,00 Euro
Kaufpreis 8.169 Stück M.-Aktien (Tat 1c):
8.250,69 Euro
Kaufpreis 5.000 Stück D.-Aktien (Tat 2 a,b):
4.250,00 Euro
Wert 7.918 Stück D.-Aktien (Tat 3 a,b):
4.037,98 Euro
Wert 9.140 Stück W.-Aktien (Tat 3 c-f):
12.152.00 Euro
Summe:
47.490,67 Euro
23 Dabei hat der Senat den Verkehrswert der 7.918 R.-Aktien von 4.037,98 Euro aus der vom
Landgericht getroffenen Feststellung entnommen, dass der Angeklagte durch den Verkauf
von 12.918 R.-Aktien - nämlich einschließlich der 5.000 Stück R.-Aktien aus dem Depot
des früheren Mitangeklagten (Tat 2 a,b) - 6.587,86 Euro erzielt hat.
24 Eine (weitere) Herabsetzung dieses Verfallsbetrags nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB hat
das Landgericht im angefochtenen Urteil ohne Rechtsfehler nicht vorgenommen, weil das
Vermögen des Betroffenen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung
den Verfallsbetrag um einiges überschreitet.
25 Der Senat kann ausschließen, dass eine weitere Herabsetzung des Verfallsbetrags nach
der Generalklausel des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB in Betracht kommt. Hierfür gibt es
aufgrund der getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte. Der vom Angeklagten und
der Verteidigung angeführte Umstand, dass die Geschäfte für den Angeklagten
wirtschaftlich neutral waren und keinen Gewinn erbrachten, rechtfertigt dies nicht. Nach
den getroffenen Feststellungen kann eine wirtschaftliche Existenzgefährdung des
Angeklagten als Folge der Verfallsanordnung ausgeschlossen werden.
26 Der Senat setzt den Verfallsbetrag in Höhe von 47.490,67 Euro entsprechend § 354 Abs.
1, 3. Alt. StPO selbst fest, weil nach der gegebenen Rechtslage auf diesen bestimmten
Betrag zu erkennen ist (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 354, Rn. 9a m.w.N.). Im Fall eines
absolut bestimmten Verfallsbetrags läge ebenso wie bei einer absolut bestimmten Strafe
eine sinnlose Förmelei darin, die Sache zur Festsetzung dieses Betrags an das
Landgericht zurückzuverweisen.
27 B) Die Revision der Staatsanwaltschaft
28 1. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zulässige Revision gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 24. Mai 2013 auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz beschränkt. Der
Angriff der Staatsanwaltschaft gegen die vom Landgericht gewährte
Zahlungserleichterung für die Geldstrafe ist deshalb unzulässig.
29 2. Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt aus den dargelegten Gründen erfolglos.
Einer Aufhebung des angefochtenen Urteils auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft
bedarf es nicht, da - unabhängig davon, dass dieses Rechtsmittel auch zugunsten des
Angeklagten wirkt (§ 301 StPO) - das Urteil bereits auf die Revision des Angeklagten
aufzuheben ist.
30 3. Auch der Angriff der Staatsanwaltschaft gegen die Zahlungsfrist von sechs Monaten, die
das Landgericht dem Angeklagten für den Verfallsbetrag eingeräumt hat, greift nicht durch.
Vielmehr trägt die Feststellung des Landgerichts, dass das Gesamtvermögen des
Angeklagten im Wesentlichen in Aktien angelegt ist, die Bewertung, dass ihm nach seinen
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die sofortige Bezahlung des
Verfallsbetrags gemäß § 42 StGB nicht zuzumuten ist.
31 Die Kostenentscheidung beruht für beide Rechtsmittel auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Der
nicht erhebliche Teilerfolg des Angeklagten hinsichtlich der Höhe des Verfallsbetrags lässt
es nicht unbillig erscheinen, ihn mit den vollen Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§
473 Abs. 4 StPO).