Urteil des OLG Stuttgart vom 10.01.2013

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OLG Stuttgart Beschluß vom 10.1.2013, 8 W 13/13
Tenor
1. Die befristete Beschwerde des Beteiligten Z. 3 gegen den Beschluss des Notariats -
Nachlassgericht - Baiersbronn vom 9. November 2012, NG 18/2010, wird
zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte Z. 3 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 5.125,64 EUR
Gründe
I.
1 Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 4. Februar 2010 Nachlasspflegschaft
angeordnet und zum Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis der Sicherung und
Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben den Beteiligten Z. 28 bestellt,
wobei dieser die Pflegschaft berufsmäßig führt.
2 Die Beteiligte Z. 27 wurde mit Beschluss vom 29. Mai 2012 zum Nachlasspfleger bestellt
mit dem Wirkungskreis der Wahrung der Rechte der unbekannten Erben im
Zusammenhang mit dem Verkauf des Flurstücks 533 der Gemarkung R., wobei diese die
Pflegschaft ebenfalls berufsmäßig führt.
3 Entsprechend den Anträgen der Beteiligten Z. 27 und 28 vom 20. September 2012 (Z. 28),
abgeändert am 22. Oktober 2012, und vom 7. November 2012 (Z. 27) hat das Notariat mit
Beschluss vom 9. November 2012 die Vergütung und Aufwandsentschädigung für den
Beteiligten Z. 28 auf 4.971,70 EUR und für die Beteiligte Z. 27 auf 153,54 EUR festgesetzt.
4 Der Beteiligte Z. 3 hat hiergegen durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am 7.
Dezember 2012 Beschwerde eingelegt. Er bestreitet pauschal den Zeitaufwand,
insbesondere die angesetzten 9 h für Waldbegehungen einschließlich Fahrzeiten.
Außerdem hält er den abgerechneten Stundensatz von 100 EUR für überhöht.
5 Das Nachlassgericht hat mit formlosem Schreiben vom 7. Januar 2013 nicht abgeholfen
und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
6 Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in
der Sache keinen Erfolg. Die angegriffene Vergütungsfestsetzung ist nicht zu
beanstanden.
7 Die Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers erfolgt auf der Grundlage des § 168
FamFG. Dessen Absätze 1 bis 4 sind gemäß § 168 Abs. 5 FamFG auf die Pfleg-schaft
entsprechend anwendbar. Der Anspruch der Beteiligten Z. 27 und 28 auf Vergütung ihrer
Tätigkeit nebst Aufwendungsersatz beruht auf §§ 1915 Abs. 1, 1836, 1835 BGB.
Vergütungsfähig ist die aufgewandte Zeit, begrenzt durch die erforderliche Zeit
(Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2. Auflage 2009, Rn. 789, m.w.N.).
8 Da es sich nicht um einen mittellosen Nachlass handelt, erhält der Nachlasspfleger seine
Vergütung aus dem Nachlass. Bestehende Nachlassverbindlichkeiten bleiben außer
Betracht, da ansonsten eine Privilegierung der Nachlassgläubiger gegenüber der
Staatskasse gegeben wäre, obwohl aus § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO zu entnehmen ist, dass
die Nachlasspflegervergütung den Ansprüchen anderer Nachlassgläubiger vorgeht
(Leipold in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010, § 1960 BGB, Rn. 71 ff.,
m.w.N.).
9 Im Festsetzungsverfahren ist die vom Nachlasspfleger vorzulegende Aufstellung über
seinen konkreten Zeitaufwand auf ihre Plausibilität zu überprüfen (Leipold, a.a.O., § 1960
BGB Rn. 74).
10 Insoweit ist der Zeitaufwand plausibel und nachvollziehbar dargelegt. Dies gilt
insbesondere auch für die beiden Waldbegehungen vom 20. April 2010 und 13 November
2011 mit je 275 min, wobei allein die Fahrstrecke jeweils 280 km betrug. Bei dem
Waldgrundstück handelte es sich um das vorhandene Nachlassvermögen. Es wurde mit
notariellem Vertrag vom 10. Mai 2012 zu einem Kaufpreis von 26.360,20 EUR verkauft.
11 Der beanspruchte Stundensatz von 100 EUR ist angemessen und bewegt sich hinsichtlich
seiner vom Nachlasspfleger im einzelnen in dem Schreiben vom 21. Dezember 2012
dargelegten Qualifikation sowie dem Schwierigkeitsgrad der Nachlasspflegschaft in dem
von der Rechtsprechung anerkannten Bereich.
12 Der Regelsatz des VBVG mit 33,50 EUR je Stunde (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 VBVG) führt zu einer
unangemessen niedrigen Vergütung. Er ist daher bei Rechtsanwälten und auch sonst bei
entsprechender Qualifikation des Pflegers und Schwierigkeit der erbrachten Tätigkeit –
wie vorliegend – deutlich zu überschreiten. In Literatur und Rechtsprechung werden
unterschiedliche Stundensätze für angemessen erachtet. Sie bewegen sich zwischen dem
doppelten Satz des VBVG, also 67 EUR, einer Orientierung an der Entschädigung für
Sachverständige nach dem JVEG, also zwischen 50 und 95 EUR, und 150 EUR
(Palandt/Weidlich, BGB, 72. Auflage (2013) § 1960 Rn. 23; MünchKommBGB/Schwab
(2012) § 1915 Rn. 20; MünchKommBGB/Leipold (2010) § 1960 Rn. 73, 74;
Staudinger/Bienwald (2006) § 1915 Rn. 16; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft,
Rn.786, 787, je m.w.N.). In Fällen mit mittlerem Schwierigkeitsgrad blieb ein Stundensatz
von 110 EUR unbeanstandet (OLG Hamm NJW-RR 2011,1091; OLG Zweibrücken NJW-
RR 2008, 369). In einem schwierigen Fall hat das Brandenburgische Oberlandesgericht
einen Nettostundensatz von 130 EUR akzeptiert, eine noch höhere Vergütung jedoch für
nicht angemessen erachtet (FamRZ 2011, 926, m.w.N.).
13 Der hier vom Nachlasspfleger geltend gemachte Netto-Stundensatz von 100 EUR kann im
Hinblick auf das dem Nachlassgericht bei der Festsetzung eingeräumte Ermessen unter
Berücksichtigung der obigen Rechtsprechung sowie im Hinblick auf die fachliche
Qualifikation des Nachlasspflegers und den Schwierigkeitsgrad der Pflegschaft als
angemessen erachtet werden.
14 Ergänzend ist noch auf folgendes hinzuweisen:
15 Nach § 2 VBVG (entspricht der Regelung des § 1835 Abs. 1 S. 3 BGB für den
Aufwendungsersatz) erlischt der Vergütungsanspruch, wenn er nicht binnen 15 Monaten
nach seiner Entstehung beim Nachlassgericht in nachprüfbarer Form geltend gemacht
worden ist. Es handelt sich dabei um eine Ausschlussfrist.
16 Aufgrund der Pauschalierung der Vergütung beginnt die Ausschlussfrist nicht vor Ablauf
des einzelnen Monats (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1960 Rn. 22; Palandt/Diederichsen,
a.a.O., Anh. zu § 1836 § 2 VBVG Rn. 6).
17 Eine Verlängerung der Frist ist möglich, sofern der Antrag des Nachlasspflegers vor
Fristablauf eingeht. Die Fristverlängerung muss jedoch ausdrücklich erfolgen
(Jurgeleit/Maier, Betreuungsrecht 2. Auflage, § 2 VBVG Rn. 7; Palandt/Diederichsen,
a.a.O., § 2 VBVG Rn. 5, m.w.N.).
18 Insoweit war dem Nachlasspfleger zunächst mit Verfügung vom 19. Juli 2011 eine
Fristverlängerung bis zum 30. Juni 2012 gewährt worden. Am 4. Juni 2012 hat er eine
nochmalige Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2012 beantragt. Hierauf erfolgte
zwar keine schriftliche Bescheidung durch das Nachlassgericht, jedoch die mündliche
Gewährung ihm gegenüber, wie im Schreiben vom 21. Dezember 2012 unwidersprochen
vorgetragen. Danach wurde die Vergütungsfestsetzung rechtzeitig gegenüber dem
Nachlassgericht geltend gemacht, wovon dieses ebenfalls ausgegangen ist.
19 Bedenken gegen die Festsetzung der Vergütung und des Auslagenersatzes für die
Beteiligte Z. 27 für den Zeitraum vom 30. Mai 2012 bis 7. November 2012 (vergleiche
Antrag vom 7. November 2012) bestehen nicht und wurden mit der
Beschwerdebegründung auch nicht geltend gemacht.
20 Das Rechtsmittel des Beteiligten Z. 3 war demgemäß mit der Kostenfolge von §§ 84
FamFG, 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO als unbegründet zurückzuweisen.
21 Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO. Dabei
wurde berücksichtigt, dass der Beteiligte Z. 3 unbeschränkt gegen den Beschluss vom 9.
November 2012 Beschwerde eingelegt hat.
22 Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG liegen nicht vor.