Urteil des OLG Stuttgart vom 21.11.2006

OLG Stuttgart (kläger, beratung, geschäftsführer, kündigung, fristlose kündigung, sohn, zeitpunkt, beendigung, eingliederung, zur unzeit)

OLG Stuttgart Urteil vom 21.11.2006, 12 U 32/06
Beratungspflichtverletzung des Steuerberaters: Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens des
Mandanten
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts
Ellwangen vom 31.01.2006 - 5 O 519/04
a b g e ä n d e r t:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 140.000,00 EUR
Gründe
I.
1
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen steuerlicher Falschberatung. Die Beklagte Ziff. 1 ist eine
Steuerberatungsgesellschaft in Form einer Partnerschaftsgesellschaft. Der Beklagte Ziff. 2 ist Partner dieser
Gesellschaft, er führte die streitgegenständliche Beratung durch.
2
1. Der Kläger war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der E. GmbH (im Folgenden: GmbH), die sich mit
der Ausübung des Elektrohandwerks, nämlich der Lieferung und Montage der elektrischen Ausstattung für
Gebäude befasste (Gesellschaftsvertrag Anlage B II 1/229, Geschäftsführeranstellungsvertrag Anlage B II
2/234). Der Kläger ist Meister des Elektrohandwerks und fungierte zugleich als Betriebsleiter der GmbH. Der
Hauptbetrieb der GmbH befand sich in B., sie führte jedoch auch eine Zweigniederlassung in M.. Betriebsleiter
dieses Zweigbetriebs war Herr M..
3
Die Zweigniederlassung in M. nutzte auf der Grundlage eines am 30.06.1994 zwischen dem Kläger und der
GmbH geschlossenen Mietvertrags (Anlage K 2/14) ein Grundstück, das im Alleineigentum des Klägers
stand. Auf diesem Betriebsgrundstück befand sich ein Gebäude mit Verkaufsraum, Büro- und Lagerräumen
sowie einer Werkstatt.
4
Das Finanzamt B. ging in Anbetracht dieser Betriebsaufspaltung davon aus, dass die GmbH ihre gewerbliche
Tätigkeit nicht selbständig ausübte, sondern in das Unternehmen des Klägers eingegliedert war, dass also
eine Organschaft iSd § 2 Abs. 2 UStG vorlag.
5
Anfang 2003 stellte der Kläger fest, das die finanzielle Lage der GmbH problematisch war. Ein weiterer
Bankkredit wurde nicht bewilligt, da der Kläger im Hinblick auf ein anhängiges Scheidungsverfahren keine
Sicherheiten bieten konnte. Daraufhin wandte sich der Kläger am 17.03.2003 an RA H., um mit dessen Hilfe
einen Vergleich mit den Gläubigern der GmbH zustande zu bringen. Dies scheiterte jedoch, da nur wenige
Gläubiger dem Vorschlag zustimmten.
6
Der Kläger hatte die Beklagte Ziff. 1 in ständiger Vertragsbeziehung sowohl für sich als auch für die GmbH
mit der Buchführung, der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten und der laufenden steuerlichen
Beratung betraut, wobei der Beklagte Ziff. 2 für die Beklagte Ziff. 1 tätig wurde. Ob der Beklagte Ziff. 2 an
dem Gespräch vom 17.03.2003 mit RA H. beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls kam es
am 10.04.2004 zu einem Gespräch, an dem der Kläger, der Beklagte Ziff. 2 und RA H. teilnahmen. Ob dabei
über die umsatzsteuerliche Organschaft gesprochen wurde, ist allerdings ebenfalls streitig.
7
Mit einem beim Insolvenzgericht am 25.04.2003 eingegangenen Schreiben beantragte die GmbH, das
Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu eröffnen (Anlage K 4/14). Mit
Beschluss des Insolvenzgerichts vom 29.04.2003 wurde RA Dr. E. zum vorläufigen Insolvenzverwalter
bestellt, es wurde ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Wegen der weiteren Befugnisse des vorläufigen
Insolvenzverwalters wird auf den Beschluss vom 29.04.2003 (Anlage K 5/14) Bezug genommen.
8
Der Beklagte Ziff. 2 empfahl dem Kläger, das Mietverhältnis zu beenden. Streitig ist, ob er dem Kläger
erklärte, dass dies wegen umsatzsteuerrechtlicher Folgen der Organschaft geschehen solle. Jedenfalls
wandte sich der Kläger als Geschäftsführer der GmbH mit einem vom Beklagten Ziff. 2 formulierten Schreiben
vom 30.04.2003 (Anlage B 8/112) an den vorläufigen Insolvenzverwalter und bat u.a. um Zustimmung für die
Zahlung der für das Grundstück in M. zu entrichtenden Miete für den Monat Mai 2003. Die Miete war gemäß §
4 Ziff. 1 des Mietvertrags monatlich im voraus, spätestens am dritten Werktag eines Monats, zu bezahlen. Da
die Nutzungsüberlassung jedoch eigenkapitalersetzend war, verweigerte der vorläufige Insolvenzverwalter die
Zustimmung insbesondere unter Hinweis auf kapitalersatzrechtliche Grundsätze (Anlage B 9/112). Mit einem
wiederum vom Beklagten Ziff. 2 vorbereiteten Schreiben vom 02.05.2005 (Anlage K 7/14) erklärte daraufhin
der Kläger gegenüber der GmbH die fristlose Kündigung des Mietvertrags über das Betriebsgrundstück in M..
Ein Räumungsverlangen enthält das Schreiben nicht, es wird dort lediglich ausgeführt: „Hinsichtlich der
Räumung der Mieträume werden wir gesondert auf Sie zukommen.“ Dies ist jedoch nicht geschehen, vielmehr
nutzte die GmbH das Betriebsgrundstück weiter.
9
Am 08.05.2003 fand ein Gespräch bei der Bank statt, bei dem der vorläufige Insolvenzverwalter mit einer
Kanzleikollegin, der Kläger, der Beklagte Ziff. 2 sowie Mitarbeiter der Bank anwesend waren. Der vorläufige
Insolvenzverwalter äußerte Bedenken, ob die Organschaft durch die Kündigung des Mietvertrags beendet
worden sei. Der Beklagte Ziff. 2 hatte jedoch zwischenzeitlich das Finanzamt über die Kündigung informiert
und hatte dabei die Ansicht vertreten, diese habe die Organschaft beendet. Nachdem seitens des Finanzamts
kein ausdrücklicher Widerspruch erfolgt war, sah sich der Beklagte Ziff. 2 in seiner Vorgehensweise bestätigt
und brachte dies auch am 08.05.2003 zum Ausdruck. Streitig ist, ob der vorläufige Insolvenzverwalter auch
die Niederlegung der Geschäftsführung als eine aus seiner Sicht geeignete Maßnahme zur Beendigung der
Organschaft nannte.
10
Auf der Basis der Rechtsauffassung des Beklagten Ziff. 2, die umsatzsteuerliche Organschaft sei durch die
Kündigung beendet worden, erfolgten für die Zeit ab Mai 2003 keine Umsatzsteuervoranmeldungen durch den
Kläger als (bisherigen) Organträger mehr. Die GmbH tätigte jedoch auch nach der Insolvenzantragstellung
noch erhebliche Umsätze, da der Betrieb - mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters - fortgeführt
wurde.
11
RA H. wandte sich mit Schreiben vom 05.06.2003 und 12.06.2003 (Anlage B 3/45 und B 4/45) an den
Beklagten Ziff. 2. Er erklärte, die Kündigung des Mietvertrags sei aus insolvenzrechtliche Gründen
unwirksam. Man könne geltend machen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter faktisch wie ein starker
Insolvenzverwalter handele, also alle Entscheidungen treffe, allerdings bestünden gleichwohl insbesondere
hinsichtlich eines noch im Raum stehenden Vorsteuerberichtigungsanspruchs erhebliche Unsicherheiten. Eine
allerdings vage Möglichkeit sei die Aufgabe der Geschäftsführerstellung, jedoch sei dies nicht bzw. nur
bedingt anzuraten, da unter dem Aspekt der Kündigung zur Unzeit Schadensersatzansprüche drohten.
12
Mit Beschluss vom 29.06.2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet, der
bisherige vorläufige Insolvenzverwalter, RA Dr. E., wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
13
In der Zeit vor dem Eröffnungsbeschluss waren bereits Aktivitäten im Zusammenhang mit der Gründung einer
Auffanggesellschaft für die GmbH erfolgt. Der Kläger hatte ursprünglich geplant, dass sein damals 21jähriger
Sohn, der noch die Schule besuchte und sich auf das Abitur vorbereitete, eine Auffanggesellschaft für das
gesamte Unternehmen gründen sollte. Dies scheiterte aber aus finanziellen Gründen. Die vom Sohn des
Klägers tatsächlich noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegründete Auffanggesellschaft, die H..
GmbH, übernahm nur den Stammbetrieb der GmbH in B.. Der Sohn des Klägers war Alleingesellschafter und
Geschäftsführer der Auffanggesellschaft, der Kläger wurde als Betriebsführer eingestellt, da der Sohn des
Klägers nicht über einen Meistertitel verfügte. Der Zweigbetrieb in M. wurde vom bisherigen Betriebsleiter,
Herrn M., der ein einzelkaufmännisches Unternehmen gegründet hatte, übernommen. Herr M. mietete auch
das im Eigentum des Klägers stehende Betriebsgrundstück. Beide Auffangunternehmen nahmen am
01.07.2003 den Betrieb auf.
14
Der Kläger übertrug das Grundstück in M. mit notariellem Vertrag vom 26.09.2003 (Anlage B II 4/248) im
Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn.
15
Im Jahr 2003 fand eine Umsatzsteuersonderprüfung beim Kläger als früherem Organträger statt. Dem
Prüfungsbericht vom 22.12.2003 (Anlage B 2/45) zufolge bestand die Organschaft bis zur Eröffnung des
Insolvenzverfahrens am 29.06.2003 fort. Die wirtschaftliche Eingliederung sei durch die Kündigung des
Mietvertrags nicht beendet worden, weil nicht alle Rechtsbeziehungen abgewickelt worden seien, vielmehr das
Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage weiterhin unentgeltlich überlassen worden sei. Auch die
organisatorische Eingliederung habe fortbestanden, da der vorläufige Insolvenzverwalter nicht zum
allgemeinen Vertreter der Schuldnerin bestellt worden sei; die Durchsetzung des Willens des Organträgers in
der Organgesellschaft sei weiterhin möglich gewesen. Bezüglich der früher in Anspruch genommenen
Vorsteuer sei davon auszugehen, dass die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten erst mit Eröffnung des
Insolvenzverfahrens uneinbringlich geworden seien. Da die Organschaft bis zu diesem Zeitpunkt bestanden
habe, sei das Unternehmen des Organträgers zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs verpflichtet.
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Auf der Basis dieser Prüfungsfeststellungen setzte das Finanzamt B. mit Bescheiden vom 31.01.2004
(Anlage K 8/14 bis K 10/14) gegen den Kläger Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate April bis Juni
2003 wie folgt fest:
17
April 2003:
USt. ./. Vorsteuer:
6.485,92 EUR
Mai 2003:
USt. ./. Vorsteuer:
23.662,58 EUR
Juni 2003:
USt. ./. Vorsteuer:
769,12 EUR
Vorsteuer-
Berichtigung
137.659,94 EUR
138.429,06 EUR
Gesamt
168.577,56 EUR
abzüglich bereits für
April 2003 getilgter
Beträge
- 2.853,92 EUR
Restzahlung
165.723,64 EUR
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In Höhe eines Teilbetrags von 35.000 EUR wurde die Steuer auf Antrag des Klägers gestundet (Anlage K
11/14, Anlage B 6/80). Ein Antrag des durch die Beklagte Ziff. 1 vertretenen Klägers auf teilweisen Erlass der
Umsatzsteuer war erfolglos (Anlage K 13/14). Das Finanzamt leitete wegen eines Betrags von rund 100.000
EUR im Juni 2004 die Vollstreckung ein (Anlage K 12/14). Daraufhin trat der Kläger zur Sicherung der
Steueransprüche am 16.07.2004 Ansprüche auf Schadensersatz gegen die Beklagte Ziff. 1 wegen
Falschberatung (Vermeidung der Steuerpflicht des Organträgers bei rechtzeitiger Beendigung der
Organschaft) an das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Finanzamt B., ab (Anlage K 14/14). Der
Kläger wurde jedoch ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen einzuziehen (Anlage K 15/14).
19
Am 09.03.2005 erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2003 (Anlage K 18/102), dem für die Monate April bis
Juni 2003 die bereits in den Vorauszahlungsbescheiden genannten Beträge zugrunde liegen. Gegen diesen
Bescheid legte der weiterhin durch die Beklagte Ziff. 1 vertretene Kläger Einspruch ein. Der Einspruch wurde
(im Laufe des Berufungsverfahrens) mit Bescheid vom 28.03.2006 zurückgewiesen (Anlage B II 3/241). Die
Organschaft habe bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden, die organisatorische Eingliederung
sei durch die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters nicht beendet worden. Auch die
Vorsteuerberichtigung sei zutreffend gegen den Organträger, also den hiesigen Kläger, festgesetzt worden.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Ziff. 1 für den Kläger Klage zum Finanzgericht erhoben; das
Verfahren ist noch anhängig.
20
Bereits mit Schreiben vom 17.06.2004 (Anlage K 16/14) hatte sich der Kläger, vertreten durch seinen jetzigen
Prozessbevollmächtigten, an die Beklagten gewandt und hatte geltend gemacht, falsch beraten worden zu
sein. Die Kündigung des Mietvertrags sei eine zur Beendigung der Organschaft ungeeignete Maßnahme
gewesen, dem Kläger hätten stattdessen geeignete Maßnahmen empfohlen werden müssen, um die
Organschaft zu beenden und die aus deren Fortbestand resultierende Steuerfestsetzung gegen den Kläger zu
vermeiden.
21
2. Mit seiner im November 2004 erhobenen Klage hat der Kläger Schadensersatz in Höhe der festgesetzten
Umsatzsteuer einschließlich Vorsteuerberichtigung nebst den festgesetzten Säumniszuschlägen verlangt. Er
hat vorgetragen, der Rat, den Mietvertrag durch eine fristlose Kündigung zu beenden, sei falsch gewesen. Die
Kündigung sei bereits aus insolvenzrechtlichen Gründen unwirksam gewesen, insbesondere sei sie nicht
geeignet gewesen, die Organschaft zu beenden. Stattdessen hätte dem Kläger geraten werden müssen, die
Geschäftsführerstellung aufzugeben. Diesem Rat wäre der Kläger nachgekommen, was zur Beendigung der
Organschaft geführt hätte. Der Kläger hätte in diesem Fall die Umsatzsteuer einschließlich des mit Wirkung
für Juni 2003 festgesetzten Vorsteuerberichtigungsanspruchs nicht bezahlen müssen.
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Der Kläger hat beantragt,
23
die Beklagten zu verurteilen, an ihn 165.723,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von jährlich 12 % aus
122.437,45 EUR seit dem 23.01.2004 zu bezahlen,
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hilfsweise,
25
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger den Schaden zu
ersetzen, der ihm aus der fehlerhaften steuerlichen Beratung durch die Beklagten im Zusammenhang
mit dem vorläufigen Insolvenzverfahren ab dem 29.04.2003 entstanden ist.
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Die Beklagten haben beantragt,
27
die Klage abzuweisen.
28
Die Beklagten haben vorgetragen, dem Kläger nicht nur die Kündigung, sondern auch die Übergabe des
Mietobjekts empfohlen zu haben, der Kläger sei insoweit ihrem Rat aber nicht nachgekommen. Die
Organschaft sei allerdings bereits durch den Ausspruch der Kündigung beendet worden. Zudem habe der
vorläufige Insolvenzverwalter seine Befugnisse in einem derartigen Maß überschritten, dass der Kläger seinen
Willen in der GmbH nicht mehr habe durchsetzen können, was ebenfalls zur Beendigung der Organschaft
geführt habe. Umgekehrt sei die Niederlegung der Geschäftsführung keine geeignete Maßnahme, um die
Organschaft zu beenden. Einem ohnehin nicht sachgerechten und daher nicht geschuldeten Rat der
Beklagten zur Beendigung der Geschäftsführerstellung wäre der Kläger auch nicht nachgekommen, da zum
einen der ihn insoweit beratende RA H. von dieser Maßnahme abgeraten hätte, und zum anderen der Kläger
wegen der geplanten Überleitung des Unternehmens auf seinen Sohn weiterhin tätig sein wollte, wozu ihn
auch der vorläufige Insolvenzverwalter gedrängt habe.
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Schließlich sei die Festsetzung des Vorsteuerberichtigungsanspruch in Höhe von 137.659,94 EUR gegen den
Kläger als früheren Organträger unabhängig von einem Fortbestand der Organschaft, diese Steuer wäre also
in keinem Fall vermeidbar gewesen.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird Bezug genommen auf den
Tatbestand des landgerichtlichen Urteils.
31
3. Das Landgericht hat Beweis erhoben durch eine schriftliche Aussage und eine Vernehmung des
zuständigen Finanzbeamten K. sowie durch Vernehmung von RA H. und des Insolvenzverwalters, RA Dr. E..
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Mit dem angefochtenen Urteil vom 31.01.2006 hat das Landgericht die Klage im Hauptantrag und zudem für
die auf den Monat April 2003 entfallende Umsatzsteuer abgewiesen. Im Übrigen hat es auf den Hilfsantrag die
Ersatzpflicht der Beklagten festgestellt, da die Beklagten den Kläger falsch beraten hätten. Weder der Rat zur
bloßen Kündigung - ein Rat zur Räumung sei seitens der Beklagten nicht substantiiert dargelegt - noch die
Geltendmachung der behaupteten faktisch „starken“ Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters entspreche
dem Gebot, den sichersten Weg zur Beendigung der Organschaft zu empfehlen. Dieser hätte vielmehr darin
bestanden, das Geschäftsführeramt niederzulegen, was die Beklagten dementsprechend auch hätten
empfehlen müssen. Es bestehe eine tatsächliche Vermutung, dass der Kläger diesem Rat nachgekommen
wäre. Die Organschaft wäre dann, allerdings erst ab Mai 2003, beendet worden. Ein Schaden des Klägers in
Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer einschließlich Vorsteuerberichtigung für die Monate Mai und Juni 2003
sei wahrscheinlich, ob er allerdings tatsächlich eintrete, könne in Anbetracht des [scil. im Zeitpunkt des
landgerichtlichen Urteils] noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahrens nicht endgültig beurteilt werden,
weshalb der Kläger lediglich Feststellung und keine Zahlung verlangen könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug
genommen.
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4. Gegen das ihnen am 06.02.2006 zugestellte Urteil (Bl. 233 d.A.) haben die Beklagten mit Schriftsatz vom
23.02.2006, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, Berufung eingelegt (Bl. 191 d.A.) und haben
diese mit Schriftsätzen vom 06.04.2006, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, begründet (Bl. 197
d.A.).
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Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Insbesondere machen sie
geltend, die Niederlegung des Geschäftsführeramtes wäre rechtlich nicht ohne weiteres möglich gewesen,
einen neuen geeigneten Geschäftsführer mit entsprechender handwerklicher Qualifikation hätte der Kläger
nicht stellen können. Der Kläger hätte sich zu diesem Schritt auch nicht entschlossen, da er die GmbH bis
zur Übertragung auf seinen Sohn fortführen wollte und ihm auch RA H. davon abgeraten hätte. Zudem hätte
diese Maßnahme in Anbetracht der Stellung des Klägers als Alleingesellschafter die organisatorische
Eingliederung und damit die Organschaft nicht beendet.
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Die Beklagten beantragen,
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das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
38
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zur Niederlegung der Geschäftsführung macht er geltend, sein Sohn
hätte als Geschäftsführer zur Verfügung gestanden, zudem wäre die Einsetzung eines Notgeschäftsführers in
Betracht gekommen.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird Bezug genommen auf die von ihnen vorgelegten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 17.10.2006 (Bl. 298 d.A.).
II.
42
Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur
Klagabweisung.
43
Zwar liegt angesichts der schwer einzuschätzenden und für den Kläger mit erheblichen Risiken behafteten
steuerlichen Situation (1.) eine Pflichtverletzung des Beklagten Ziff. 2 vor, für die die Beklagte Ziff. 1 analog §
31 BGB einzustehen hat. Die Beratung seitens der Beklagten war unzureichend, denn sie haben dem Kläger
lediglich die Kündigung des Mietvertrags und damit eine ungeeignete Maßnahme empfohlen (2.). Die
Beklagten wären verpflichtet gewesen, dem Kläger auch die Niederlegung der Geschäftsführung als
Möglichkeit aufzuzeigen und die Inanspruchnahme einer ergänzenden gesellschaftsrechtlichen Beratung zu
empfehlen, um dem Kläger umfassende Informationen über Chancen und Risiken dieser Vorgehensweise
zukommen zu lassen (3.). Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Kläger diesen Schritt in einer
steuerlich wirksamen Weise vollzogen hätte, wäre er pflichtgemäß von den Beklagten und von seinem
Rechtsanwalt umfassend beraten und informiert worden (4).
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1. Die Beklagten mussten ihren Überlegungen zugrunde legen, dass die nahe liegende Gefahr bestand, dass
der Kläger erheblichen Forderungen des Finanzamts im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer ausgesetzt
sein würde.
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Spätestens Ende April 2003, als ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden war, mussten die
Beklagten als ständige steuerliche Berater des Klägers und der GmbH prüfen, ob und welche Maßnahmen zur
Beendigung der Organschaft empfohlen werden mussten. Ob ein früheres Tätigwerden erforderlich gewesen
wäre, kann dahinstehen, nachdem das Landgericht ausgesprochen hat, dass Ansprüche erst für die Zeit ab
Mai 2003 in Betracht kommen und der Kläger dies nicht mit einer Berufung angegriffen hat.
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a) Die Beklagten mussten davon ausgehen, dass in Anbetracht der Betriebsaufspaltung sowie der
Alleingesellschafter- und Alleingeschäftsführerstellung des Klägers in der GmbH eine umsatzsteuerliche
Organschaft iSd § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestand, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Dies
bedeutete, dass im Verhältnis zum Finanzamt der Organträger, also der Kläger mit seinem Unternehmen
„Grundstücksvermietung an die GmbH“, Schuldner der Umsatzsteuer war. Die Organgesellschaft, also die
GmbH, haftete für Umsatzsteuer nur im Rahmen des § 73 AO.
47
b) Solange die Organschaft fortbestand und die GmbH ungeachtet des Insolvenzantrags ihre Geschäfte
weiterführte, also steuerpflichtige Umsätze tätigte, musste der Kläger die dann entstehende
Umsatzsteuerschuld des Organkreises gegenüber dem Finanzamt tilgen, wobei zu befürchten war, dass
er im Innenverhältnis einen Ausgleich von der GmbH allenfalls in Höhe einer geringen Insolvenzquote
erhalten wird. In welchem Umfang eine Steuerbelastung zu befürchten war, war zwar noch nicht absehbar,
da dies davon abhing, wie lange es dauern würde, bis eine Entscheidung über die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens getroffen wird, und welche Umsätze bis zu diesem Zeitpunkt getätigt werden, aber
es stand jedenfalls das Risiko einer möglicherweise erheblichen Steuerbelastung im Raum. Diese
Steuerbelastung war sicher zu vermeiden, sollte es gelingen, die Organschaft durch geeignete
Maßnahmen zu beenden, da ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich - abgesehen von einer Haftung aus
sonstigen Gründen, etwa § 69 AO, wofür aber keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen
sind - die frühere Organgesellschaft, also die GmbH, und nicht mehr der Kläger als früherer Organträger
Umsatzsteuerschuldner sein würde.
48
c) Zudem musste das Problem der Vorsteuerberichtigung bedacht werden. Die GmbH hatte in der
Vergangenheit steuerpflichtige Leistungen bezogen, z.B. Elektrozubehör erworben, um es bei ihren
Auftraggebern einzubauen. In Anbetracht des Insolvenzantrags musste damit gerechnet werden, dass
das Entgelt aus Sicht der Lieferanten uneinbringlich werden würde, was zur Folge hatte, dass nicht nur
seitens der Lieferanten der Steuerabzug, sondern auch der damit korrespondierende Vorsteuerabzug auf
der Seite des Leistungsempfängers gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berichtigt werden musste. Dieser
Vorsteuerabzug war, nachdem der Organkreis der Soll-Versteuerung unterlag, in der Vergangenheit
erfolgt, hatte also bereits im Zeitpunkt des Erhalts der Lieferantenrechnung die Umsatzsteuerschuld des
Organkreises gemindert bzw. zu einer Steuererstattung geführt. Sobald jedoch das Entgelt uneinbringlich
geworden war, konnte das Finanzamt einen entsprechenden Vorsteuerberichtigungsanspruch geltend
machen.
49
Wenn die Organschaft in diesem Zeitpunkt noch bestand, würde der mit Uneinbringlichkeit der
Lieferantenforderung entstehende Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger als Organträger
festgesetzt werden. Dies entsprach einer gefestigten Rechtsprechung des BFH (BFH/NV 1992, 140;
BFH/NV 1994, 277, BFH/NV 2002, 1352; später auch - den Beklagten im Zeitpunkt der Beratung noch
nicht bekannt - BFH/NV 2004, 236; BFH/NV 2005, 558). Im Innenverhältnis des Organkreises war die
entsprechende Vorsteuer jedoch zumindest fast ausschließlich bei der GmbH entstanden, wie der Zeuge
K. angegeben hat (Bl. 167 d.A.). Dies liegt auch nahe, da die GmbH in großem Umfang Waren für ihre
Tätigkeit beziehen musste, wogegen umgekehrt der Bezug von Lieferungen und Leistungen seitens des
Klägers mit seinem Vermietungsunternehmen nur in sehr geringem Umfang vorstellbar ist.
Dementsprechend waren im Innenverhältnis auch die Vorteile der Vorsteuer der GmbH zugute
gekommen. Ohne den Insolvenzantrag hätte zwar der Kläger im Außenverhältnis den
Vorsteuerberichtigungsanspruch des Finanzamts erfüllen müssen, hätte den entsprechenden Betrag im
Innenverhältnis jedoch der GmbH belasten können. Dies war in Anbetracht des Insolvenzantrags nicht
mehr uneingeschränkt möglich. Wie bei der Umsatzsteuer für die künftige Tätigkeit der GmbH bestand
also die Gefahr, dass der Kläger eine Steuerschuld bezahlen musste, die im Innenverhältnis der GmbH
zuzuordnen war, ohne diesen Innenausgleich vornehmen zu können.
50
Ob diese Steuerbelastung im Zusammenhang mit der Vorsteuerberichtigung durch eine Beendigung der
Organschaft vermeidbar war, war offen. Dies hing zunächst davon ab, in welchem Zeitpunkt von einer
Uneinbringlichkeit der Lieferantenforderungen auszugehen war, da in diesem Zeitpunkt zugleich der
Vorsteuerberichtigungsanspruch entstand. Zwar fällt die Uneinbringlichkeit häufig mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens zusammen, jedoch ist dies nicht zwingend, Uneinbringlichkeit kann auch schon
vorher eintreten. Allerdings muss von den Beklagten als ständigen Beratern, die auch die Buchhaltung der
GmbH erledigten, gefordert werden, dass sie die erforderliche Beratung vornehmen, sobald die Gefahr
absehbar ist, dass Lieferantenforderungen uneinbringlich werden können, so dass dieser Aspekt im
Folgenden nicht von Bedeutung ist.
51
Insbesondere lag noch keine Entscheidung des BFH in einem Hauptsacheverfahren vor, gegen wen der
Vorsteuerberichtigungsanspruch festzusetzen ist, wenn die Vorsteuer zwar zu einem Zeitpunkt in
Anspruch genommen worden war, in dem die Organschaft noch bestand, die Uneinbringlichkeit aber erst
eintrat (und damit der Vorsteuerberichtigungsanspruch entstand), als die Organschaft beendet war.
Jedoch bestand die ernsthafte Möglichkeit, dass der BFH insoweit die Frage, wann die Organschaft
geendet hatte, für erheblich erachten würde.
52
In einem Fall, in dem die Organschaft im Dezember 1999 durch Verkauf von Geschäftsanteilen geendet
hatte und Anfang Februar 2000 der Insolvenzantrag über das Vermögen der früheren Organgesellschaft
gestellt, jedoch mangels Masse abgelehnt wurde, hatte das Finanzamt den
Vorsteuerberichtigungsanspruch mit Wirkung für Februar 2000 gegen den früheren Organträger
festgesetzt. Das FG Gotha (Az II 1091/00 V) hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV)
abgelehnt, da umsatzsteuerrechtlich der Organträger die vorsteuerbelasteten Leistungen bezogen habe,
also auch - unabhängig von einer zwischenzeitlichen Beendigung der Organschaft - Schuldner des
korrespondierenden Anspruchs auf Vorsteuererstattung sei. Der BFH entschied auf die zugelassene
Beschwerde am 06.06.2002 (Az. V B 110/01, BFHE 199, 55), also nahezu ein Jahr vor der hier
streitgegenständlichen Beratung, es sei - nicht zuletzt im Hinblick auf die vergleichbare Situation bei §
15a UStG - ernstlich zweifelhaft, ob nicht auch beim Vorsteuerrückerstattungsanspruch nach § 17 UStG
entscheidend auf den Zeitpunkt des die Rückforderung auslösenden Ereignisses abzustellen sei, ob es
mithin nicht auch hier erheblich sei, wenn das die Vorsteuerberichtigung auslösende Ereignis erst nach
Beendigung der Organschaft eintritt. In einer weiteren Entscheidung vom 06.06.2002, die in einem
Hauptsacheverfahren erging (Az. V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352), hob der BFH damit korrespondierend
hervor, die Zahlungspflicht des Organträgers sei nur für Fälle der bis zur Uneinbringlichkeit
fortbestehenden Organschaft geklärt. Ob dies auch gelte, wenn die Organschaft im Zeitpunkt der
Entstehung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs nicht mehr bestanden habe, sei damit nicht gesagt,
diese Frage sei noch ungeklärt.
53
Die erstgenannte BFH-Entscheidung vom 06.06.2002 im AdV-Verfahren wurde in der Literatur zwar
erwähnt, eine vertiefte Auseinandersetzung damit fand allerdings nicht statt. Rau/Dürrwächter-Stadie, § 2
UStG Rn. 726.1 (Stand Februar 2003) ist der Ansicht, der Vorsteuerberichtigungsanspruch sei in jedem
Fall gegen den (früheren) Organträger festzusetzen und zitiert die Entscheidung lediglich in einer Fußnote,
meint aber - im Gegensatz zu einer Verfügung der OFD H. in der damaligen Fassung vom 19.05.1999, S
7105-101-StH 542/ S 7105-40-StO 33 -, auch im Fall des § 15a UStG richte sich der Anspruch immer
gegen den Organträger (aaO Rn. 727.2), vermeidet also die vom BFH angesprochene
Ungleichbehandlung. Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft im Körperschaftssteuer-, Gewerbesteuer-
und Umsatzsteuerrecht, 6. Auflage, erwähnt zwar (Rn. 1539) die BFH-Entscheidung, vertritt jedoch - nicht
zuletzt aus fiskalischen Erwägungen - gleichwohl die Ansicht (Rn. 1468, 1539 f.), der
Vorsteuerrückforderungsanspruch müsse sich immer gegen den Organträger richten, da diesem auch der
Vorsteuerabzug zustand. Erst am 18.11.2004 (also nach der streitgegenständlichen Beratung) entschied
das Niedersächsische FG am 18.11.2004 (DStRE 2005, 972) in einem Hauptsacheverfahren, der
Vorsteuerberichtigungsanspruch sei ungeachtet einer zwischenzeitlichen Beendigung der Organschaft
gegen den Organträger, der die Vorsteuerbeträge in Anspruch genommen habe, festzusetzen. Die im
Hinblick auf den Beschluss des BFH vom 06.06.2002 zugelassene Revision ist noch beim BFH anhängig
(Az. V R 2/05).
54
Nach alledem mussten die Beklagten, denen die Entscheidung des BFH vom 06.06.2002 bekannt sein
musste, sehen, dass jedenfalls die Möglichkeit bestand, dass der BFH in einem Hauptsacheverfahren
entscheiden würde, dass ein Vorsteuerberichtigungsanspruch dann nicht mehr gegen den (früheren)
Organträger festgesetzt werden kann, wenn die Organschaft im Zeitpunkt der Entstehung dieses
Anspruchs bereits beendet war. Umgekehrt bestand keine Chance, die Festsetzung dieses Anspruchs
gegen den Kläger zu vermeiden, wenn die Organschaft bis zur Insolvenzeröffnung fortbestand. Wie hoch
ein möglicher Vorsteuerberichtigungsanspruch sein würde, konnten die Beklagten allerdings nicht sicher
abschätzen, da dies davon abhing, in welchem Zeitpunkt der Anspruch entstehen würde (im Zweifel im
Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, wie lange es aber bis dahin dauern würde, war unbekannt), und in
welcher Höhe in diesem Zeitpunkt Lieferantenforderungen, für die der Vorsteuererstattungsanspruch
bereits geltend gemacht war, noch bestehen würden. Zwar oblag auch die Führung der Buchhaltung der
GmbH den Beklagten, jedoch war für die Umsatzsteuervoranmeldungen eine Dauerfristverlängerung
gewährt worden, weshalb die Möglichkeit bestand, dass die Buchhaltung nicht auf dem aktuellen Stand
war. Auch bezüglich des Vorsteuerberichtigungsanspruchs musste jedenfalls davon ausgegangen
werden, dass hohe Beträge in Betracht kommen konnten.
55
Die Beklagten mussten also den Kläger zunächst dahingehend beraten, dass er bei einer fortbestehenden
Organschaft sicher mit Forderungen des Finanzamts in noch nicht abschätzbarer Höhe belastet werden
würde. Zudem mussten sie ihm erklären, dass eine schnellstmögliche Beendigung der Organschaft die
Situation des Klägers in steuerlicher Hinsicht insoweit verbessern würde, als er die künftig anfallende
Umsatzsteuer nicht schulden würde, dass allerdings bezüglich des Vorsteuerberichtigungsanspruchs keine
sichere Aussage getroffen werden könne, weil hier zumindest auch die Gefahr bestand, dass dieser
unabhängig von einer Beendigung der Organschaft gegen den Kläger festgesetzt werden könne. Jedoch
musste auch verdeutlicht werden, dass Maßnahmen mit dem Ziel einer Beendigung der Organschaft, die
unter rein steuerlichen Aspekten ausschließlich Vorteile bieten bzw. steuerliche Risiken des Klägers
reduzieren würden, möglicherweise unter anderen Aspekten neue Risiken beinhalten konnten. Insoweit
musste dem Kläger empfohlen werden, eine Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen, um
diese außersteuerlichen Aspekte prüfen zu lassen.
56
2. Die Beratung durch die Beklagten war unzureichend und daher pflichtwidrig. Sie haben dem Kläger eine
Maßnahme empfohlen, die bereits nicht geeignet war, die Organschaft zu beenden, und haben zudem dem
Kläger pflichtwidrig nicht genau erläutert, dass diese Maßnahme in zwei Schritten umgesetzt werden musste.
57
a) Die von den Beklagten empfohlene Kündigung des Mietvertrags war - unabhängig von einem
weitergehende Rat zur Räumung - keine geeignete Maßnahme, um die Organschaft über das Merkmal der
wirtschaftlichen Eingliederung zu beenden.
58
Die Kündigung war unwirksam. Dies folgt allerdings entgegen der Ansicht des Klägers nicht schon aus
der Kündigungssperre des § 112 InsO, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat. Diese Norm verhindert
nur die Kündigung wegen eines bereits vor der Insolvenzantragstellung eingetretenen Zahlungsverzugs.
Hier jedoch hatte der vorläufige Insolvenzverwalter erklärt, der Zahlung der künftigen Miete ab Mai 2003
nicht mehr zuzustimmen, der Zahlungsverzug war also erst in der Zukunft, in einer Zeit nach
Antragstellung, zu erwarten. Vielmehr steht die Unwirksamkeit der Kündigung im Zusammenhang mit der
Pflicht zur Erhaltung des Eigenkapitals der GmbH.
59
aa) Der Kläger hatte der GmbH das Betriebsgrundstück auf der Grundlage des Mietvertrags vom
30.06.1994 zur Nutzung überlassen. Diese Nutzungsüberlassung war bereits vor der Kündigung vom
02.05.2003 zu einer kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung geworden. Eine solche
Umqualifizierung eines Mietverhältnisses über ein Grundstück in funktionales Eigenkapital ist nach
der ständigen Rechtsprechung des BGH möglich, sie setzt voraus, dass der Gesellschafter der
GmbH die Nutzungsmöglichkeit beließ, obwohl sich die Gesellschaft bereits in der Krise befand und
der Gesellschafter die Möglichkeit gehabt hätte, die Nutzungsmöglichkeit zurückzufordern, also den
schuldrechtlichen Vertrag zu kündigen. Gleich zu behandeln sind Fälle, in denen der Gesellschafter
im Zeitpunkt des Eintritts der Krise zwar den Mietvertrag nicht kündigen kann, jedoch von der für ihn
als Gesellschafter bestehenden Möglichkeit, die Gesellschaft unter Entzug der ihr zur Verfügung
gestellten Mittel zu liquidieren, keinen Gebrauch macht (zum Ganzen BGHZ 109, 55; BGHZ 121, 31;
BGH NJW 1993, 2179; BGHZ 127, 1; BGH NJW 1998, 3200; BGH NJW 2000, 3565; BGH ZIP 2005,
484).
60
Die eigenen Angaben des Klägers bei seiner informatorischen Anhörung durch den Senat (Bl. 299
d.A.) erscheinen in zeitlicher Hinsicht bereits bedenklich. Danach stellte der Kläger nach einem
betriebswirtschaftlichen Seminar Anfang Januar 2003 (in erster Instanz Bl. 83 noch auf das Jahr 2002
datiert) fest, dass die GmbH nur noch über Aktiva von rund 50.000 EUR verfügte, und der Versuch,
eine Erweiterung der Bankkredite zu erhalten, schlug am 26.02.2003 fehl. Knapp drei Wochen später,
am 17.03.2003 fand ein Termin mit RA H. (dem Kläger zufolge auch mit dem Beklagten Ziff. 2) statt,
in dem Möglichkeiten eines Vergleichs mit den Gläubigern erörtert wurden. Es folgte am 24.03.2003
ein entsprechendes Schreiben an die Gläubiger mit der Bitte, sich bis 04.04.2003 zu erklären.
Nachdem nur wenige Gläubiger zustimmt hatten, ging ausweislich des Eingangsstempels wiederum
drei Wochen später, nämlich am Freitag, 25.04.2003, der Insolvenzantrag ein, den der Kläger
allerdings schon am 21.04.2003 gestellt haben will. Die Zeitspanne vom 26.02.2003 bis auch nur zum
21.04.2003 überschreitet die Frist des § 64 Abs. 1 GmbH deutlich. Befand sich die GmbH am
26.02.2003 in der Krise, hätte der Kläger, um die Umqualifizierung der Gebrauchsmöglichkeit in
Eigenkapital zu vermeiden, binnen drei Wochen, also spätestens am 19.03.2003, von der ihm als
Alleingesellschafter zu Gebote stehenden Möglichkeit, die Gesellschaft unter Entzug der ihr zur
Verfügung stehenden Mittel zu liquidieren bzw. einen Insolvenzantrag zu stellen, Gebrauch machen
müssen. Diese Frist konnte sich verlängern, solange nach objektiver Beurteilung erfolgversprechende
Verhandlungen über die Beseitigung der Krise geführt wurden. Allerdings verstrich vom 26.02.2003
bis zur Aufnahme der Verhandlungen in Form des Anschreibens an die Gläubiger eine Frist von mehr
als drei Wochen. Ob dieser Versuch erfolgversprechend war, kann nicht beurteilt werden, jedoch
spricht die Tatsache, dass nach den Angaben des Klägers nur wenige Gläubiger zustimmten,
dagegen.
61
Letztlich sind dem Senat eigene Feststellungen und Bewertungen nicht möglich, da kein
substantiierter Tatsachenvortrag der Parteien zur wirtschaftlichen Situation der GmbH und den
Erfolgsaussichten des Sanierungsversuchs vorliegt. Die Parteien haben aber bereits in erster Instanz
übereinstimmend vorgetragen, dass die Nutzungsüberlassung kapitalersetzend war (Bl. 129, 138, 147
d.A.). Im Berufungsverfahren argumentieren die Parteien ebenso auf dieser Grundlage (Bl. 202, 261
d.A.). Danach ist davon auszugehen, dass die Nutzungsüberlassung kapitalersetzende Funktion
hatte.
62
bb) Ist eine Gebrauchsüberlassung kapitalersetzend, hat dies zur Folge, dass der Gesellschafter das
laufende Nutzungsentgelt nicht fordern kann, die GmbH vielmehr, wie der vorläufige
Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 30.04.2003 zutreffend geltend gemacht hat, berechtigt ist, das
Grundstück unentgeltlich zu nutzen (BGH aaO). Die von den Beklagten empfohlene und auch
vorbereitete fristlose Kündigung des Mietvertrags wurde wegen des in Anbetracht der Erklärung des
Insolvenzverwalters für die Zeit ab Mai 2003 zu erwartenden Zahlungsverzugs ausgesprochen.
Nachdem jedoch keine Zahlungen geschuldet waren, kann auch kein Zahlungsverzug eintreten.
Mangels eines wichtigen Grundes war die Kündigung als fristlose Kündigung unwirksam. Eine darin
zugleich möglicherweise liegende ordentliche Kündigung konnte in Anbetracht der vereinbarten
vertraglichen Kündigungsfristen erst zum 31.12.2013 wirksam werden, konnte also ungeachtet der
Frage der Räumung des Grundstücks die Organschaft keinesfalls in auch nur absehbarer Zeit
beenden, was aber aus steuerlichen Gründen erforderlich gewesen wäre.
63
cc) Die zu einem früheren Zeitpunkt, vor Ausspruch der unwirksamen Kündigung, erfolgte
Umqualifizierung des Mietverhältnisses in funktionales Eigenkapital hatte nicht per se zum Ende der
wirtschaftlichen Eingliederung und damit der Organschaft geführt. Nach wie vor überließ der Kläger
der GmbH das auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene, nämlich mit einem geeigneten Gebäude mit
Werkstatt, Verkaufs- und Lagerräumen bebaute Grundstück, stellte der GmbH also für ihren
Zweigbetrieb in M. eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Verfügung. Dass diese Überlassung in der
konkreten Situation vom Kläger zunächst nicht beendet werden konnte, weil Grundsätze der
Kapitalerhaltung entgegenstanden, änderte nichts an der grundsätzlich bestehenden wirtschaftlichen
Abhängigkeit der Betriebsgesellschaft von der herrschenden Gesellschaft, also dem
Vermietungsunternehmen des Klägers. Der BFH hat mehrfach entschieden, dass die bloße
Möglichkeit, ein Vertragsverhältnis zu kündigen und der beherrschten Gesellschaft damit die
Betriebsgrundlage zu entziehen, ausreichend ist, auch wenn die ordentliche Kündigung auf
Jahrzehnte hinaus ausgeschlossen ist, also lediglich eine Kündigung aus wichtigem Grund in
Betracht kommt, deren Voraussetzungen erst noch eintreten müssen (BFHE 81, 678; BFHE 92, 46).
Eine vergleichbare Situation besteht hier. Der Kläger hatte zumindest die Möglichkeit, seiner GmbH
Kapital zukommen zu lassen und damit die Umqualifizierung des Mietverhältnisses in funktionales
Eigenkapital rückgängig zu machen. Danach konnte er, sollte Zahlungsverzug oder ein anderer
wichtiger Grund eintreten, das Mietverhältnis fristlos kündigen und der GmbH das Grundstück
entziehen.
64
Somit war der Rat zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses ungeeignet, da kein Kündigungsgrund
bestand, die Kündigung also unwirksam war, und die Organschaft, die nicht schon aus anderen Gründen
geendet hatte, nicht beenden konnte.
65
b) Darüber hinaus hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass eine isolierte Kündigung auch im Fall
ihrer Wirksamkeit nicht geeignet gewesen wäre, die wirtschaftliche Eingliederung und damit die
Organschaft zu beenden, dass es vielmehr erforderlich gewesen wäre, der GmbH die Betriebsgrundlage
tatsächlich zu entziehen. Sobald eine Kündigung ausgesprochen ist, ist die Abhängigkeit des
beherrschten Unternehmens sogar noch stärker als zuvor, da die Entziehung des Betriebsgrundstücks
jederzeit durch Geltendmachung des Räumungsanspruchs erfolgen kann. Erst wenn dieser Anspruch
tatsächlich durchgesetzt ist, die GmbH also den Besitz am Grundstück aufgegeben und dieses geräumt
hat, sind die Rechtsbeziehungen zwischen Organträger und früherer Organgesellschaft in Form der
wirtschaftlichen Förderung und Ergänzung beendet.
66
Wenn die Kündigung - was hier ohnehin nicht anzunehmen ist - im Grundsatz eine geeignete Maßnahme
zur Beendigung der Organschaft gewesen wäre, hätten die Beklagten dem Kläger genau erklären müssen,
wie diese Maßnahme zu vollziehen ist. Nachdem in dem von ihnen selbst formulierten
Kündigungsschreiben lediglich die Rede davon ist, wegen der Räumung werde der Kläger gesondert auf
die GmbH zukommen, wären die Beklagten in besonderem Maße verpflichtet gewesen, dem Kläger zu
verdeutlichen, dass dieser zweite Schritt, nämlich das konkrete Räumungsverlangen und dessen
Durchsetzung, schnellstmöglich erfolgen muss, da ansonsten die Wirksamkeit der Maßnahme nicht
gesichert ist.
67
Dass die Beklagten eine derartige Beratung durchgeführt haben, kann nicht angenommen werden. Zwar
hat grundsätzlich der Mandant zu beweisen, dass der Steuerberater die geschuldete Beratung nicht
erbracht hat, jedoch obliegt es zunächst dem Berater, substantiiert darzulegen, in welcher Weise er seine
Pflichten erfüllt haben will (BGH NJW 1995, 2842; BGH NJW 1996, 2571). Dieser sekundären
Darlegungslast sind die Beklagten, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, nicht hinreichend
nachgekommen. Sie haben nicht einmal vorgetragen, dem Kläger ausdrücklich erklärt zu haben, dass er
für die Räumung sorgen müsse, vielmehr verwenden sie eher vage Begriffe, so etwa, dem Kläger sei
„ausdrücklich bedeutet worden“, auch für die Übergabe des Grundstücks zu sorgen. Insbesondere fehlt
jede Angabe zu genaueren Zeitpunkten und Umständen der Beratung.
68
Somit haben die Beklagten dem Kläger eine Maßnahme vorgeschlagen, die schon per se nicht geeignet war,
die Organschaft zu beenden, und haben zudem diese Maßnahme, die zwei Schritte - Kündigung und
Durchsetzung des Räumungsanspruchs - erforderte, auch unvollständig erläutert, was sich allerdings nicht
mehr ausgewirkt hat.
69
3. Die Beklagten mussten, wie oben unter 1. dargelegt, davon ausgehen, dass die steuerliche Situation des
Klägers durch eine schnellstmögliche Beendigung der Organschaft jedenfalls verbessert werden würde, auch
wenn es nicht sicher war, ob alle drohenden umsatzsteuerlichen Belastungen vermeidbar waren. Zu diesem
Zweck mussten sie dem Kläger alle in Betracht kommenden Maßnahmen zur Beendigung der Organschaft
vorstellen und erklären. Insbesondere durften die Beklagten nicht davon ausgehen, dass die Organschaft
bereits unabhängig von etwaigen seitens des Klägers einzuleitenden Maßnahmen geendet hatte, vielmehr
bestand Handlungsbedarf.
70
a) Die Organschaft bestand noch. Es wurde bereits ausgeführt, dass die Problematik des Kapitalerhalts
und die damit zusammenhängende Umqualifizierung der Gebrauchsüberlassung in faktisches
Eigenkapital die wirtschaftliche Eingliederung unberührt ließ, also die Organschaft nicht beendet hatte
(s.o. Seite ). Gleiches gilt unter dem Aspekt der organisatorischen Eingliederung für die Bestellung des
vorläufigen Insolvenzverwalters; auch hier mussten die Beklagten bei der Beratung davon ausgehen,
dass dies keinen Einfluss auf die Organschaft hatte.
71
Die Beklagten machen im vorliegenden Verfahren geltend, der vorläufige Insolvenzverwalter habe in
einem derartigen Umfang seine vom Insolvenzgericht bestimmten Befugnisse überschritten, dass die
organisatorische Eingliederung der GmbH beendet worden sei, weil faktisch der Kläger seinen Willen in
der GmbH nicht mehr habe durchsetzen können. Ob und in welchem Umfang dieses von den Beklagten
behauptete Verhalten des vorläufigen Insolvenzverwalters in dem frühen Zeitpunkt, in dem eine Beratung
seitens der Beklagten erfolgen musste, bereits absehbar war, kann letztlich dahinstehen. In jedem Fall
war die von den Beklagten jetzt vertretene Rechtsansicht in erheblichem Maße risikobehaftet.
72
Der vorläufige Insolvenzverwalter war als „schwacher“ vorläufiger Verwalter bestellt worden, es war
lediglich angeordnet worden, dass Verfügungen des Schuldners, also der GmbH, nur mit Zustimmung des
vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 InsO). Das Insolvenzgericht hatte
nicht etwa ein allgemeines Verfügungsverbot (§§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 2 HS 1 InsO) ausgesprochen.
Die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters ergaben sich überwiegend bereits aus dem Gesetz (§
22 Abs. 3 InsO), weitergehende Befugnisse waren nur insoweit angeordnet, als der vorläufige
Insolvenzverwalter Bankguthaben und sonstige Forderungen einziehen und eingehende Gelder
entgegennehmen sollte. Nach dem Umfang der formalen Bestellung konnte der vorläufige
Insolvenzverwalter lediglich Maßnahmen des Klägers als Geschäftsführer blockieren. Der BFH hat zwar
für das frühere Konkurs- und Vergleichsverfahren auf die Befugnisse des Sequesters im Einzelfall
abgestellt, hat es aber schon damals nicht für die Beendigung der Organschaft ausreichen lassen, dass
Organträger und Sequester gleich stark sind, also keiner ohne den anderen handeln kann (BFH NJW
1996, 1694; BFHE 182, 426; BFH/NV 2002, 223; BFH Urt. vom 16.08.2001, Az. V R 34/01).
Entscheidungen des BFH zur InsO lagen im Zeitpunkt der Beratung durch die Beklagten noch nicht vor,
die Beklagten mussten aber befürchten, dass die Rechtsprechung des BFH unverändert fortgeführt
werden würde. Dies würde für die InsO bedeuten, dass die Organschaft nicht beendet wird, wenn nur ein
„schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, da auch dann die Situation gegeben ist, dass
Organträger und vorläufiger Insolvenzverwalter gleich stark sind (so inzwischen tatsächlich auch BFHE
204, 250 vom 01.04.2004, BFH/NV 2006, 1366 vom 03.03.2006, wobei zudem hervorgehoben wurde, die
früheren Grundsätze zur KO, wonach es auf den Einzelfall ankomme, seien nicht ohne weiteres auf die
InsO übertragbar).
73
Zur Frage einer etwaigen Befugnisüberschreitung war im Zeitpunkt der Beratung durch die Beklagten in
der Rechtsprechung der Finanzgerichte bereits mehrfach entschieden worden, dass diese nicht zum
Wegfall der organisatorischen Eingliederung führt, vielmehr der Organträger seine Rechtsposition durch
entsprechende Anträge im Insolvenzeröffnungsverfahren wahren müsse (FG Nürnberg, Urt. vom
10.04.2000, KTS 2001, 509, nachfolgend BFH 27.10.2000, Az. V B 102/00: Revision nicht zugelassen,
da keine grundsätzliche Bedeutung; FG Nürnberg, Urt. vom 09.08.2001, EWiR 2002, 361; Schleswig-
Holsteinisches FG, Urt. vom 24.09.2002, EFG 2003, 1582, nachfolgend - jedoch erst am 01.04.2004 -
BFHE 204, 520, wo diese Überlegung nicht beanstandet wurde; FG Münster, Urt. vom 01.04.2003, EFG
2004, 612).
74
Unter Berücksichtigung der damals schon vorliegenden Entscheidungen war die Ansicht, die im Zeitpunkt
der Beratung bereits erfolgte oder jedenfalls absehbare behauptete Überschreitung der Befugnisse habe
die organisatorische Eingliederung und damit die Organschaft unabhängig von etwaigen weiteren
Maßnahmen beendet, hoch risikobehaftet, sie durfte keinesfalls der Beratung zugrunde gelegt werden.
75
b) Danach mussten die Beklagten dem Kläger Maßnahmen nennen und ggf. empfehlen, die geeignet
waren, die Organschaft zu beenden, weil in steuerlicher Hinsicht ein Handlungsbedarf bestand.
76
Welche Maßnahmen insoweit von den Beklagten zu nennen waren, hat der Senat nicht von Amts wegen
zu prüfen. Vielmehr ist es Sache des Klägers, nicht nur darzulegen und zu beweisen, dass die
tatsächliche Beratung pflichtwidrig war, sondern auch in gleicher Weise vorzubringen, welche Beratung
geschuldet gewesen wäre. Der Kläger kann nur dann mit Erfolg einen Anspruch gegen seinen Berater
geltend machen, wenn neben der Pflichtverletzung in Form der unzureichenden oder unrichtigen Beratung,
dem haftungsbegründenden Tatbestand, auch eine haftungsausfüllende Kausalität vorliegt, der
behauptete Schaden also ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Darlegungs- und
beweispflichtig für den gesamten Kausalverlauf ohne die Pflichtverletzung ist der Mandant, ihm kommt
lediglich insoweit eine Beweiserleichterung zugute, als die haftungsausfüllende Kausalität nach Maßgabe
des § 287 ZPO und nicht nach dem strengeren Maßstab des § 286 ZPO festzustellen ist. Dem Kläger
obliegt es daher auch, vorzutragen, wie die vom Berater richtigerweise geschuldete Beratung hätte lauten
müssen. Nachdem der Kläger im vorliegenden Fall nur vorgetragen hatte, die Beklagten hätten ihn über
die Möglichkeit aufklären müssen, die Geschäftsführerstellung niederzulegen, hat sich die rechtliche
Prüfung auf diese Maßnahme zu beschränken.
77
Erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.11.2006 zeigt der Kläger angebliche andere
Alternativen auf: Er hätte seine Geschäftsanteile an der GmbH einer Frau B. verkaufen oder schenken
können oder hätte das Betriebsgrundstück an Frau B. oder einen Herrn G. verkaufen bzw. seinem Sohn
schenken können. Dieser Vortrag ist jedoch gemäß § 296a iVm § 525 ZPO nicht zu berücksichtigen; er
gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
78
Zutreffend ist, worauf der Kläger hinweist, dass das Landgericht unrichtigerweise davon ausging, der
Kläger könne sich bezüglich der Niederlegung der Geschäftsführerstellung auf die Vermutung
beratungsgerechten Verhaltens berufen, und dass das Landgericht darüber hinaus ohne weiteres annahm,
diese Niederlegung hätte die Organschaft beendet, ohne zu berücksichtigen, dass die Amtsniederlegung,
wie nachfolgend zu erörtern ist, nur wirksam möglich ist, wenn zugleich ein Nachfolger bestellt wird, und
dass schließlich die steuerliche Relevanz dieser Maßnahme davon abhängt, welche Person als
Nachfolger bestellt wird. Allerdings haben die Beklagten in ihrer Berufungsbegründung (S. 10 ff., Bl. 206
d.A.) und ergänzend im Schriftsatz vom 20.04.2006 (Bl. 257 d.A.) umfassend die Fragen problematisiert,
ob der Kläger sein Amt überhaupt hätte jederzeit niederlegen können, ob es einen „Ersatzmann“ als
Geschäftsführer gegeben hätte, ob und welche Aspekte gegen die Niederlegung gesprochen hätten, ob
unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vermutung beratungsgerechten
Verhaltens in dieser Situation zur Anwendung kommen kann, und ob schließlich die etwaige Niederlegung
des Amts steuerliche Auswirkungen gehabt hätte. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 04.05.2006 (Bl. 261
d.A.) auf diesen Vortrag der Beklagten erwidert, hat sich aber weiterhin nur darauf gestützt, die Beklagten
hätten ihm den Rat zur Niederlegung des Geschäftsführeramtes erteilen müssen, wobei er seinen Vortrag
insoweit ergänzt hat, als er vorgetragen hat, sein Sohn hätte als Geschäftsführer zur Verfügung
gestanden. Die Beklagten haben schließlich mit Schriftsatz vom 05.10.2006 (S. 6 ff., Bl. 278 d.A.)
nochmals dargelegt, warum aus ihrer Sicht auch der weitere Vortrag des Klägers unzureichend sei. Der
Senat hat sodann im Termin am 17.10.2006 ausweislich des Sitzungsprotokolls (S. 6 ff., Bl. 303 d.A.)
seine Rechtsansicht dargelegt, und hat zu erkennen gegeben, dass er die vorgenannten Einwendungen
der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil teilt, wobei er berücksichtigt hat, dass der Kläger bei
seiner Anhörung im Termin erklärte hatte, dass sein Sohn damals noch Schüler war.
79
Es kann dahinstehen, wie zu entscheiden wäre, hätte der Kläger bereits im Termin vor dem Senat am
17.10.2006 substantiierten Vortrag gehalten, dass andere Möglichkeiten bestanden hätten, die
Organschaft zu beenden (Veräußerung/schenkweise Übertragung des Grundstücks oder der
Geschäftsanteile an eine seriöse Person, also nicht an einen „Firmenbestatter“), die er wahrgenommen
hätte, hätten die Beklagten ihm dazu geraten. Tatsächlich ist der Vortrag in einem nicht nachgelassenen
Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt. Hier stellt sich nicht primär die Frage, ob
der Vortrag im Hinblick auf § 531 ZPO noch berücksichtigt werden könnte (zu dieser Frage ist aber das
vom Kläger zitierte Urteil des BGH vom 21.09.2004, Az. VII ZR 173/03, NJW-RR 2005, 167 ergangen),
vielmehr liegt ein Fall des § 296a iVm § 525 ZPO vor. Im Hinblick auf § 296a S. 2 ZPO sind wiederum die
§§ 139 Abs. 5 und 156 ZPO zu prüfen; § 283 ZPO scheidet ersichtlich aus.
80
Eine Schriftsatzfrist nach § 139 Abs. 5 ZPO hat der Kläger nicht beantragt. Jedenfalls im Anwaltsprozess
ist das Gericht auch nicht verpflichtet, einer Partei ohne einen derartigen Antrag eine Schriftsatzfrist zu
gewähren (OLG Hamm NJW-RR 2004, 2543). Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, in dem der
Senat in keiner Weise einschätzen konnte, ob der Kläger noch weiteren Vortrag hätte halten können. Dies
hing nämlich nicht nur von der abstrakten Rechtsfrage ab, welche weiteren theoretischen Möglichkeiten
es gab, eine umsatzsteuerliche Organschaft zu beenden, sondern insbesondere auch von den dem
Kläger tatsächlich zu Gebote stehenden Handlungsoptionen. Der Senat kann nicht wissen, ob der Kläger
Personen gefunden hätte, die bereit gewesen wären, im damaligen Zeitpunkt mit ihm einen Kauf- oder
Schenkungsvertrag über die GmbH-Anteile oder das Grundstück zu schließen.
81
Auch § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat ist im Termin seinen Hinweis-
und Aufklärungspflichten nachgekommen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger nach den konkreten
Umständen nicht zu einer sofortigen Reaktion imstande gewesen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass die Frage der Handlungsoptionen des Klägers bei entsprechender Beratung durch die Beklagten in
den Schriftsätzen im Berufungsverfahren umfassend thematisiert worden war, es konnte nicht davon
ausgegangen werden, dass die im Termin geäußerte Rechtsauffassung des Senats für den Kläger völlig
überraschend war (insoweit liegt eine grundlegend andere Konstellation vor als im Beschluss des BGH
vom 18.09.2006, Az. II ZR 10/05). Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hätte entsprechend reagieren können. Der Kläger war
persönlich anwesend, die Information, dass er Personen kannte, die zum Abschluss eines Kauf- oder
Schenkungsvertrags bereit gewesen wären, hätte er seinem Prozessbevollmächtigten auf dessen
entsprechende Frage in einer Pause geben können, so dass der Klägervertreter den jetzt im Schriftsatz
vom 18.11.2006 enthaltenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung hätte halten können. Der Senat hat
die Sitzung nach Erteilung der rechtlichen Hinweise ausreichend lange unterbrochen; die Parteien hatten
Gelegenheit, diese Hinweise und die sich daraus ergebenen Folgen mit ihren Prozessbevollmächtigten zu
besprechen.
82
Es verbleibt also dabei, dass der Senat ausschließlich den Vorwurf der unterbliebenen Beratung
hinsichtlich der Niederlegung der Geschäftsführerstellung zu prüfen hat.
83
c) Die Beklagten waren verpflichtet, dem Kläger zu erläutern, dass die Amtsniederlegung in rein
steuerlicher Hinsicht zumindest unter bestimmten Bedingungen die Chancen erhöhte, die Organschaft zu
beenden, dass aber erhebliche Unsicherheiten verblieben, dies also schon steuerlich keinesfalls ein
sicherer Weg war. Darüber hinaus mussten sie dem Kläger empfehlen, ergänzend eine (gesellschafts-)
rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, die richtigerweise zu dem Ergebnis geführt hätte, dass die
Beendigung der Geschäftsführerstellung in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht schwierig und zudem
risikobehaftet ist.
84
aa) Die Aufgabe der Beklagten bestand darin, die steuerliche Beratung im Zusammenhang mit den
sich stellenden Fragen der Organschaft vorzunehmen.
85
Sie können nicht mit Erfolg geltend machen, faktisch sei der Kläger bezüglich der Niederlegung
seines Amtes ausschließlich von RA H. beraten worden. Zwar war es tatsächlich so, dass die
Beklagten sich mit dieser Möglichkeit nicht befasst haben, da der Beklagte Ziff. 2 von vornherein der
Ansicht war, die Maßnahme sei nicht erfolgversprechend. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die
Beklagten dem Kläger die etwaigen steuerlichen - insoweit nicht dem Mandat des RA H.
unterliegenden - Auswirkungen dieser Maßnahme hätten erläutern müssen, auch wenn sie im
Ergebnis dazu gekommen wären, dass die steuerliche Situation durch diesen Schritt allenfalls
geringfügig verbessert worden wäre. In der steuerlich problematischen Situation war es geboten, dem
Kläger jede Möglichkeit aufzuzeigen, die die Chancen zumindest erhöhte, die Organschaft zu
beenden und damit die drohende Steuerbelastung ganz oder eventuell auch nur teilweise zu
vermeiden.
86
In diesem Zusammenhang ist auch die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der vorläufige
Insolvenzverwalter bei einer Besprechung die Amtsniederlegung als mögliche Maßnahme zur
Beendigung der Organschaft erwähnte, unerheblich. Die Beklagten waren verpflichtet, aus eigener
Sachkunde diese in Betracht kommende Möglichkeit zu erkennen, hinsichtlich ihrer steuerlichen
Auswirkungen einzuschätzen und den Kläger entsprechend zu informieren, unabhängig davon, ob ein
Dritter diese Vorgehensweise erwähnt hatte.
87
bb) Die Beklagten hätten jedoch im Rahmen der geschuldeten Beratung auch erklären müssen, dass
die steuerliche Wirksamkeit der Amtsniederlegung fraglich ist und keinesfalls sicher zum
gewünschten Erfolg führt. Dabei musste zum einen die oben (Seite ) diskutierte Frage angesprochen
werden, dass offen war, ob der Vorsteuerberichtigungsanspruch eventuell unabhängig vom
Fortbestand der Organschaft in jedem Fall gegen den Kläger als (früheren) Organträger festgesetzt
werden würde. Insbesondere musste dargelegt werden, dass bereits nicht sicher war, ob die
Niederlegung der Geschäftsführerstellung überhaupt die Organschaft beenden würde.
88
Die Maßnahme zielte auf die Beseitigung der organisatorischen Eingliederung. Diese wäre in ihrem
Umfang sicher zumindest deutlich herabgesetzt worden, wenn der Kläger nicht mehr Geschäftsführer
der GmbH gewesen wäre. Allerdings war der Kläger nach wie vor Alleingesellschafter und konnte auf
dem Weg über die Gesellschafterversammlung das Handeln eines etwaigen neuen Geschäftsführers
beeinflussen. In früheren Entscheidungen neigte der BFH dazu, dieser Tatsache erhebliche
Bedeutung beizumessen, also letztlich aus der finanziellen Eingliederung auf eine organisatorische
Eingliederung zu schließen (BFHE 89, 402; BFHE 92, 46), allerdings waren in beiden Fällen weitere
Indizien für eine organisatorische Eingliederung gegeben. In einer späteren Entscheidung (BFH/NV
1993, 133) hob der BFH jedoch hervor, dass aus der finanziellen Eingliederung nicht
notwendigerweise die organisatorische Eingliederung folge, sondern dafür vielmehr erforderlich sei,
dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit einer Beherrschung der
Organgesellschaft durch den Organträger in der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft
tatsächlich wahrgenommen werden müsse. In diesem Sinne führt auch Schmidt/Müller/Stöcker, Die
Organschaft im Körperschaftssteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht, 6. Auflage, Rn. 1375
und 1381 aus, die bestehende Möglichkeit, dass der Organträger etwa aufgrund der finanziellen
Beherrschung seinen Willen durchsetzen könne, reiche nicht, vielmehr müsse die
Beherrschungsmacht durch organisatorische Maßnahmen tatsächlich verwirklicht sein. Das FG
Baden-Württemberg (EFG 2006, 1110; Revision beim BFH anhängig unter Az. V R 76/05) fordert
nicht einmal eine „Gestaltung“ der Beziehungen in Form organisatorischer Maßnahmen, sondern lässt
die faktische Beherrschung grundsätzlich ausreichen, wobei es sogar davon ausgeht, dass eine
Vermutung besteht, dass der finanziell beherrschende Gesellschafter auf die Geschäftsführung der
beherrschten Gesellschaft einwirkt, diese Vermutung aber vom Gesellschafter widerlegt werden
könne. Eine derartige Vermutung nimmt auch Rau/Dürrwächter-Stadie, § 2 UStG Rn. 698 an.
89
Die Beklagten mussten danach dem Kläger erklären, dass eine Niederlegung der
Geschäftsführerstellung steuerlich wirkungslos war, also nicht einmal die Organschaft beenden
konnte, wenn der Kläger danach noch immer mittelbar oder unmittelbar Einfluss auf die Geschäfte der
GmbH nahm. In Anbetracht der hier wegen der Alleingesellschafterstellung des Klägers im maximalen
Maße verwirklichten finanziellen Eingliederung konnte sogar nicht völlig ausgeschlossen werden,
dass die organisatorische Eingliederung als eigenständiges Merkmal bei der Beurteilung durch die
Finanzverwaltung bzw. ggf. die Finanzgerichtsbarkeit keine Rolle mehr spielen würde oder jedenfalls
zu Lasten des Klägers die vorstehend dargestellte Vermutung zur Anwendung käme, die dann vom
Kläger zu widerlegen wäre. In steuerlicher Hinsicht war es, um überhaupt eine Chance zu haben, die
organisatorische Eingliederung zu beenden, unabdingbar, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen,
der vom Kläger persönlich wie auch sachlich weitestgehend unabhängig war, also auch möglichst
nicht der Hilfe und Beratung durch den Kläger bedurfte, um die GmbH fortführen zu können. Auch in
diesem Fall jedoch war der steuerliche Erfolg der Maßnahme nicht sicher, sondern vielmehr
risikobehaftet, was die Beklagten dem Kläger klar sagen mussten.
90
cc) Hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Fragen und Probleme der Niederlegung des
Geschäftsführung mussten die Beklagten dem Kläger raten, ergänzend RA H. zu konsultieren, da die
steuerliche Beurteilung der Frage, ob eine Person noch Geschäftsführer ist, von den
gesellschaftsrechtlichen Grundlagen abhängt. Es gibt nicht etwa einen gesonderten steuerrechtlichen
Geschäftsführerbegriff (so ausdrücklich SaarländOVG, Urt. vom 27.03.1990, Az. 1 R 281/87; inzident
durch Bezugnahme auf die zivilrechtliche Rspr. zur Amtsniederlegung auch BFH/NV 1993, 707;
BFHE 143, 203).
91
Dass der Kläger diesem Rat gefolgt wäre, kann ohne weiteres unterstellt werden, denn faktisch war
RA H. insoweit für den Kläger tätig und befasste sich auch mit dieser Frage. Im tatsächlichen Ablauf
der Geschehnisse fehlte lediglich die diesbezügliche steuerliche Beratung durch die Beklagten,
zudem war die von RA H. vorgenommene Prüfung der Rechtslage nicht umfassend genug. In dem
hier zu diskutierenden fiktiven Kausalverlauf ist jedoch davon auszugehen, dass RA H. ausdrücklich
beauftragt worden wäre, dieses Thema umfassend zu untersuchen, und dementsprechend auch eine
vollständige und richtige Beratung erteilt hätte.
92
(1) RA H. hätte dem Kläger erklären müssen, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung
davon auszugehen war, dass eine sofortige Beendigung des Amtes, also der vom
Anstellungsvertrag zu unterscheidenden Organstellung, nur wirksam werden konnte, wenn
zugleich ein neuer Geschäftsführer bestellt wurde.
93
Die Beendigung der Organstellung durch Niederlegung des Geschäftsführeramtes ist möglich,
wobei der BGH für die mehrgliedrige GmbH hervorgehoben hat, dass diese Niederlegung
grundsätzlich sofort wirksam ist, unabhängig davon, ob sie auf einen wichtigen Grund gestützt
wird oder nicht (BGHZ 121, 257; BGH NJW 1995, 2850). Bereits vor der Entscheidung BGHZ
121, 257 vom 08.02.1993 hatten allerdings Instanzgerichte entschieden, dass die Niederlegung
des Amts durch den Alleingeschäftsführer einer GmbH, der zugleich ihr Alleingesellschafter ist,
unwirksam ist, wenn der Alleingesellschafter nicht zugleich einen neuen Geschäftsführer bestellt
(BayObLGZ 1981, 266; BayObLGZ 1992, 253; OLG Hamm OLGZ 1988, 411). Der BGH hat in
seiner Entscheidung vom 08.02.1993 nicht etwa ausgeführt, der von ihm für eine mehrgliedrige
GmbH aufgestellte Grundsatz der sofortigen Wirksamkeit gelte in gleicher Weise auch für die
GmbH mit einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer, sondern hat vielmehr ausdrücklich offen
gelassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Amtsniederlegung wegen Erklärung
zur Unzeit oder wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unwirksam sein könne. Dementsprechend
haben die Instanzgerichte auch nach dieser Entscheidung des BGH die vorzitierte
Rechtsprechung fortgeführt (BayObLGZ 1999, 171; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 609; KG
KGRep 2001, 234; OLG Dresden NotBZ 2005, 112 für die Amtsniederlegung sämtlicher
Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder bei einer AG). Zugrunde liegt der Gedanke, dass die
Amtsniederlegung gerade in der Krise der GmbH rechtsmissbräuchlich ist, da sie zur
Handlungsunfähigkeit der GmbH führt, obwohl die GmbH in dieser wirtschaftlich schwierigen
Situation in besonderem Maße auf ihren Geschäftsführer angewiesen ist, nicht zuletzt, um ihre
Rechte im Insolvenzverfahren wahrzunehmen. Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer, der
freiwillig die Verantwortung für die GmbH übernommen, sie aber in die Situation der Insolvenzreife
gebracht hat, darf sich dieser Verantwortung und den damit zusammenhängenden Pflichten als
Geschäftsführer nicht durch eine Amtsniederlegung entziehen; ein derartiges Verhalten wäre
rechtsmissbräuchlich. Dementsprechend kommt auch die Bestellung eines Notgeschäftsführers
nicht in Betracht, da keine Notlage vorliegt, sondern diese erst durch das rechtsmissbräuchliche
Verhalten des Alleingesellschafter-Geschäftsführers herbeigeführt würde. Gerade in der Situation
der Insolvenzreife kann zudem regelmäßig die Vergütung eines Notgeschäftsführers nicht
sichergestellt werden, mit der Folge, dass sich niemand findet, der bereit wäre, dieses Amt zu
übernehmen.
94
Von dieser Rechtsprechung musste RA H. ausgehen und musste sie dem Kläger verdeutlichen,
ihm also erklären, dass er einen neuen Geschäftsführer suchen musste, wenn er sein Amt
niederlegen wollte. Dabei lag auf der Hand, dass es unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs
keinen Unterschied machen würde, ob der Kläger sein Amt durch eine Erklärung in seiner
Eigenschaft als Alleingeschäftsführer niederlegte oder ob er in seiner Eigenschaft als
Alleingesellschafter einen Beschluss fasste, sich als Geschäftsführer abzuberufen; die
letztgenannte Möglichkeit wäre lediglich ein untauglicher Versuch, die vorgenannten Grundsätze
der Rechtsprechung zu umgehen (so jetzt ausdrücklich OLG Zweibrücken OLGRep. 2006, 501;
diese Entscheidung konnte RA H. allerdings noch nicht kennen).
95
(2) Zudem musste RA H. dem Kläger erklären, dass die Niederlegung des Geschäftsführeramtes
in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht Risiken barg, da Schadensersatzansprüche der GmbH
entstehen konnten, wenn diese Niederlegung zur Unzeit erfolgte.
96
Derartige Schadensersatzansprüche konnten z.B. entstehen, wenn Aufträge der GmbH nicht
ordnungsgemäß durchgeführt und fertig gestellt werden konnten, weil sich ein etwaiger neuer
Geschäftsführer nicht so gut auskannte wie der Kläger, mit den laufenden Aufträgen nicht
vertraut war, Besonderheiten der Bauvorhaben nicht kannte etc. Dabei handelt es sich entgegen
der Ansicht des Klägers nicht um die Verletzung etwaiger insolvenzrechtlicher Pflichten. Vielmehr
stehen Pflichten in Rede, die der Kläger in seiner Eigenschaft als Alleingesellschafter-
Geschäftsführer gegenüber der GmbH hatte und die durch den Insolvenzantrag nicht geendet
hatten. Ebenso handelte es sich nicht um Ansprüche des Insolvenzverwalters, sondern um
drohende Schadensersatzansprüche der GmbH, die der Insolvenzverwalter lediglich hätte geltend
machen können. Ob und in welchem Umfang derartige Ansprüche entstehen konnten, konnte
nicht konkret abgeschätzt werden, allerdings hatte die GmbH, was zwischen den Parteien
unstreitig ist, im Zeitpunkt des Insolvenzantrags in erheblichem Umfang laufende, noch nicht
abgeschlossene Aufträge. Da die Beklagten verpflichtet waren, von Anfang an die Möglichkeit der
Amtsniederlegung als steuerliche Option darzustellen und insoweit auch auf die Beiziehung von
RA H. hinzuwirken, wäre auch die Beratung durch RA H. in einem sehr frühen Zeitpunkt erfolgt, in
dem noch nicht absehbar war, wie lange das Insolvenzeröffnungsverfahren noch dauern würde
und welche Aufträge in welchem Umfang gefährdet sein konnten, in welchem Umfang also
Schadensersatzansprüche drohten.
97
Das Risiko derartiger Ansprüche konnte allerdings deutlich verringert werden, wenn der Kläger
auch nach einer Niederlegung des Amtes einem neuen Geschäftsführer in weitem Umfang
beratend zur Seite stand, also seine fachlichen und insbesondere betriebsspezifischen
Kenntnisse einbrachte und drohende gesellschaftsschädliche Fehlentscheidungen eines neuen
Geschäftsführers gegebenenfalls mit Hilfe einer entsprechenden Weisung der
Gesellschafterversammlung korrigierte. Allerdings war in steuerlicher Hinsicht unter dem Aspekt
der gewünschten Beendigung der organisatorischen Eingliederung genau diese fortbestehende
tatsächliche Einflussnahme auf die Geschäftsführung unbedingt zu vermeiden. Es bestand also
ein Konflikt zwischen der steuerlich und der gesellschaftsrechtlich anzustrebenden Situation, der
nicht auflösbar war.
98
RA H. musste den Kläger auf diese drohenden Schadensersatzansprüche hinweisen und musste
erklären, dass in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht - insoweit im diametralen Gegensatz zur
steuerlichen Beratung der Beklagten, wie sie richtigerweise hätte lauten müssen - unter dem
Aspekt der Risikoverringerung der Kläger auch nach einer Amtsniederlegung weiterhin Einfluss
auf die Geschäftsführung der GmbH nehmen sollte, um dieser mit seinen Kenntnissen und
Fähigkeiten zur Verfügung zu stehen.
99
Im Zusammenwirken beider Berater hätte der Kläger danach belehrt werden müssen, dass eine wirksame
Niederlegung des Geschäftsführeramtes die gleichzeitige Bestellung eines neuen Geschäftsführers erfordert.
Steuerlich sollte dieser vollständig unbeeinflusst vom Kläger agieren, genau dies aber erhöhte umgekehrt
gesellschaftsrechtlich das Risiko, dass der Kläger mit Schadensersatzansprüchen der GmbH in nicht
abschätzbarer Höhe konfrontiert wird. Auch der steuerlich wünschenswerte Zustand eines unabhängigen
neuen Geschäftsführers war in Anbetracht der maximalen finanziellen Eingliederung und der daraus
möglicherweise folgenden Vermutung keinesfalls ein sicherer Weg zur Beendigung der Organschaft.
Schließlich bestand bezüglich des der Höhe nach nicht abschätzbaren Vorsteuerberichtigungsanspruchs
zumindest das Risiko, dass dieser in jedem Fall, unabhängig von einer Beendigung der Organschaft, gegen
den Kläger festgesetzt würde, die diesbezügliche Steuerbelastung also unvermeidbar war. Insgesamt konnte
die Niederlegung des Geschäftsführeramtes keinesfalls uneingeschränkt empfohlen werden, vielmehr musste
der Kläger nach dieser umfassenden steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Beratung die Vor- und
Nachteile selbst abwägen und nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Aspekten entscheiden, wie er vorgehen will.
100 4. Es kann auch unter Berücksichtigung der dem Kläger zugute kommenden Beweiserleichterung des § 287
ZPO nicht festgestellt werden, dass sich der Kläger bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten, also einer
Beratung im oben dargestellten Sinne einschließlich der ergänzenden gesellschaftsrechtlichen Beratung durch
RA H. dazu entschlossen hätte, die Geschäftsführerstellung in einer Weise niederzulegen, die Auswirkungen
auf seine steuerliche Situation gehabt hätte.
101
a) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass er das Amt niedergelegt und seinen Sohn formal
zum Geschäftsführer bestellt hätte, wäre er über diese Möglichkeit informiert worden. Diese
Vorgehensweise hätte jedoch die steuerliche Situation des Klägers nicht verbessert, vielmehr wäre von
einer fortbestehenden Organschaft auszugehen gewesen.
102
Der damals 21jährige Sohn des Klägers befand sich noch in der Schule und bereitete sich auf das Abitur
vor. Er verfügte nicht einmal über Kenntnisse im Tätigkeitsbereich der GmbH, erst recht hatte er nicht
den erforderlichen Meistertitel. Der Kläger musste daher nicht nur weiterhin als Betriebsleiter mit
Meistertitel zur Verfügung stehen, sondern musste insbesondere faktisch die Geschäfte der GmbH
führen, da sein Sohn, der die Schule besuchen musste, dazu bereits in zeitlicher Hinsicht nicht imstande
war, zudem fehlten ihm betriebliche Erfahrung und fachliche Ausbildung. Hätte der Kläger einen Schüler
als neuen Geschäftsführer eingesetzt, ohne diesen mit Rat und Tat zu unterstützen, hätte ein derart
hohes Risiko von Schadensersatzansprüchen der GmbH bestanden, dass RA H. von dieser
Vorgehensweise dringend hätte abraten müssen. Zudem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der
Kläger seinen Sohn in eine Situation gebracht hätte, die dieser offensichtlich nicht alleine bewältigen
konnte, und die für diesen deshalb wiederum mit unkalkulierbaren Risiken verbunden gewesen wäre.
103
In diesem Zusammenhang muss insbesondere berücksichtigt werden, dass es im Interesse des Klägers
und seines Sohns lag, den Betrieb der GmbH ungeachtet des zwischenzeitlich gestellten
Insolvenzantrags möglichst ungestört fortzuführen, um die Übernahme des Geschäftsbetriebs durch den
Sohn aus der Insolvenzmasse zu ermöglichen. Der Kläger hat in seiner Klage selbst ausgeführt (Bl. 8
d.A.), er habe eine übertragende Sanierung gewünscht, es habe seinem Wunsch entsprochen, dass die
GmbH während des vorläufigen Insolvenzverfahrens Arbeiten ausführt. Auch bei seinen informatorischen
Anhörungen klang dieser Gedanke zumindest an, denn der Kläger erklärte vor dem Landgericht (Bl. 83
d.A.), ihm sei daran gelegen gewesen, dass die laufenden Aufträge der GmbH zur Zufriedenheit der
Kundschaft fertig gestellt werden, und ergänzte vor dem Senat (Bl. 303 d.A.), er habe seinen guten
Namen in M. nicht riskieren wollen, er habe vermeiden wollen, dass es heiße „der Schlawiner lässt uns
hängen“. Bemühungen um den Erhalt des guten Namens „H.“ und auch um die Zufriedenheit der
Kundschaft sind aber in Anbetracht des bereits gestellten Insolvenzantrags wirtschaftlich nur dann
verständlich, wenn beabsichtigt war, den Betrieb mit gleichem Tätigkeitsfeld, also gleicher Kundschaft,
und unter Verwendung des Namens „H.“ nach einer übertragenden Sanierung fortzuführen. Tatsächlich hat
der Kläger auch entsprechende Aktivitäten entfaltet, die Auffanggesellschaft für seinen Sohn wurde noch
vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegründet, die neue Gesellschaft konnte bereits am 01.07.2003
ihren Betrieb aufnehmen. Ebenso erklärte RA H. bei seiner Zeugenaussage (Bl. 169 d.A.), der Kläger
habe bereits bei einer Besprechung am 17.03.2003, also noch vor Stellung des Insolvenzantrags, gefragt,
ob ein Teil des Unternehmens auf seinen Sohn übertragen werden könne, dem Kläger sei grundsätzlich
daran gelegen gewesen, die Firma oder zumindest einen Teil davon für seinen Sohn zu erhalten. Auch der
als Zeuge vernommene vorläufige Insolvenzverwalter, RA Dr. E., sagte aus (Bl. 171 d.A.), die vorläufige
Betriebsfortführung habe dem Wunsch des Klägers entsprochen, er, Dr. E., sei damit einverstanden
gewesen, solange auf seinem Konto Deckung vorhanden war. Der Kläger habe die Kunden halten wollen
im Hinblick darauf, dass sein Sohn nach der Verfahrenseröffnung möglicherweise den Betrieb
übernehmen wollte.
104
Diese Vorgehensweise, bei der der Sohn des Klägers nur pro forma als Geschäftsführer eingesetzt wird,
faktisch jedoch der Kläger weiterhin das Amt innehat, war in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht risikoarm
und war mit dem von Kläger und seinem Sohn angestrebten Ziel einer übertragenden Sanierung, die eine
möglichst ungestörte Betriebsfortführung bis zur Übertragung erforderte, vereinbar, weshalb auch
angenommen werden kann, der Kläger hätte diese Maßnahme so durchgeführt.
105
In steuerlicher Hinsicht wäre jedoch gegenüber der tatsächlichen Situation keine auch nur geringfügige
Besserstellung des Klägers erfolgt. Die Einsetzung eines Schülers als Geschäftsführer einer GmbH, bei
dem es sich zudem um den Sohn des Alleingesellschafters handelt, verbunden mit einer praktisch
unveränderten Einflussnahme des Alleingesellschafters und bisherigen Geschäftsführers auf die
Geschäftsführung ist offensichtlich ungeeignet, die organisatorische Eingliederung zu beenden. Vielmehr
hätte sich die Rolle des Sohns des Klägers auf die eines Strohmanns beschränkt, faktisch hätte der
Kläger - lediglich mit der Beschränkung durch den insolvenzrechtlichen Zustimmungsvorbehalt - weiterhin
seinen Willen in der GmbH durchgesetzt, als ob er noch Geschäftsführer gewesen wäre.
106
Hätte sich der Kläger wegen dieser steuerlichen Konsequenzen nicht dafür entschieden, seinen Sohn als
Geschäftsführer zu bestellen oder wäre dieser mit der Bestellung nicht einverstanden gewesen, so hätte
sich die unterbliebene Belehrung seitens der Beklagten ebenfalls nicht ausgewirkt.
107
b) Dass der Kläger das Geschäftsführeramt in einer anderen, steuerlich zumindest möglicherweise
wirksamen Weise niedergelegt hätte, also insbesondere einen von ihm unabhängigen neuen
Geschäftsführer bestellt und sich jeglicher Einflussnahme auf die Geschäftsführung enthalten hätte, kann
auch nicht nach Maßgabe des § 287 ZPO festgestellt werden; hierfür besteht keine überwiegende
Wahrscheinlichkeit.
108
aa) Es fehlen bereits Darlegungen des Klägers, wer - abgesehen von seinem Sohn - als
Geschäftsführer in Betracht gekommen wäre. Wie oben (Seite ) bereits ausgeführt, ist der Kläger
darlegungspflichtig für den Kausalverlauf, wie er sich bei richtiger Beratung dargestellt hätte. Dazu
gehört im vorliegenden Fall auch, wen er auf der Basis einer zutreffenden gesellschaftsrechtlichen
Beratung, wonach die Wirksamkeit der Amtsniederlegung von der Bestellung eines neuen
Geschäftsführers abhängt, zum Geschäftsführer bestellt hätte. Der Kläger hat hierzu lediglich
ausgeführt, die Übernahme des Amts sei für jeden gefahrlos möglich gewesen, da bereits
Insolvenzantrag gestellt war; andere Personen als seinen Sohn hat er nicht benannt. Schon diese
Überlegungen des Klägers greifen aber zu kurz. Für die Bereitschaft, eine Geschäftsführerstellung zu
übernehmen, ist nicht nur das Risiko von Bedeutung, vielmehr stellt sich die Frage der Bezahlung.
Diese war aber nicht sichergestellt, nachdem die GmbH bereits einen Insolvenzantrag gestellt hatte;
dass der Insolvenzverwalter die Zustimmung erteilt hätte, einen neuen Geschäftsführer einzustellen
und diesen in üblicher Höhe zu bezahlen, kann nicht angenommen werden. Zudem kamen im Hinblick
auf die oben dargestellten Risiken einer Schadensersatzpflicht gegenüber der GmbH nur
branchenkundige, erfahrene Personen für das Amt in Betracht. Diese mussten jedoch befürchten,
dass ihr Name, der in sämtlichen Veröffentlichungen des Insolvenzgerichts genannt werden würde,
mit der Insolvenz der GmbH in Verbindung gebracht würde, in Lieferanten- und Kundenkreisen wie
auch bei anderen in dieser Branche tätigen Unternehmen also der Eindruck entstünde, diese Person
hätte letztlich die Insolvenz der GmbH verursacht. Da die Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH,
die sich bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren befindet, voraussichtlich zeitlich sehr begrenzt ist,
musste ein möglicher neuer Geschäftsführer stets bedenken, dass er seinen guten Namen und
seinen Ruf wahren musste, um eine Anschlussbeschäftigung finden oder ggf. ein eigenes
Unternehmen betreiben zu können. Diese Erwägungen schränken den Kreis der möglichen neuen
Geschäftsführer erheblich ein, weshalb es für einen substantiierten Vortrag zur haftungsausfüllenden
Kausalität erforderlich gewesen wäre, dass der Kläger zur Übernahme dieses Amtes bereite Personen
konkret benennt.
109
bb) Auch wenn unterstellt wird, dass es dem Kläger gelungen wäre, einen potentiellen neuen
Geschäftsführer zu finden, kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden,
dass der Kläger diesem das Amt übertragen und sich fortan jeglicher Einflussnahme auf die Führung
der Geschäfte enthalten hätte, sich also in einer Weise verhalten hätte, die steuerlich zumindest
möglicherweise eine Verbesserung gegenüber der tatsächlich bestehenden Situation zur Folge gehabt
hätte.
110
Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann sich der Kläger nicht auf die Vermutung
beratungsgerechten Verhaltens berufen. Die Anwendung dieser Vermutung setzt voraus, dass ein
bestimmter Rat geschuldet war und es in der gegebenen Situation unvernünftig gewesen wäre, diesen
Rat nicht zu befolgen; sie kann hingegen nicht zum Tragen kommen, wenn verschiedene
Entscheidungen ernsthaft in Betracht kommen und die Aufgabe des Beraters lediglich darin besteht,
dem Mandanten durch die erforderlichen fachlichen Informationen eine sachgerechte Entscheidung zu
ermöglichen (BGHZ 123, 311; BGH NJW-RR 1999, 641; BGH NJW 2000, 2814; BGH NJW 2004,
444). Aus der vom Landgericht zitierten Entscheidung BGH NJW-RR 1992, 1110 ergibt sich nichts
anderes, vielmehr lag dort, ohne dass der BGH dies ausdrücklich feststellte, eine Situation vor, in der
bei richtiger Beratung nur eine einzige Entscheidung in Betracht gekommen wäre. Der Steuerberater
hatte für seinen Mandanten eine Klage erhoben, die jedoch unzulässig war, worüber der Berater den
Mandanten nicht belehrt hatte. Vernünftige Gründe für die Erhebung einer unzulässigen Klage lagen
nicht vor.
111
Im vorliegenden Fall bestand dagegen eine offene Beratungssituation, wie oben dargestellt. Die
Verhaltensweise, die in steuerlicher Hinsicht die Gefahr einer der Höhe nach noch nicht
abschätzbaren Umsatzsteuerbelastung zumindest verringern, aber wegen der Vorsteuerproblematik
auch nicht in vollem Umfang sicher abwenden konnte, barg umgekehrt in gesellschaftsrechtlicher
Hinsicht ein erhebliches Risiko der Belastung mit Schadensersatzansprüchen in ebenfalls damals
noch nicht abschätzbarer Höhe. Die in wirtschaftlicher Hinsicht gewünschte übertragende Sanierung
auf den Sohn erforderte einen möglichst ungestörten Fortgang der Geschäfte bis zur Übertragung,
also die weitere Mitwirkung des fach- und sachkundigen Klägers, was aber umgekehrt in steuerlicher
Hinsicht unbedingt zu vermeiden war. Jede in Betracht kommende Verhaltensweise hatte auf
bestimmten Gebieten Vorteile bzw. erhöhte die Chancen auf eine dem Kläger günstige Lösung,
beinhaltete jedoch umgekehrt auf anderen Gebieten Nachteile und Risiken.
112
Vor diesem Hintergrund ist die Erklärung des Klägers im Rahmen seiner Anhörung durch das
Landgericht (Bl. 83 d.A.), wenn ihm gesagt worden wäre, dass er sein Amt als Geschäftsführer der
GmbH niederlegen müsse, um das umsatzsteuerrechtliche Problem sicher zu lösen, hätte er dies
sofort gemacht, er wäre nie das Risiko eingegangen, 160.000 EUR Steuern persönlich bezahlen zu
müssen, weitgehend bedeutungslos, da sie sich auf eine Situation bezieht, die bei richtiger Beratung
nicht bestanden hätte. Es gab nicht diesen einen einfachen Weg, der nur Vorteile hatte und zudem
die gesamte Steuerbelastung sicher vermieden hätte.
113
Zu berücksichtigen ist die Erklärung des Klägers insoweit, als er angegeben hat, nicht bereit gewesen
zu sein, ein finanzielles Risiko in einer Größenordnung von 160.000 EUR einzugehen. Auch dies lässt
jedoch nicht den Schluss zu, dass der Kläger sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die
steuerlich sinnvolle, wenngleich nicht sichere Niederlegung des Amts bei gleichzeitiger Einsetzung
einer von ihm unabhängigen Person als Geschäftsführer entschieden hätte. Dies würde nämlich
voraussetzen, dass bereits im damaligen Zeitpunkt absehbar war, dass die in Betracht kommende
und zumindest möglicherweise vermeidbare Steuerbelastung diese Größenordnung erreichen würde,
und dass umgekehrt auszuschließen war, dass die bei dieser Vorgehensweise jedenfalls drohenden
Schadensersatzersatzansprüche der Gesellschaft dieselbe Größenordnung erreichen würden. Wie
sich aus der Höhe der nach dem Insolvenzantrag angefallenen Umsatzsteuer ergibt, hatte die GmbH
ersichtlich laufende Aufträge in großem Umfang. Wären diese nicht ordnungsgemäß fertig gestellt
worden, weil der Kläger sein Geschäftsführeramt niederlegt, ohne für einen geeigneten und
kompetenten Nachfolger zu sorgen und diesen zu unterstützen, hätten also auch entsprechend hohe
Schadensersatzansprüche entstehen können. Dass eine klare Aussage, die drohende, aber
vermeidbare Steuer werde sicher höher sein als die anderenfalls drohenden
Schadensersatzansprüche, bereits im Zeitpunkt der Beratung, die zu Beginn des
Insolvenzeröffnungsverfahrens erfolgen musste, möglich war, ist nicht ersichtlich und wird vom
Kläger auch nicht geltend gemacht.
114
Danach hat der Kläger bereits nicht substantiiert dargelegt, wen er - abgesehen von seinem Sohn - als
neuen Geschäftsführer hätte einsetzen können, und insbesondere hat er keine Tatsachen vorgetragen,
die in Anbetracht der komplexen Entscheidungssituation den Schluss zulassen, der Kläger hätte sich
zumindest überwiegend wahrscheinlich dafür entschieden, sein Amt als Geschäftsführer niederzulegen,
einen neuen Geschäftsführer zu bestellen und danach von Einflussnahmen auf die Geschäftsführung
abzusehen, was wiederum Voraussetzung dafür gewesen wäre, dass die steuerliche Situation zumindest
möglicherweise günstiger gewesen wäre als sie es tatsächlich ist.
115 Somit liegt zwar eine Pflichtverletzung der Beklagten vor, jedoch kann auch unter Berücksichtigung der
Beweiserleichterung des § 287 ZPO nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei einer zutreffenden Beratung
Maßnahmen getroffen hätten, die ihn in steuerlicher Hinsicht besser gestellt hätten. Es fehlt an der
haftungsausfüllenden Kausalität, weshalb die Klage abzuweisen ist, die Berufung der Beklagten also Erfolg
hat.
III.
116 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den
§§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
117 Ein Grund, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, besteht nicht, da die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.