Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: gesetzlicher vertreter, firma, unternehmen, beteiligter, verwalter, vorschuss, umgestaltung, leistungsurteil, konkurseröffnung, offenkundig

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 24/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 5 Nr 1 SpruchG, § 6 Abs 2 S
1 SpruchG, § 16 Abs 2 S 4
SpruchG, § 17 Abs 2 S 1
SpruchG, § 306 Abs 4 AktG
Spruchverfahren: Stellung des Insolvenzverwalters nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
vorschusspflichtigen Gesellschaft
Leitsatz
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
vorschusspflichtigen Gesellschaft i.S.d. §§ 17 Abs.2 SpruchG, 306 Abs. 4 S. 8 AktG a.F.
steht der Insolvenzverwalter selbst dieser Gesellschaft gleich. Er wird kraft Amtes zum
Beteiligten des nicht unterbrochenen Spruchverfahrens, zudem Antragsgegner i.S.d. §
6 Abs.2 S.1 SpruchG und damit Zahlungsverpflichteter i.S.d. § 6 Abs. 2 S. 4 SpruchG.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsgegner zu 1 wendet sich gegen eine Vorschussanforderung.
Mit Beherrschungsvertrag vom 06.01.1998 unterstellte die Firma A AG (damals
firmierend als B AG) der Firma C AG gemäß § 291 Abs.1 S.1 AktG die Leitung ihrer
Gesellschaft.
Am 06.05.1998 (Antragstellerin zu 2, Bl.26) bzw. unter dem 11.06.1998
(Antragstellerin zu 1, Bl.1) haben die Antragstellerinnen als außenstehende
Aktionärinnen der Firma A AG bei dem Landgericht die gerichtliche Bestimmung
der ihnen vertraglich zu gewährenden Abfindung nach § 305 Abs.5 S.2 AktG sowie
des vertraglich geschuldeten Ausgleichs nach § 304 Abs.3 S.3 AktG beantragt,
wobei sie ihre Anträge ausdrücklich gegen beide Parteien des
Beherrschungsvertrages gerichtet haben.
Das Amtsgericht Darmstadt eröffnete am 01.12.2002 das Insolvenzverfahren über
das Vermögen der Firma C AG (Bl.148) und am 02.12.2002 auch das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma A AG (Bl.157). Zugleich verlieh
es den beiden Antragsgegnern ihr Amt.
Mit Beschluss vom 27.12.2007 (Bl.190) hat das Landgericht gemäß § 306 Abs.4
S.2 AktG a.F. für die übrigen außenstehenden Aktionäre den gemeinsamen
Vertreter bestellt. Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl.220) hat es gemäß § 306
Abs.4 S.8 AktG aF dem Antragsgegner zu 1 aufgegeben, an den gemeinsamen
Vertreter einen Vorschuss von 3.167,78 € zu leisten, den es auf der Grundlage des
am selben Tag auf 400.000,00 € festgesetzten Geschäftswertes berechnet hat.
Der Antragsgegner zu 1 hält diesen Beschluss für offenkundig rechtswidrig. Er
meint, das Spruchverfahren sei analog § 240 S.1 ZPO durch die Eröffnung des
ersten Insolvenzverfahrens, also des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Firma C AG unterbrochen worden. Das Landgericht habe ihm aber auch deshalb
keine Vorschusszahlung aufgeben dürfen, weil er als Insolvenzverwalter nicht
Beteiligter des Spruchverfahrens sei. Schließlich sei allenfalls das beherrschende,
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Beteiligter des Spruchverfahrens sei. Schließlich sei allenfalls das beherrschende,
nicht aber das beherrschte Unternehmen vorschusspflichtig, folglich erst recht
nicht er - der Antragsgegner zu 1 - als Insolvenzverwalter über das Vermögen des
beherrschten Unternehmens.
II.
1. Die Beschwerde ist nach §§ 1 Nr.1, 17 Abs.1 SpruchG i.V.m. §§ 19 Abs.1, 20ff
FGG statthaft (vgl. Bürgers/Körber, AktG, Anh.§ 306/§ 6 SpruchG Rn.8; Hüffer,
AktG, 8.Aufl. Anh.§ 305, § 6 SpruchG Rn.5; Simon, SpruchG, § 17 Rn.24) und auch
im Übrigen zulässig. Da die angefochtene Entscheidung eine solche des
Landgerichts ist, steht § 19 Abs.2 FGG der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts
für die Entscheidung über die Beschwerde nicht entgegen (vgl. Bassenge u.a.,
FGG, 10.Aufl. § 20 Rn.36).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Landgericht auf das konkludente Verlangen des gemeinsamen
Vertreters vom 14.01.2008 (Bl.201) mit dem angefochtenen Beschluss dem
Antragsgegner zu 1 gemäß § 306 Abs.4 S.8 AktG a.F. i.V.m. § 17 Abs.2 S.1
SpruchG aufgegeben, an den gemeinsamen Vertreter einen Vorschuss zu zahlen,
dessen Höhe sich aus dem am selben Tag auf 400.000,00 € festgesetzten und als
solchem nicht beanstandeten Geschäftswert ergibt. Insoweit wird zunächst auf die
Hinweise des Landgerichts vom 29.07.2003 (Bl.150), vom 27.12.2007 (Bl.192) und
vom 22.01.2008 (Bl.205) verwiesen, ferner auf die Gründe des angefochtenen
Beschlusses.
Die Beschwerdebegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung.
a) Das Spruchverfahren ist nicht analog § 240 S.1 ZPO unterbrochen. Diese
Vorschrift gilt jedenfalls im Bereich der hier nach 17 Abs.2 S.1 SpruchG
anwendbaren §§ 305 Abs.5 S.2, 306 AktG a.F. deshalb nicht, weil die von den
Antragstellerinnen beantragte gerichtliche Entscheidung - anders als etwa ein
späteres Leistungsurteil nach § 16 SpruchG - keine unmittelbare Leistungspflicht
begründet, sondern die rückwirkende und nach § 13 S.2 SpruchG für alle
Anteilsinhaber wirkende Umgestaltung des Beherrschungsvertrages (vgl. OLG
Frankfurt, AG 2006, 206; Bassenge a.a.O. Einleitg Rn.69; Simon a.a.O. § 17 Rn.19;
Zöller/Greger, ZPO, 26.Aufl. § 240 Rn.2; ferner für die Konkurseröffnung Jansen,
FGG, 2.Aufl., vor § 8 Rn.38; aA nur - soweit ersichtlich - Bilda in: Münchener
Kommentar zum AktG, 2.Aufl. § 306 Rn.32, allerdings ohne Begründung).
b) Entgegen der Beschwerdebegründung steht nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der vorschusspflichtigen Gesellschaft
i.S.d. § 306 Abs.4 S.8 AktG a.F. der Insolvenzverwalter selbst dieser Gesellschaft
gleich (also nicht erst dadurch, dass der Antrag ausdrücklich gegen ihn gerichtet
wird, wie dies die Antragstellerin zu 1 mit Schriftsatz vom 21.01.2008, Bl.203,
getan hat; ebenso wird der Insolvenzverwalter nach neuem Recht Antragsgegner
i.S.d. § 6 Abs.2 S.1 SpruchG und damit Zahlungsverpflichteter i.S.d. § 6 Abs.2 S.4
SpruchG).
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 11.09.2000 (NJW
2001,224), der eine unzulässige außerordentliche Beschwerde gegen einen
Berichtigungsbeschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts als
Beschwerdegericht betraf, die dort angefochtene, durch ein
Vollstreckungshindernis veranlasste Änderung der Bezeichnung der
vorschusspflichtigen Person von „Gemeinschuldnerin, vertreten durch den
Konkursverwalter“ in „Konkursverwalter“ immerhin für „nicht nur vertretbar,
sondern sogar nahe liegend“ gehalten (weshalb jedenfalls eine die
außerordentliche Beschwerde zulässig machende „greifbare Gesetzwidrigkeit“
fehle). Der Senat hält dieses Ergebnis auch für richtig. Durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens wird nämlich der Insolvenzverwalter kraft Amtes selbst zum
Beteiligten des - nicht unterbrochenen (s.o. a) - Spruchverfahrens (vgl. OLG
Frankfurt a.a.O.; dass es dort nicht um einen Beherrschungsvertrag, sondern um
eine Verschmelzung ging, erscheint für die Unterbrechungsfrage nicht bedeutsam;
ferner Hüffer a.a.O. Anh. § 305 Rn.2). Die Insolvenzschuldnerin verliert durch die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Parteifähigkeit und auch die
Insolvenzmasse selbst hat keine eigene Rechtspersönlichkeit (vgl.
Zöller/Vollkommer, a.a.O. § 19a Rn.4; vor § 50 Rn.21; § 50 Rn.28; § 51 Rn.7).
Schließlich ist der Insolvenzverwalter kein gesetzlicher Vertreter (vgl. Graeber in:
Münchener Kommentar zur InsO § 56 Rn.105ff).
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Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners zu 1 in seinem Schriftsatz vom
10.01.2008 (Bl.199) enthält die genannte Entscheidung des OLG Frankfurt nicht
deshalb einen Widerspruch, weil hiernach die beantragte gerichtliche Bestimmung
einerseits keine unmittelbare Leistungspflicht begründet (und deshalb das
Spruchverfahren nicht unterbrochen wird), andererseits aber die Insolvenzmasse
durchaus betrifft (und deshalb der Insolvenzverwalter Beteiligter ist). Es bedarf
auch keiner prozessualen Vorschrift, die ausdrücklich bestimmt, dass der
Antragsgegner zu 1 als Beteiligter an die Stelle der Firma A AG tritt. Eine solche
Vorschrift gibt es auch in den Verfahren nach der Zivilprozessordnung nicht. Die
jedenfalls dort allgemein anerkannte Eigenschaft des Insolvenzverwalters als Partei
kraft Amtes lässt sich insbesondere weder der Bestimmung des § 240 S.1 ZPO
unmittelbar entnehmen noch derjenigen der §§ 85, 86 InsO.
c) Der angefochtene Beschluss ist schließlich auch nicht deshalb zu Unrecht
ergangen, weil er sich gerade gegen den Verwalter in dem Insolvenzverfahren über
das Vermögen der beherrschten Gesellschaft richtet und nicht (auch) gegen den
Antragsgegner zu 2 als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen
der beherrschenden und deshalb ausgleichs- und abfindungspflichtigen (vgl.
Bürgers/Körber a.a.O. § 304 Rn.17; § 305 Rn.10) Gesellschaft.
Dass auch die beherrschte Gesellschaft Antragsgegnerin war, ergibt sich zunächst
daraus, dass die Antragstellerinnen ihre Anträge ausdrücklich auch gegen diese
Gesellschaft gerichtet haben und dies nach dem gemäß § 17 Abs.2 S.1 SpruchG
maßgebenden alten Recht, welches insoweit - anders als nunmehr § 5 Nr.1
SpruchG - keine ausdrückliche Regelung enthielt , auch geboten war, da vertraglich
festgelegte Leistungen im Spiel sind (vgl. Bilda a.a.O. § 306 Rn.52; ferner Lutter,
UmwG, 3.Aufl., § 5 SpruchG Rn.2, wonach die insoweit neue Regelung in § 5 Nr.1
SpruchG eine Abweichung von der bisher geltenden Rechtslage darstellt, nach der
Antragsgegner beide Parteien des Unternehmensvertrages waren). Hieraus folgt,
dass sich der streitige Vorschussanspruch aus § 306 Abs.4 S.8 AktG a.F. i.V.m. §
17 Abs.2 S.1 SpruchG jedenfalls auch gegen den Antragsgegner zu 1 als Verwalter
in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der beherrschten Gesellschaft
richtet. „Gesellschaft“ i.S.d. § 306 Abs.4 S.8 AktG a.F., ist nicht das
beherrschende, sondern das beherrschte Unternehmen (vgl. Bilda a.a.O. Rn.96
m.w.N.).
Zwar sind nach § 6 Abs.2 S.4 SpruchG nur die „Zahlungsverpflichteten“ auch
vorschusspflichtig, also die Antragsgegner i.S.d. § 6 Abs.2 S.1 SpruchG, mithin der
andere Vertragsteil i.S.d. § 5 Nr.1 SpruchG, und dies ist das beherrschende
Unternehmen (vgl. Hüffer a.a.O. Anh.§ 305 § 5 SpruchG Rn.2; § 6 SpruchG Rn.7;
Simon a.a.O. § 5 Rn.4). Indessen sind diese Vorschriften nach § 17 Abs.2 S.1
SpruchG nicht anwendbar. § 17 Abs.2 S.2 SpruchG steht dem nicht entgegen, da
sich diese Vorschrift nicht auf unselbstständige verfahrensrechtliche Beschwerden
nach § 19 FGG richtet, sondern auf solche gemäß § 12 SpruchG (vgl.
Bungert/Mennicke, BB 2003, 2021,2022; Simon a.a.O. § 17 Rn.24; Rosskopf in:
Kölner Kommentar zum AktG, SpruchG § 17 Rn.16).
Ob sich ein Vorschussanspruch auch gegen den Antragsgegner zu 2 richtet,
bedarf nicht der Entscheidung.