Urteil des OLG Saarbrücken vom 07.02.2007

OLG Saarbrücken: auszahlung der versicherungsleistung, anteil, versicherungsnehmer, anwachsung, nachlass, gesetzliche erbfolge, bedingung, begünstigung, erblasser, erbrecht

OLG Saarbrücken Urteil vom 7.2.2007, 5 U 581/06 - 76
Lebensversicherung: Bezugsberechtigung mehrerer Personen; Anwachsung
Leitsätze
Bestimmt ein Versicherungsnehmer zwei Personen zu gleichen Teilen als
Bezugsberechtigte einer Lebensversicherung und verstirbt eine bezugsberechtigte Person
gleichzeitig mit dem Versicherungsnehmer, so wächst deren Anteil der anderen
bezugsberechtigten Person an.
Tenor
1.
Die Berufung der Klägerinnen zu 2. und 3. gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken
vom 14.9.2006, 14 O 476/05, wird zurückgewiesen.
2.
Die Klägerinnen zu 2. und 3. tragen die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der
Kosten des Streithelfers, zu je 1/2.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen zu 2. und 3. dürfen die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 127.822,98 EUR festgesetzt.
5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Klägerinnen zu 2. (geb. am 16.9.1994) und
3. (geb. am 2.10.1998) (im Folgenden: der Versicherungsnehmer) hatte bei der Beklagten
unter der Versicherungsschein-Nr. ... eine Risikolebensversicherung unter Einschluss der
der besonderen Hinweise zum Vertrag und der Allgemeinen Bedingungen für die
Risikoversicherung über eine Versicherungssumme im Todesfall in Höhe von 500.000 DM
abgeschlossen. Als Begünstigte war im Versicherungsvertrag vom 3.2.2001 die Klägerin zu
1. benannt (Bl. 36/37 d.A.). Der Versicherungsnehmer trennte sich im November 2002
von der Klägerin zu 1. und wandte sich einer neuen Lebenspartnerin zu. Scheidungsantrag
wurde von ihm im April 2004 gestellt (Bl. 41 d.A.). Mit Schreiben vom 25.10.2004, bei der
Beklagten eingegangen am 28.10.2004, teilte der Versicherungsnehmer der Beklagten
mit, dass ab sofort Begünstigte des Risikolebensversicherungsvertrages bei seinem
Ableben Ax. S. (Bruder des Versicherungsnehmers) und D. R. (Lebensgefährtin des
Versicherungsnehmers) zu gleichen Teilen sein sollen (Bl. 106 d.A.). Mit Schreiben vom
3.11.2004 bestätigte die Beklagte die Änderung des Bezugsrechtes (Bl. 107 d.A.).
Der Versicherungsnehmer und seine Lebensgefährtin kamen am 26.12.2004 bei der
Tsunami- Katastrophe in Thailand ums Leben.
Die Beklagte zahlte die Versicherungssumme an den Bruder des Versicherungsnehmers,
den Streithelfer, aus und wies die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 21.1.2005 darauf hin,
dass im Hinblick auf die Änderung des Bezugsrechtes kein Anspruch auf
Versicherungsleistungen bestehe.
Die Klägerinnen haben die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren auf Auszahlung der
Versicherungsleistung in Anspruch genommen, und zwar auf Zahlung der gesamten
Versicherungssumme in Höhe von 255.645,94 EUR an die Klägerin zu 1. (Klageantrag zu
1.), hilfsweise auf Zahlung von je 127.822,97 EUR an die Klägerinnen zu 2. und 3.
(Klageantrag zu 2.), weiter hilfsweise von je 63.911,49 EUR an die Klägerinnen zu 2. und
3. (Klageantrag zu 3.), jeweils nebst Zinsen. Sie haben die Auffassung vertreten, dass die
Änderung des Bezugsrechtes unwirksam sei, weil der Klägerin zu 1., wie die Auslegung des
Versicherungsvertrages ergebe, ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden sei
(Absicherung des für den Erwerb des Eigenheims notwendigen Darlehens), hierin ein
Verstoß gegen § 138 BGB liege und im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 142, 119 BGB
gegeben seien. Hilfsweise sei der Klageantrag zu 2. gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 2VVG, 1922,
1924, 1931, 1933 BGB begründet, weil das an die Bezugsberechtigten Ax. S. und D. R.
gerichtete Schenkungsangebot vor Annahme widerrufen worden sei, und zwar bereits mit
Schreiben vom 12.1.2005. Hilfsweise stünden den Klägerinnen zu 2. und 3. Ansprüche auf
Versicherungsleistungen gemäß dem Klageantrag zu 3. zu, weil eine Anwachsung des von
der verstorbenen Lebensgefährtin des Versicherungsnehmers nicht erworbenen Anteils
durch den Streithelfer ausscheide; § 167 Abs. 1 2. HS VVG finde keine Anwendung mit der
Folge, dass der nicht erworbene Anteil in den Nachlass gefallen sei.
Die Klägerinnen haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. 255.645,94 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit
dem 12.3.2005 zu zahlen,
2. hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit des Antrags zu 1. die
Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen zu 2. und 3. jeweils
127.822,97 EUR zu Händen der Klägerin zu 1. nebst Zinsen in Höhe
von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.3.2005 zu
zahlen,
3. hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit der Anträge zu 1. und 2.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen zu 2. und 3. jeweils
63.911,49 EUR zu Händen der Klägerin zu 1. nebst Zinsen in Höhe
von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.3.2005 zu
zahlen.
Die Beklagte und der Streithelfer haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt,
dass eine Änderung des Bezugsrechtes insgesamt wirksam habe erfolgen können, weil der
Klägerin nach dem gesetzlichen Leitbild und der vertraglichen Konzeption kein
unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden sei und im Übrigen die Voraussetzungen
des § 138 BGB bzw. der §§ 142, 119 BGB nicht vorlägen. Auch könnten die Klägerinnen zu
2. und 3. aus einem vermeintlichen Widerruf der Schenkung, für die ohnehin keine
Anhaltspunkte vorlägen, im Verhältnis zur Beklagten nichts für sich herleiten. Letztlich
scheitere ein Anspruch der Klägerinnen zu 2. und 3. auch daran, dass der von der
Lebensgefährtin des Versicherungsnehmers nicht erworbene Anteil nicht in den Nachlass
gefallen, sondern dem Streithelfer als dem weiteren Bezugsberechtigten zugewachsen sei.
Dies ergebe sich zweifelsfrei aus § 167 Abs. 1 2. HS VVG, der von seinem
Anwendungsbereich her nicht auf § 167 Abs. 1 1. HS VVG beschränkt sei. Letztere
Vorschrift enthalte lediglich eine Auslegungsregel und führe nicht dazu, dass im Falle der
Bestimmung gleicher Anteile eine Anwachsung ausscheide. Seien mehrere
Bezugsberechtigte zu gleichen Teilen bestimmt, wachse der Anteil des weggefallenen
Bezugsberechtigten den verbleibenden zu.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen zu 2. und 3. Berufung eingelegt, mit der sie den
Klageantrag zu 3. weiterverfolgen. Sie vertreten die Auffassung, dass eine Anwachsung
nicht in Betracht komme. Soweit § 167 Abs. 1 1. HS VVG ausdrücklich nur den Fall regele,
dass eine Bezugsberechtigung mehrerer Personen zu gleichen Teilen nur dann in Betracht
komme, wenn eine Bestimmung ihrer Anteile nicht erfolgt sei, komme auch § 167 Abs. 1
2.HS VVG und damit eine Anwachsung auch nur in diesem Fall zur Anwendung. § 167 Abs.
1 2. HS VVG beinhalte keine eigenständige Regelung, so dass die Vorschrift dann, wenn
der Versicherungsnehmer eine Bestimmung der Anteile vorgenommen habe, nicht
eingreife. Die gegenteilige Auffassung führe dazu, dass die Regelung des § 168 VVG leer
laufe. Dessen Bedeutung habe das Landgericht, das im Übrigen eine –willkürliche-
Reduktion der Anwendung des § 167 Abs. 1 2. HS VVG auf die Bestimmung gleicher
Anteile vornehme, verkannt.
Die Klägerinnen zu 2. und 3. beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom
14.9.2006, 14 O 476/05, die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils
63.911,49 EUR zu Händen der Klägerin zu 1. nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.3.2005
zu zahlen.
Die Beklagte und der Streithelfer beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens. Die Beklagte und der Streithelfer verweist zudem darauf, dass der
Klageantrag zu 3. bereits unzulässig sei, weil eine eventuelle subjektive Klagehäufung
vorliege.
II.
1. Die Berufung der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Denn ihre Klage ist, soweit sie den
Gegenstand des Berufungsrechtsstreits bildet, bereits unzulässig.
Die Fassung der Klageanträge sowie deren Begründung lässt keinen Zweifel daran
aufkommen, dass Zahlung an die Klägerinnen zu 2. und 3. (Klageantrag zu 2. und 3.) nur
für den Fall begehrt wird, dass das mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Begehren, nämlich
Zahlung eines Betrages in Höhe von 255.645,94 EUR nebst Zinsen an die Klägerin zu 1.,
keinen Erfolg hat. Dies hat zur Folge, dass ein Prozessrechtverhältnis zwischen den
Klägerinnen zu 2. und 3. und der Beklagten nicht begründet worden ist.
Bereits dem Wortlaut des Klageantrages zu 2. ("hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit
des Antrags zu 1.") und 3. ("hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit der Anträge zu 1. und
2.") lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass nur für den Fall der Erfolglosigkeit der von
der Klägerin zu 1. unbedingt erhobenen Klage Ansprüche der Klägerinnen zu 2. und 3.
erhoben werden sollen. Aber auch die Klagebegründung lässt keinen Spielraum für eine
andere Auslegung des mit der Klage bzw. den einzelnen Klageanträgen verfolgten Ziels zu.
Denn die Klägerinnen haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass lediglich hilfsweise
Ansprüche der Klägerinnen zu 2. und 3. auf Auszahlung der Versicherungsleistung geltend
gemacht werden (S. 10 der Klageschrift, Bl. 32 d.A.). Eine Deutung dahingehend, dass mit
dem Klageantrag zu 2. und 3. eine Zahlung an die Klägerin zu 1. - ungeachtet der
materiellen Begründetheit einer solchen Klage - verlangt wird, ist im Hinblick auf die
Eindeutigkeit des Vorbringens nicht möglich.
Hieraus folgt, dass eine unbedingte Klage der Klägerinnen zu 2. und 3. nicht erhoben
worden ist. Es treten mit den drei Klägerinnen verschiedene Parteien auf, auch wenn die
Klägerinnen zu 2. und 3., da sie minderjährig sind, von der Klägerin zu 1. vertreten werden.
Eine solche subjektive Klagehäufung kann nicht bedingt erfolgen, auch nicht unter der -
prozessualen- Bedingung, dass der Anspruch der in erster Linie angeführten Partei für
unbegründet befunden wird. Denn es geht dabei nicht, wie bei gewöhnlichen Hilfsanträgen,
darum, ob demselben Kläger der eine oder der andere Anspruch zuzubilligen ist. Vielmehr
geht es um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit weiteren Parteien, die,
schon wegen der Möglichkeit unterschiedlicher Beurteilung in den einzelnen Instanzen, aus
Gründen der Rechtsklarheit nicht bis zum Ende des Rechtsstreits in der Schwebe bleiben
und deshalb nicht an eine Bedingung geknüpft sein darf.
Ein solchermaßen bedingt erklärter Parteibeitritt ist unzulässig. Prozesshandlungen, mit
denen ein Verfahren erst eröffnet werden soll, vertragen keine Bedingung. Die Rechtsfolge
einer unzulässigen Bedingung führt zur Unzulässigkeit der Prozesshandlung. Deshalb sind
die geltend gemachten Hilfsansprüche abzuweisen, unabhängig davon, ob die mit dem
Hauptantrag verfolgte Klage der in erster Linie angeführten Partei Erfolg hat oder nicht (h.
M., vgl. BGH, Urt. v. 25.9.1972, II ZR 28/69, WM 1972, 1315; BGH, Urt. v. 17.10.1973,
IV ZR 68/73, VersR 1974, 194; BAG, Urt. v. 31.3.1993, 2 AZR 467/92, NJW 1994, 1084,
m.z.w.N.; Baumbach/ Lauterbach/ Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 59, Rdnr. 3; Hüßtege in:
Thomas/Putzo, 27. Aufl., § 60, Rdnr. 5, 7; Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 253, Rdnr. 1;
Zöller-Vollkommer, aaO, § 60, Rdnr. 10, m.w.N.; ders. § 33, Rdnr. 27 zur Unzulässigkeit
der Hilfswiderklage gegen einen Dritten aus den genannten Erwägungen).
Die Unzulässigkeit der Klageerhebung kann im Berufungsrechtszug nicht mehr geheilt
werden. Mangels Bestehens eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu
2. und 3. und der Beklagten kann der Abweisung der Klage weder durch eine
Prozesstrennung (§ 145 ZPO) noch durch eine Umstellung des Klageantrages zu 3., der
allein den Gegenstand des Berufungsrechtszuges bildet, begegnet werden.
2. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet. Denn den Klägerinnen zu 2. und 3. steht
der mit dem Klageantrag zu 3. verfolgte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.
Denn der der Bezugsberechtigten D. R. zugedachte Anteil ist dem weiteren
Bezugsberechtigten, dem Streithelfer, zugewachsen (§ 167 Abs. 1 2. HS VVG) und nicht
den Nachlass des Versicherungsnehmers gefallen ist (§168 VVG).
a. Dass der der Bezugsberechtigten D. R. zugedachte Anteil überhaupt dem weiteren
Bezugsberechtigten zuwachsen bzw. in den Nachlass des Versicherungsnehmers fallen
kann, ist darin begründet, dass die Begünstigte als widerruflich eingesetzte
Bezugsberechtigte das Recht auf die Leistung aus der Kapitallebensversicherung nicht
erworben hat. Denn es ist, da der genaue Todeszeitpunkt nicht mehr ermittelbar ist, davon
auszugehen, dass der Versicherungsnehmer und seine Lebensgefährtin gleichzeitig
verstorben sind (§ 11 VerschG). In einem solchen Fall ist ein Erwerb von Rechten aus der
Kapitallebensversicherung durch den widerruflich eingesetzten Bezugsberechtigten jedoch
ausgeschlossen, was zur Folge hat, dass dessen Anteil auch nicht in seinen Nachlass fällt
(vgl. Schwintowski in Berliner Kommentar zum VVG, 1998, § 168, Rdnr. 5).
b. § 167 Abs. 1 S. 1 1.HS VVG bestimmt, dass mehrere Personen, die in einer
Kapitallebensversicherung ohne Bestimmung ihrer Anteile als Bezugsberechtigte bezeichnet
sind, zu gleichen Teilen bezugsberechtigt sind. § 167 Abs. 1 S. 1 2. HS VVG bestimmt,
dass der von einem Bezugsberechtigten nicht erworbene Anteil den übrigen
Bezugsberechtigten zuwächst.
Die Parteien streiten darum, ob in dem Fall, in dem der Versicherungsnehmer zwei oder
mehrere Bezugsberechtigte "zu gleichen Teilen" benannt hat, die Anwachsungsregel des §
167 Abs. 1 S. 1. 2. HS VVG eingreift.
Die Klägerinnen meinen, § 167 Abs. 1 2. HS VVG beziehe sich nur auf § 167 Abs. 1 Satz 1
1. HS VVG und finde deshalb dann keine Anwendung, wenn der Versicherungsnehmer eine
ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich der Anteile getroffen habe. Um eine ausdrückliche
Bestimmung handele es sich, wenn der Versicherungsnehmer Bezugsberechtigte "zu
gleichen Teilen" benannt habe. Eine Bezugsberechtigung zu „gleichen Teilen“ sei eben keine
Begünstigung "ohne Bestimmung der Anteile". Ein allgemeiner Rechtsgedanke, dass bei
einer Begünstigung zu gleichen Teilen eine Anwachsung erfolgen müsse, wenn der
Bezugsberechtigte seinen Anteil nicht erwerbe, sei nicht zwingend. Die Schaffung einer
insoweit eigenständigen Regelung ergebe sich insbesondere nicht aus der sprachlichen
Fassung des § 167 Abs. 1 VVG, weil der Gesetzgeber, wenn er dies gewollt hätte, einen
klarstellenden eigenen Satz oder Absatz hätte schaffen können. Von daher falle der von
dem Bezugsberechtigten nicht erworbene Anteil dem Versicherungsnehmer bzw. dessen
Nachlass zu (§ 168 VVG).
Die Beklagte und der Streithelfer hingegen vertreten die Auffassung, dass § 167 Abs. 1 2.
HS VVG auch dann Anwendung finde, wenn der Versicherungsnehmer mehrere Personen
zu gleichen Teilen begünstigt habe. Eine Auslegung der in § 167 Abs. 1 VVG und § 168
VVG getroffenen Regelungen rechtfertigten die Annahme, dass auch in diesem Fall eine
Anwachsung stattfinde. Dies entspreche jedenfalls dem hypothetischen Willen des
Versicherungsnehmers, der sowohl in dem Fall, dass eine Bestimmung der Anteile nicht
stattgefunden habe als auch in dem Fall, dass eine Bestimmung der Anteile zu gleichen
Teilen erfolgt sei, der selbe sei.
Die von der Beklagten und dem Streithelfer vertretene Auffassung ist vorzugswürdig.
Zum einen sprechen die Gesetzesmaterialien für ein Verständnis der Vorschrift des § 167
Abs. 1 VVG in dem Sinn, dass eine Anwachsung auch dann stattfindet, wenn der
Versicherungsnehmer Bezugsberechtigte bestimmt und eine Begünstigung zu gleichen
Teilen angeordnet hat.
§ 167 Abs. 1 VVG ist durch Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der
Vertragsversicherung vom 19.12.1939 (RGBl I 2443) aus dem österreichischen VVG -hier
aus § 133 Abs. 1 VVG des alten österreichischen VVG vom 23.12.1917- übernommen
worden, wobei lediglich statt des Wortes "Begünstigte" das Wort "Bezugsberechtigte"
verwendet wurde. Die amtliche Begründung hierzu lautet:
"Die Verordnung übernimmt zur Vermeidung von Zweifeln aus dem
österreichischen Recht (§ 133 Abs. 1 öVVG) die Vermutung, dass bei
einer Kapitalversicherung mehrere als bezugsberechtigt bezeichnete
Personen zu gleichen Teilen bezugsberechtigt sind."
Weiter heißt es:
" Ferner ist in Abänderung des in § 168 enthaltenen Grundsatzes
bestimmt, dass bei Nichterwerb des bezugsberechtigten Dritten das
Recht auf Leistung dann nicht dem VN zusteht, wenn mehrere
Bezugsberechtigte vorhanden sind und einer oder mehrere von ihnen
ihren Anteil nicht erwerben. In diesem Falle tritt Anwachsung
zugunsten der verbleibenden Bezugsberechtigten ein. Auch diese
Vorschrift ist aus dem österreichischen Recht entnommen."
Dies spricht dafür, dass § 167 Abs. 1 2. HS VVG immer dann zur Anwendung gelangt bzw.
gelangen soll, wenn ein Bezugsberechtigter seinen Anteil nicht erwirbt, unabhängig davon,
ob der Versicherungsnehmer eine Begünstigung zu gleichen Teilen angeordnet hat oder die
Vermutung des § 167 Abs. 1 1. HS VVG eingreift.
Aufschluss gibt insoweit auch die Auslegung des § 133 öVVG. Diese lehnt sich an
Bestimmungen des österreichischen AGBG an, nämlich an § 560 und 689. Beides sind
Bestimmungen aus dem Erbrecht, die vorsehen, dass dann, wenn alle Erben ohne
Bestimmung der Teile oder in dem allgemeinen Ausdrucke einer gleichen Teilung zur
Erbschaft berufen werden, bzw. wenn das Vermächtnis mehreren Personen ungeteilt oder
ausdrücklich zu gleichen Teilen zugedacht ist, und einer der Bedachten von seinem
Erbrecht keinen Gebrauch macht bzw. den Anteil nicht erhält, dessen Anteil den übrigen
zuwächst.
Die Orientierung des § 133 öVVG an den Bestimmungen des Erbrechts lässt den Schluss
zu, dass der Gesetzgeber, der diese Vorschrift in § 167 VVG adaptiert hat, die Regelung so
verstanden wissen wollte, dass dann, wenn bei einer Kapitallebensversicherung mehrere
Personen als Bezugsberechtigte bezeichnet sind, ohne dass dabei ihre Anteile bestimmt
werden, sie zu gleichen Teilen bezugsberechtigt sind, bzw. immer dann, wenn mehrere
Personen zu gleichen Teilen bezugsberechtigt sind -gleichgültig, ob auf Grund gesetzlicher
Auslegungsregel oder auf Grund ausdrücklicher Bestimmung "zu gleichen Teilen" durch den
Versicherungsnehmer - Anwachsung stattfindet, wenn ein Bezugsberechtigter seinen Anteil
nicht erwirbt (vgl. hierzu weitergehend Frels, VersR 1968, 524 ff).
Ob dies auch dann gilt, wenn der Versicherungsnehmer mehrere Bezugsberechtigte mit
verschieden hohen Anteilen begünstigt hat, weil dahinter die Motivation bzw. der erklärte
Wille des Versicherungsnehmers stehen kann, tatsächlich eine Beschränkung auf die
zugedachten Anteile vorzunehmen, wofür dann allerdings besondere Anhaltspunkte
vorliegen müssen, kann dahinstehen (vgl. Frels, aaO). Eine solche Fallkonstellation liegt
offensichtlich nicht vor.
In Fortführung dieses Rechtsgedankens sprechen auch Regelungen im deutschen Erbrecht
dafür, eine Anwachsung dann anzunehmen, wenn ein Bezugsberechtigter, der neben
anderen zu gleichen Teilen begünstigt ist, seinen Anteil nicht erwirbt.
So bestimmt § 2094 Abs. 1 BGB , dass dann, wenn mehrere Erben in der Weise
eingesetzt sind, dass sie die gesetzliche Erbfolge ausschließen, und einer der Erben vor
oder nach dem Eintritt des Erbfalles wegfällt, dessen Erbteil den übrigen Erben nach dem
Verhältnis ihrer Erbteile anwächst. Denn nach dem erklärten Willen des Erblassers sollen
die eingesetzten Erben die alleinigen Erben sein - sei es, dass ihre Erbteile den Nachlass
ausschöpfen, dass ein Fall des § 2089 BGB vorliegt oder dass bei Zuwendung einzelner
Nachlassgegenstände an mehrere Erben diese den gesamten Nachlass ausmachen und die
Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB nicht durchgreift- , so dass - sofern nicht der
Erblasser etwas anderes gewollt hat (vgl. § 2094 Abs. 3 BGB) -vermutet wird, dass bei
Wegfall eines Eingesetzten die übrigen Testamentserben den frei werdenden Anteil
erhalten sollen und nicht die gesetzlichen Erben (vgl. Palandt- Edenhofer, BGB, 65. Aufl., §
2094, Rdnr. 1).
Ebenso bestimmt § 2158 BGB, dass dann, wenn mehreren derselbe Gegenstand
vermacht ist und einer von ihnen vor oder nach dem Erbfall wegfällt, dessen Anteil den
übrigen Bedachten nach dem Verhältnis ihrer Anteile anwächst, und zwar auch dann, wenn
der Erblasser die Anteile der Bedachten bestimmt hat.
Die Interessenlage unterscheidet sich, entgegen der von Frels (aaO) vertretenen
Auffassung, nicht wesentlich von der Benennung mehrerer Bezugsberechtigter in der
Kapitalversicherung. Denn in dem einen wie dem anderen Fall will der Erblasser bzw.
Versicherungsnehmer, dass nur die von ihm benannten Begünstigten unter Ausschluss der
Erben berechtigt sein sollen, sofern nicht ein anderer erklärter Wille erkennbar ist.
Die Vorschrift des § 168 VVG wird hierdurch auch nicht obsolet. Denn immer dann, wenn
der Erblasser/ Versicherungsnehmer nur einen Bezugsberechtigte benannt hat, der den
Anteil nicht erwirbt, oder mehrerer Bezugsberechtigte benannt hat, die alle ihren Anteil
nicht erwerben, greift die Regelung des § 168 VVG ein und steht der nicht erworbene
Anteil dem Versicherungsnehmer zu bzw. fällt dieser in seinen Nachlass (vgl. hierzu auch
Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 168, Rdnr. 3). Erwirbt hingegen von mehreren
nur einer nicht, wächst dessen Anteil den übrigen zu (Römer, aaO).
3. Von daher hat die Berufung der Klägerinnen zu 2. und 3. insgesamt keinen Erfolg und ist
diese mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.