Urteil des OLG Saarbrücken vom 13.12.2006

OLG Saarbrücken: eintritt des versicherungsfalles, versicherungsnehmer, wiedereinsetzung in den vorigen stand, verschlechterung des gesundheitszustandes, annahme des antrages, stationäre behandlung

OLG Saarbrücken Urteil vom 13.12.2006, 5 U 137/06 - 28
Risikolebensversicherung: Beweislast für die Verletzung der Nachmeldeobliegenheit
Leitsätze
Der Versicherer muss beweisen, dass der Versicherungsnehmer seiner
Nachmeldeobliegenheit nicht genügt hat. Auch insoweit gilt die "Auge- und Ohr-
Rechtsprechung".
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom
2.2.2006, 12 O 465/04, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 150.000
EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7.8.2004 sowie die hälftigen
gemäß RVG VV 2503 nicht anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten gemäß RVG
VV 2500 in Höhe von 1.206,64 EUR zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 150.000 EUR festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der am 10.6.2004 verstorbene Ehemann der Klägerin (im Folgenden:
Versicherungsnehmer) unterhielt bei der Beklagten unter der Versicherungsschein-Nr. ...
mit Ausstellungsdatum 27.1.2003 und einer Versicherungsdauer vom 1.12.2002 bis
1.12.2024 zu Gunsten der Klägerin als der Bezugsberechtigten eine Risiko-
Lebensversicherung unter Einschluss der Allgemeinen Bedingungen für die Risiko-
Lebensversicherung, die für den Todesfall des Versicherten eine Versicherungssumme in
Höhe von 150.000 EUR vorsah (Bl. 32 ff d.A.). In dem formularmäßigen
Versicherungsantrag vom 12.12.2002 , der über den Versicherungsagenten H. der
Beklagten zugeleitet worden war, beantwortete der Versicherungsnehmer die Frage
"Bestehen oder bestanden in den letzten 5 Jahren Beschwerden, Störungen, Krankheiten
oder Vergiftungen (z.B. Herz, Kreislauf, Bluthochdruck, Schlaganfall, Atmungs-,
Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Gehirn, Krämpfe, Nerven, Rückenmark,
Psyche, Depressionen, Selbsttötungsversuch, geistige Schwäche, Sucht, Augen, Ohren,
Haut, Drüsen, Milz, Blut, Leber, Galle, Nieren, Infektionskrankheiten, Geschwülste,
Stoffwechsel, Gicht, Rheuma, Allergie, Blutfette, Diabetes, Epilepsie, Drogen, Rauschmittel,
Alkohol)?" mit "Nein". Ebenso verneinte er die Frage "Fanden in den letzten 5 Jahren
stationäre Behandlungen oder Kuren/Heilverfahren statt?". Unter der Rubrik "Wurden Sie in
den letzten 5 Jahren beraten, untersucht oder behandelt? Wenn ja, bitte nähere Angaben
unter 'weitere Erläuterungen' " gab er "Dr. S., Sch." an (Bl. 29 d.A.).Zugleich erklärte der
Versicherungsnehmer unter den Allgemeinen Hinweisen und Schlusserklärungen, jede bis
zur Annahme des Antrages noch eintretende oder bekannt werdende nicht unerhebliche
Verschlechterung des Gesundheitszustandes der zu versichernden Person(en) unverzüglich
der betreffenden Gesellschaft schriftlich anzuzeigen.
Bereits am 27.11.2002 hatte der Versicherungsnehmer einen Rollerunfall erlitten und
befand sich in der Zeit vom 1.12.2002 bis zum 20.12.2002 in stationärer Behandlung im
Städtischen Klinikum N.. Im Verlaufe dieser Behandlung und eingeleiteten Untersuchungen
wurde bei dem Versicherungsnehmer ein kleinzelliges Bronchialkarzinom festgestellt, über
das der Versicherungsnehmer und die Klägerin am 16.12.2002 in der Klinik unterrichtet
wurden (Bl. 47 d.A.). Im Anschluss hieran unterzog sich der Versicherungsnehmer
wiederholten stationären Aufenthalten zur Chemotherapie sowie Strahlentherapie. Am
10.6.2004 verstarb er an Hirnmetastasen bei kleinzelligem Bronchialkarzinom (Bl. 46 d.A.).
Am 20.1.2003 erlitt die Klägerin einen Verkehrsunfall, der dem Agenten H. gemeldet
wurde.
Nachdem die Klägerin den Tod des Versicherungsnehmers gegenüber der Beklagten
angezeigt hatte, trat die Beklagte in die Leistungsprüfung ein, im Rahmen derer ihr am
24.6.2004 bzw. 1.7.2004 die ärztlichen Berichte des Dr. M. vom Städtischen Klinikum N.
(Bl. 46 ff, 53 ff d.A.) sowie des Hausarztes Dr. S. zugingen. Sie erklärte mit Schreiben vom
29.6.2004 unter Hinweis darauf, dass der Versicherungsnehmer die am 16.12.2002
offenbarte Krebserkrankung entgegen der ihm obliegenden Nachmeldepflicht nicht
mitgeteilt habe, wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit den Rücktritt
vom Versicherungsvertrag sowie die Anfechtung des Vertrages (Bl. 48- 50 d.A.).
Hinsichtlich einer an die Bank S. am 14.1.2004 ausgebrachten Teilabtretung in Höhe von
5.000 EUR aus der in Rede stehenden Lebensversicherung wurde am 14.2.2005
gegenüber der Klägerin eine Freigabeerklärung abgegeben (Bl. 71 d.A.).
Die Klägerin, die die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungsleistung in Höhe 150.000
EUR in Anspruch nimmt, macht geltend, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom
Versicherungsvertrag bzw. eine Anfechtung desselben nicht vorlägen. Denn der
Versicherungsnehmer habe, bevor ihm am 16.12.2002 erstmals die Krebserkrankung
offenbart worden sei, keine Kenntnis hiervon gehabt. Auch habe er dem Agenten H. bereits
am 10.1.2003 das diagnostizierte Krebsleiden offenbart und nochmals am 20.1.2003 in
ihrem Beisein anlässlich der Meldung des Verkehrsunfalles, den sie, die Klägerin, erlitten
habe. Frühere Erkrankungen, wie sie in dem Arztbericht des Dr. S. vom 28.6.2004
niedergelegt seien (Bl. 51 f d.A.), habe er dem Agenten H. im Zuge der Antragstellung
ebenfalls mitgeteilt, wobei dieser erklärt habe, es handele sich um kurzfristige
Erkrankungen, die, da Bagatellerkrankungen, nicht relevant seien. Auch habe der
Versicherungsnehmer dem Agenten H. die am 2.12.2002 eingeleitete stationäre
Behandlung mitgeteilt, woraufhin dieser wiederum eine Relevanz verneint habe, da zum
damaligen Zeitpunkt noch keine konkrete Diagnose gestellt gewesen sei und die stationäre
Behandlung lediglich der Abklärung eines anlässlich des Rollerunfalles erhobenen und nicht
klaren Röntgenbefundes - Prellung, Blutung, kein Befund - gedient habe. Auch seien die
ersten Untersuchungen und Proben, die nach der stationären Aufnahme am 2.12.2002
erfolgt seien, ebenso wie die anlässlich der Thoraxprellung im August 2002 gefertigte
Röntgenaufnahme zunächst sämtlich ohne positiven Befund gewesen.
Die Beklagte hat demgegenüber darauf verwiesen, dass der Versicherungsnehmer bereits
am 2.12.2002 und damit vor Antragstellung wegen eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms
in stationärer Behandlung und über die Erkrankung ausführlich informiert gewesen sei, wie
sich dies dem Arztbericht des Städtischen Klinikums N. vom 20.12.2002 (Bl. 53 d.A.)
entnehmen lasse, so dass bereits aus diesem Grund die Antragsfragen falsch beantwortet
seien. Im Übrigen habe eine - schriftliche- Nachmeldung nicht, auch nicht nach dem
16.12.2002, stattgefunden, insbesondere auch nicht am 10.1.2003 bzw. am 20.1.2003.
Eine Unfallmeldung sei im Übrigen erst am 21.1.2003 erfolgt, und zwar durch den
Versicherungsnehmer allein. Auch hierbei sei das Krebsleiden nicht offenbart worden. Im
Übrigen habe der Versicherungsnehmer auch die von Dr. S. behandelten Erkrankungen
nicht angegeben. Jedenfalls hätte sie in Kenntnis der Krebserkrankung den
Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet,
dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Versicherungsvertrag gemäß §§ 16, 17
VVG vorlägen, weil der Versicherungsnehmer jedenfalls seiner Nachmeldepflicht, nämlich
eine in der Zeit zwischen Antragstellung und Annahme des Antrages eintretende oder
bekannt werdende nicht unerhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes
anzuzeigen, nicht nachgekommen sei. Dass der Versicherungsnehmer dem Agenten H.
nach dem 16.12.2002 die Krebserkrankung mitgeteilt habe, könne auf der Grundlage der
durchgeführten Beweisaufnahme nämlich nicht festgestellt werden. Soweit die Klägerin
Zeugen dafür benannt habe, dass der Versicherungsnehmer auf einer Geburtstagsfeier am
10.1.2003 erklärt habe, er habe seinem Arzt das Krebsleiden mitgeteilt, handele es sich
nur um Zeugen vom "Hören- Sagen", deren Aussagen nicht geeignet seien, die eindeutige
Aussage des Zeugen H. zu erschüttern. Die nämlichen Erwägungen beanspruchten
Geltung, soweit die Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung erklärt habe, der
Versicherungsnehmer habe in ihrem Beisein am 20.1.2003 anlässlich der Unfallmeldung
die Krankheit offenbart. Da die verschwiegene Erkrankung kausal für den Tod gewesen sei,
sei die Beklagte auch nicht gemäß § 21 VVG zur Leistung verpflichtet.
Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken wurde der Klägerin am 7.2.2006 zugestellt (Bl.
148 d.A.). Mit am 7.3.2006 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin unter Beifügung
des Entwurfes einer Berufungsbegründungsschrift beantragt, ihr für die Durchführung des
Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Sie macht geltend, dass das
erstinstanzliche Urteil auf einer Rechtsverletzung beruhe und die zu Grunde zu legenden
Tatsachen eine andere Beurteilung rechtfertigten, weil das Landgericht es unterlassen
habe, die für die Offenbarung des Krebsleidens am 10.1.2003 benannten Zeugen vom
„Hören- Sagen" zu vernehmen. Auch habe das Landgericht verkannt, dass die Zeugin H.
bestätigt habe, dass zwischen dem Agenten H. und dem Versicherungsnehmer in ihrer,
der Klägerin, sowie der Zeugin Anwesenheit ein Gespräch stattgefunden habe, bei dem
über das Krebsleiden gesprochen worden sei. Hierbei habe es sich um die Unterredung
vom 20.1.2003 anlässlich der Meldung des Verkehrsunfalles gehandelt. Dafür, dass die
Meldung am 20.1.2003 und nicht, wie von dem Zeugen H. bekundet, am 21.3.2003
erfolgt ist, habe sie Zeugen vom „Hören- Sagen" benannt, die das erstinstanzliche Gericht
nicht vernommen habe. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H. sei es jedoch
geboten gewesen, auch diese Zeugen zu hören. Auch habe das erstinstanzliche Gericht
ihre im Rahmen der informatorischen Anhörung gemachte Aussage nicht hinreichend
gewürdigt.
Mit Beschluss vom 11.5.2006 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe für die Durchführung
des Berufungsverfahrens bewilligt (Bl. 192/193 d.A.), der der Klägerin am 18.5.2006
zugestellt worden ist (Bl. 196 d.A.).
Mit am 22.5.2006 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin unter Wiederholung ihres
Vorbringens in dem Entwurf einer Berufungsbegründungsschrift Berufung eingelegt und
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der
Berufung begehrt (Bl. 197 ff d.A.).
Weiterhin beantragt die Klägerin,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 2.2.2006, 12
O 465/04, die Beklagte zu verurteilen, an sie 150.000 EUR nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 7.8.2004 sowie die hälftigen gemäß RVG VV
2403 nicht anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten gemäß RVG VV
2400 in Höhe von 1.206,64 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Widerholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
Der Senat hat gemäß den prozessleitenden Verfügungen vom 28.7.2006 und 17.10.2006
Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 15.11.2006 (Bl. 235 ff d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie kann von der Beklagten auf der Grundlage des
abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages die vereinbarte Versicherungssumme in
Höhe von 150.000 EUR sowie die geltend gemachten Nebenforderungen beanspruchen.
Die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Versicherungsvertrag §§ 16, 17 VVG oder gar
für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB, sind nicht
erfüllt. Denn die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Versicherungsnehmer seine
Obliegenheit, der Beklagten gefahrerhebliche Umstände bis zur Schließung des Vertrages
mitzuteilen, wozu auch die Nachmeldung von einer nicht unerheblichen Verschlechterung
des Gesundheitszustandes der zu versichernden Person gehört, verletzt hat.
A.
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere sind die in §§ 517, 520 ZPO bestimmte Fristen für
die Einlegung und Begründung der Berufung gewahrt. Denn die Voraussetzungen für eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist sind erfüllt,
§§ 233, 234, 236 ZPO. Die Klägerin war ohne ihr Verschulden gehindert, die Notfrist für die
Einlegung der Berufung, § 517 S. 2 ZPO, zu wahren, weil sie ohne Bewilligung von
Prozesskostenhilfe das Rechtsmittel nicht hat einlegen bzw. das Rechtsmittelverfahren
nicht hat durchführen können. Sie hat auch innerhalb der im Gesetz bestimmten Frist von
zwei Wochen nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe die versäumte Prozesshandlung
nachgeholt.
B.
Ein wirksamer Rücktritt vom Versicherungsvertrag gemäß §§ 16, 17 VVG liegt nicht vor.
1. a. Gemäß § 16 Abs. 2 VVG kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der
Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss einen nach § 16 Abs. 1 VVG anzeigepflichtigen
Umstand verschwiegen hat. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsnehmer bei
Schließung des Vertrages "alle ihm bekannten Umstände", die geeignet sind, auf den
Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt
abzuschließen, einen Einfluss auszuüben, anzuzeigen. Die Anzeigeobliegenheit setzt positive
Kenntnis des Versicherungsnehmers von den gefahrerheblichen und erfragten Umständen
voraus. Sie kann sich aus Angaben der ihn zuvor behandelnden Ärzte ergeben. Aber auch
ohne Vorliegen einer ärztlichen Einschätzung oder Diagnose ist der Antragsteller gehalten,
symptomatische Beschwerden zu offenbaren, und zwar auch dann, wenn er sich
deswegen (noch) nicht in ärztliche Behandlung begeben hat oder den symptomatischen
Beschwerden keinen Krankheitswert beimisst, weil die Bewertung und Beurteilung dem
Versicherer überlassen sein muss.
Diese Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Anzeige entfällt auch nicht dadurch,
dass erst nach Antragstellung gefahrerhebliche und damit offenbarungspflichtige Umstände
bekannt geworden sind. Denn die Anzeigeobliegenheit besteht bis zur Schließung des
Vertrages, also in der Regel bis zur Annahme des Antrages durch den Versicherer (BGH,
Urt. v. 21.3.1990, IV ZR 39/89, NJW 1990, 1851; vgl. auch Langheid, aaO, Rdnr. 31,
m.w.N.). Da allerdings nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass diese
sogenannte „Nachmeldeobliegenheit“ einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne
weiteres bekannt ist, ist in aller Regel Voraussetzung der auf ihre Verletzung gestützten
Rechte des Versicherers, dass er bei Aufnahme des Antrags ausdrücklich über sie belehrt
worden ist oder es sich jedenfalls um erhebliche Verschlechterungen seines
gesundheitlichen Zustands handelt, deren Bedeutung für den Versicherer sich ihm
aufdrängen muss (vgl. hierzu auch Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., §§ 16,17,
Rdnr. 34, m.w.N.; BGH, Urt. v. 20.4.1994, IV ZR 70/93, VersR 1994, 799; OLG Bamberg,
OLGR 2003, 213). Diese Voraussetzungen liegen vor.
b. Dass der Versicherungsnehmer schon bei Antragsaufnahme von seinem Krebsleiden
wusste, steht allerdings nicht fest. Denn nach dem Arztbericht des Dr. M. vom Städtischen
Klinikum N. vom 15.6.2004, (Bl. 46, 47 d.A.), hat erst am 16.12.2002 ein
Aufklärungsgespräch mit dem Patienten und seiner Ehefrau, der Klägerin, stattgefunden.
Dass er schon zu einem früheren Zeitpunkt wegen dieser Grunderkrankung Beschwerden
hatte oder sich ihm der Verdacht einer nicht unerheblichen gesundheitlichen Störung
aufdrängen musste, ist nicht ersichtlich.
Jedoch musste der Versicherungsnehmer seine lebensbedrohlichen Erkrankung der
Beklagten nach dem 16.12.2002 „nachmelden“. Davon ist er, nach dem Vortrag der
Klägerin, selbst ausgegangen, war hierzu aber auch nach dem Gesetz gehalten und von
der Beklagten vorsorglich belehrt.
c. Zu offenbaren war – bei Antragsaufnahme – aber auch, dass sich der
Versicherungsnehmer ab dem 2.12.2002 in stationäre Behandlung zur Abklärung eines
nicht eindeutigen Röntgenbefundes nach dem am 27.11.2002 erlittenen Rollerunfall
begeben hat. Die entsprechende Gesundheitsfrage hat der Versicherungsnehmer im
Antragsformular verneint.
Das Unterlassen der Anzeige dieser Behandlung ist auch im Hinblick auf § 21 VVG von
Bedeutung. Denn es ist davon auszugehen, dass der im Versicherungsantrag falsch
angegebene Umstand Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles gehabt hat. Zwar
betrifft diese im Formular falsch beantwortete Frage nur einen indizierenden Umstand. Auf
dem Krankenhausaufenthalt und den dort durchgeführten Untersuchungen beruht der
Eintritt des Versicherungsfalles nicht. Gleichwohl bliebe die Beklagte deshalb nicht trotz
Rücktritts gemäß § 21 VVG wegen Fehlens einer Kausalität zur Leistung verpflichtet.
Umstände, die wie symptomatische Beschwerden oder Krankenhausaufenthalte lediglich
auf eine tatsächliche Erkrankung hinweisen, gelten nämlich dann als ursächlich für den
Eintritt des Versicherungsfalles, wenn sie zur Feststellung eines gefahrerheblichen
Zustandes geführt haben würden und letzterer für den Versicherungsfall ursächlich war
(vgl. statt aller Langheid in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 21, Rdnr. 11, m.z.w.N.; OLG
Karlsruhe, RuS 2003, 516). Die Offenlegung des Krankenhausaufenthaltes hätte zur
Feststellung eines gefahrerheblichen Zustandes jedenfalls ab dem 16.12.2002 als dem
Zeitpunkt, an dem die Diagnose eröffnet worden ist, geführt. Denn der Antrag ist erst am
12.12.2002 gestellt und anschließend der Beklagten zugeleitet worden, so dass diese im
Rahmen der hieran anschließenden Risikoprüfung zwangsläufig Kenntnis von der am
16.12.2002 gestellten Diagnose erlangt hätte. Dass der Zustand, der bei der
Untersuchung im Städtischen Klinikum N. festgestellt worden ist, zum Tod des
Versicherungsnehmers geführt hat, steht außer Zweifel.
Soweit in dem Arztbericht des Dr. S. vom 28.6.2004 ab 1998 verschiedene Erkrankungen
genannt sind – Epicondylitis humeroradialis, Prellung linke Zehe, akute Pharyngitis, akute
Bronchitis, Gastroenteristis, akute Tracheobronchitis, HWS-Syndrom, akute Sinubronchitis,
Lumbago, Z.n. Milzruptur, akute Gastroenteritis, Thoraxprellung rechts, akute Bronchitis –
sind diese ungeachtet der Frage, ob die Erkrankungen dem Agenten H. mitgeteilt worden
sind, im Hinblick auf § 21 VVG ohne Belang.
2. Die Beklagte hat den Nachweis zu erbringen, dass der Versicherungsnehmer die ihm
obliegende Anzeigepflicht verletzt hat. Diesen Beweis hat sie nicht erbracht.
Grundsätzlich ist der Versicherer für alle den Rücktritt begründenden Umstände wie
Kenntnis der Gefahrumstände, Gefahrerheblichkeit sowie die unrichtige oder unterbliebene
Beantwortung der Antragsfragen beweispflichtig. Dies gilt auch, soweit der
Versicherungsnehmer einwendet, die Anzeigeobliegenheit mündlich erfüllt zu haben.
Behauptet der Versicherungsnehmer substantiiert, den Agenten zutreffend mündlich
informiert zu haben, muss folglich der Versicherer das Gegenteil beweisen (Voit, aaO,
Rdnr. 78; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., §§ 16, 17, Rdnr. 41, 42,m.w.N.).
a. Die Klägerin hat hinreichend substanziiert vorgetragen, der Versicherungsnehmer habe
seine Anzeigeobliegenheitpflicht erfüllt, indem er dem Agenten H. sowohl die
Krebserkrankung in einem am 10.1.2003 sowie am 20.1.2003 geführten Gespräch
mitgeteilt als auch im Zuge der Antragstellung den Krankenhausaufenthalt offenbart hat.
Bei der Entgegennahme eines Versicherungsantrages sowie den bei dieser Gelegenheit
abgegebenen mündlichen Erklärungen auf alleinige Veranlassung des Versicherers steht
dem Versicherungsnehmer der empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent bildlich
gesprochen als das Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm in Bezug auf die
Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist auch dem Versicherer gesagt und vorgelegt.
Das gilt auch für Erklärungen im Rahmen der Nachmeldeobliegenheit. Denn sie ist Teil der
Anzeigeobliegenheit (§ 16 Abs. 1 S.1 VVG), von der Vollmacht des Agenten zur
Entgegennahme des Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages also umfasst.
Auch insoweit kann die Antragsaufnahme nicht willkürlich in eine auf den Empfang des
Antragsformulars beschränkten Teil und weitere, ihm folgende Erklärungen des
Versicherungsnehmers aufgespalten werden. Folgerichtig gelten die Beschränkungen der
Vollmacht des Agenten, die § 14 Nr. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der
Beklagten enthält, auch „erst“ für Mitteilungen, die das „Versicherungsverhältnis“
betreffen, also nach Abschluss des Vertrages. Daher genügt zur Erfüllung der
Anzeigeobliegenheit auch nach Antragstellung eine mündliche Anzeige der
gefahrerheblichen Umstände dem Agenten gegenüber.
Soweit in dem Antragsformular die Erfüllung der Nachmeldeobliegenheit an die Schriftform
geknüpft ist, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Zwar sind Schriftformklauseln durch
§ 34 a S. 2 VVG im Grundsatz zugelassen. Wenn sich der Versicherer allerdings im
Rahmen der Anbahnung des Vertrages Hilfspersonen bedient und diese auch an der
Beantwortung der Gefahrfragen mitwirken lässt, darf er dem Versicherungsnehmer nicht
gleichzeitig die Möglichkeit nehmen, durch mündliche Beantwortung der Fragen,
beispielsweise in einem Frage-Antwort-Verfahren, das der Agent mit Wissen des
Versicherers veranlasst, seiner Anzeigeobliegenheit nachzukommen (vgl. Voit in Berliner
Kommentar zum VVG, 1998, § 16, Rdnr. 77, § 47 Rdnr. 7). Nichts anderes kann dann für
die mündliche Erfüllung der Anzeigeobliegenheit „bis zur Schließung des Vertrages“ durch
Nachmeldung gefahrerheblicher Umstände (nach Antragstellung) gelten. Im übrigen lässt §
34a S. 2 VVG eine Abweichung von der nach § 16 Abs. 1 VVG möglichen Anzeige nur zu,
wenn sie vereinbart ist. Von einer solchen Vereinbarung kann nicht ausgegangen werden,
wenn der Versicherer in einem Anhang zu seinem Antragsformular unter „Allgemeine
Hinweise und Schlusserklärung“ die Schriftlichkeit der Nachmeldung einfordert.
b. Auf der Grundlage der im Berufungsrechtszug durchgeführten Beweisaufnahme (§ 529
Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kann der von der Beklagten zu erbringende Nachweis, dass der
Versicherungsnehmer gegenüber dem Agenten H. weder das Krebsleiden offenbart noch
den Krankenhausaufenthalt mitgeteilt hat, nicht als geführt angesehen werden.
Der Zeuge H. hat allerdings in den zentralen Punkten seine erstinstanzliche Aussage
bestätigt, wonach es weder am 10.1. noch am 20.1.2003 ein Gespräch gegeben habe,
anlässlich dessen der Versicherungsnehmer ihm seine Krebserkrankung offenbart habe.
Wenn der Versicherungsnehmer ihm etwas Derartiges mitgeteilt hätte, wüsste er das, das
sei ja nichts Alltägliches. Auf konkreten Vorhalt, dass der Versicherungsnehmer ihm gesagt
haben soll, er sei an Krebs erkrankt, hat der Zeuge dies verneint und auf mehrfache
Nachfrage erklärt, sich nicht daran erinnern zu können, dass ihm der Versicherungsnehmer
bei dieser Gelegenheit die Krebserkrankung mitgeteilt und er gegenüber dessen Ehefrau im
Hinblick auf die Umstände Verständnis für den Unfall geäußert habe. Von der
Krebserkrankung des Herrn S. habe er erst nach dessen Tod erfahren.
Dass dem Zeugen H. die entsprechenden Informationen erteilt worden sind, kann auch
nicht den Bekundungen der Zeugin H. entnommen werden, die sich bei ihrer Vernehmung
durch den Senat – bemerkenswert abweichend von ihrer Aussage erster Instanz, aus der
sich ergab, dass zwischen den Eheleuten S. und ihr in Gegenwart ihres Mannes über die
Krebserkrankung gesprochen worden sei – vollständig darauf zurückgezogen hat, sich an
nichts erinnern zu können. Schon die Art und Weise des Aussageverhaltens – die Zeugin
ließ deutlich erkennen, dass es ihr ausgesprochen unangenehm war, erneut vernommen
zu werden, und dass sie die Nachfragen des Senats als Zumutung betrachtete – haben
jedoch Zweifel geweckt, ob nicht doch genau das geschehen ist, was die Klägerin
vorgetragen hat.
Sie hat im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung erklärt, dass sie ihren Mann nach dem
Unfall zu dem Agenten begleitet habe, da sie nicht mehr habe fahren und nur sie Angaben
zu dem Unfallgeschehen habe machen können. Sie hätten vor dem Schreibtisch des
Zeugen H. gesessen, der alles aufgenommen habe, als dessen Ehefrau hereingekommen
sei und sich nach ihrer beider Befinden erkundigt habe. Die Zeugin habe ihren Mann immer
im Krankenhaus, wo die Behandlung (Chemotherapie usw.) sofort nach der Diagnose
eingeleitet worden sei, gesehen. Den gesamten Gesprächsinhalt habe der Zeuge H.
mitbekommen, der noch geäußert habe, sie solle sich nichts daraus machen, er könne
verstehen, dass man nach einer solchen Diagnose durcheinander sei.
Dafür, dass die Klägerin und der Versicherungsnehmer den Verkehrsunfallschaden am
20.1.2003 gemeinsam gemeldet haben und daher im Büro des Zeugen H. anwesend
waren spricht im übrigen entscheidend, dass, wie der unbeteiligte Zeuge Neuruhr, der
Unfallgegner des Verkehrsunfalles vom 20.1.2003, unter anderem bekundet hat, die
Eheleute gegen 18.00 Uhr zu ihm nach Hause gekommen seien und -entsprechend der
Ankündigung des von einem Kind an den Unfallort gerufenen Herrn S.- gesagt hätten, sie
kämen eben vom Versicherungsvertreter und hätten den Schaden gemeldet. Diese
Schilderung des Gangs der Ereignisse wird im Übrigen von den Bekundungen der Zeugin S.
zu dem von ihr erlebten Geschehnisablauf getragen. Da ausgeschlossen werden kann,
dass die Eheleute S. entgegen ihrer Ankündigung gegenüber dem Zeugen Neuruhr sowie
der Zeugin S. sozusagen im Vorgriff auf den zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbaren
Eintritt des Versicherungsfalles einen Besuch bei dem Versicherungsagenten vorgetäuscht
haben, spricht viel dafür, dass tatsächlich beide Eheleute den Agenten H. nach dem
Verkehrsunfall und damit noch am 20.1.2003 aufgesucht haben. Damit kann auch nicht
ausgeschlossen werden, dass Gegenstand der Unterredung gleichfalls ein Gespräch über
die Krebserkrankung war.
Es kommt hinzu, dass der Zeuge auf die Frage, was er gemacht hätte, wenn er von der
Erkrankung des Herrn S. erfahren hätte, weiter erklärt hat, dies eigentlich nicht zu wissen,
das wäre ja „eine schlimme Sache“ gewesen. Die Notwendigkeit, der Beklagten eine
solche Information weiterzuleiten, zu unterrichten, erwogen zu haben, hat er in diesem
Zusammenhang nicht einmal im Ansatz zu erkennen gegeben. Es liegt daher nahe, dass
dem Zeugen, der nach seinen Angaben im Jahr vielleicht 10 Lebensversicherungs- und
Berufsunfähigkeitsversicherungsverträge abschließt, überhaupt nicht bewusst war, dass
auch nach Antragstellung Erkrankungen von erheblichem Gewicht zu offenbaren sind und
welche Rolle ihm bei der Nachmeldung als Versicherungsagent zukommt. Dass er sich
unter Umständen deshalb nicht mehr an die Vorfälle zu erinnern vermag, ist nicht fern
liegend. All dies schließt es aus für bewiesen zu erachten, dass der Agent der Beklagten
am 20.1.2003 nicht von der nachzumeldenden Erkrankung erfahren hat.
Ob das allerdings schon genügt, der Beklagten ein Rücktrittsrecht zu versagen, kann
dahinstehen. Dem Versicherer ist – aufgrund der Untrennbarkeit der Empfangsvollmacht
für Willens- und Wissenserklärungen – mitgeteilt, was seinem bevollmächtigten Agenten bei
der Antragsaufnahme vom Versicherungsnehmer mitgeteilt wird. Zur Antragsaufnahme
mag eine erneute Befassung des Agenten mit dem Antrag auf Abschluss eines
Versicherungsvertrages nach dessen Abgabe zählen. Ob der Agent eines Versicherers auch
dann als sein „Auge- und- Ohr“ gilt, wenn mit ihm im Zusammenhang mit der Meldung
eines Versicherungsfalls einen anderen Versicherungsvertrag betreffend nachzumeldende
Informationen gegeben werden, vor allem, ob auch in einem solchen Fall der Versicherer
beweisen muss, dass dies nicht geschehen ist, - oder ob nicht in einem solchen Fall, was
der Versicherungsnehmer zu beweisen hätte, von einer Vorkenntnis des Versicherers
ausgegangen werden könnte (§ 16 Abs. 3 VVG) oder eine Verletzung der vorvertraglichen
Beratungspflicht in Betracht kommt, muss nicht entschieden werden.
c. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass der Versicherungsnehmer bereits zu einem
früheren Zeitpunkt, nämlich am 10.1.2003, bei dem Zeugen H. vorgesprochen und diesen
über die Krebserkrankung – gezielt in Bezug auf seinen Versicherungsantrag und damit im
Rahmen der Antragsaufnahme – unterrichtet hat. Das trägt die Klägerin vor.
Allerdings bestreitet dies der Zeuge H.. Nach seiner Erinnerung habe er wegen der
Lebensversicherung nur ein einziges Mal Kontakt zu dem Versicherungsnehmer wegen
einer Prämienfrage gehabt. Seine Erinnerung hat sich allerdings schon dort als nicht
besonders verlässlich erwiesen, wo die Aufklärung des Gesprächs vom 20.1.2003 in Frage
stand. Auch die langjährige nach seinen Angaben unbeanstandete Praxis des Zeugen ist als
Indiz nicht von besonderem Gewicht, nachdem sich der Zeuge offenbar mit einer
Reaktionsbedürftigkeit auf Nachmeldungen gefahrerheblicher Umstände noch nie befasst
hat.
Demgegenüber spricht für das Vorbringen der Klägerin, dass sowohl der Zeuge S. als auch
die Zeugin Schu bekundet haben, der Versicherungsnehmer habe ihnen berichtet, am
10.1.2003, dem Tag des Geburtstages der Zeugin Schu, bei dem Agenten H. gewesen zu
sein und über die Krankheit gesprochen zu haben. Dies habe er, so die Zeugin Schu, auch
als Erklärung dafür genannt, erst ein bis zwei Stunden später als seine Ehefrau und die
Kinder zur Geburtstagsfeier erschienen zu sein. Durchgreifende Bedenken gegen die
Glaubwürdigkeit dieser Zeugen bestehen nicht. Gründe, warum der Versicherungsnehmer
entgegen dem tatsächlichen Geschehnisablauf von einer Offenbarung der Krankheit
gegenüber dem Agenten H. berichtet und insbesondere ein verspätetes Erscheinen auf der
Geburtstagsfeier der Zeugin Schu hiermit rechtfertigt haben soll, sind nicht erklärlich. Die
Diagnose war bekannt, und der Versicherungsnehmer musste damit rechnen, dass bei
Eintritt des Versicherungsfalles der Beklagten die Verletzung der Nachmeldepflicht ebenfalls
bekannt wird.
Mit Blick auf diese widersprüchlichen Aussagen ist letztlich offen, ob eine Anzeige der
Krebserkrankung erfolgt ist. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die es erlaubten, einer
der Zeugenaussagen den Vorzug zu geben, auch wenn ein Interesse vor allem der Zeugin
Schu am Ausgang des Rechtstreits nicht erkennbar ist und daher ihre Bekundung
besonderes Gewicht hat. Da jedenfalls die Beklagte nicht bewiesen hat, dass ihr Agent
nicht durch ihren Versicherungsnehmer unterrichtet wurde, ist ihr ein Rücktrittsrecht
wegen des Verschweigens der Krebserkrankung genommen.
d. Davon, dass der Versicherungsnehmer den Krankenhausaufenthalt wegen des
Rollerunfalles bei Antragsaufnahme nicht angezeigt hat, kann gleichfalls nicht ausgegangen
werden.
Hierzu hat der Zeuge H. bereits im ersten Rechtszug bekundet, dass der
Versicherungsnehmer ihm bei seinem ersten Besuch – mit dem die Antragsaufnahme
begann – erklärt habe, er wolle seine Familie absichern, er habe einen Rollerunfall gehabt
und sei deswegen im Krankenhaus (Bl. 126 d.A.). Da der Versicherungsnehmer bereits am
2.12.2002 (bis 20.12.2002) stationär im Krankenhaus aufgenommen und der Antrag auf
Abschluss des Lebensversicherungsvertrages am 12.12.2002 gestellt worden war,
bestehen keine Bedenken, die Bekundungen des Zeugen H. zu diesem Punkt in Zweifel zu
ziehen. Dessen ungeachtet hat die Klägerin bei ihrer Anhörung bestätigt, ihr Mann habe ihr
von einem entsprechenden Gespräch mit dem Zeugen H. berichtet. Das überzeugt.
Auf die weitere Behauptung der Klägerin, der Agent H. habe eine Relevanz dieses
Umstandes bei der Antragsaufnahme verneint, weil zum damaligen Zeitpunkt noch keine
konkrete Diagnose gestellt gewesen sei und die stationäre Behandlung lediglich der
Abklärung eines nicht klaren Röntgenbefundes gedient habe, kommt es deswegen nicht
mehr an (vgl. hierzu auch BGH, Urt.v. 10.10.2001 – IV ZR 6/01 – NVersZ 2002, 60;BGH
NVersZ 2002, 254). .
C.
Kann nicht festgestellt werden, dass der Versicherungsnehmer seiner Anzeige- und
Nachmeldepflicht nicht genügt hat, liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine
Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung, § 22 VVG i.V.m. §
123 BGB, die wirksam binnen Jahresfrist erfolgt ist (§ 124 BGB), vor.
III.
Die Verzugskosten, die nach Grund und Höhe unstreitig sind, sind gemäß § 286 BGB
gerechtfertigt.
Weiterhin kann die Klägerin von der Beklagten vorprozessuale Anwaltskosten in Höhe von
1.206,64 EUR gemäß § 286 BGB als nicht streitwerterhöhende Nebenforderung
beanspruchen, weil nun keine vollständige Anrechnung der vorgerichtlich angefallenen
Rechtsanwaltsgebühren auf die anwaltliche Verfahrensgebühr des wegen desselben
Gegenstandes geführten nachfolgenden Rechtsstreits mehr erfolgt (RVG GG 2500, 2503,
vgl. Ruess, MDR 2005, 313 ff, 317; Hartung, MDR 2004, 1409 ff, 1415); die Forderung ist
im Übrigen nach Grund und Höhe unstreitig.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.