Urteil des OLG Saarbrücken vom 11.07.2007

OLG Saarbrücken: eintritt des versicherungsfalls, avb, versicherungsschutz, versicherungsnehmer, versicherer, auszahlung der versicherungsleistung, tod, leistungsausschluss, vorläufige deckung

OLG Saarbrücken Urteil vom 11.7.2007, 5 U 643/06 - 81
Risikolebensversicherung: Wirksamkeit einer AVB-Ausschlussklausel für bereits angelegte
Grunderkrankungen bei vorläufigem Versicherungsschutz
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.10.2006 verkündete Urteil des
Landgerichts Saarbrücken – 12 O 432/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 150.000,- EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Risikolebensversicherung.
Unter dem 21.02.2005 beantragte die Ehefrau des Beklagten, Frau P. W., bei der
Beklagten den Abschluss eines Risikolebensversicherungsvertrags. In dem Antragsformular
ist unter Ziff. 9 auf die Frage, ob in den letzten 10 Jahren stationär behandelt worden sei,
angegeben: "Thrombose in den Beinen" (Bl. 15 d. A). Die Versicherungssumme sollte
150.000,- EUR betragen, als Versicherungsbeginn war der 01.03.2005 vorgesehen. Als
Bezugsberechtigter wurde der Kläger angegeben. In einer "Schlusserklärung des
Antragstellers und der zu versichernden Person" (Bl. 15 d. A.) heißt es:
In einem weiteren Absatz findet sich die Erklärung:
Am 25.02.2005 ging der Antrag bei der Beklagten ein. Im Eingangsbestätigungsschreiben
wurde darauf hingewiesen, dass ab dem Tag des Antragseingangs vorläufiger
Versicherungsschutz gemäß den einschlägigen Bedingungen bestehe (Bl. 18 Rs. d. A.). In §
4 Abs. 1 der beigefügten Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen
Versicherungsschutz in der Lebensversicherung (im Folgenden: AVB) hieß es –
entsprechend dem diesbezüglichen Hinweis in der "Bestätigung über den vorläufigen
Versicherungsschutz" (Bl. 18 d. A.) -:
"
Bereits im Jahre 1983 hatte die Versicherungsnehmerin nach einem Autounfall einmal eine
Lungenembolie gehabt. Am 02.11.2004 war sie in der Hochrheinklinik Bad S. wegen
Unterschenkelvenenthrombosen in Behandlung gewesen (Bl. 27 d. A.). Im Arztbrief an Dr.
B. vom 10.11.2004 war die Überprüfung der Gerinnungsfaktoren und eine Therapie u.a.
mit Marcumar empfohlen worden sowie das Tragen eines Unterschenkel-
Kompressionsstrumpfs (Bl. 25 d. A. Rs.). In einem weiteren Schreiben der Hochrheinklinik
vom 16.11.2004 war mitgeteilt worden, man habe mit Frau W. besprochen, es sei
vertretbar, auf die Gabe von Marcumar zu verzichten; das Bein müsse aber konsequent
gebunden werden, sie müsse sich viel bewegen, ausreichend trinken "sowie bei
entsprechenden Situationen sich das Heparin" spritzen (Bl. 26 d. A.). In dem Schreiben war
auch davon die Rede gewesen, dass zwei Thrombosen noch nachweisbar seien, eine
aufgelöst sei.
Am 27.03.2005 – noch vor Annahme des Versicherungsantrags – verstarb die
Antragstellerin. Zum Zeitpunkt des Todeseintritts war der zuvor telefonisch herbeigerufene
diensthabende Dr. M. anwesend; dieser führte auch die Leichenschau durch und gab als
Todesursache eine Lungenarterienembolie an.
Am 28.03.2005 unterrichtete der Kläger die Beklagte vom Tod der Antragstellerin und
begehrte die Auszahlung der Versicherungsleistung in Höhe von 150.000,- EUR. Ende Juni
2005 lehnte die Beklagte die Zahlung ab. Zur Begründung hieß es im Schreiben vom
27.06.2005 (Bl. 19 d. A.), aus den Unterlagen des Dr. B. im Rahmen der Leistungsprüfung
gehe hervor, dass die festgestellte Lungenembolie zum Tod geführt habe; wegen des
Zusammenhangs mit der vorangegangenen Thrombose seien die Voraussetzungen des §
4 AVB erfüllt.
Unter dem 08.09.2005 (Bl. 29 d. A.) wandten sich die Prozessbevollmächtigten des
Klägers an die Beklagte und teilten mit, das Blutgerinnsel in der Kniekehle sei völlig
verschwunden gewesen, so dass die Lungenembolie im Frühjahr des Jahres 2005
keinesfalls auf das Ereignis im Herbst 2004 zurückzuführen sei (Bl. 30 d. A.).
Mit Schreiben vom 09.11.2005 (Bl. 35, 36 d. A.) verweigerte die Beklagte die Leistung
endgültig.
Der Kläger hat bereits die Ursächlichkeit einer Lungenembolie für den Tod in Abrede
gestellt. Er hat behauptet, selbst wenn die Antragstellerin an einer Lungenarterienembolie
verstorben wäre, so sei die im November 2004 erlittene Thrombose nicht mitursächlich für
den Eintritt des Todes gewesen (Bl. 7 d. A.).
Der Kläger hat behauptet, die Antragstellerin habe entgegen der Annahme der Beklagten
nicht an einer "thrombosebegünstigenden Störung" gelitten (Bl. 8 d. A.). Die 1983
eingetretene Lungenembolie sei ausschließlich die Folge des damaligen Unfallereignisses
gewesen (Bl. 58/59 d. A.). Von 1983 bis Oktober/November 2004 habe es keinerlei
Anzeichen einer Thromboseneigung oder Embolieerkrankung gegeben (Bl. 9 d. A.). Dass
laut Arztbrief vom 16.01.2004 – unstreitig – empfohlen worden sei, Heparin zu Hause
verfügbar zu halten, sei eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Seine Ehefrau sei den
ärztlichen Empfehlungen nachgekommen und habe vor ihrem Tod keine Anzeichen einer
Thrombose verspürt (Bl. 57 d. A.).
Der Kläger hat § 4 Abs. 1 AVB unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom
21.02.2001 (IV ZR 259/99, VersR 2001, 489) für unwirksam gehalten. Da die Regelung
jeden Umstand erfasse, der für den Todesfall auch nur mitursächlich gewesen sei,
schränke sie wesentliche Rechte des Versicherungsnehmers, die sich aus der Natur eines
Vertrags über den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung ergäben, so
sehr ein, dass der Vertragszweck gefährdet werde (Bl. 77 d. A.). Im Hinblick darauf, dass
häufig ein multikausales Krankheitsgeschehen zum Tode führe, gewähre die
Ausschlussklausel dem Versicherer einen Freibrief, um bei einem etwaigen Todesfall eine
irgendwie geartete Kausalität zu einer Vorerkrankung anzunehmen (Bl. 77, 78 d. A.).
Neben der Auszahlung der Versicherungssumme hat der Kläger nicht auf das gerichtliche
Verfahren anrechenbare – der Höhe nach unstreitige – vorgerichtliche Anwaltskosten in
Höhe von 1.218,29 EUR geltend gemacht (Bl. 11 d. A.)
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn einen Betrag in Höhe von 150.000,-- EUR nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2005 zu zahlen;
2. an ihn weitere 1.218,29 EUR nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, die Ehefrau des Klägers sei an einer Lungenarterienembolie verstorben.
Die Ärzte seien im November 2004 davon ausgegangen, dass eine Neigung zur
Thrombosebildung vorgelegen habe; anderenfalls wären die damaligen
Medikamentenverordnungen und Empfehlungen nicht zu erklären gewesen (Bl. 45 d. A.).
Eine thrombosebegünstigende Gesundheitsstörung sei für den Tod zumindest mitursächlich
gewesen (Bl. 46 d. A.).
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es komme für die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1
der AVB über den vorläufigen Versicherungsschutz nicht entscheidend darauf an, ob der
Tod konkret auf die im November 2004 festgestellte Thrombose (mit) zurückzuführen sei;
es sei ausreichend, dass bei der Ehefrau des Klägers eine gefahrerhebliche
Gesundheitsstörung permanent vorgelegen habe, nämlich die – vom Kläger bestrittene –
eine Thrombosebildung begünstigende Disposition. Sie hat die Ansicht vertreten, der
Leistungsausschluss gemäß dem von ihr als wirksam erachteten § 4 Abs. 1 der AVB greife
auch dann ein, wenn – wie von ihr behauptet – der Vertrag nicht mit dem beantragten
Inhalt abgeschlossen worden wäre (Bl. 85 d. A.).
Mit dem am 23.10.2006 verkündeten Urteil (Bl. 104 d. A.) hat das Landgericht
Saarbrücken die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Es hat die
Leistungsausschlussklausel des § 4 Abs. 1 AVB gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB für
unwirksam gehalten, da sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteilige.
Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen
Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Bezüglich der vom Landgericht unter Berufung auf das Urteil des BGH vom 21.02.2001
verneinten Wirksamkeit des § 4 Abs. 1 AVB ist sie der Ansicht, das Landgericht habe
verkannt, dass sich die von ihr verwendete Klausel von der dem BGH-Urteil zu Grunde
liegenden in maßgeblichen Punkten unterscheide. Sie beruft sich darauf, im gegebenen Fall
wisse der Antragsteller des Versicherungsantrags, dass aufgrund des vorläufigen
Versicherungsschutzes keine Leistungen zu erwarten seien, wenn ihm bekannte
gefahrerhebliche Umstände zumindest mitursächlich zum Tod führten, selbst wenn diese
im Antrag angegeben worden seien (Bl. 134 d. A.). Die Annahme des BGH, wonach bei
einem Vertrag über vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung die Rechte
des Versicherungsnehmers übermäßig eingeschränkt würden, wenn sich der Versicherer
über eine Ausschlussklausel Leistungsfreiheit in einem Umfang ausbedinge, der den nach
Durchführung einer – unterbliebenen – Risikoprüfung sogar noch überschreite, hält die
Beklagte für nicht überzeugend. Hierzu verweist sie darauf, dass der Versicherer nicht
verpflichtet sei, vorläufigen Versicherungsschutz zu gewähren. Sie geht davon aus, dass
das Ausmaß der Leistungsfreiheit beim vorläufigen Versicherungsschutz durchaus höher
sein dürfe als im Rahmen des eigentlichen Versicherungsvertrags (Bl. 135 d. A.).
Die Beklagte behauptet, wenn sie die Informationen über die Thrombosen der Ehefrau
gehabt hätte, welche ihr erst im Rahmen der späteren Leistungsprüfung zugegangen sein,
hätte sie die Frage einer folgenlosen Abheilung abklären müssen, verneinendenfalls hätte
sie einen Prämienzuschlag von 50% festgesetzt (Bl. 136 d. A.).
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts
Saarbrücken vom 23.10.2006 (Az. 12 O 432/05) abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er erachtet das landgerichtliche Urteil als mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
übereinstimmend. Er meint, auch der Versicherer, der ein zusätzliches freiwilliges
Leistungsangebot gewähre, müsse dieses an den gesetzlichen Regelungen orientieren (Bl.
151 d. A.).
Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages sowie des Ergebnisses der
Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die
Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 21.08.2006 (Bl. 70 d. A.) und des Senats
vom 23.05.2007 (Bl. 161 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 23.10.2006
(Bl. 103 d. A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513
Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO
zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG i.V.m. §
328 Abs. 1 BGB und § 6 Abs. 2 AVB als Bezugsberechtigter aus dem zwischen seiner
verstorbenen Ehefrau als Antragstellerin und der Beklagten zu Stande gekommenen
Risikolebensversicherungsvertrag über vorläufigen Versicherungsschutz in Höhe der mit
150.000,- EUR vereinbarten Versicherungssumme.
1. Ein vom Beginn eines endgültigen Versicherungsvertrags unabhängiger und rechtlich
selbstständiger Vertrag über vorläufigen Versicherungsschutz (hierzu BGH, Urt. v.
03.04.1996 – IV ZR 152/95 – NJW-RR 1996, 856) ist dadurch zu Stande gekommen, dass
die Beklagte in dem von ihr gefertigten Formular zum "Sofort-Antrag auf Risiko-
Lebensversicherung" ein entsprechendes Angebot unterbreitet hat (Bl. 15 d. A.; hierzu
Hermannsin: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2004, § 7
Rdnr. 8), welches von der Antragstellerin durch die Unterzeichnung des
Versicherungsantrags und dessen Übersendung an die Beklagte angenommen wurde.
Damit sind auch die später mit Schreiben der Beklagten vom 26.02.2005 (Bl. 17 d. A.)
übersandten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den vorläufigen
Versicherungsschutz in der Lebensversicherung Vertragsbestandteil geworden. Dem steht
nicht entgegen, dass die Antragstellerin entsprechend der Abschlusserklärung auf dem
Antragsformular auf die Überlassung der Versicherungsbedingungen "zum jetzigen
Zeitpunkt" verzichtet hatte, so dass es zunächst einmal an einer Einbeziehung in den
Vertrag gemäß § 305 Abs. 2 BGB gefehlt hatte. Nach § 5a Abs. 3 VVG kann im Falle der
Gewährung sofortigen Versicherungsschutzes der Verzicht auf die Überlassung der
Versicherungsbedingungen bei Vertragsschluss vereinbart und das Überlassen der
Unterlagen bis zu einer entsprechenden Anforderung von Seiten des
Versicherungsnehmers oder aber spätestens bis zur Aushändigung des
Versicherungsscheins aufgeschoben werden. Eine solche Vereinbarung war gemäß der
Schlusserklärung der Antragstellerin in dem Formular der Beklagten (Bl. 15 d. A.) getroffen
worden. Damit wurden die einschlägigen AVB der Beklagten auch ohne unmittelbare
Kenntnisnahmemöglichkeit des Versicherungsnehmers Vertragsinhalt (Prölss in:
Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 5a Rdnr. 60; Teslauin: van
Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 2. Aufl. 2003, § 13 Rdnr. 80; zur Wirksamkeit der
formularmäßigen Verzichtserklärung Hermannsin: Beckmann/Matusche-Beckmann,
Versicherungsrechtshandbuch, 2004, § 7 Rdnr. 21).
2. Der Versicherungsfall – der Tod der Antragstellerin am 27.03.2005 – ist während des
Zeitraums eingetreten, in dem vorläufiger Versicherungsschutz bestand. Dieser begann
gemäß § 3 Abs. 1 AVB mit dem Tag des Antragseingangs, mithin am 25.02.2005 (vgl.
Schreiben Bl. 19 d. A.). Ein Beendigungsgrund gemäß § 3 Abs. 2 AVB lag nicht vor.
Insbesondere war der endgültige Versicherungsvertrag noch nicht zu Stande gekommen;
der Vertragsabschluss war auch nicht etwa im Hinblick auf eventuelle Vorerkrankungen
endgültig verweigert worden (hierzu Senat, Urt. v. 21.03.2001 – 5 U 691/00 – VersR
2002, 41).
3. Der vorläufige Versicherungsschutz ist nicht gemäß § 4 Abs. 1 AVB ausgeschlossen. Die
Klausel ist unwirksam.
a. Die Regelung in § 4 Abs. 1 AVB weicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den
§§ 16 – 29a VVG ab, so dass die Beklagte sich auf die Vorschrift wegen § 34a VVG nicht
berufen kann.
(1) Die §§ 16 ff., 41 VVG sanktionieren die Verletzung vorvertraglicher
Anzeigeobliegenheiten abschließend. Das Gesetz sieht als Rechtsfolgen nur
Prämienerhöhung, Kündigung oder Rücktritt vor. Hiervon zu Lasten des
Versicherungsnehmers Abweichendes würde die ausgewogene Entscheidung des
Gesetzgebers zur Sanktionierung der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten bei
Anbahnung eines Versicherungsvertrages unterlaufen.(vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2007 – IV
ZR 5/06 – VersR 2007, 630).
(2) Bei der nach § 34a Satz 1 VVG anzustellenden vergleichenden Betrachtung des
vertraglich Vereinbarten zum System der §§ 16 ff VVG ist nicht auf den Einzelfall
abzustellen, sondern danach zu fragen, ob generell und ohne Rücksicht auf den Einzelfall
einem Versicherungsnehmer ein Nachteil erwächst (Riedler in: BK zum VVG, 1999, § 42
Rdnr. 2). Es kommt also mit Blick auf § 4 Abs. 1 AVB von vornherein nicht darauf an, ob die
bei der Versicherungsnehmerin eventuell vor Antragstellung bereits angelegte
Grunderkrankung in concreto dazu geführt hätte, dass ein Vertrag gar nicht abgeschlossen
worden wäre und die Beklagte demzufolge zu keinem Zeitpunkt leistungspflichtig geworden
wäre.
(3) Die Frage, ob § 34 a VVG den Versicherer daran hindert, auf eine Risikoprüfung zu
verzichten und stattdessen gefahrerhebliche Umstände – individualvertraglich – zum
Gegenstand von Ausschlussklauseln zu machen, oder ob solche Klauseln nur als Allgemeine
Versicherungsbedingungen nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG) wegen
einer Gefährdung des Vertragszwecks Bedenken begegnen können, wird in
Rechtsprechung und Schrifttum kontrovers diskutiert.
Der Senat hat mit Urteil vom 01.10.2003 (5 U 134/03 – OLGR Saarbrücken 2004, 183)
für den Fall eines individualvertraglich vereinbarten Risikoausschlusses – jedenfalls im
Hinblick auf dem Antragsteller bekannte Gefahrumstände – die Rechtsauffassung
verworfen, nach welcher Ausschlussklauseln für "alte Leiden" gar nicht vom
Regelungsgehalt der §§ 34a, 16 ff. VVG erfasst würden, und sich der von Voit (in: BK zum
VVG, § 16 Rn. 114 ff.) und dem OLG Hamm (r+s 1999, 294) vertretenen Auffassung
angeschlossen, wonach in Fällen der vorliegenden Art der Weg zu einer
Vergleichsbetrachtung gemäß §§ 34a, 16 ff. VVG eröffnet ist. Daran wird festgehalten.
Die Argumentation, die §§ 16 ff. VVG befassten sich nur mit der Information des
Versicherers zur Vermeidung von Fehleinschätzungen des – den Informationsbedarf
determinierenden – Risikos, das der Versicherer nach seinen AVB überhaupt zu
übernehmen bereit sei, eine vom zu übernehmenden Risiko unabhängige
Gefahrerheblichkeit gebe es gar nicht (so Prölss in: Prölss/Martin,
Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, §§ 16, 10 Rdnr. 45), betrachtet das Problem
von einer dem Zweck des § 34a VVG nicht gerecht werdenden formalen Seite. Ein
Versicherer darf zwar in den Grenzen des allgemeinen Zivilrechts vorgeben, welche Risiken
er nach Prüfung zu übernehmen bereit ist. Grenzt er aber nicht konkret und anschaulich
und unabhängig von einer durch Informationen des Versicherungsnehmers abhängigen
Risikoprüfung bestimmte in der Vergangenheit angelegte Risiken aus der von ihm
übernommenen Gefahr aus, sondern gewährt einen Schutz, dessen Ausmaß und Wert für
den Versicherungsnehmer davon abhängt, dass er selbst die Gefahrerheblichkeit zutreffend
eingeschätzt hat, so will er sehr wohl Versicherungsschutz von einer Risikoprüfung
abhängig machen, wälzt sie nur auf den Versicherungsnehmer ab. Dann aber darf es ihm
nicht möglich sein, von vornherein gefahrerhebliche Umstände, an deren Verschweigen die
§§ 16 ff. VVG ein ausgewogenes System von Rechtsfolgen knüpfen, gewissermaßen durch
bloßes Umdefinieren diesem System zu entziehen.
(4) Was die Grundlage der im Rahmen des § 34a VVG anzustellenden
Vergleichsbetrachtung angeht, weist Knappmann (Anm. zu OLG Dresden, VersR 2006,
495) zutreffend darauf hin, dass für die Frage des Vergleichs von Vorteilen und Nachteilen
für den Versicherungsnehmer zunächst einmal gar nicht klar ist, wie sich der Versicherer
auf eine entsprechende Mitteilung des Versicherungsnehmers hin verhalten hätte. Er hätte
möglicherweise den Vertrag abgelehnt oder den Vertragsinhalt modifiziert. Letzteres
wiederum hätte in Form eines Risikoausschlusses für eine bestimmte Erkrankung oder
eines Risikozuschlags zur Prämie erfolgen können. Ist aber unsicher, zu welchem Ergebnis
eine Anwendung der §§ 16 ff. VVG in der Mehrzahl der Fälle geführt hätte, so ist einem
Vergleich mit der hier in Rede stehenden Ausschlussklausel die Grundlage entzogen (so
zutreffend Knappmann, aaO.) und mangels eindeutiger Feststellbarkeit von einer
Benachteiligung des Versicherungsnehmers auszugehen (hierzu bei fehlender Eindeutigkeit
Prölss in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 34a Rdnr. 1).
Für § 4 Abs. 1 AVB kann keineswegs ohne weiteres unterstellt werden, dass ein
Sachverhalt, wie er von der verwendeten Klausel erfasst ist, zwangsläufig zur Versagung
des Versicherungsschutzes geführt hätte. Selbst wenn man grundsätzlich annehmen
würde, dass Erkrankungen einer bestimmten Schwere das Zustandekommen des Vertrags
verhindert hätten, verfängt diese Überlegung für § 4 Abs. 1 AVB der Beklagten nicht: Dort
ist allein von "gefahrerhebliche[n] Erkrankungen, Beschwerden oder Gesundheitsstörungen"
die Rede, bezüglich deren § 4 Abs. 1 S. 2 AVB ausdrücklich klarstellt, dass es auch um
solche gehen kann, die lediglich einen Einfluss auf den Inhalt des Vertrags nehmen konnten,
also gerade nicht zwingend zu einer Verweigerung des Vertragsschlusses geführt hätten.
Im vorliegenden Fall behauptet die Beklagte selbst nicht, sie hätte den Vertrag im Hinblick
auf die Vorerkrankungen nicht abgeschlossen, sondern sie hätte lediglich einen
Prämienzuschlag gefordert. Schon daraus folgt eine Benachteiligung des
Versicherungsnehmers im Ergebnis der Risikoprüfung.
(5) Der Senat hat schon in der oben genannten Entscheidung vom 01.10.2003 (für eine
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) zu den dem Versicherungsnehmer nachteiligen
Abweichungen darauf hingewiesen, dass ein auf die Verletzung der Anzeigeobliegenheit
gestütztes Rücktrittsrecht des Versicherers nach § 20 VVG gemäß § 16 Abs. 3 VVG bei
fehlendem Verschulden des Versicherungsnehmers entfällt, wohingegen die
Ausschlussklausel auch ohne Verschulden zum Rechtsverlust des Versicherungsnehmers
führt.
Zudem stellt die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit des Versicherers eine für den
Versicherungsnehmer nachteilige Abweichung von den Rechtsfolgen der §§ 16 ff. VVG dar.
Bei Erfüllung der Anzeigeobliegenheit durch den Versicherungsnehmer und Durchführung
einer Risikoprüfung hätte die Versicherung den mitgeteilten Umstand entweder für
unerheblich gehalten und dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz auch für dessen
Folgen gewährt. Oder sie hätte konkret die Folgen dieses Umstands vom
Versicherungsschutz ausgenommen und dadurch dem Versicherungsnehmer eindeutig vor
Augen geführt, dass die diesbezüglichen Folgen ein nach ihrer Einschätzung nicht
versicherbareres Risiko darstellen. Im Wege der Ausschlussklausel hat sie die mit ihrer
Einschätzung verbundene Prognosegefahr, welche die §§ 16 ff. VVG ihrer Sphäre zuordnen
(vgl. Voit in: BK zum VVG, § 16 Rdnr. 115), auf den Versicherungsnehmer verlagert;
diesem bleibt der Umfang des bei ihm selbst verbliebenen Risikos mangels Prüfung
indessen unklar.
Schließlich wirkt die Klausel insoweit zum Nachteil des Versicherungsnehmers, als der
Versicherer sich zeitlich unbegrenzt - vorläufige Deckung besteht zwar in aller Regel nur
kurze Zeit, kann aber durchaus auch von langer Dauer sein - auf Leistungsfreiheit berufen
kann, während er ansonsten auf die fristgerechte Ausübung seines Rücktrittsrechts nach §
20 VVG beschränkt wäre. Sie perpetuiert also einen Zustand der Rechtsunsicherheit,
indem für den Versicherungsnehmer auf Dauer ungewiss bleibt, in welchem Umfang
Erkrankungen vom Versicherungsschutz gedeckt sind. Das ist gegenüber § 16 VVG, der
unter anderem den Zweck verfolgt, bei Vertragsschluss geklärt zu haben, in welchem
Umfang und zu welchen Bedingungen der wahrheitsgemäß antwortende
Versicherungsnehmer Versicherungsschutz erhält, ein unangemessener Nachteil (BGH,
Urt. v. 07.02.1996 – IV ZR 155/95 – VersR 1996, 486; OLG Hamm, NVersZ 1999, 164
[beide für eine Restschuldversicherung]).
(6) Im Urteil vom 01.10.2003 hat der Senat die Frage offen gelassen, ob die mit einer
Ausschlussklausel der vorliegenden Art einhergehende – im Vergleich zu den §§ 16 ff. VVG
nachteilige – Einbuße an Rechtsklarheit in den besonderen Fällen der vorläufigen Deckung
kompensiert werden könne, weil der Versicherungsnehmer dort sofortigen
Versicherungsschutz und ohne Risikoprüfung durch den Versicherer vor
Versicherungsbeginn erhalte.
Selbst wenn man aber den darin liegenden Vorteil in die bilanzierende Betrachtung nach §
34a VVG einstellt, ist der in § 4 Abs. 1 AVB formulierte Leistungsausschluss unzulässig.
(a) Bei der vorläufigen Deckung bei einer Lebensversicherung handelt es sich um einen auf
kurze Zeit angelegten Vertrag. Für eine vorherige umfassende Risikoprüfung ist kaum Zeit.
Gleichwohl soll bis zum Zustandekommen des endgültigen Vertrags Versicherungsschutz
gewährt werden und dessen Umfang an Stelle der für den Hauptvertrag noch
ausstehenden Risikoprüfung vorläufig durch eine AVB-Bestimmung geregelt werden.
Zunächst einmal gereicht es dem Versicherungsnehmer zum Vorteil, dass er das Ergebnis
einer Risikoprüfung nicht abwarten muss, sondern sogleich eine – mehr oder weniger –
gesicherte Position erlangt. Der Versicherer hat ein durchaus berechtigtes Interesse daran,
hier grundsätzlich nicht schlechter zu stehen, als er nach einer ordnungsgemäßen
Risikoprüfung stände. Insbesondere will er Missbrauchsmöglichkeiten entgegenwirken, die
sich dem Versicherungsnehmer dadurch eröffnen könnten, dass ihm hinsichtlich der
Wahrscheinlichkeit eines Versicherungsfalls in dem knappen Zeitraum der vorläufigen
Deckung ein Wissensvorsprung zukommt (Hermannsin: Beckmann/Matusche-Beckmann,
Versicherungsrechtshandbuch, 2004, § 7 Rdnr. 47). Bedingungen, die sich an sonst
üblichen Risikoprüfungsmaßstäben orientieren und bestimmte Risiken für den Fall, dass sie
sich im Eintritt des Versicherungsfalls verwirklichen, ausschließen, sind deswegen nicht als
grundsätzlich unzulässige Abweichung von den §§ 16 ff. VVG zu bewerten (OLG Hamm,
NVersZ 2000, 517), weil einem entsprechenden Leistungsausschluss die dem
Versicherungsnehmer durch den sofortigen, ungeprüften Schutz zugewachsenen Vorteile
gegenüberstehen, auch wenn den beiderseitigen Interessen mit einer anderen
Vertragsgestaltung, beispielsweise einer auf unfallbedingte Versicherungsfälle beschränkten
sofortigen Versicherungsschutz Genüge getan werden könnte.
(b) Die in § 4 Abs. 1 AVB der Beklagten getroffene Regelung geht aber über die Wahrung
der berechtigten Interessen des Versicherers hinaus. Die Klausel greift schon dann ein,
wenn irgendeine Erkrankung gleich welcher Schwere oder auch nur wie möglicherweise
hier ein diese ohnehin allenfalls indizierendes Symptom (vgl. hierzu bereits das Senatsurt.
v. 21.03.2001 – 5 U 691/00-59 – VersR 2002, 41) Glied einer multikausalen Kette ist, die
mit dem Versicherungsfall endet. Damit steht der Versicherer weitaus besser, als hätte er
eine ordnungsgemäße Risikoprüfung vorgenommen und auf dieser Grundlage bei
gravierenden Risikofaktoren den Abschluss des Versicherungsvertrages abgelehnt (vgl.
auch OLG Hamm, NVersZ 2000, 517).
Entschließt sich der Versicherer dazu, dem Versicherungsnehmer das Produkt "vorläufige
Lebensversicherung" anzubieten, dann darf er die dem Vertrag innewohnende
Gefahrübernahme nicht dadurch entwerten, dass er die Absicherung entfallen lässt, wenn
er ex post feststellt, dass der Eintritt des maßgeblichen Ereignisses in irgendeiner Weise
bereits angelegt war (vgl. – für die Reisekrankenversicherung – BGH, Urt. v. 02.03.1994 –
IV ZR 109/93 – NJW 1994, 1534, 1536). Denn dann ist der dem Versicherungsnehmer
gewährte Vorteil häufig nur ein scheinbarer: Die für den Versicherungsnehmer in ihrer
Tragweite kaum einschätzbare Ausschlussklausel kann dazu führen, dass er in einer
Vielzahl von letztlich der Beurteilung des Versicherers unterstehenden Fällen gar nicht in
den Genuss des durch den sofortigen Versicherungsschutz eingeräumten Vorteils gelangt,
obwohl er möglicherweise gerade durch das diesbezügliche Angebot davon abgehalten
wurde, sich einem anderen Versicherer mit u. U. weniger rigiden Leistungsausschlüssen
zuzuwenden (vgl. allgemein dazu, dass der von einem Leistungsausschluss Betroffene
nicht zwingend besser gestellt ist als derjenige, dessen Versicherungsantrag von vornherein
abgelehnt wird, Knappmann, VersR 2006, 495). Dieser Nachteil ist selbst mit Blick auf die
Besonderheiten des vorläufigen Versicherungsschutzes nicht gerechtfertigt.
(7) Die hier zur Entscheidung gestellte Klausel unterscheidet sich in einem wesentlichen
Punkt von der durch das OLG Dresden (VersR 2006, 61) – für unbedenklich gehaltenen
Bedingung eines Restschuldversicherungsvertrages.
Die Klausel lautete dort:
"
Damit wird der Versicherungsschutz nur bei – beispielhaft beschriebenen –
Erkrankungen beschränkt. Die Ausschlussklausel soll also nur eingreifen, wenn es sich um
eine Gesundheitsstörung handele, bei der von vornherein von einer Ablehnung des
Vertragsschlusses oder einem Risikoausschluss im Falle des Verschweigens auf eine Frage
vom Verschulden des Versicherungsnehmers und im Falle einer Entdeckung nach Anzeige
eines Versicherungsfalles von einem fristgemäßen Rücktritt oder gar einer Anfechtung
auszugehen sei.
a. Es kann dahinstehen, inwieweit dem gefolgt werden kann. Jedenfalls aber geht es im
hiesigen Fall um einen Ausschluss von der Leistungspflicht schon dann, wenn etwa bloße
"Beschwerden" lediglich mitursächlich zum Eintritt des Versicherungsfalls beigetragen
haben. Beschwerden sind aber nicht identisch mit der sie auslösenden Krankheit als
solcher, sondern sind Symptome, die darauf hinweisen, dass eine Erkrankung vorliegen
könnte. Sind solche zwar nach allgemeiner Auffassung, gefahrerhebliche Umstände im
Sinne der §§ 16 und 17 VVG, die der Versicherungsnehmer anzugeben hat, wenn der
Versicherer danach fragt ( in: Ulmer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, §§ 16, 17
Rdnr. 19), so ist allerdings nicht ersichtlich, inwieweit bloße Beschwerden überhaupt
(mit)ursächlich zum Eintritt des Todes beigetragen haben können (vergleiche Senat, Urt. v.
21.03.2001 – 5 U 691/00, VersR 2002, 41) und ob der Versicherungsnehmer im Sinne
der Argumentation des OLG Dresden davon ausgehen kann, es müsse sich um
Erkrankungen "von erheblichem Gewicht" handeln. Auch weist in der vom OLG
Dresden zitierten Abhandlung (VersR 20004, 713) im Rahmen seiner Begründung der
Unbedenklichkeit der Klausel darauf hin, dass der Versicherungsschutz für "bloße
Gesundheitsstörungen" ausgeschlossen worden sei. § 4 Abs. 1 AVB der Beklagten ist
daher mit der deutlich restriktiver gefassten, von und dem OLG Dresden mit Blick
auf die Unterstellung einer hypothetischen Vertragsablehnung beim Vorliegen ernstlicher
Erkrankungen als unbedenklich erachteten Klausel nicht vergleichbar.
Das Gleiche gilt auch für die Argumentation des OLG Schleswig (VuR 2007, 22).
b. § 4 Abs. 1 der AVB ist auch wegen Verstoßes gegen das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
normierte Transparenzgebot unwirksam. Dieses hält den Verwender Allgemeiner
Geschäftsbedingungen dazu an, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst
klar und durchschaubar darzustellen. Wird der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel
beschränkt, so muss dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen geführt werden, in
welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel noch besteht (BGH, Urt. V.
22.11.2000 – IV ZR 235/99 – VersR 2001, 184, 185; Senat, Urt. V. 14.11.2001 – 5 U
394/99-26 – VersR 2004, 507). Die tatbestandlichen Voraussetzungen und die
Rechtsfolgen einer Bedingung müssen so genau beschrieben werden, dass sich für den
Versicherer keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume ergeben (Prävein:
Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2004, § 10 Rdnr. 373).
Das ist vorliegend nicht gewährleistet.
(1) Die Intransparenz ergibt sich schon daraus, dass es zunächst einmal in der
„Schlusserklärung des Antragstellers“ auf dem Antragsformular der Beklagten heißt: „Mir
ist bekannt, dass ich die in diesem Antrag gestellten Fragen nach bestem Wissen richtig
und vollständig beantworten und dabei auch von mir für unwesentlich gehaltene
Erkrankungen, Störungen oder Beschwerden angeben muss […]. Ich weiß, dass die C. bei
schuldhafter Verletzung dieser Pflichten vom Vertrag zurücktreten beziehungsweise die
Leistung verweigern kann“ (Bl. 15 d. A.). Damit wird dem Antragsteller – im Hinblick auf
den systematischen Zusammenhang mit der Gewährung vorläufigen
Versicherungsschutzes im ersten Absatz der Schlusserklärung – der Eindruck vermittelt, ein
Rücktrittsrecht beziehungsweise eine Leistungsverweigerung sei notwendig an eine
schuldhafte Verletzung der genannten Obliegenheiten geknüpft. Wenn nun in den später
zur Verfügung gestellten AVB ein Leistungsausschluss für die vorläufige Versicherung
formuliert wird, der von schuldhaften Obliegenheitsverletzungen losgelöst wird, ist dies
geeignet, Missverständnisse auf Seiten des Versicherungsnehmers hervorzurufen und
macht das vertragliche Regelwerk insgesamt undurchsichtig.
(2) Hinzu kommt die unklare Formulierung des § 4 Abs. 1 AVB selbst: Dort ist die Rede von
Erkrankungen, Beschwerden oder Gesundheitsstörungen, die zumindest mitursächlich zum
Eintritt des Versicherungsfalls beigetragen haben können, sofern sie „gefahrerheblich“
gewesen sind.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird kaum in der Lage sein, konkret zu
erkennen, welche „Gesundheitsstörungen“ oder auch „Beschwerden“ als
„gefahrerheblich“ einzustufen sind (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2000, 1093, für eine
Restschuldversicherung). Die für das letztgenannte Attribut in § 4 Abs. 1 S. 2 AVB aus § 16
Abs. 1 VVG übernommene Definition hilft dem Antragsteller bei der Einschätzung der
Reichweite des Leistungsausschlusses nicht. Damit werden die als relevant betrachteten
Umstände an die Risikobeurteilung des Versicherers gekoppelt, die von dessen jeweiliger
Annahmepraxis abhängt und für welche die Sicht selbst eines verständigen
Versicherungsnehmers gerade unerheblich ist (vgl. Langheidin: Römer/Langheid,
Versicherungsvertragsgesetz, 2. Aufl. 2003, § 17 Rdnr. 14). Damit wird aber genau der
Beurteilungsspielraum für den Versicherer begründet, der ihm nach dem Transparenzgebot
nicht zustehen soll (siehe für den Fall einer Restschuldversicherung, in welcher ein
Leistungsausschluss für dem Versicherungsnehmer bekannte Gesundheitsstörungen der
letzten 12 Monate vorgesehen war, OLG Düsseldorf mit Urt. V. 17.06.1999 – 6 U 84/98 –
VersR 2000, 1093).
(3) Die Klausel kann auch nicht teilweise als transparent angesehen werden, soweit § 4
Abs. 1 S. 3 AVB solche Erkrankungen, Beschwerden oder Gesundheitsstörungen für im
Zweifel gefahrerheblich erklärt, nach denen bei Antragstellung gefragt worden ist
(vergleiche hierzu Ziff. 7 des Antragsformulars Bl. 15 d. A.), weil dem Antragsteller
jedenfalls insoweit konkrete Anhaltspunkte zur Einschätzung der Reichweite des
Leistungsausschlusses vorgelegen hätten. Da der Leistungsausschluss des § 4 Abs. 1 S. 1
AVB über die in Ziff. 7 aufgezählten Umstände hinausgeht, würde die Annahme einer
Teilwirksamkeit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion widersprechen (anders
wohl OLG Dresden, VersR 2006, 61, wonach die dort in Rede stehende Klausel die
Anforderungen an die Transparenz "jedenfalls für die beispielhaft aufgezählten Krankheiten"
gewahrt habe).
c. Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen,
dass die Ausgestaltung des § 4 Abs. 1 AVB auch wesentliche Rechte des
Versicherungsnehmers, die sich aus der Natur eines Vertrags über vorläufigen
Versicherungsschutz in der Lebensversicherung ergeben, unzulässig in einer den
Vertragszweck gefährdenden Weise einschränkt (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB).
(1) Da gemäß § 4 Abs. 1 AVB jegliche für den Todeseintritt auch nur mitursächliche
Erkrankung mitsamt der entsprechenden Symptome – gleichviel, inwiefern der
Antragsteller von diesen auf das Vorliegen bestimmter Erkrankungen hat schließen können
–, relevant sein soll, käme ein Leistungsausschluss schon dann in Betracht, wenn eine vom
Antragsteller schuldlos für bedeutungslos gehaltene Erkältung später zu einer Entzündung
des Herzmuskels und danach zum Tod geführt hätte. Auch solche Fälle auszuschließen,
höhlt die Hauptleistungspflicht des Versicherers und damit die Rechte des
Versicherungsnehmers unangemessen aus.
Der Einwand der Beklagten, ein Versicherer sei nicht verpflichtet, vorläufigen
Versicherungsschutz zu gewähren; wenn er insoweit dem Versicherungsnehmer freiwillig
und großzügig entgegenkomme, sei er auch berechtigt, die Bedingungen hierfür zu
bestimmen (Bl. 85 d. A.), verfängt nicht. Nach dem Grundsatz der Privatautonomie ist
niemand verpflichtet, vertragliche Bindungen einzugehen. Wenn er es aber gleichwohl tut,
muss er sich daran festhalten lassen, und darf den Zweck der Vereinbarung nicht im Wege
weit gefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen untergraben.
Im Übrigen ist es kaum die alleinige Motivation des Versicherers, dem
Versicherungsnehmer entgegenzukommen. Vielmehr gewährt er vorläufigen
Deckungsschutz auch im eigenen Interesse, um im Wettbewerb durch dieses Angebot
Kunden zu akquirieren beziehungsweise diese davon abzuhalten, sich wegen eventuell
langer Bearbeitungszeiten doch zu einem Konkurrenzunternehmen umzuorientieren
(vergleiche das Schreiben der Beklagten vom 26.02.2005, Bl. 17 d. A., in dem sich die
Beklagte für das Verständnis der Antragstellerin für eine verlängerte Bearbeitungszeit
bedankt; siehe auch in: Beckmann/Matusche-Beckmann,
Versicherungsrechtshandbuch, 2004, § 7 Rdnr. 2).
Ist aber auch dem Versicherer gewissermaßen am "schnellen Zugriff" auf den Kunden
gelegen, und sieht er deshalb von einer – auch beim vorläufigen Deckungsschutz
grundsätzlich möglichen – Risikoprüfung ab, kann er sich dem freiwillig übernommenen
Risiko nicht durch weit gehende Leistungsausschlüsse entziehen. Denn dann würde er dem
Anschein nach im Interesse rascher Abläufe Schutz ohne Risikoprüfung gewähren,
tatsächlich aber gerade diese Risikoprüfung – und zwar auch in Bezug auf Risiken, die den
endgültigen Vertragsschluss gar nicht gehindert hätten – im Nachhinein durchführen, wenn
der Versicherungsfall eingetreten ist. Das widerspricht dem Zweck des vorläufigen
Deckungsschutzes.
1. Auch der Klageantrag zu 2. ist begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten vorprozessuale Anwaltskosten in der geltend
gemachten Höhe nebst Rechtshängigkeitszinsen gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 291 BGB als
Verzugsschaden ersetzt verlangen, weil keine vollständige Anrechnung der vorgerichtlich
angefallenen Rechtsanwaltsgebühren auf die anwaltliche Verfahrensgebühr des wegen
desselben Gegenstandes geführten nachfolgenden Rechtsstreits mehr erfolgt (RVG GG
2500, 2503); die Forderung ist im Übrigen nach Grund und Höhe unstreitig.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F.
gegeben sind. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 150.000,-- EUR.