Urteil des OLG Saarbrücken vom 09.01.2009

OLG Saarbrücken: reisekosten, bahnhof, wohnung, vergleichsrechnung, verkehrsmittel, flugzeug

OLG Saarbrücken Beschluß vom 9.1.2009, 5 W 284/08 - K8
Kostenfestsetzung: Erstattungsfähigkeit von Flugkosten eines Prozessbevollmächtigten
Leitsätze
Flugreisekosten - jedenfalls der Economy-Class - zu einem Gerichtstermin sind bei einer
Entfernung von rund 470 km zwischen Kanzleisitz und Gerichtsort im Regelfall
erstattungsfähig.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert beträgt 394,30 EUR.
Gründe
I.
Durch Urteil vom 04.04.2008 des Landgerichts Saarbrücken (Az: 1 O 361/05) wurde die
Klägerin verurteilt, die Kosten der Streithelferin zu tragen. Der Prozessbevollmächtigte der
Streithelferin war zu zwei Terminen, am 13.10.2006 und am 23.02.2007, von München
nach Saarbrücken mit dem Flugzeug angereist. Die Streithelferin hatte deshalb unter
anderem die Festsetzung von Flugkosten in Höhe von 607,59 EUR und 706,13 EUR für die
Business-Class, von Taxikosten in Höhe von 68,97 EUR und 45,79 EUR sowie von
Parkkosten in Höhe von 15,95 EUR und 16,39 EUR beantragt. Die Flugkosten in der
Economy-Class hätten sich auf jeweils 481,15 EUR belaufen. Die Bahnfahrt 1.Klasse hätte
284,00 EUR gekostet.
Die Rechtspflegerin beim Landgericht setzte im Kostenfestsetzungsbeschluss vom
29.09.2008 (Bl. 532 d.A.) die geltend gemachten Reisekosten in Höhe von jeweils 481,15
EUR für die Flugkosten in der Economy-Class, von jeweils 45,79 EUR für die Taxifahrten
und hinsichtlich der Parkkosten in der geltend gemachten Höhe fest.
Gegen den am 09.10.2008 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Klägerin
mit Anwaltsschriftsatz am 23.10.2008 (Bl. 538 d.A.) sofortige Beschwerde ein und rügte,
dass höhere Reisekosten festgesetzt worden seien als die Kosten einer Bahnfahrt 1.Klasse
ohne Übernachtung. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht
begründet. Das Landgericht hat zu Recht Flugkosten der Economy-Class von München
nach Saarbrücken als erstattungsfähig angesehen.
(a) Bei der Bemessung der erstattungsfähigen Reisekosten ist der Grundsatz zu
berücksichtigen, nach dem eine Partei gehalten ist, unter mehreren gleichartigen
Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen. Eine Erstattung von Flugkosten ist deshalb
nur zu billigen, wenn die Mehrkosten einer Flugreise nicht außer Verhältnis zu den Kosten
der Benutzung anderer Verkehrsmittel und der Zeitersparnis stehen. Dabei ist auch zu
berücksichtigen, ob die geltend gemachten Kosten sich in einem angemessenen Verhältnis
zu der Bedeutung des Rechtsstreits bewegen, was etwa bei kostspieligen Fahrten an den
Gerichtsort in Bagatellstreitigkeiten zu verneinen ist (BGH, Beschl. v. 13.12.2007, IX ZB
112/05, NJW-RR 2008, 654). Teilweise wird bei der Vergleichsrechnung auf die Kosten für
eine Bahnfahrt (so BGH, Beschl. v. 13.12.2007, IX ZB 112/05, NJW-RR 2008, 654 ohne
Differenzierung zwischen 1. und 2.Klasse) abgestellt, teilweise auf die Kosten für die
Benutzung des eigenen Pkw (OLG Naumburg, JurBüro 2006,87). Unter dem Gesichtspunkt
der Zeitersparnis sollen Flugreisekosten grundsätzlich zu erstatten sein, wenn sich durch
den Flug der Zeitaufwand für die Anreise gegenüber einer Fahrt mit der Bahn um drei
Stunden verkürzt (OLG Hamburg, Rpfleger 2008, 445). Die Entfernung zwischen München
und Frankfurt am Main soll die Benutzung eines Flugzeuges rechtfertigen (OLG Frankfurt,
MDR 2008, 1005). Umstritten ist, ob die Flugkosten nur bis zur Höhe des Betrages
erstattungsfähig sind, der bei der Benutzung der Economy-Class angefallen wäre (so OLG
Frankfurt, MDR 2008, 1005), oder ob auch die Kosten der Business-Class erstattungsfähig
sind (so OLG Hamburg, Rpfleger 2008, 445).
Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung der Rechtspflegerin nicht zu
beanstanden. Sowohl wegen der Wegstrecke und der Zeitersparnis, die bei der Benutzung
des Flugzeuges zu erzielen war, als auch der nur relativ geringen Kostendifferenz zwischen
den Flugkosten der Economy-Class und den Kosten einer Bahnfahrt (1.Klasse) bzw. den
Kosten für die Benutzung des eigenen Pkw’ s als auch dem angemessenen Verhältnis der
geltend gemachten Kosten zu der Bedeutung des vorliegenden Rechtsstreits sind die
festgesetzten Flugkosten als notwendig im Sinne von § 91 ZPO anzusehen.
Die Bahnfahrt von München nach Saarbrücken dauert zwischen 4,5 und 5,5 Stunden.
Zuzüglich der Fahrten vom Wohnort zum Bahnhof und vom Bahnhof zum Gericht dauert
die Hin- und Rückfahrt deshalb mehr als 10 Stunden, so dass Kosten für eine
Übernachtung von rund 80,00 EUR bis 100,00 EUR und ein weiteres Abwesenheitsgeld
(nach Nr. 7005 VV zum RVG) hinzuzurechnen sind. Bei einem höheren Zeitaufwand als 10
Stunden für den Hin- und Rückweg sind grundsätzlich Übernachtungskosten
erstattungsfähig (OLG Dresden, Rpfleger 1998, 444). Einem Prozessbeteiligten kann auch
nicht abverlangt werden, Reisen zur Nachtzeit durchzuführen. Als Nachtzeit ist in
Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO die Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anzusehen (OLG
Karlsruhe, NJW-RR 2003, 1654). Eine Anreise, bei welcher der Prozessbevollmächtigte der
Streithelferin seine Wohnung vor 6.00 Uhr morgens hätte verlassen müssen, kann deshalb
nicht verlangt werden. Weil der Termin am 23.02.2007 nur rechtzeitig hätte erreicht
werden können, wenn die Fahrt deutlich vor 6 Uhr morgens begonnen worden wäre,
hätten bei einer Bahnfahrt Übernachtungskosten berücksichtigt werden müssen. Die
Bahnfahrt 1.Klasse hätte demnach Kosten von 284,00 EUR + 80,00 EUR bis 100,00 EUR
Übernachtungskosten + Abwesenheitsgeld für den Folgetag bis zu 60,00 EUR nach Nr.
7005 VV zum RVG verursacht, insgesamt also rund 440,00 EUR. Dem stehen die
festgesetzten Flugkosten von 481,15 EUR gegenüber. Wegen der erheblichen
Zeitersparnis (Flugzeit nur eine Stunde – gegenüber 4,5 bis 5,5 Stunden für die Bahnfahrt)
sind die Flugkosten der Economy-Class jedenfalls noch angemessen und erstattungsfähig.
Ob dies auch für die Flugkosten der Business-Class gelten würde, kann vorliegend offen
bleiben.
Mit den Flugkosten zu vergleichen sind im vorliegenden Fall die Kosten einer Bahnfahrt
1.Klasse in Höhe von 284,00 EUR, nicht die Kosten einer Bahnfahrt 2.Klasse. Denn eine
Bahnfahrt 1.Klasse hätte keine höheren Kosten als die Fahrt mit dem eigenen Pkw
verursacht, der im Regelfall benutzt werden darf. Die Entfernung zwischen München und
Saarbrücken beträgt rund 470 Km. Die Fahrt mit dem eigenen Pkw hätte deshalb zu
Kosten in Höhe von 282,00 EUR pro Gerichtstermin geführt (2 x 470 km x 0,3 EUR – Nr.
7003 VV zum RVG). Für die einfache Fahrstrecke sind mit dem Pkw mindestens 4,5
Stunden zu berücksichtigen zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von mindestens 1 Stunde
wegen verkehrsbedingten Verzögerungen. Für die Hin- und Rückfahrt wären damit mehr
als 10 Stunden erforderlich gewesen. Bereits dies rechtfertigte die Berücksichtigung von
Übernachtungskosten. Außerdem wäre eine Abfahrt vor 6 Uhr morgens nötig gewesen,
um am 23.02.2007 um 10.15 bei Gericht sicher anwesend zu sein. Hinzu kommt ein
Abwesenheitsgeld von bis zu 60,00 EUR nach Nr. 7005 VV zum RVG für den zweiten Tag
nach der Übernachtung. Es errechnen sich damit für die Fahrt mit dem eigenen Pkw
ebenfalls rund 440,00 EUR.
Wegen der Zeitersparnis von rund 3,5 Stunden gegenüber der Bahnfahrt und der Fahrt mit
dem eigenen Pkw pro Fahrtstrecke sind die nur relativ gering höheren Flugkosten deshalb
erstattungsfähig. Die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits lässt die
Reisekosten im konkreten Fall auch nicht unangemessen erscheinen.
Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten dem Grunde nach hat die Klägerin – zu Recht –
nicht in Frage gestellt. Die festgesetzten Taxikosten und Parkkosten hat die Klägerin
ebenfalls nicht angegriffen, denn sie wären bei der von der Klägerin verlangten Bahnfahrt
ebenfalls angefallen. Das Beschwerdevorbringen befasst sich auch nicht mit diesen – im
Übrigen nachgewiesenen – Kosten.
(b) Nach alledem ist die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Der Kostenausspruch
beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574
Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO).