Urteil des OLG Saarbrücken vom 22.08.2005

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OLG Saarbrücken Beschluß vom 22.8.2005, 9 WF 65/05
Zwangsvollstreckung: Vollstreckung einer Räumungsverpflichtung bei Zuweisung der
Ehewohnung für die Dauer des Getrenntlebens
Leitsätze
Die Räumungsverpflichtung bei Zuweisung der Ehewohnung für die Dauer des
Getrenntlebens ist nach § 885 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengericht - in Homburg vom 25. Mai 2005 - 10 F 122/04 - dahingehend abgeändert,
dass der Antrag des Gläubigers vom 31. März 2005 auf Festsetzung von
Zwangsmaßnahmen nach § 888 ZPO zurückgewiesen.
II. Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Kosten des ersten
Rechtszuges.
III. Beschwerdewert: bis 1.200 EUR.
IV. Der Schuldnerin wird für ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengerichts in Homburg vom 25. Mai 2005 - 10 F 122/04 - mit Wirkung vom 18. Juli
2005 unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, ..., ratenfreie Prozesskostenhilfe
bewilligt.
Gründe
I.
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute.
Durch Beschluss vom 14. September 2004 - 10 F 122/04 - hat das Familiengericht dem
Gläubiger (dortigem Antragsteller) antragsgemäß für die Dauer der Trennung der Parteien
die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zusammen mit dem gemeinsamen Sohn
zugewiesen (Ziffer 1) und der Schuldnerin (dortigen Antragsgegnerin) aufgegeben, die
Ehewohnung bis zum 17. November 2004 unter Mitnahme ihrer persönlichen Sachen zu
verlassen und an den Gläubiger herauszugeben (Ziffer 2).
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin, mit der sie - wie erstinstanzlich -
Zurückweisung des Antrags des Gläubigers auf Zuweisung der Ehewohnung für die Dauer
des Getrenntlebens erstrebte, hat der Senat durch Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 9
UF 153/04 - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Schuldnerin zum Verlassen und
zur Herausgabe der Wohnung an den Gläubiger eine Frist bis zum 31. Januar 2005
eingeräumt wurde.
Nachdem die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus vorgenanntem Beschluss nicht
nachgekommen ist, hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom 31. März 2005 beantragt,
gegen die Schuldnerin wegen Nichtvornahme der Verpflichtung zum Verlassen und zur
Herausgabe der Ehewohnung nach § 888 ZPO ein Zwangsgeld und für den Fall, dass
dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft festzusetzen.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den verwiesen wird, hat das Familiengericht dem
Antrag stattgegeben und gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der ihr nach Ziffer 2) des
Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 14. September 2004 -
10 F 122/04 - in der Fassung des Senatsbeschlusses vom 21. Dezember 2004 - 9 UF
153/04 - obliegenden Verpflichtung ein Zwangsgeld von 1.000 EUR, ersatzweise pro 50
EUR ein Tag Zwangshaft, angeordnet.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Schuldnerin, mit der sie Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung des Antrags des Gläubigers nach § 888
ZPO auf Festsetzung eines Zwangsgeldes erstrebt. Sie ist der Auffassung, dass die im
Beschluss angeordnete Räumungsverpflichtung nach § 885 ZPO zu vollstrecken sei und
daher eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO nicht in Betracht komme.
Der Gläubiger bittet unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses um Zurückweisung
der Beschwerde. Seiner Ansicht nach ist vorliegend sehr wohl § 888 ZPO einschlägig.
II.
Die gemäß § 793 ZPO (§§ 16 Abs. 3, 18 a HausratsVO) zulässige sofortige Beschwerde
der Schuldnerin ist begründet und führt unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses
zur Zurückweisung des Antrags des Gläubigers nach § 888 ZPO.
Mit Erfolg wendet sich die Schuldnerin dagegen, dass das Familiengericht zur Erzwingung
der ihr obliegenden Verpflichtung, die Ehewohnung der Parteien bis 31. Januar 2005 zu
verlassen und diese an den Gläubiger herauszugeben, nach § 888 ZPO ein Zwangsgeld,
ersatzweise Zwangshaft angeordnet hat.
Die Beurteilung des Familiengerichts, dass vorgenannte, rechtskräftig titulierte
Verpflichtung der Schuldnerin nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist, teilt der Senat nicht.
Vielmehr hat nach Auffassung des Senats die Vollstreckung dieser Verpflichtung der
Schuldnerin, die das Familiengericht selbst ausweislich seiner Ausführungen im
angefochtenen Beschluss als Räumungsverpflichtung versteht, nach § 885 Abs. 1 ZPO zu
erfolgen, allerdings mit der Maßgabe, dass eine eventuelle Räumungsvollstreckung
abweichend von § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO nicht die in der Wohnung befindlichen Sachen
betrifft (vgl. so auch ganz h.M.: Johannsen/Henrich-Brudermüller, Eherecht, 4. Auflage, § 16
HausratsVO, Rz. 4; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 63. Auflage, § 620, Rz. 23; Zöller-Philippi,
ZPO, 25. Auflage, § 620, Rz. 72; MünchKomm-Müller-Gindullis, BGB, 4. Auflage, § 16
HausratsVO, Rz. 4; OLG Stuttgart, FamRZ 2002, 559; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994,
1185; OLG Hamburg, FamRZ 1983, 1151; OLG Hamm, Beschluss vom 28. November
1978 - 2 WF 627/78).
Der vom Familiengericht in Bezug genommenen Gegenmeinung (vgl. OLG Köln, FamRZ
1983, 1231) vermag der Senat nicht beizutreten.
Denn in der im allgemeinen spannungsreichen und schwierigen Situation im
Zusammenhang mit dem Scheitern einer Ehe besteht ein besonderes Bedürfnis, die
gerichtliche Anordnung an einen Ehegatten, die Wohnung zu verlassen, schnell
durchzusetzen. Dies kann aber am effektivsten auf dem Weg des § 885 Abs. 1 ZPO
geschehen, indem der Gerichtsvollzieher die Räumungsanordnung vollstreckt.
Demgegenüber ist das Verfahren nach § 888 ZPO - wie sich auch vorliegend bestätigt hat -
in der Praxis vor allem im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf - auch im Hinblick auf die
Beschwerdemöglichkeit - und angesichts der Schwierigkeiten bei der Beitreibung von
Zwangsgeld weniger wirkungsvoll (Johannsen/Henrich-Brudermüller a.a.O.).
Soweit der Gläubiger darauf hinweist, dass der Gerichtsvollzieher seinem Räumungsauftrag
nicht entsprochen hat, rechtfertigt dies bei der gegebenen Sachlage keine andere Sicht.
Denn ausweislich der vorgelegten Mitteilung des Obergerichtsvollziehers R. vom 1. Juli 2005
hat dieser eine Räumungsvollstreckung aus dem Zwangsgeld festsetzenden Beschluss des
Familiengerichts vom 25. Mai 2005 - zutreffender Weise - abgelehnt. Denn dieser kann
allein Vollstreckungsgrundlage für das dort festgesetzte Zwangsgeld, nicht hingegen für die
begehrte Räumung sein. Ob die beantragte Räumung aus den dem Vollstreckungsauftrag -
allerdings ohne Vollstreckungsklausel - in Kopie beigefügten Beschlüssen, bei denen es sich
ersichtlich um den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Homburg vom 14.
September 2004 - 10 F 122/04 - in der Fassung des Senatsbeschlusses vom 21.
Dezember 2004 - 9 UF 153/04 - handelte, zulässig wäre, hat der Gerichtsvollzieher
hingegen lediglich im Hinblick auf die vom Familiengericht im angefochtenen Beschluss
vertretene, vom Senat nicht bestätigte Rechtsauffassung für fraglich gehalten.
Nach alledem ist auf die Beschwerde der Schuldnerin der angefochtene Beschluss
entsprechend abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 891 S. 3 ZPO.
Der Schuldnerin ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil ihre Beschwerde aus den
vorstehend dargelegten Gründen Erfolg hat (§ 114 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574
Abs. 3 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 ZPO).