Urteil des OLG Saarbrücken vom 04.04.2007

OLG Saarbrücken: vernehmung von zeugen, ablauf der frist, ordentliche kündigung, auszug, besucher, entziehung, glaubwürdigkeit, eigentumswohnung, erfüllung, kausalität

OLG Saarbrücken Beschluß vom 4.4.2007, 5 W 2/07 - 2; 5 W 2/07-2
Wohnungseigentümergemeinschaft: Pflicht des Eigentümers zur Verhinderung bzw.
Abstellung von psychischen Beeinträchtigungen durch den Mieter seines Sondereigentums
Leitsätze
Ein Wohnungseigentümer ist den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet,
psychische Beeinträchtigungen durch einen Mieter seines Sondereigentums, die den
räumlich-gegenständlichen Bereich des Sondereigentums der Anderen behindern, zu
verhindern oder abzustellen.
Tenor
I.
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Landgerichts Saarbrücken vom 6.11.2006, 5 T 183/06, aufgehoben und die Sache zur
anderweitigen Behandlung und erneuten Entscheidung an das Landgericht
zurückverwiesen.
II.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens
der sofortigen weiteren Beschwerde bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Gründe
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin waren Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft "G. in Homburg". Die Antragsgegnerin bewohnte die ihr
bis 2004 gehörende und unter der Eigentumswohnung des Antragstellers gelegene
Eigentumswohnung zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen F.. Die
Wohneinheit des Antragstellers war an die Zeugin K. vermietet, die diese mit ihrer Tochter
bewohnte. Das Wohngebäude ist insgesamt hellhörig.
Mit Schreiben vom 23.11.2002 zeigte die Mieterin K. gegenüber dem Antragsteller näher
bezeichnete Verhaltensweisen des Zeugen F. ("folgende Schikanen") an (Bl. 7 d.A.).
In der auf den 10.11.2003 anberaumten Wohnungseigentümerversammlung war unter
TOP 6 ein Beschluss über den Entzug des Wohnungseigentums nach § 18 WEG von Frau
M. S. wegen Verstoßes gegen die Gemeinschafts- und Hausordnung vorgesehen (Bl. 29
d.A.). Eine solche Beschlussfassung erfolgte nicht (Bl. 30 d.A.).
Mit Schreiben vom 28.10.2003 kündigte die Mieterin K. das Wohnraummietverhältnis zum
31.1.2004 unter Hinweis auf die bereits kurze Zeit nach Beginn des Mietverhältnisses
(1.9.2001) einsetzenden Schikanen und ständigen Beleidigungen durch den Zeugen F. (Bl.
92 d.A.).
Mit am 2.12.2003 eingegangenem Schriftsatz vom 27.11.2003 leitete der Antragsteller
ein Verfahren nach § 14 WEG ein und beantragte, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die
Störungen ihres Hausgenossen K. F. gegenüber den Mietern der Wohnungen G., 66624
Homburg, insbesondere Eigentumswohnung Nr. 4, Frau J. K. und C. K., zu unterlassen, und
für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen, ersatzweise
Ordnungshaft.
Im Hinblick auf die von der Mieterin K. ausgesprochenen Kündigung des
Mietvertrages stellte der Antragsteller seinen Antrag um auf Zahlung von Schadensersatz
in Form von Mietausfall, zuletzt in Höhe von 3.277,63 Euro. Die Wohnung war zum
1.8.2004 weitervermietet worden.
Der Antragsteller hat sein Begehren auf eine von der Antragsgegnerin geduldete, von ihrem
Lebensgefährten begangene grobe Verletzung der Pflichten eines Mitgliedes der
Wohnungseigentümergemeinschaft und auf eine Verletzung von § 14 Nr. 1, Nr. 2 WEG
gestützt. Dieser habe bereits seit September 2001 ständig und in außergewöhnlich
unerträglicher Weise die Mieterin seiner Wohneinheit und deren Tochter beschimpft,
bedroht, belästigt und beleidigt, aber auch gelegentliche Besucher angepöbelt und beleidigt.
Auch habe er ständig mit einem harten Gegenstand gegen die Decke geklopft. Die
Beleidigungen hätten darin bestanden, dass er die Mieterin und deren Tochter angeschrien
und beispielsweise als Ausländerpack, Asoziale und ähnliches und deren Besuchter als
Pack, asoziales Pack und dergleichen tituliert habe. Dies habe sich bis zum Auszug der
Mieterin mehrfach wöchentlich, manchmal täglich ereignet. Mehrfachen Versuchen eines
einträglichen Auskommens habe sich die Antragsgegnerin, aber auch der Zeuge
F. verschlossen. Nach der Kündigung der Mieterin habe er sich unverzüglich durch
Einschaltung der Hausverwaltung, eines Maklerbüros und durch Nachfragen im
Bekanntenkreis um eine Weitervermietung bemüht, und auch die Mieterin habe
Anstrengungen in diese Richtung unternommen, eine Weitervermietung sei dennoch erst
zum 1.8.2004 gelungen.
Die Antragsgegnerin hat demgegenüber darauf verwiesen, dass der Sachvortrag zu den
behaupteten Pflichtverletzungen insgesamt nicht substanziiert sei und sich im Übrigen in
der Kündigung nur ein allgemeines Vermieterrisiko realisiert habe. Weiterhin verweist sie
darauf, dass sie und ihr Lebensgefährte durch unerträgliche Ruhestörungen seitens der
Mieterinnen, die auch in der den Mieterinnen bekannten unzulänglichen Trittschallisolierung
– so seien die Mieterinnen gebeten worden, nicht mit harten Absätzen über den Boden zu
laufen- ihre Ursache gehabt habe, gestört worden seien, weshalb sie ihre Wohnung unter
Inkaufnahme eines hohen wirtschaftlichen Verlustes verkauft habe und zum 15.4.2004
ausgezogen sei.
Das Amtsgericht hat nach Durchführung einer mit Beweisbeschluss vom 12.10.2005
angeordneten Beweisaufnahme (Bl. 93 ff, 108 ff d.A.) die Antragsgegnerin mit Beschluss
vom 15.2.2006 antragsgemäß verurteilt (Bl. 137 ff d.A.). Es hat hierzu im Wesentlichen
ausgeführt, dass auf der Grundlage der Beweisaufnahme feststehe, dass die
Antragsgegnerin gegen die ihr gemäß § 14 Nr. 1, 2 WEG obliegenden Pflichten verstoßen
habe, weil sie trotz Beschwerden nicht dafür gesorgt habe, dass ihr Lebensgefährte die
Mieter des Antragstellers nicht belästigt, was eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung
der Rechtsposition der anderen Wohnungseigentümer und damit des Antragstellers
darstelle. Dass dieser die Mieterinnen in großem Maße belästigt, beleidigt und schikaniert
habe, stehe auf Grund der Beweisaufnahme fest. Denn die Zeuginnen K. hätten
glaubwürdig, klar und in sich widerspruchsfrei und ausführlichen die verschiedenen
Verhaltensweisen des Zeugen F. geschildert. Auch die neutralen Zeugen S. und D. hätten
deren Aussagen in weiten Bereichen bestätigt. Hingegen habe die Aussage des Zeugen F.
nicht überzeugen können, der überdies eingeräumt habe, sich durch die Mieterinnen K.
gestört gefühlt zu haben und diese deswegen mehrfach angesprochen und zur Ordnung
gerufen zu haben. Der Zeuge F. habe in der mündlichen Verhandlung bei dem Gericht den
Eindruck hinterlassen, dass er sich über Geräusche der Zeuginnen K. in einer Art und Weise
beschwert habe, die das normale Maß überstiegen. Der somit dem Grunde nach
gerechtfertigte Anspruch sei auch in voller Höhe zuzusprechen gewesen, weil die
Beweisaufnahme ergeben habe, dass die Wohnung trotz Bemühungen der Maklerin wegen
des Verhaltens des Zeugen F. nicht vor dem 1.8.2004 habe weitervermietet werden
können.
Gegen den ihr am 17.3.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit am
31.3.2006 eingegangenem Faxschreiben sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 152 d.A.)
und im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Voraussetzungen eines
Schadensersatzanspruches insgesamt nicht erfüllt seien, weil ungeachtet des Umstandes,
dass der Vermieter ohnehin nur bis zum Ablauf der Frist der Beendigung des
Mietverhältnisses durch ordentliche Kündigung eine Entschädigung beanspruchen könne,
die Pflichtverletzungen nicht hinreichend dargelegt worden seien und sich die
Antragsgegnerin auch ein pflichtwidriges Verhalten ihres Lebensgefährten nicht nach § 278
BGB zurechnen lassen müsse. Auch sei die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht
nachvollziehbar, zumal die Aussagen der Zeuginnen K. nicht in Einklang gestanden hätten.
Das Landgericht hat nach einem Hinweis im Termin vom 11.10.2006, wonach die
antragsbegründenden Pflichtverstöße nicht hinreichend dargetan seien (Bl. 193 d.A.), mit
Beschluss vom 6.11.2006 den Beschluss des Amtsgerichts Homburg aufgehoben und den
Antrag zurückgewiesen (Bl. 202 ff d.A.). Es hat hierzu ausgeführt, dass die Pflichtverstöße
bereits nach dem Sachvortrag des Antragstellers, aber auch nach der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme für eine Verurteilung nicht ausreichten. An die Darlegung einer
"ständigen Belästigung, Beschimpfung, Bedrohung" seien nämlich solche Anforderungen zu
stellen, die nicht hinter denen für eine Entziehung des Wohnungseigentums gemäß § 18
WEG verlangten zurückblieben, weil gerade bei schwer greifbaren "ständigen" psychischen
Beeinträchtigungen ein Schadensersatzverlangen ohne strenge Prüfung leicht der
Entziehung von Wohnungseigentum gleich komme. Insoweit mangele es indes an einer
konkreten Darlegung der Verhaltensweisen des Zeugen F. nach Zeit, Ort und Begebenheit,
die mehr als eine nur unerhebliche Beeinträchtigung darstellten. Jedenfalls sei nicht
bewiesen, dass sich das Verhalten des Zeugen F. nachgerade als schikanös darstelle. Der
Zeuge F. habe in Abrede gestellt, die Mieterinnen oder deren Besucher beleidigt, bedroht
oder beschimpft zu haben, indes eingeräumt, sich mehrere Male über rücksichtsloses
Verhalten der Mieterinnen beschwert zu haben. Auch habe die Zeugin C. K. die vielfachen
Beleidigungen und Beschimpfungen, wie sie die Zeugin J. K. geschildert habe, nicht
bestätigt. Die nur punktuellen Vorfälle, wie sie auch von den Zeugen S. und D. beschrieben
worden seien, genügten jedenfalls nicht. Ebenso wenig das von der Zeugin C. K. bestätigte
Klopfen an die Decke, da im Hinblick auf die Hellhörigkeit des Hauses die Urheberschaft
zweifelhaft sei. Letztlich sei die Aussage der Zeugin K., die das Verfahren durch ihren
Auszug in Gang gesetzt habe, nicht mehr oder weniger glaubhaft als die Aussage des
Zeugen F.. Somit mangele es an einem kausalen Zusammenhang zwischen dem
Verhalten des Zeugen F. und dem Auszug der Mieterinnen. Auch sei nicht auszuschließen,
dass der Auszug erst auf das Drängen des Zeugen S., wie von diesem beschrieben, erfolgt
ist. Letztlich sei auch die haftungsausfüllende Kausalität widerlegt, da eine
Weitervermietung auch nach dem Auszug des Zeugen F. (15.4.2004) nicht zeitnah erfolgt
sei, so dass anzunehmen sei, dass andere Umstände einer Weitervermietung im Wege
gestanden hätten.
Gegen den gemäß Verfügung vom 10.11.2006 am 18.12.2006 dem Antragsteller formlos
zugestellten Beschluss des Landgerichts (Bl. 213 d.A.)hat dieser mit am 2.1.2007
eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt (Bl. 218 d.A.) und
diese am 7.2.2007 begründet (Bl. 220 ff d.A.). Er rügt, dass das Landgericht
rechtsfehlerhaft die Anforderungen, die § 14 Nr. 1, 2 WEG an einen Nachteil stellten,
verkannt habe. Hierfür genüge nämlich jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der
Rechtsposition des anderen Wohnungseigentümers unter Berücksichtigung der
Teilungserklärung /Gemeinschaftsordnung in Verbindung mit den nachbarrechtlichen
Grundsätzen und nicht solche, wie sie § 18 WEG voraussetze. Diese Vorschrift könne auch
nicht analog herangezogen werden und zu einer äußerst strengen und restriktiven
Auslegung des § 14 WEG führen. Auch habe das Landgericht verkannt, dass der
Sachvortrag zu den Verstößen hinreichend substanziiert sei, um eine unzumutbare
Beeinträchtigung nachzuweisen. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht zudem
angenommen, dass die Pflichtverstöße nicht bewiesen seien, da das Erstgericht
maßgebend auf der Grundlage des persönlichen Eindrucks entschieden habe. Auch habe
das Landgericht, soweit es um die Motivation zum Auszug gehe, die Aussage der Zeugin J.
K. unzutreffend gewertet und Mutmaßungen angestellt, die durch nichts belegt seien. Das
gleiche gelte in Bezug auf die Aussagen der Zeugen S. und G..
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 6.11.2006
aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn 3.277,63
Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 18.1.2006 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den Beschluss des Landgerichts.
II.
1.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22, 27, 29 FGG zulässig. Dass
der Rechtsweg der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG eröffnet ist,
unterliegt keinem Zweifel. Denn Verfahrensgegenstand ist ein Streit um die Pflichten der
Wohnungseigentümer untereinander. Der Antragsteller begehrt nach § 280 BGB i.V.m. §
14 Nr. 1, Nr. 2 WEG bzw. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 BGB, § 14 Nr. 1, Nr. 2
WEG Schadensersatz in Form von Mietausfall. Seine Grundlage findet der geltend
gemachte Schadensersatzanspruch in der Beeinträchtigung des Wohnungseigentums, also
in einem Sachverhalt, der im Wege des WEG-Verfahrens zu verfolgen ist.
2.
Auf die sofortige weitere Beschwerde war der angefochtene Beschluss des Landgerichts
aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückzuverweisen. Denn die Ausführungen des Landgerichts sind nicht frei von
Rechtsfehlern.
a.
Nach § 14 Nr. 1 WEG hat jeder Wohnungseigentümer sein Sondereigentum und das
Gemeinschaftseigentum so zu benutzen, dass den übrigen Wohnungseigentümern daraus
keine vermeidbaren Nachteile entstehen. Er hat deshalb alles zu unterlassen, was die
übrigen Wohnungseigentümer in der Nutzung des Sondereigentums oder des
Gemeinschaftseigentums vermeidbar stören würde und deshalb von seinem Eigentum nur
in der Weise Gebrauch zu machen, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über
das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil durch
die Nutzung des Wohnungseigentums entsteht. Er hat darüber hinaus für die Einhaltung
dieser Verpflichtung durch die Personen zu sorgen, denen er die Nutzung seines
Sondereigentums überlässt, § 14 Nr. 2 WEG. Deshalb obliegt es dem vermietenden
Wohnungseigentümer, seinen Mieter, der von dem vermieteten Sondereigentum und dem
Gemeinschaftseigentum in unzulässiger Weise Gebrauch macht und dadurch die Rechte
der übrigen Wohnungseigentümer beeinträchtigt, auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen
und notfalls das Mietverhältnis so schnell wie möglich zu beenden. Das gleiche gilt, soweit
der Wohnungseigentümer sein Eigentum anderen Personen zur (Mit-) Benutzung überlässt.
Verletzt ein Wohnungseigentümer diese Pflichten, ist er dem anderen
Wohnungseigentümer zum Ersatz des dadurch entstehenden Schadens verpflichtet.
Darüber hinaus haftet er den anderen Wohnungseigentümern für ein schuldhaftes Handeln
seines Mieters/ sonstigen Nutzungsberechtigten gemäß § 278 BGB. Zwischen den
Wohnungseigentümern besteht nach einhelliger Auffassung ein gesetzliches
Schuldverhältnis. Ebenso wie sich jeder Schuldner zur Erfüllung seiner gesetzlichen
Verpflichtungen eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedienen kann, kann sich auch der
Wohnungseigentümer gegenüber seinen Miteigentümern bei der Erfüllung seiner Pflicht,
das Eigentum nur in der in § 14 WEG bestimmten Weise zu gebrauchen, vertreten lassen.
In dem Umfang, wie er sich zur Erfüllung seiner Pflichten aus § 14 WEG einer anderen
Person bedient, haftet er für dessen Verschulden gemäß § 278 BGB (vgl. BayObLG,
Beschl. v. 24.10.2001, 2Z BR 120/01, NZM 2002, 167; OLG Düsseldorf, Beschl.v.
7.4.1995, 3 Wx 472/94, WuM 1995, 497; OLG Köln, Beschl.v. 6.2.2006, 16 Wx 197/05,
OLGR 2006, 524).
Die von dem anderen Wohnungseigentümer durch die Verletzung der vorgenannten
Pflichten zu besorgenden Nachteile beschränken sich nicht nur auf erhebliche
Beeinträchtigungen oder Gefährdungen, sondern erfassen jegliche nicht ganz unerhebliche
Beeinträchtigungen (Weitnauer-Lüke, WEG, 9. Aufl., § 14, Rdnr. 2, m.z.w.N.). Denn anders
als in § 18 WEG, der die Entziehung des Wohnungseigentums durch Begründung eines
Veräußerungsanspruchs vorsieht, wenn der Wohnungseigentümer sich einer so schweren
Verletzung der gegenüber den anderen Wohnungseigentümern obliegenden
Verpflichtungen schuldig gemacht und insbesondere trotz Abmahnung wiederholt
gröblich gegen die ihm nach § 14 WEG obliegenden Pflichten verstoßen hat, dass diesen
eine Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, löst § 14
WEG eine Unterlassung- bzw. Schadensersatzpflicht bereits unterhalb dieser Schwelle aus.
Der Veräußerungsanspruch ist nämlich das letzte Mittel, wenn alle anderen Rechtsbehelfe
versagen. Deshalb genügt für die Begründung eines auf die Verletzung von § 14 WEG
gestützten Unterlassungs- bzw. Schadensersatzanspruches, dass nach dem Empfinden
eines verständigen Wohnungseigentümers eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung
zu besorgen ist (vgl. hierzu auch Palandt-Bassenge, BGB, 65. Aufl., WEG § 14, Rdnr. 3,
m.w.N.).
Dies gilt auch, wenn es um Verhaltensweisen geht, die zu einer psychischen
Beeinträchtigung des anderen Wohnungseigentümers oder sonstiger Personen, die sich in
dessen Wohnung aufhalten, führen. Auch psychische Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel
durch Beleidigungen, Beschimpfungen und dergleichen, können nach § 14 Nr. 1, Nr. 2 WEG
zu einem Unterlassungs- bzw. Schadensersatzanspruch dann führen, wenn sie von dem
räumlich gegenständlichen Bereich des Sondereigentums oder Gemeinschaftseigentums
ausgehen. Verboten werden können sie nicht wegen ihres beleidigenden Inhalts, sondern
nur wegen der von dem räumlich- gegenständlichen Bereich des einen Sondereigentums
ausgehenden in den räumlich- gegenständlichen Bereich des anderen Sondereigentums
einwirkenden Störung. Entscheidend ist nämlich die Objektbezogenheit, nicht allein die
Personenbezogenheit der Störung. Sind die Beleidigungen, Beschimpfungen etc. so lang
andauernd und intensiv, dass sie zu einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbehagens
der davon betroffenen Personen führen, ist die Störung objektbezogen. Dies gilt vor allem
auch dann, wenn in Folge der Verhaltensweise der vertragsgemäße Gebrauch der
Wohnung/ Mietsache in erheblichem Umfang gehindert ist, weil ein unbeschwerter Zugang
zu bzw. ein Verlassen der Wohnung ohne Gefahr belästigenden Verhaltens nicht mehr
gewährleistet ist (OLG Köln, aaO; KG, Beschl. v. 11.9.1987, 24 W 2634/87, NJW-RR
1988, 586). Auch hier genügt für die Begründung einer Unterlassungs- bzw.
Schadensersatzpflicht eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung, ohne dass eine
Pflichtverletzung solchen Ausmaßes vorliegen muss, die einen Veräußerungsanspruch zu
rechtfertigen geeignet ist.
Dies hat das Landgericht verkannt. Es hat die Auffassung vertreten, dass –gerade in Fällen
einer auf psychische Beeinträchtigungen gestützten Pflichtverletzung- die Anforderungen an
die Darlegung der Verhaltensweise nicht geringer seien als bei einem auf § 18 WEG
gestützten Veräußerungsanspruch. Damit hat es den Prüfungsmaßstab für zu einem
Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruch führende Beeinträchtigungen über die
tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 14 Nr. 1, 2 WEG ausgedehnt und somit die
Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für einen auf § 14 Nr. 1, Nr. 2 WEG
gestützten Schadensersatzanspruch überspannt.
Die Entscheidung des Landgerichts stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen im
Ergebnis als richtig dar. Soweit das Landgericht die Auffassung vertreten hat, der
Antragsteller habe nach Maßgabe einer strengen Darlegungslast die Verhaltensweisen des
Zeugen F. nicht nach Zeit, Ort und Begebenheit ausreichend konkret dargelegt, kann dem
nicht gefolgt werden. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass die Beleidigungen und
Beschimpfungen sowohl der Mieterin und deren Tochter als Ausländerpack und Asoziale als
auch deren Besucher als Pack bzw. asoziales Pack, sowie die weiteren als störend
empfundenen Handlungen wie das Klopfen an die Decke oder das Klopfen an die
Wohnungstür in der Zeit zwischen September 2001 bis zum 31.1.2004 mehrfach
wöchentlich, manchmal täglich erfolgt sei (Schriftsatz vom 30.8.2005, Bl. 87 d.A.).
Weiterhin hat er beispielhaft Episoden benannt (Schriftsatz vom 27.4.2004, Bl. 25 ff d.A.).
Damit hat der Antragsteller die inkriminierten Verhaltensweisen, die das Maß einer
unerheblichen Beeinträchtigung offensichtlich überschreiten und auch nicht allein mit der
allgemeinen "Hellhörigkeit" des Hausanwesens erklärt werden können, nach Zeit, Dauer
und Intensität, hinreichend konkretisiert.
b.
Soweit das Landgericht seine Entscheidung weiter darauf gestützt hat, ein Verstoß gegen
die einem Wohnungseigentümer gemäß § 14 WEG obliegenden Pflichten, insbesondere ein
in der Summe der Beanstandungen nachgerade schikanöses Verhalten sei jedenfalls nicht
bewiesen, ist auch dies nicht frei von Rechtsfehlern.
Das Amtsgericht hatte auf der Grundlage der Darlegungen des Antragstellers über die
Verhaltensweise des Lebensgefährten der Antragsgegnerin, des Zeugen F., Beweis
erhoben. Es hat die Zeuginnen K. und so auch die Zeugin J. K., die das Beweisthema
vollumfänglich bestätigt hat, für glaubwürdig befunden, den Zeugen F., der die ihm
vorgeworfenen Verhaltensweisen sämtlich in Abrede gestellt hat, hingegen nicht
überzeugend gefunden, sondern vielmehr im Hinblick auf dessen Aussageverhalten den
Eindruck gewonnen, dass dieser gegenüber den Mieterinnen bei seinen Beschwerden ein
Verhalten an den Tag gelegt habe, das über das normale Maß hinausgegangen sei.
Das Landgericht hat die protokollierte Aussage des Zeugen F. indes zur Grundlage seiner
Entscheidungsfindung gemacht, ohne die Zeugen selbst vernommen zu haben, und ist zu
dem Ergebnis gelangt, dass, wenn überhaupt, allenfalls davon auszugehen sei, dass der
Zeuge F. einmal im Monat an die Decke geklopft hat, und dass auch die wiederholten
Beleidigungen und Beschimpfungen nicht nachgewiesen seien. Auch sei die Aussage der
Zeugin J. K. nicht mehr oder weniger glaubhaft als die Aussage des Zeugen F..
Dies war verfahrensfehlerhaft. Denn das Landgericht war verpflichtet, die Zeugen erneut
zu vernehmen. Zwar steht eine Wiederholung der Beweisaufnahme grundsätzlich im
Ermessen des Gerichts, § 398 ZPO, und besteht eine Pflicht zur erneuten Vernehmung von
Zeugen oder Parteien nur bei Vorliegen besonderer Umstände. Solche liegen indes
vor, wenn das Berufungsgericht eine Zeugenaussage abweichend vom Erstgericht würdigt
und für die abweichende Bewertung Faktoren im Vordergrund stehen, deren Beurteilung -
wie die Urteilsfähigkeit des Zeugen, sein Erinnerungsvermögen, seine Wahrheitsliebe -
wesentlich vom persönlichen Eindruck des Zeugen auf den Richter abhängen, oder wenn
die Entscheidung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen abhängt, dessen Aussage der
Erstrichter nicht gewürdigt hat. Die erneute Vernehmung von Zeugen ist ferner geboten,
wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom
erstinstanzlichen Gericht würdigt oder wenn es die Aussage eines Zeugen für zu vage und
präzisierungsbedürftig hält, wenn es die protokollierte Aussage eines Zeugen anders
verstehen will als der Richter der Vorinstanz oder wenn das Berufungsgericht der Aussage
eines Zeugen bei der Würdigung der Bekundungen eines anderen Zeugen ein ihr vom
erstinstanzlichen Gericht nicht beigemessenes Gewicht geben will. In diesem Fall ist das
Berufungsgericht gehalten, die Zeugen erneut zu vernehmen. Das Gleiche gilt, wenn das
Amtsgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine förmliche Beweisaufnahme
durchgeführt hat (BGH, Urt. v. 20.10.1987, X ZR 49/86, MDR 1988, 484; BGH, Urt. v.
22.9.1988, IX ZR 219/87, NJW-RR 1989, 380; BayObLG, Beschl.v. 1.8.2000, 1Z BR
171/99, sowie Beschl.v. 15.1.1998, 1Z BR 68/97, FamRZ 1998, 1469; OLG
Zweibrücken, Beschl.v. 12.1.1989, 3 W 176/88, MDR 1989, 649). Von daher war das
Landgericht, das auf der Grundlage der protokollierten Zeugenaussagen die
Glaubwürdigkeit der Zeugen, insbesondere der Zeugin J. K. und des Zeugen F.,
abweichend vom Amtsgericht gewürdigt hat, verpflichtet, die Zeugen erneut zu
vernehmen.
Zu keiner anderen Beurteilung führt der Umstand, dass das Landgericht bei der Würdigung
der protokollierten Aussage des Zeugen F. die protokollierte Aussage der Zeugin C. K.
herangezogen hat. Denn auch insoweit weicht das Landgericht ersichtlich von dem
Verständnis, das das Amtsgericht von der Aussage der Zeugin C. K. gehabt hat, ab und
verleiht ihr im Rahmen der Würdigung der Aussage des Zeugen F. ein Gewicht, das ihr das
Amtsgericht nicht beigemessen hat. Auch aus diesem Grund war eine erneute
Zeugenvernehmung geboten.
c.
Aus den nämlichen Erwägungen können die Ausführungen des Landgerichts zur Frage des
kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verhalten des Zeugen F. und dem beim
Antragsteller eingetretenen Schaden bzw. zur haftungsausfüllenden Kausalität keine
Geltung beanspruchen.
Von daher war auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers der Beschluss des
Landgerichts vom 6.11.2006 aufzuheben und die Sache zur erneuten Befassung und
Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.