Urteil des OLG Oldenburg vom 03.05.1994

OLG Oldenburg: treu und glauben, wohnung, wohnrecht, vermietung, pflegerin, pflegebedürftiger, eingriffskondiktion, auszug, gestatten, nutzungsrecht

Gericht:
OLG Oldenburg, 12. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 12 U 16/94
Datum:
03.05.1994
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1093, BGB § 1059 S 2, BGB § 1093 ABS 2, NDS AGBGB § 16
Leitsatz:
Keine Mieterstattung bei Wohnrecht an Sozialhilfeträger nach erstmaliger Vermietung
Volltext:
Das erstinstanzliche Gericht hat zutreffend entschieden, daß die
Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus übergeleitetem
Recht Anspruch auf die begehrte Auskunftserteilung und Auskehrung
der von den Beklagten erzielten Mietzinsen für die Wohnung hat, an
der H. B. ein dingliches Wohnungsrecht zusteht.
Es ist zu Recht davon ausgegangen, daß es sich bei dem Wohnrecht,
welches die Beklagten H. B. in dem Grundstückskaufvertrag vom
14.Februar 1986 (UR Nr. 212 des Notars G. E. in L.) einge-
räumt haben und das im Grundbuch eingetragen worden ist, um eine
beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1093 BGB handelt; die
Voraussetzungen, unter denen an eine Altenteilsvereinbarung im
Sinne der §§ 14, 16 des NdsAGBGB gedacht werden könnte, liegen
nicht vor (vgl.dazu BGH NJW-RR 1989, 451). Da das Wohnungsrecht
H. B. lediglich zur Nutzung unter Ausschluß des Eigentümers
berechtigt und er die Ausübung anderen Personen als Familienange-
hörigen (§ 1093 Abs.2 BGB) nicht überlassen darf, weil es an einer
Gestattung gemäß § 1092 Abs.1 Satz 2 BGB fehlt, darf er die Woh-
nung nicht vermieten. Insoweit unterscheidet sich das Wohnungs-
recht nach § 1093 BGB vom Nießbrauch, der alle Nutzungen umfaßt
und ohne besondere Gestattung an andere zur Ausübung überlassen
werden kann ( § 1059 Satz 2 BGB).
Es kann offenbleiben, ob die Einnahmen, welche die Beklagten aus
der Vermietung der Wohnung bereits erzielt haben und laufend er-
zielen, dem Wohnungsberechtigten bzw. der Klägerin aus übergelei-
tetem Recht aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertig-
ten Bereicherung ganz oder teilweise zustünden, wenn die Beklagten
die Wohnung ohne Zustimmung vermietet hätten (vgl. dazu BGHZ 59,
51 f.,57 = JZ 1972, 628 f., mit Anm. von Baur; Kollhosser, BB
1973, 820 f.). Denn das ist hier nicht der Fall. Die Pflegerin des
Wohnungsberechtigten hat vielmehr mit undatiertem Schreiben
"bestätigt", daß die Beklagten die Wohnung, an der das Wohnungs-
recht besteht, ab 1.1.1990 vermieten könnten. Soweit die Klägerin
sich das Vorbringen der Streitverkündeten, die Erklärung sei nicht
für die Beklagten, sondern für die Klägerin bestimmt gewesen, nun-
mehr zu eigen macht, bedarf es nicht der Vernehmung des als Zeugen
benannten Rechtsanwalts Dr. T.. Denn die schriftliche "Bestä-
tigung" richtet sich nicht nur nach dem ausdrücklichen Wortlaut
der Überschrift ("Bestätigung für die Eheleute H. und T.
G.") sondern auch nach ihrem maßgeblich objektiven Erklä-
rungsgehalt aus der Sicht des Empfängers eindeutig an die Beklag-
ten. Es ist unerheblich, ob die Streitverkündete das von Rechtsan-
walt Dr. T. aufgesetzte Schriftstück zur Weiterleitung an die
Klägerin unterschrieben hat, jedenfalls ist es an die Beklagten
gerichtet und an diese gelangt. Der auf Vernehmung des Rechtsan-
walt Dr. T. gerichtete Beweisantrag ist damit nicht nur ver-
spätet sondern unerheblich.
Die Vermietung durch die Beklagten ist auch nicht deshalb unbe-
rechtigt erfolgt, weil die Klägerin noch vor der Erklärung der
Pflegerin das Wohnrecht mit Bescheid vom 10. November 1989 auf
sich übergeleitet hat und diese an einer wirksamen Zustimmung
damit gehindert wäre. Denn die von den Zivilgerichten zu prüfende
Voraussetzung einer wirksamen Überleitung (Palandt-Diederichsen
Einf. v. § 1601 BGB Rdn. 21) liegen nicht vor.
Einer Überleitung dieses Anspruchs auf die Klägerin steht § 90
Abs. 1 S. 3 BSHG entgegen, wonach das Sozialamt den Übergang eines
Anspruchs nur insoweit bewirken darf, als bei rechtzeitiger Lei-
stung die Hilfe nicht gewährt worden wäre. Die von der Klägerin im
Rahmen der Heimunterbringung aufzubringende Sozialhilfe ist jedoch
vom Bestand des Wohnrechts unabhängig. Wenn der Wohnungsberech-
tigte aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, dieses
Recht vorübergehend oder auf Dauer auszuüben, tritt - anders als
in dem von der Klägerin vorgelegten Aufsatz von Baur ohne jede
Begründung vorausgesetzt - an seine Stelle kein sich in Geld
umwandelnder Ersatzanspruch. Weil er nicht die Gestattung der
Überlassung beanspruchen kann, ist ein Pflegebedürftiger daher
immer dann, wenn er über keine anderweitigen eigenen Geldmittel
verfügt, auf die Unterstützung durch öffentliche Mittel angewie-
sen. Insofern unterscheidet sich das ohne Gestattung der Überlas-
sung bewilligte Wohnrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit
grundlegend von dem Altenteilsrecht, bei dem kraft landesgesetz-
licher Sonderregelung (§ 16 NdsAGBGB) mit dem Auszug ein Anspruch
auf eine Geldrente entsteht (vgl. insoweit auch BVerwG NJW 1994,
64). Eine Überleitung dieses Rechts ist damit auch § 90 Abs. 1 S.
3 BSHG ausgeschlossen (vgl. auch Palandt-Bassenge § 1093 BGB Rdn.
18), so daß die Klägerin mit dem Bescheid vom 10.·November 1989
nicht in die Gläubigerstellung eingetreten ist und Herr B. wei-
terhin wirksam durch seine Pflegerin vertreten werden konnte.
Die Beklagten ziehen die Nutzungen aus der Wohnung folglich nicht
ohne Rechtsgrund, so daß Ansprüche aus Eingriffskondiktion nicht
gegeben sind. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß zwischen den
Beklagten und der Pflegerin des Wohnungsberechtigten oder mit der
Klägerin eine Vereinbarung zustandegekommen ist, wonach die er-
zielten Einnahmen aus der Vermietung der dem Wohnungsrecht unter-
liegenden Räume etwa dem Wohnungsberechtigten bzw. der Klägerin
zufließen sollten. Die Beklagten haben vielmehr diesbezügliche
Ansprüche der Klägerin mit Schreiben ihrer erstinstanzlichen
Anwälte vom 20.12.1989, 9.1. und 20.2.1990 unter Hinweis darauf,
daß H. B. lediglich ein Wohnrecht, aber kein Nießbrauch
zustünden, zurückgewiesen. Sie waren aus keinem rechtlichen Grun-
de, auch nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, eine Vermietung
durch die Pflegerin des Wohnungsberechtigten oder durch die Kläge-
rin gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB zu gestatten. Dadurch, daß H.
B. heimpflegebedürftig geworden ist und die Wohnung nicht mehr
selbst nutzen kann, ist nicht die Geschäftsgrundlage für den
Grundstückskaufvertrag mit der Folge entfallen, daß der Vertrag an
die veränderten Verhältnisse durch eine Gestattung der Vermietung
anzupassen wäre. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, daß die
Parteien bei Abschluß des Vertrages davon ausgegangen sind, dieser
Fall werde nicht eintreten. Daß sich H. B. beim Abschluß des
Grundstückskaufvertrages nicht ein Nutzungsrecht vorbehalten hat,
das ihm auch eine Nutzung der Wohnung durch Vermietung ermöglich-
te, läßt den Vertrag auch nicht etwa gemäß § 138 BGB sittenwidrig
erscheinen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, daß bereits zu
diesem Zeitpunkt vorhersehbar war, daß er heimpflege- und sozial-
hilfebedürftig werden würde und die Vertragsparteien diese Rege-
lung bewußt zu Lasten der öffentlichen Hand getroffen haben.