Urteil des OLG Köln vom 10.12.2010

OLG Köln (verhältnis zu, gewinnspiel, werbung, wert, leistung, bezug, höhe, aufwand, vollstreckung, uwg)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 85/10
Datum:
10.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 85/10
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 728/09
Normen:
UWG § 4 Nr. 11; HWG § 7 Abs. 1, Satz 1
Tenor:
1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.4.2010 verkündete
Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 728/09 - wird
zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die
Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 25.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung der
Kostenentscheidung kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.) Die Revision wird nicht zugelassen.
G R Ü N D E :
1
I.
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Die Beklagte stellt u.a. das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel "B" her, das der
Bekämpfung von Sodbrennen dient. Sie bewarb dieses in der Zeitschrift "PTAheute –
Zeitschrift der DAZ für die Pharmazeutisch-technische Assistentin" mit einer
ganzseitigen Anzeige, die ein Gewinnspiel enthielt. Um an diesem Gewinnspiel
teilzunehmen, waren drei Fragen zu beantworten; die Lösungen ergaben sich jeweils
aus dem weiteren Text der Anzeige. Als Preise waren drei MP3-Player (Wert: jeweils
21,91 €) und sieben USB-Flashlaufwerke (Wert: jeweils 5,99 €) ausgelobt.
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Der klagende Wettbewerbsverband sieht in der Werbung mit dem Gewinnspiel einen
Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG. Das Landgericht hat die Beklagte
Antragsgsgemäß zur Unterlassung der Werbung mit der Ankündigung eines
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Antragsgsgemäß zur Unterlassung der Werbung mit der Ankündigung eines
Gewinnspiels in der konkreten Verletzungsform verurteilt. Mit der Berufung, mit der die
Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, macht sie insbesondere geltend,
das Landgericht habe die Tragweite von Art. 12 GG verkannt. Der Kläger verteidigt das
angefochtene Urteil.
Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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II.
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Die Berufung hat keinen Erfolg.
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1. § 7 Abs. 1 HWG ist eine Markverhaltensvorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG
(Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rdn. 11.135). Die Beklagte zieht zu Recht nicht
in Zweifel, dass die angegriffene Werbung produktbezogen ist. Die Anwendung des § 7
Abs. 1 HWG scheitert auch nicht daran, dass Gewinnspiele in § 11 Nr. 13 HWG einer
gesonderten Regelung für die Werbung außerhalb der Fachkreise unterworfen sind. Die
überzeugenden Ausführungen des Landgerichts zu dieser Frage hat die Berufung nicht
angegriffen, so dass hierauf Bezug genommen werden kann.
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2. Die ausgelobten Preise sind Werbegaben im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG. Den
Preisen steht keine gleichwertige Gegenleistung der Teilnehmer an dem Gewinnspiel
gegenüber. Dabei kann es dahinstehen, ob dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG
entsprechend auf den Aufwand der Empfänger der Werbegaben abzustellen ist oder auf
den Nutzen, den der Werbende aus den Antworten der Teilnehmer ziehen kann.
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Der Aufwand für die Empfänger ist gering. Von ihnen wird lediglich verlangt, den
ungefähr die Hälfte einer Spalte füllenden Werbetext zu lesen und diesem die
abgefragten zentralen Werbeaussagen zu entnehmen. Das kann allenfalls wenige
Minuten in Anspruch nehmen. Dieser Aufwand wird durch die ausgelobten Preise
überkompensiert.
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Auch wenn man auf den Wert der von der Beklagten durch das Preisausschreiben
gewonnenen Marktinformationen abstellt, führt dies zu keiner anderen Beurteilung.
Denn der finanzielle Aufwand für die Beklagte ist zwar gering, nützliche Informationen
kann die Beklagte aus den einzusendenden Antworten aber nicht ziehen, denn die
Beantwortung der Fragen erfordert kein vertieftes Textverständnis, sondern setzt eine
Lesefähigkeit voraus, die bei pharmazeutisch-technischen Assistentinnen (PTA)
generell vorhanden sein wird. Aus Anzahl und Anteil der korrekten Antworten lassen
sich daher keine Schlüsse ziehen. Welchen Wert die Information, wie viele Personen an
dem Gewinnspiel teilgenommen haben, für die Beklagte haben soll, ist ebenso nicht
ersichtlich. Der Nutzen des Gewinnspiels für die Beklagte liegt daher allein darin, die
PTAs dazu zu veranlassen, die Werbebotschaften der Beklagten zur Kenntnis zu
nehmen. Ein solcher Nutzen muss aber bei der Prüfung, ob eine Werbegabe vorliegt,
außer Betracht bleiben.
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3. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG setzt weiter voraus, dass von der streitgegenständlichen
Werbung der Beklagten eine konkrete Gefahr der unsachlichen Beeinflussung des
angesprochenen Verkehrs ausgeht (vgl. BGH, GRUR 2009, 1082 Tz. 18 - DeguSmiles
& more). Auch diese Voraussetzung hat das Landgericht zutreffend bejaht. Die
ausgelobten Preise, namentlich die Hauptpreise, liegen deutlich über der Schwelle der
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Geringwertigkeit. Ist nach der Rechtsprechung des FS Arzneimittelindustrie e.V. ein
Betrag von 30 €, der Ärzten gewährt wird, nicht mehr geringfügig, so gilt dies erst recht
bei einem Sachgeschenk im Wert von 22 € an eine PTA, dürfte dies doch ihren
Stundenlohn deutlich übersteigen. Der Preis steht daher nicht in einem angemessenen
Verhältnis zu der von der PTA zu erbringenden Leistung, die nur wenige Minuten in
Anspruch nehmen wird und keine Schwierigkeiten aufweist.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass unter Anwendung von § 23 des FSA-Kodex‘
keine andere Beurteilung angezeigt wäre. Denn die Teilnahme hängt nicht von einer
wissenschaftlichen oder fachlichen Leistung ab – das gilt auch dann, wenn man hieran
nur ganz geringe Anforderungen stellt, denn die abgefragte "Leistung" könnte auch ein
Laie erbringen – und der in Aussicht gestellte Preis steht nicht in einem angemessenen
Verhältnis zu dieser Leistung. Dabei ist eine Werbung mit einem Gewinnspiel nach § 23
FSA bereits dann unzulässig, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist.
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Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Gewährung nicht nur geringfügiger Gaben
auch dann geeignet, den Empfänger unsachlich zu beeinflussen, wenn diese nicht von
weiteren Bedingungen, wie etwa dem Bezug des Mittels, abhängig ist. Auch wenn kein
Bezug der Vorteilsgewährung zu einer konkreten Maßnahme besteht, ist diese doch
geeignet, eine affektive, positiv geprägte Beziehung des Empfängers zu dem Produkt
herzustellen, das den Gewinn ermöglicht hat.
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4. Ob es darüber hinaus erforderlich ist, dass die angegriffene Maßnahme geeignet ist,
zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken (vgl. BGH GRUR 2007,
809 Tz. 19 – Krankenhauswerbung mwN.), ist fraglich. Der Bundesgerichtshof hat in
einer jüngeren Entscheidung bereits daraus, dass die konkrete Gefahr einer
unsachlichen Beeinflussung bestand, gefolgert, in diesem Fall unterliege ein Verbot
auch im Blick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der
Beklagten und auf deren Recht auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG keinen
Bedenken (BGH, GRUR 2009, 1082 Tz. 20 - DeguSmiles & more). Das kann aber
dahinstehen, weil die dargestellte Beeinflussung geeignet ist, eine mittelbare
Gesundheitsgefährdung zu bewirken. Denn es besteht die Gefahr, dass die durch das
Gewinnspiel beeinflusste PTA das beworbene Mittel einem Kunden empfiehlt, obwohl
im Zweifelsfall etwa die Konsultation eines Arztes zur Vermeidung gesundheitlicher
Nachteile angezeigt gewesen wäre. Insofern trifft es zwar zu, dass eine PTA keine
Medikationsentscheidung trifft. Ein Kunde wird aber der fachkundigen und vermeintlich
nicht unsachlich beeinflussten Beratung durch die PTA in vielen Fällen folgen. Besteht
dabei die Möglichkeit der Behandlung der Beschwerden mit einem nicht
verschreibungspflichtigen Medikament, so hängt von der Beratung durch die PTA auch
ab, ob der Kunde einen Arzt aufsuchen wird. Dies kann aber bei Sodbrennen durchaus
angezeigt sein, denn dieses kann, wie sich aus der Fachinformation zu B (Anlage B 1,
Bl. 41) ergibt, ein Symptom sehr ernster Grunderkrankungen sein.
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Dass an die Eignung der Gesundheitsgefährdung strengere Maßstäbe anzulegen wären
in dem Sinne, dass eine konkrete Gesundheitsgefährdung festgestellt werden müsste,
lässt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen. Vielmehr
genügt eine nur mittelbare Gesundheitsgefährdung, die etwa darin liegen kann, dass ein
Patient von einem eigentlich angezeigten Arztbesuch absieht (vgl. BGH, GRUR 2004,
799, 800 – Lebertrankapseln; s. auch BGH, GRUR 2009, 1189 Tz. 17 –
Blutspendedienst).
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III.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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2. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf der
Anwendung der hinreichend geklärten Grundsätze zu § 7 HWG.
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3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.000 €
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