Urteil des OLG Köln vom 25.06.2010

OLG Köln (treu und glauben, verhältnis zwischen, auskunft, höhe, berechnungsgrundlagen, versicherungsnehmer, zpo, bundesverfassungsgericht, offenlegung, ausdrücklich)

Oberlandesgericht Köln, 20 U 199/09
Datum:
25.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
20 U 199/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 26 O 155/08
Tenor:
I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat nach
Beratung erwägt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2
ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat (§
522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die weiteren Voraussetzungen gemäß §
522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO vorliegen.
1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
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Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Auskunft über den Rückkaufswert ihrer durch
Kündigung vorzeitig beendeten fondsgebundenen Lebensversicherungen ohne
Abschlusskostenverrechnung und ohne Stornoabzug noch ein Anspruch auf Zahlung
höherer Rückkaufswerte zu.
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Mangels eines spezialgesetzlichen oder vertraglich geregelten Auskunftsanspruchs
kann sich die begehrte Auskunftspflicht der Beklagten grundsätzlich nur unter dem
Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ergeben, wenn die zwischen
den Parteien bestehenden Rechtsverbindungen es mit sich bringen, dass die Klägerin
in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang ihrer Rechte im Ungewissen ist
und die Beklagte die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer
geben kann (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl. 2010, § 260 Rdnr. 4 mwN).
Voraussetzung dafür ist, dass der Leistungsanspruch, der mit Hilfe der Auskunft geltend
gemacht werden soll, zumindest möglich, wenn nicht gar überwiegend wahrscheinlich
ist (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, Rdnr. 6 mwN unter Bezugnahme auf BGH NJW 2002,
3771; BAG DB 1996, 2182; OLG Stuttgart ZIP 2007, 275, 276) und die begehrte
Auskunft der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen zumutbar
ist.
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Dass der Klägerin ein Nachzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zustehen
könnte, erscheint auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens indes
ausgeschlossen. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, der Klägerin könne
unter dem Gesichtspunkt des Mindestbetrages in Höhe der Hälfte des ungezillmerten
Deckungskapitals (hier: des ungezillmerten Fondsguthabens) ein
Nachzahlungsanspruch nicht zustehen. Denn die Klägerin hat mit dem ihr ausgezahlten
Rückkaufswert von insgesamt € 8.794,17 bei insgesamt eingezahlten Prämien in Höhe
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von € 14.850,- unstreitig einen Betrag in Höhe von 59,22% der gezahlten Prämien
ausgezahlt erhalten. Die Summe der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals ist
wegen des Abzugs von Risikoanteilen und laufenden Verwaltungskosten jedoch stets
geringer als die Hälfte der gezahlten Prämien (vgl. BVerfG NJW 2006, 1783 ff.). Die
Klägerin hat mithin bereits mehr erhalten, als ihr nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts zu den Rechtsfolgen
intransparenter Klauseln über Rückkaufswerte im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung
in Versicherungsbedingungen (BGH, Urteile vom 9. Mai 2001, BGHZ 147, 373 ff. und
BGHZ 147, 354 ff., vom 12. Oktober 2005, BGHZ 164, 297 ff. und BGHReport 2006, 24
sowie vom 26. September 2007, VersR 2007, 1547 ff.; BVerfG NJW 2005, 2363; 2005,
2376; 2006, 1783 ff.) unter dem Gesichtspunkt des Mindestbetrages zustehen würde,
wenn die hier zugrunde liegenden Klauseln unwirksam wären. Die Grundsätze der
zitierten Rechtsprechung sind nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.
September 2007 (VersR 2007, 1547 f.) auch auf fondsgebundene
Lebensversicherungen, wie sie die Klägerin abgeschlossen hat, anzuwenden.
Soweit die Klägerin meint, das Bundesverfassungsgericht stelle nicht auf einen
Mindestbetrag ab, sondern verlange lediglich ein angemessenes Verhältnis zwischen
den gezahlten Versicherungsbeiträgen sowie den Abschlusskosten und dem Risiko-
und Verwaltungskostenanteil, ist dies nicht zutreffend. Das Bundesverfassungsgericht
hat in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2006 (NJW 2006, 1783 ff.) vielmehr
ausdrücklich die vom Bundesgerichtshof im Wege der richterlichen ergänzenden
Vertragsauslegung entwickelte Lösung eines Mindestbetrages bestätigt und ausgeführt,
die ergänzende Vertragsauslegung widerspreche verfassungsrechtlichen Vorgaben
nicht. Die vom Bundesgerichtshof gewählte Berechnungsmethode stütze sich auf eine
Abwägung der verschiedenen betroffenen Interessen. Dabei werde berücksichtigt, dass
der sein Vertragsverhältnis frühzeitig beendende Versicherungsnehmer durch
privatautonomes Handeln keine hinreichenden Möglichkeiten habe, seine
Vermögensinteressen auf andere Weise effektiv zu verfolgen. Dem Anliegen, die in die
Verrechnung eingehenden Abschlusskosten bei der Verrechnung nach der
Zillmermethode zu begrenzen und zugleich einen angemessenen Anteil der von den
Versicherungsnehmern gezahlten Prämien in die Bestimmung des Rückkaufswerts
einfließen zu lassen, werde durch die ergänzende Vertragsauslegung Rechnung
getragen (BVerfG aaO unter B. I. b)).
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Aus der von der Klägerin selbst herangezogenen Rechtsprechung des BGH und des
BVerfG ergibt sich auch unmittelbar, dass ein Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der
Höhe der in Ansatz gebrachten Abschlusskosten, der in dem Klageantrag zu 1. im
Ergebnis enthalten ist, nicht besteht. Der Beklagten ist es vielmehr nach der zitierten
Rechtsprechung nicht verwehrt, Abschlusskosten zu erheben. Ihr ist es auch nicht
verwehrt, diese im Wege der Zillmerung in Ansatz zu bringen. Mit der zitierten
Rechtsprechung wird lediglich den finanziellen Nachteilen, die das
Zillmerungsverfahren im Falle einer frühen Vertragsbeendigung mit sich bringt, dadurch
Rechnung getragen, dass dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf einen
Mindestbetrag in Höhe der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals zugesprochen
wird. Der Versicherungsnehmer hat nach der zitierten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs Anspruch auf die versprochene Leistung, mindestens jedoch die
Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals. Zur Durchsetzung dieser Ansprüche hilft
der Klägerin die begehrte Auskunft unter anderem über die Höhe der Abschlusskosten
nicht. Denn mehr als den Mindestbetrag hat sie bereits erhalten, so dass ein
Nachzahlungsanspruch insoweit ausscheidet. Dass die vertraglich versprochene
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Leistung höher als die erfolgte Rückvergütung zu bemessen sei, weil etwa im konkreten
Fall Abschlusskosten erhoben worden sind, die aus anderen Gründen nicht hätten
erhoben werden dürfen, ist weder von der Klägerin geltend gemacht noch ersichtlich.
Soweit die Klägerin meint, für sie sei die vorgenommene Berechnung der Beklagten
nach der Zillmer-Methode solange intransparent, wie die Beklagte nicht die begehrte
Auskunft erteile, führt dies nicht zu einem Auskunftsanspruch. Denn die Beklagte
schuldet über die Angabe der in den Abrechnungsschreiben vom 27.02.2008 genannten
Beträge hinaus nicht die Offenlegung ihrer Berechnungsgrundlagen (so auch OLG
München VersR 2009, 770 f.). Die Offenlegung der Berechnungsgrundlagen ist der
Beklagten nicht zumutbar; insoweit gebührt bei der Abwägung der beiderseitigen
Interessen dem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten der Vorrang. Das
Oberlandesgericht München hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf verwiesen,
dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2006 (aaO
unter B I 2 c)) ausdrücklich auch die beschränkte Auskunftspflicht der Versicherer
berücksichtigt hat. Daraus ergebe sich, dass es zur Wahrung der Interessen der
Versicherungsnehmer angemessen sei, dass ihnen hinsichtlich der Berechnung der
Rückkaufswerte kein Anspruch auf Auskunft eingeräumt, sondern im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung eine Mindestsumme garantiert werde. Die Offenlegung
der Berechnungsgrundlagen und damit insbesondere auch der Kostenstruktur könne
von der Versicherung angesichts dieses Gesamtkonzepts grundsätzlich nicht verlangt
werden. Dass der Versicherer ein Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der
Berechnungsgrundlagen hat, liegt auf der Hand und ist von der Beklagten inzwischen
auch ausdrücklich mit der Berufungserwiderung vorgetragen. Von einem Verstoß gegen
das Transparenzgebot kann insoweit keine Rede sein.
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Nach alledem hat die Beklagte Ansprüche der Klägerin auf Rückvergütung in vollem
Umfang erfüllt. Die weiter geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht.
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2. Auch die weiteren Voraussetzungen, unter denen die Berufung gem. § 522 Abs. 2
ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen ist, liegen vor.
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Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; es handelt sich vielmehr
um einen Streit, dessen Tragweite sich im konkreten Einzelfall erschöpft. Auch die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil.
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II. Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu vorstehenden Hinweisen binnen drei Wochen ab
Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen.
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Köln, den 25. Juni 2010
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20. Zivilsenat
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