Urteil des OLG Köln vom 30.03.2006

OLG Köln: vergleich, haus, anfang, rechtsschutzinteresse, datum, anmerkung, entlastung

Oberlandesgericht Köln, 4 WF 50/06
Datum:
30.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 WF 50/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Eschweiler, 12 F 191/04
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der seinen Antrag
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigernde Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 07.02.2006 -
aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den
Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers an das Familiengericht
zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte -
sofortige Beschwerde des Antragstellers hat auch in der Sache zumindest
vorübergehend Erfolg. Zu Unrecht geht das Familiengericht davon aus, dass der
Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Bewilligungsgesuches des Antragstellers
bezüglich der nachgesuchten Prozesskostenhilfe erst am 18.11.2004 gegeben war.
Vom Ansatz zutreffend stellt das Familiengericht darauf ab, dass Entscheidungsreife
bezüglich eines Prozesskostenhilfeantrages erst eintritt, wenn der
Prozesskostenhilfeantrag schriftlich begründet, mit vollständigen Unterlagen und
Belegen versehen und die Frist zur Stellungnahme für den Gegner abgelaufen ist (so
OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 805).
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Das Familiengericht überspannt jedoch die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen
Prozesskostenhilfeantrag, wenn es darauf abstellt, dass Entscheidungsreife erst am
18.11.2004 mit Eingang des Schriftsatzes des Antragstellers vom gleichen Tage auf
Grund seiner Bezugnahme auf die in einer anderen Familiensache vor dem Amtsgericht
Eschweiler zu Aktenzeichen 12 F 153/04 eingereichten PKH-Unterlagen eingetreten
sei. Zwar ist dem Familiengericht zuzugestehen, dass der Zeitpunkt der
Entscheidungsreife regelmäßig dadurch bestimmt ist, dass die Partei die für die
Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorgelegt sowie den Antrag schriftlich
begründet hat und dem Gegner angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß §
118 Abs. 1 ZPO - regelmäßig ca. 2 Wochen - eingeräumt worden ist. Nicht zweifelhaft
sein kann, dass lange vor dem 18.11.2004 ein schriftlich begründeter Antrag vorgelegen
hat.
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Allerdings gehören zu den erforderlichen Unterlagen in der Regel auch die Vorlage des
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vollständig ausgefüllte Vordruck nach § 117 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO sowie der
entsprechenden Belege gemäß § 117 Abs. 2 ZPO. Diese sind in hiesigem Verfahren
nicht vorgelegt worden. Die Vorlage war aber ausnahmsweise entbehrlich. Zu
berücksichtigen ist, dass die Vorlage des Formulars nach § 117 Abs. 3, 4 ZPO nur der
Entlastung des Gerichts dient, jedoch keine prozessuale oder materielle
Entscheidungsvoraussetzung ist. Das Gericht darf deshalb nicht allzu formalistisch
verfahren (BGH EzFamR, ZPO § 117 Nr. 3 mit Anmerkung Schneider; so zitiert in OLG
Karlsruhe FamRZ 1996, 805). So kann es unschädlich sein, wenn z. B. die "Erklärung"
auf dem Vordruck nicht unterschrieben ist, sofern feststeht, dass die Erklärung von der
um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei stammt. Ausreichend kann auch sein,
dass die Partei ihre "Prozessarmut" in anderer Weise genügend glaubhaft gemacht hat.
Insofern kann es ausreichen, wenn aus "Erklärungen" in anderen Verfahren, die dem
entscheidenden Gericht bekannt sind, sich die "Prozessarmut" ergibt.
Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass jedenfalls am 30.06.2004 für das erkennende
Gericht die "Prozessarmut" feststehen musste. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde dem
Antragsteller in dem Unterhaltsverfahren 12 F 153/04 Amtsgericht Eschweiler vom
selben Familienrichter Prozesskostenhilfe bewilligt. Gegenstand der Erörterung in
jenem Verfahren war jedenfalls auch die Frage der Wohnungszuweisung. Der am
30.06.2004 von den Parteien geschlossene Vergleich enthielt auch eine Regelung
bezüglich der Nutzung des ehelichen Hauses. Danach hatte sich die dortige Klägerin
und hiesige Antragsgegnerin verpflichtet, das eheliche Haus zum 01.09.2004 zu
verlassen.
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Damit lagen aber am 30.06.2004 alle Voraussetzungen vor, um über den
Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers auch im hiesigen Verfahren entscheiden zu
können. Es kann dem Antragsteller nicht angelastet werden, wenn das Familiengericht
nicht zeitnah über den gestellten PKH-Antrag entschied. Es kann auch nicht davon
ausgegangen werden, dass bereits am 30.06.2004 für den gestellten Antrag das
Rechtsschutzbedürfnis entfallen war. Zwar hatte sich die dortige Klägerin und hiesige
Antragsgegnerin verpflichtet, bis zum 01.09.2004 das eheliche Haus zu verlassen. Zum
Zeitpunkt des Vergleichsschlusses stand aber noch nicht fest, ob sie diese Verpflichtung
erfüllen würde. Auch können Zweifel bestehen, ob der geschlossene Vergleich
bezüglich des Verlassens des ehelichen Hauses in der gewählten Formulierung einen
vollstreckungsfähigen Inhalt hatte oder dem Antragsteller lediglich einen materiell-
rechtlichen Anspruch auf das Verlassen des Hauses gab. Jedoch war der
Wohnungszuweisungsantrag zunächst und zwar jedenfalls bis Anfang September
gegenstandslos, da der Antragsgegnerin zumindest bis dahin eine Räumungsfrist
eingeräumt worden war. Folgerichtig hat der Antragsteller, nachdem die
Antragsgegnerin ihre Verpflichtung aus dem Vergleich nachgekommen war, den
Zuweisungsantrag für erledigt erklärt. Erst zu diesem Zeitpunkt war sein
Rechtsschutzinteresse entfallen.
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Entscheidend ist darauf abzustellen, ob bis zu diesem Zeitpunkt die Erfolgsaussicht der
beabsichtigten Rechtsverfolgung zu bejahen war. Das scheint der Fall zu sein.
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Gleichwohl kann der Senat nicht in der Sache entscheiden, da noch zu prüfen bleibt, ob
auch heute noch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe rechtfertigen. Eine aktuelle Erklärung des Antragstellers über
seine jetzigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse befindet sich nicht bei den
Akten. Entscheidend ist aber, wie sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse heute
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darstellen.
Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO entbehrlich. Von der
Erhebung einer Beschwerdegebühr wird abgesehen.
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