Urteil des OLG Köln vom 30.10.1991

OLG Köln (psychisch kranker, patient, wasser, zpo, schwimmbad, höhe, entlastungsbeweis, träger, kranker, haftung)

Oberlandesgericht Köln, 27 U 86/91
Datum:
30.10.1991
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 86/91
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 5 O 254/90
Normen:
BGB § 844 ABS. 1; BGB § 831 ABS. 1; SGB X § 116; VERSR 92, 1517;
OLGR 92, 005; MDR 92, 561; ARZTHAFTUNG; PSYCHIATRIE;
SCHWIMMBAD;
Leitsätze:
Haftungsrecht Arzthaftung Betreuung psychisch Kranker im
Schwimmbad OLG Köln 30.10.91 27 U 86/91 BGB §§ 844 Abs.1, 831
Abs.1; SGB X § 116
Der Träger eines psychiatrischen Krankenhauses hat dafür Sorge zu
tragen, daß psychisch kranke Patienten im Schwimmbad ständig so
überwacht werden, daß ihr Ertrinken ausgeschlossen ist.
Bemerkung: Das Urteil ist rechtskräftig.
VersR 92, 1517
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 05. Februar 1991 verkündete
Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 5 O 254/90 - wird auf
seine Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
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Die Berufung ist statthaft, sowie form- und frist-gerecht eingelegt und begründet
worden. In der Sa-che hat sie keinen Erfolg.
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Die Klägerin kann gemäß §§ 844 Abs. 1, 831 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 116
SGB X von dem Beklagten die Erstattung des an die Angehörigen ih-res
verstorbenen Versicherten F. G. gezahlten Ster-begeldes in Höhe von 6.000,--DM
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verlangen.
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Als Träger eines psychiatrischen Kankenhauses traf den Beklagten gegenüber Herrn
G. die Verpflichtung, die zu dessen Heilung und Pflege erforderlichen Leistungen zu
erbringen und dabei vor vermeidbaren Gefahren zu schützen und alles zu
unterlassen, was diesem Ziel abträglich sein könnte (vgl. BGH AHRS 3060/2; OLG
Braunschweig VersR 1985, 577). Diese Pflicht ist von der Krankengymnastin H. bei
der Betreuung des Patienten G. verletzt worden, wodurch der Patient am 15. Juli
1988 in der Schwimmhalle in Köln-Höhenberg zu Tode gekommen ist.
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Dies hat das Landgericht zutreffend dargelegt, so daß der Senat im wesentlichen
gemäß § 543 ZPO auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug
nimmt. Die Berufung gibt lediglich Anlaß zu folgenden Ergänzungen:
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Zu Recht hat das Landgericht aus der Tatsache, daß der Versicherte einen
Ertrinkungsunfall erlit-ten hat, was wiederum unstreitig bedingt, daß er mehrere
Minuten unter Wasser gelegen haben muß, geschlossen, daß der Patient nicht
ordnungsgemäß überwacht worden ist. Notwendig wäre gewesen, daß die
Aufsichtsperson ständig die einzelnen Mitglie-der der 8 Patienten umfassenden
Gruppe überwacht hätte. Dies bedeutet nicht, daß jeder Patient "jede Sekunde" im
Auge gehalten werden muß, sondern nur, daß in regelmäßigen Abständen jeder
kontrolliert wird. Wenn dies wegen der Örtlichkeit der Zeugin H. nicht möglich
gewesen sein sollte, so hätte sie ei-nen der Bademeister zur Mitkontrolle bitten
müssen.
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Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Patientengruppe
nicht stärker überwachungsbedürftig gewesen wäre als Gesunde. Bei psychisch
Kranken ist einmal wegen der Erkrankung - speziell einer solchen aus dem
zyklothymen For-menkreis - an der der Versicherte gelitten hat, aber auch wegen der
regelmäßig eingesetzten Medika-mente sowohl mit der Gefahr von
Selbstmordhandlun-gen wie von erheblichen Kreislaufstörungen zu rech-nen. Beides
erfordert eine engmaschige Überwachung, daß es praktisch nicht zu einem
unkontrollierten mehrminütigen Aufenthalt eines Kranken unter Wasser kommen
kann. Möglicherweise ist diese Problematik der Zeugin H. nicht vermittelt worden, so
daß sie über die Art der zu leistenden Aufsicht nicht Be-scheid wußte. Dem braucht
jedoch nicht näher nach-gegangen zu werden, weil dies ein Organisationsver-
schulden des Beklagten darstellen würde, das seine Haftung ebenso auslöst, wie
eine Nachlässigkeit der Krankengymnastin H. bei Aufsichtsführung.
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Die dem Beklagten zuzurechnende Pfichtverletzung ist für den von der Klägerin
geltend gemachten Schaden ursächlich. Bei der gebotenen Überwachung hätte der
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Patient nicht eine so erhebliche Zeit un-ter Wasser gelegen, daß diejenigen
schweren Gesund-heitsschäden eingetreten wären, die seinen Tod zur Folge hatten.
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Unabhängig davon, welcher Bedienstete des Landes-krankenhauses die
schadensursächlich gewordene ob-jektive Sorgfaltspflichtverletzung begangen hat,
ist der Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht geführt. Der Hinweis
des Beklagten darauf, daß es während vieler Jahre, in denen Frau H. mit der
Betreuung psychisch kranker Patienten befaßt gewesen sei, keine Beanstandungen
gegeben habe, reicht dafür nicht aus; denn eine Entlastung des Geschäftsherrn setzt
dessen Prüfung voraus, ob der Angestellte noch zu den Verrichtungen befähigt ist
(Palandt-Thomas BGB, 50. Aufl., § 831 Rn. 14). Daß er Frau H. auf ihre
Zuverlässigkeit hin über-wacht habe, trägt der Beklagte jedoch nicht vor. Für das
übrige in Frage kommende Personal ist der Entlastungsbeweis erst recht nicht
geführt.
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Nach alledem hat der Beklagte der Klägerin das von dieser gezahlte, der Höhe nach
unstreitige Sterbe-geld zu erstatten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr.10 ZPO.
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Berufungsstreitwert: 6.000,00 DM
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Beschwer für den Beklagten: unter 60.000,00 DM
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