Urteil des OLG Köln vom 06.12.2010

OLG Köln (psychischer zustand, verhältnis zu, antragsteller, gefährdung, beschwerde, verhalten, gewalt, rechtskraft, therapie, antrag)

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 183/10
Datum:
06.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 UF 183/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Brühl, 32 F 66/10
Tenor:
I.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 11.08.2010 - 32 F 66/10 -
wird auf Kosten des Antragstellers mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Einschränkungen des Umgangsrechts auf Antrag des
Antragstellers nach einem Jahr ab Rechtskraft dieser Entscheidung
überprüft werden können.
II.
Der Antrag des Antragstellers, ihm zur Durchführung des
Beschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird
mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde zurückgewiesen.
III.
Der Antragsgegnerin wird zur Rechtsverteidigung in vorliegendem Be-
schwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt I. T. in C. ratenfrei bewilligt.
G r ü n d e :
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I.
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Die gemäß §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 2, 58, 59, 63, 64, 65 FamFG zulässige - insbesondere
frist- und formgerecht eingelegte – Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache
keinen Erfolg. Zur Recht hat das Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss das
Umgangsrecht des Antragstellers mit seinen drei Kindern D., K. und H. darauf
beschränkt, dass er diesen gelegentlich Briefe schreiben und zu ihren Geburtstagen, zu
Weihnachten und anderen hohen Feiertagen Geschenkpakete schicken darf und der
Antragsgegnerin aufgegeben, diese Postsendungen ihren Kindern jeweils unverzüglich
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Antragsgegnerin aufgegeben, diese Postsendungen ihren Kindern jeweils unverzüglich
auszuhändigen.
Bezüglich der weiteren Anträge zur Informationspflicht der Antragsgegnerin durch
Übersendung aktueller Fotos der Kinder gegenüber dem Antragsteller hat das
Familiengericht das Verfahren abgetrennt und die Entscheidung hierüber dem
Rechtspfleger zur Entscheidung vorgelegt. Dieser Teil des Umgangsrechtes ist somit
nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
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Unter Kindeswohlgesichtspunkten konnte seinen weitergehenden Anträgen, ihm näher
bezeichnete telefonische Umgangskontakte zu seinen Kindern zu gestatten und die
Antragsgegnerin anzuweisen, sich gegenüber den Kindern aller moralisch abwertenden
Äußerungen über ihn zu enthalten. wie das Familiengericht zutreffend erkannt hat, nicht
stattgegeben werden, da dies unter Kindeswohlgesichtspunkten nicht zu verantworten
ist. Allerdings muss für den Antragsteller wegen des weit gehenden Ausschlusses des
Umgangsrechts unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Möglichkeit bestehen,
die Frage zum Umfang der fortbestehenden notwendigen Einschränkungen seines
Umgangsrechts nach einem Jahr ab Rechtskraft dieser Entscheidung überprüfen zu
lassen.
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Unter dem Gesichtspunkt der Kindeswohlgefährdung ist gemäß §§ 1666, 1666 a BGB
das Umgangsrecht auf die brieflichen Kontakte und evt. Bildinformationen – was das
Familiengericht noch zu entscheiden hat - zu beschränken. Die Beschränkung des
Umgangsrechts trägt dem Umstand Rechnung, dass die betroffenen Kinder durch die
erfahrene Gewaltanwendung des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin, der
Kindesmutter, stark traumatisiert sind und von daher unmittelbare persönliche Kontakte
– hierzu zählen auch die Telefonkontakte – derzeit jedenfalls auf die seelisch-geistige
Entwicklung negativen Einfluss haben können. Dies hat das Jugendamt im Einzelnen
belegt. So ist in dem Jugendamtsbericht vom 02.10.2010 (Bl. 127, 128 GA) nochmals
die psychische Gefährdung der Kinder für den Fall der Konfrontation mit dem
Kindesvater anschaulich geschildert worden. Insbesondere die während der Ehe der
Kindeseltern auch von den Kindern erfahrene Gewaltbereitschaft des Kindesvaters
gegenüber der Kindesmutter machen verständlich, dass die Kinder den Kindesvater
derzeit ablehnen und Angst vor ihm haben. Von daher bedarf es schon gar keiner
negativen Einflussnahme der Kindesmutter gegenüber ihren Kindern, um ein negatives
Bild von dem Kindesvater bei den Kindern entstehen bzw. bestehen zu lassen. Da dem
Senat keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kindesmutter bewusst negativ auf
die Kinder im Hinblick auf den Kindesvater einwirkt, bedurfte es auch insoweit keiner
Auflage an die Kindesmutter, sich solcher negativen Kommentare zu enthalten.
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Soweit der Kindesvater einwendet, dass er sich einer Therapie unterzogen hat und
daher keine Gefahr mehr bestünde, gewalttätig zu werden und zudem anführt, dass er
nie gegenüber seinen Kindern gewalttätig geworden sei, verkennt er die psychische
Situation seiner Kinder. Die Traumatisierung der Kinder, von einer solchen ist auch der
Senat überzeugt, ohne dass es weiterer sachverständiger Untersuchungen bedarf, rührt
von der massiven Gewalteinwirkung des Kindesvaters auf die Kindesmutter auch in
Gegenwart der Kinder her. Es ist allgemein bekannt und der Senat weiß dies aus einer
Vielzahl von bei ihm anhängig gewordener Verfahren, dass Kinder bei massiven
Gewalterfahrungen schwer traumatisiert werden können, zumal wenn hierunter nahe
Bezugspersonen zu leiden haben und die Kinder diesen Erlebnissen hilflos ausgesetzt
sind.
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Solche massiven Gewalterfahrungen haben die beteiligten gemeinsamen Kinder der
verfahrensbeteiligten Kindeseltern machen müssen. Dabei ist es zuletzt zu einem
versuchten Tötungsdelikt des Vaters gegenüber der Mutter gekommen. Wie der
Kindesvater in diesem Zusammenhang vortragen lassen kann, dass er gegenüber
seinen Kindern keine Gewalt ausgeübt habe, bleibt unverständlich. Denn schließlich
stellt die immer wieder erfahrene Gewaltbereitschaft des Kindesvaters gegenüber der
Kindesmutter auch massive psychische Gewalt gegenüber seinen Kindern dar und
schürt Angsterlebnisse bis hin zur Existenzangst bei diesen. Auch dies bedarf keiner
weiteren gutachterlichen Untersuchungen. Es zeugt von fortdauernder Uneinsichtigkeit
des Antragstellers, die massiven Beeinträchtigungen seiner Kinder durch sein
verantwortungsloses Verhalten zu ignorieren und auf direkte Kontakte mit seinen
Kindern zu drängen. Die hierdurch zu befürchtende Gefährdung seiner Kinder muss sich
auch ihm selbst geradezu aufdrängen.
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Solche erneut traumatisierenden Erlebnisse gilt es von den Kindern fernzuhalten.
Hierzu dient auch der Ausschluss telefonischer Kontakte. Werden doch die Kinder –
worauf auch das Familiengericht hingewiesen hat – gerade durch die telefonischen
Kontakte und durch das Wahrnehmen der Stimme des Vaters wieder mit
zurückliegenden Erlebnissen konfrontiert und führen zu einer Kindeswohlgefährdung
allein durch das Wiederaufleben der alten mit der Stimme des Vaters verbundenen
Erinnerungen.
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Eine solche Gefahr besteht indes kaum bei brieflichen Kontakten sowie der Information
des Kindesvaters durch das Übersenden aktueller Bilder in angemessener Zeit. Auch
wird man eine Gefährdung der Kinder nicht erkennen können, wenn der Kindesvater
diesen gelegentlich Geschenke übermittelt, soweit diese nicht übermäßig sind und
damit Bestechungscharakter annehmen können. Dies wird der Rechtspfleger bei seiner
noch zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen haben.
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Aus den Akten ergibt sich weiter, dass der Kindesvater noch in Therapie in einer
psychiatrischen Einrichtung untergebracht ist. Solange diese Therapie andauert, kann
auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine Gefährdung von dem
Kindesvater nicht mehr ausgeht. Auch wird abzuwarten sein, ob und in welchem
Umfang er seine Alkoholabhängigkeit überwunden hat. Von daher sollte - soweit der
Kindesvater dies wünscht – nach etwa einem Jahr nach Rechtskraft der Entscheidung
überprüft werden, ob Umgangskontakte allmählich ausgebaut werden können. Dabei
mag der Antragsteller, soweit ein entsprechender Antrag gestellt wird, anhand seiner
Therapiepläne und Krankenunterlagen wie einschlägigen Arztberichten schon bei
Antragstellung darlegen, dass sich sein psychischer Zustand deutlich stabilisiert hat.
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Des Weiteren wird abzuwarten sein, wie sich das Verhältnis zu den Kindern entwickelt.
Auch hier liegt es mit im Einflussbereich des Kindesvaters, vertrauensbildende
Maßnahmen in die Wege zu leiten. Hierzu gehört es, dass der Kindesvater nicht durch
überzogene Anträge und Wünsche die traumatischen Ängste der Kinder eher schürt als
abbaut. Der Antragsteller wird sich zu vergegenwärtigen haben, dass er es war, der
durch sein gewalttätiges Verhalten die Ablehnung seiner Familie ihm gegenüber
verursacht hat. In erster Linie wird diese Einsichtsfähigkeit von ihm zu fordern und zu
erwarten sein. Unverantwortlich und schwer kriminell war sein Verhalten nicht nur
gegenüber seiner betroffenen Ehefrau sondern auch gegenüber seinen die väterliche
Gewalt mit erlebenden Kindern, die ohnmächtig das Leiden ihrer Mutter mit ansehen
mussten. Diese Verantwortung seinen Kindern gegenüber wird er sich immer wieder zu
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vergegenwärtigen und entsprechend vorsichtig und behutsam ihnen gegenüber zu
handeln haben. Nur ganz allmählich kann hier Vertrauen wieder aufgebaut werden.
Jeden Zwang des Vaters werden die Kinder ähnlich ihren Gewalterfahrungen als
Bedrohung auffassen.
Das Alles schließt derzeit ein weiter gehendes Umgangsrecht als das zugestandene
aus. Die Beschwerde des Antragstellers war daher mit den zeitlichen Einschränkungen
zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
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Der Beschwerdewert beträgt gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 FamGKG 3.000,00 €.
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II.
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Im Hinblick auf die obigen Ausführungen konnte dem Antragsteller für das
Beschwerdeverfahren mangels Erfolgsaussicht keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt
werden.
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III.
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Der Antragsgegnerin war dagegen ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zur Abwehr des
Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwalt I. T. in C. zu bewilligen, da
sie wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die Verfahrenskosten selbst zu tragen.
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