Urteil des OLG Köln vom 16.01.2007

OLG Köln: vertragliche haftung, frachtführer, im bewusstsein, grobe fahrlässigkeit, unerlaubte handlung, ordre public, taiwan, frachtvertrag, verschulden, haftungsbeschränkung

Oberlandesgericht Köln, 3 U 157/04
Datum:
16.01.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 157/04
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 96 O 28/01
Schlagworte:
Frachtführerhaftung nach taiwanesischem Recht und Haftung des
ausführenden Frachtführers
Normen:
EGBGB Art. 6, 28 Abs. 4, 40, 41, BGB § 823 Abs. 1 HGB §§ 434, 437,
TZG §§ 634, 639
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Köln vom 19.8.2004 - 86 O 28/01 -
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen,
die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des
jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage gegen die Beklagte zu
2) abgewiesen wird.
G R Ü N D E:
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I.
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Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen des Verlustes zweier von der
Beklagten für die Fa. I. T. Technology in Taiwan an die Fa. F. Computer GmbH in C.
transportierten Sendungen.
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Die Klägerin ist Transportversicherungsassekuradeur der Firma F. Computer, die Ende
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Die Klägerin ist Transportversicherungsassekuradeur der Firma F. Computer, die Ende
September 2000 von der Firma I. T. Computermodule bezog. Streitgegenständlich sind
insoweit zwei Sendungen, nämlich die mit der AWB-Nr. #972, die nach dem Vortrag der
Klägerin 1000 SDRAM-Module 128 MB zu einem Gesamtpreis von 90.655,00 US-$
enthielt und die mit der AWB-Nr. #990, die ebenfalls nach dem Vortrag der Klägerin 321
SDRAM-Module 64 MB und 1000 SDRAM-Module 128 MB zu einem Gesamtpreis von
101.214,80 US-$ enthielt.
4
Auf den Frachtbriefen war vermerkt, dass der Inhalt der Sendungen aus "Computer
Parts" bestand, auf den Frachtbriefen war unter "special Instructions" jeweils "value box"
vermerkt.
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Beide Pakete wurden bei der Beklagten zu 1) in Taiwan eingeliefert und sodann mit
dem Flugzeug nach Deutschland transportiert, wo der weitere Transport der Beklagten
zu 2) oblag. Letztmals gescannt wurden die Pakete beim Abgang vom Flughafen Köln
(Outbound Scan). Danach gerieten die Pakete unter im Einzelnen ungeklärten
Umständen nach Übernahme durch die Beklagte zu 2) in Verlust. Die Einfuhrverzollung
nach Deutschland wurde seitens der Beklagten vorgenommen.
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Die Klägerin regulierte gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin den Schaden mit
insgesamt 217.853,37 € und ließ sich sowohl von der Fa. I. T. als auch von ihrer
Versicherungsnehmerin alle Ansprüche aus dem Schadensfall gegen die Beklagten
abtreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie der erstinstanzlich gestellten
Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts
Köln vom 19.8.2004 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat nach Einholung einer Rechtsauskunft durch das
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N.-Q.- Institut der Klage vollumfänglich stattgegeben. Im Verhältnis zur Beklagten zu 1)
sei gemäß Art. 28 Abs.4 EGBGB das taiwanische Zivilgesetzbuch (TZG) anwendbar.
Gemäß § 634 TZG hafte der Frachtführer verschuldensunabhängig für einen Verlust des
Transportguts. § 639 TZG, nach dem die Haftung des Frachtführers entfalle, wenn Geld,
Wertpapiere, Schmuck oder andere derartige Wertsachen eingeliefert würden und nicht
zuvor der Wert und die Art des Transportguts deklariert worden sei, sei entgegen der in
der Rechtsauskunft vertretenen Auffassung unanwendbar, denn bei den in Verlust
geratenen Speichermodulen handele es sich jeweils für sich genommen um normale
Industrieprodukte, die nur allein aufgrund ihrer Anzahl einen gewissen Wert darstellten.
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Die Beklagte zu 2) hafte neben der Beklagten zu 1) gemäß § 637 TZG bzw. 437 HGB.
Es sei von einem qualifizierten Verschulden der Beklagten auszugehen, denn diese
hege selbst den Verdacht, dass ein Mitarbeiter die Sendungen entwendet habe.
Außerdem sei ihr ein grobes Organisationsverschulden vorzuwerfen, weil sie auf
wirksame Ausgangskontrollen verzichte und so einen Diebstahl durch ihre Fahrer
überhaupt erst ermögliche, da den Fahrern nicht nachgewiesen werden könne, dass sie
die Pakete überhaupt übernommen haben.
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Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Das
Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass es sich bei den abhanden
gekommenen Modulen nicht um wertvolle Güter i.S.d. § 639 Abs.1 TZG gehandelt habe.
Mangels eigener Sachkunde des taiwanischen Rechts habe das Landgericht hier auch
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nicht ohne weiteres von dem in der Rechtsauskunft mitgeteilten Verständnis der
Vorschrift abweichen dürfen. Das Landgericht habe zudem nicht beachtet, dass
zwischen der Beklagten zu 1) und der Absenderin ein Beförderungsausschluss für
Waren mit einem höheren Wert als 50.000,-- US-$ sowie eine Haftungsbeschränkung
auf 100 US-$ vereinbart worden sei. Diese sei auch nicht gemäß § 649 TZG unwirksam
oder als Haftungsbeschränkung auszulegen. Die Beklagte zu 2) hafte nach
taiwanischem Recht ebenfalls nicht. Auch nach deutschem Recht käme eine Haftung
der Beklagten zu 2) nicht in Betracht, weil die Beklagte der Klägerin gemäß § 437 Abs.1
HGB alle Rechte aus dem Frachtvertrag zwischen der Absenderin und der Beklagten zu
1) und damit auch den Beförderungsausschluss und die Haftungsbeschränkung auf 100
US-$ entgegenhalten könne. Der Inhalt bleibe weiterhin bestritten, die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs zu einem Anscheinsbeweis sei wegen fehlender Lieferscheine
nicht anwendbar.
Die Beklagten beantragen,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 19.8.2004 (86 O
28/01) die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, der Beklagten sei der Wert der Waren mitgeteilt worden, denn zur
Verzollung bedürfe es einer Handelsrechnung. Im Ergebnis zu Recht habe das
Landgericht auch angenommen, dass maßgeblich das taiwanische Recht sei, ein
Haftungsausschluss wegen der Art der Waren aber nicht in Betracht komme, denn es
handele sich bei den Computerbauteilen um normale Industrieprodukte. Ein
Beförderungsausschluss sei jedenfalls wirksam nicht vereinbart worden, denn über die
streitgegenständlichen Pakete seien durch die Annahme der Sendungen durch die
Beklagte zu 1) jedenfalls Frachtverträge zustande gekommen. Auch auf eine
Haftungsbeschränkung auf 100 US-$ könnten sich die Beklagten nicht berufen, denn
der Schaden beruhe auf grobem Verschulden. Bei der Haftung der Beklagten zu 2) sei
zu berücksichtigen, dass der Frachtvertrag zwischen der Beklagten zu 1) und der
Beklagten zu 2) zwingend deutschem Recht unterliege, da Übernahme- und
Ablieferungsort in Deutschland gelegen seien. Die Klägerin könne gemäß § 421 HGB
Schadensersatzansprüche wegen des Verlustes der streitgegenständlichen Pakete
direkt gegen die Beklagte zu 2) geltend machen, woran auch § 437 HGB nichts ändere.
Jedenfalls aber hafte die Beklagte zu 2) nach § 823 BGB.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten
Schriftstücke Bezug genommen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Rechtsgutachtens nach
Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 30.8.2005. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des N.-Q.-Instituts vom 27.6.2006 Bezug
genommen.
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II.
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Die formell einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
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Der Klägerin steht weder gegen die Beklagte zu 1) (A) noch gegen die Beklagte zu 2)
(B) ein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf den Verlust der Sendungen AWB-Nr.
#972 und # 990 zu.
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A)
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Der Klägerin steht zunächst kein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) zu.
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Ein Anspruch nach Art.18 Abs.1 WA 1955 scheidet bereits deshalb aus, weil Taiwan
nicht zu den Vertragsstaaten des Warschauer Abkommens gehört, so dass gemäß Art.1
Abs.2 WA die Regelungen des WA 1955 keine Anwendung finden können. Die
Anwendung der Regelungen des Warschauer Abkommens ist auch nicht vertraglich
aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) vereinbart.
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Maßgeblich im Verhältnis zur Beklagten zu 1) ist gemäß Art.28 Abs.1 EGBGB das
taiwanische Zivilrecht, denn der Frachtvertrag zwischen der Fa. I. T. und der Beklagten
zu 1) weist die engsten Bindungen zu Taiwan auf. Er wurde zwischen zwei in Taiwan
ansässigen Firmen geschlossen. Das Gut wurde sodann in Taiwan von der Beklagten
zu 1) übernommen und verladen.
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Ein Anspruch gemäß § 634 des Taiwanischen Zivilgesetzes (TZG) besteht aber nicht,
denn die Haftung der Beklagten zu 1) ist nach § 639 Abs.1 TZG ausgeschlossen, da es
sich bei den nach dem Vortrag der Klägerin zur Beförderung gegebenen
Computermodulen um Kostbarkeiten i.S.d. genannten Vorschrift handelt.
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Gemäß § 639 Abs.1 TZG ist die Haftung für die Beschädigung und den Verlust von
Geld, Schmuck und anderen Wertsachen ausgeschlossen, wenn dem Frachtführer nicht
vor Übernahme des Gutes der Wert und die Art des Gutes mitgeteilt wird. Nach den
überzeugenden Gutachten des N.-Q.-Institut vom 10.2.2004 und 27.6.2006 sind unter
"Wertsachen" i.S.d. § 639 Abs.1 TZG solche Gegenstände zu verstehen, die bei hohem
Wert ein kleines Volumen aufweisen. In der Taiwanischen Rechtsprechung werden
auch Computer-Teile als Wertsachen angesehen, wenn sie diese Voraussetzung
erfüllen, etwa bei relativ kleinen Computerbauteilen (Arbeitsspeicher) mit einem Wert
von 39,25 US-$ / Stück. Ebenfalls wurde bei Computerbauteilen mit einem Gewicht
zwischen 18,6 g und 175 g und einem Wert von 40,-- € bis 44 € / Stück angenommen,
dass es sich um wertvolle Güter i.S.d. § 639 Abs.1 TZG handele. Bei den hier
streitgegenständlichen Computerbauteilen handelte es sich um Arbeitsspeichermodule
mit kleinem Volumen und einem Gewicht von deutlich unter 30 g / Stück bei Werten
zwischen 43,80 US-$ und 90,50 US-$ / Stück. Damit sind auch die
streitgegenständlichen Computerteile als Wertsachen i.S.d. § 639 Abs.1 TZG
anzusehen mit der Folge, dass die Haftung der Beklagten zu 1) ausgeschlossen ist.
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Daran ändert auch die Übergabe der Verzollungsunterlagen, zu denen auch die
Handelsrechnungen gehörten, nichts. Zwar tritt der Haftungsausschluss nach § 639
TZG nicht ein, wenn dem Frachtführer die Art und der Wert der Waren vor Übergabe
mitgeteilt wird. Nach dem auch insoweit überzeugenden Gutachten ist es hierfür aber
nicht ausreichend, wenn lediglich die Verzollungsunterlagen übergeben werden. Nach
der taiwanischen Rechtsprechung liefe nämlich die Vorschrift leer, wenn die Übergabe
der Exportbelege, aus denen sich zwangsläufig auch der Wert des Gutes ergibt, als
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Wertdeklaration i.S.d. § 639 Abs.1 TZG angesehen würde.
Auf die Frage, ob die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten
enthaltenen Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschlüsse nach taiwanischem
Recht wirksam vereinbart wurden, kommt es demnach nicht an.
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Dafür, dass nach taiwanischem Recht neben der – hier ausgeschlossenen –
vertraglichen Haftung auch eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1) gegeben sein
könnte, bestehen keine Anhaltspunkte.
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Die Verneinung eines Schadensersatzanspruches gegen die Beklagte zu 1)
widerspricht auch nicht wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public)
mit der Folge, dass gemäß Art. 6 EGBGB die Anwendung des § 639 TZG nicht
ausgeschlossen ist. Denn die Versagung eines Schadensersatzanspruchs, die nach §
639 TZG für alle Formen der Fahrlässigkeit gilt, führt nicht zu einem offensichtlich
unerträglichen Ergebnis i.S.d. Art. 6 EGBGB. Auch dem deutschem Frachtrecht sind
Haftungsbeschränkungen nicht fremd; Haftungsausschlüsse können in Frachtverträgen
wirksam vereinbart werden. § 435 HGB ordnet eine Nichtanwendbarkeit der
Haftungsbeschränkungen und im Frachtvertrag vereinbarten Haftungsausschlüsse nur
für den Fall an, dass der Schaden auf einer Handlung beruht, die leichtfertig und in dem
Bewusstsein eines wahrscheinlichen Schadenseintritts begangen wird. Von einer
Leichtfertigkeit i.S.d. Vorschrift kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine ganz
besonders gravierende grobe Fahrlässigkeit vorliegt (vgl. Koller, Transportrecht, 5.A.,
2005, § 435, Rdnr.6). Damit beschränkt auch das deutsche Recht die zwingende
Unwirksamkeit der vereinbarten Haftungsausschlüsse auf einen kleinen, dem
(zumindest bedingten) Vorsatz bereits sehr nahen Bereich der außerordentlich groben
Fahrlässigkeit. Ein auch für alle Formen der groben Fahrlässigkeit geltender
Haftungsausschluss steht daher zu dem deutschen Recht nicht in einem so erheblichen
Widerspruch, dass eine Anwendbarkeit zu schlechterdings untragbaren Ergebnissen
führen würde.
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B)
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Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) zu.
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Eine vertragliche Haftung der Beklagten zu 2), die im Verhältnis zur Absenderin der
streitgegenständlichen Sendung als ausführender Frachtführer für die Beförderung der
Sendungen innerhalb Deutschlands zuständig war, scheidet selbst bei Anwendbarkeit
deutschen Rechts deshalb aus, weil der ausführende Frachtführer nach § 437 Abs.1
HGB in gleicher Weise wie der Frachtführer haftet. Die in § 437 Abs.1 HGB normierte
Haftung des Unterfrachtführers stellt sich als gesetzlicher Schuldbeitritt dar (vgl. Koller,
Transportrecht, 5.A., 2004, § 437 HGB, Rdnr.4). Entfällt eine vertragliche Haftung des
Hauptfrachtführers – wie hier - gänzlich, kommt damit eine Haftung des ausführenden
Frachtführers nicht in Betracht.
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Soweit die Klägerin einwendet, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin folge aus §
421 HGB i.V.m. dem zwischen den Beklagten geschlossenen Frachtvertrag, geht dies
unbeschadet der Frage, ob insoweit deutsches Frachtrecht überhaupt Anwendung
findet, fehl. Es ist schon zweifelhaft, ob § 421 Abs.1 HGB dem Empfänger eines Gutes
auch eine Aktivlegitimation hinsichtlich der Ansprüche aus dem Vertrag zwischen dem
Frachtführer und dem Unterfrachtführer vermittelt. Selbst man dies aber zugunsten der
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Klägerin annähme, scheitert eine Haftung im Streitfall jedenfalls daran, dass der
Beklagten zu 1) wegen des - nach den obigen Erwägungen durchgreifenden -
Haftungsausschlusses gemäß § 639 Abs.1 TZG gar kein Schaden entstanden ist, denn
die Beklagte zu 1) ist ihrerseits weder gegenüber der Absenderin, der Fa. I. T., noch
gegenüber der Versicherungsnehmerin der Klägerin als Empfängerin des Gutes
schadensersatzpflichtig.
Auch eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 823 Abs.1 BGB besteht
nicht. Zwar ist gemäß Art. 40 Abs.1 EGBGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung
das deutsche Deliktsrecht anwendbar, denn eine Haftung der Beklagten zu 2) könnte
sich insoweit nur wegen einer Handlung ergeben, die innerhalb des Geltungsbereichs
deutschen Rechts erfolgt ist, nachdem die Sendungen im Gewahrsam der Beklagten zu
2), die für den Weitertransport der Sendungen vom Flughafen Köln zur
Versicherungsnehmerin der Klägerin nach C. zuständig war, in Verlust geraten sind.
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Eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) kommt einzig unter dem Aspekt der
Verletzung einer Verpflichtung zur sorgfältigen Verwahrung der in Obhut genommenen
Sendungen in Betracht (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14.6.1982, II ZR 127/82, VersR 1982,
902; Wagner in Müko, BGB, 4.A., 2004, § 823 BGB, Rdnr.240).
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Im Streitfall ist es bereits zweifelhaft, ob eine solche Pflichtverletzung angenommen
werden kann. Ein Diebstahl durch einen Mitarbeiter der Beklagten zu 2) lässt sich nach
deren unwidersprochen gebliebenem Vortrag nicht positiv beweisen. Es ist demgemäß
im Ergebnis unklar, wie es konkret zu dem Verlust der Sendungen gekommen ist. Unter
diesen Umständen könnte die unerlaubte Handlung der Beklagten zu 2) allein in einer
mangelhaften Organisation des Transportablaufs begründet sein, etwa dann, wenn die
Ein- und Ausgangskontrollen oder die Überwachung der Umschlaglager mangelhaft
gewesen wären. Hierfür bestehen jedoch keine zureichenden tatsächlichen
Anhaltspunkte. Ob es bei der deliktischen Haftung unter diesen Umständen
gerechtfertigt ist, eine Obliegenheit der Beklagten zu 2) im Rahmen der sog. sekundären
Darlegungslast anzunehmen, zu dem Transportverlauf, den eingerichteten Kontrollen
und Überwachungsmaßnahmen näher vorzutragen, kann im Ergebnis offen bleiben.
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Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) aus § 823 Abs.1 BGB bzw. § 831
BGB scheidet nämlich im Ergebnis jedenfalls deshalb aus, weil die Beklagte zu 2) der
Klägerin gemäß §§ 434 Abs.1, 437 Abs.2 HGB den im Verhältnis zwischen der Klägerin
und der Beklagten zu 1) wirksamen Haftungsausschluss nach dem in diesem Verhältnis
maßgeblichen taiwanischen § 639 Abs.1 TZG entgegenhalten kann. Nach § 434 Abs.1
HGB gelten die frachtrechtlichen Haftungsbefreiungen und –beschränkungen auch für
außervertragliche Ansprüche des Absenders oder Empfängers gegen den Frachtführer.
Diese Einwendungen gelten nach § 437 Abs.2 HGB auch für das Verhältnis zwischen
dem Absender oder Empfänger und dem Unterfrachtführer.
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Eine Anwendung des § 434 Abs.1 HGB scheidet auch nicht im Hinblick auf § 435 HGB
deswegen aus, weil der Schaden durch die Beklagte zu 2) leichtfertig im Bewusstsein
einer hohen Schadenswahrscheinlichkeit verursacht wurde. Nachdem die konkrete
Ursache des Schadens nicht aufgeklärt ist, könnte ein qualifiziertes Verschulden der
Beklagten zu 2) ohnehin nur begründet werden, wenn man auf die für § 435 HGB von
der Rechtsprechung entwickelten, auf die vertraglichen Ansprüche zugeschnittenen
Grundsätze der sekundären Darlegungslast zurückgreift, nach der eine widerlegbare
Vermutung für qualifiziertes Verschulden des Frachtführers besteht, wenn die zum
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Schaden führenden Umstände aufgrund einer Verletzung der prozessualen
Aufklärungspflicht des Frachtführers im Dunkeln bleiben (vgl. hierzu Koller,
Transportrecht, 5.Auflage 2004, § 435 HGB, Rdnr. 21 m.w.N.).
Sinn und Zweck des § 434 HGB besteht darin, den Frachtführer davor zu schützen,
weitergehend zu haften, als dies nach den vertraglichen Regelungen und den
diesbezüglichen Vorschriften der Fall wäre (vgl. Koller, a.a.O. § 434, Rdnr.7). Es ist
daher im Regelfall auch gerechtfertigt, eine Anwendbarkeit des § 434 HGB zu
verneinen, wenn dem Frachtführer ein qualifiziertes Verschulden zur Last fällt. Denn
dann gelten die gesetzlichen Haftungsbefreiungen und –beschränkungen gemäß § 435
HGB ohnehin nicht, so dass der Sinn und Zweck des § 434 HGB, nämlich der gewollte
Gleichlauf zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung, eine Anwendung des
§ 434 HGB nicht verlangt. Die Nichtanwendbarkeit des § 434 HGB bei Vorliegen eines
qualifizierten Verschuldens stellt damit eine bloße Selbstverständlichkeit für die Fälle
dar, in denen etwa ein wirksamer Vertrag nicht geschlossen wurde.
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Im Streitfall ist dies aber anders zu beurteilen. Denn die vertragliche Haftung des
Hauptfrachtführers ist – insoweit kann auf die oben unter A) dargelegten Erwägungen
Bezug genommen werden - nach dem maßgeblichen taiwanischen Recht unabhängig
von dem Verschuldensgrad wegen der Art des zur Versendung gebrachten Gutes
ausgeschlossen. Es ist daher unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 437
Abs.2 HGB gerechtfertigt, die außervertragliche Haftung auch des Unterfrachtführers
insoweit zu begrenzen, denn ansonsten würde die Klägerin allein deshalb privilegiert,
weil der Hauptfrachtführer einen weiteren Frachtführer in die Erfüllung seiner
Transportverpflichtung eingeschaltet hat und ausgerechnet in dessen Obhutszeit ein
Verlust eingetreten ist. Eine Rechtfertigung für eine solche Besserstellung des
Absenders bzw. Empfängers ist nicht ersichtlich und widerspricht auch dem
Haftungsmodell des HGB, das grundsätzlich von einer akzessorischen Haftung des
Unterfrachtführers ausgeht. Eine Haftung des Unterfrachtführers ist regelmäßig nur dann
gegeben, wenn der Schaden in seiner Obhutszeit eintritt und für den gedachten Fall,
dass unter den gleichen Umständen ein Schaden in der Obhutszeit des
Hauptfrachtführers eingetreten wäre, dessen Haftung bestünde.
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Es kann daher im Ergebnis auch offen bleiben, ob ein deliktischer Anspruch gegen die
Beklagte zu 2) nicht bereits deshalb ausscheidet, weil in Anwendung des Art. 41
EGBGB im Streitfall taiwanisches Deliktsrechts zur Anwendung kommen muss, wobei
nach den Feststellungen des Sachverständigen einiges dafür spricht, dass eine Haftung
dann bereits dem Grunde nach nicht in Betracht käme.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Die Revision wird im Hinblick auf die Klageabweisung gegen die Beklagte zu 2)
zugelassen, denn soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen wurde, weil
auch bezüglich einer möglichen deliktischen Haftung der Beklagten zu 2) gemäß §§
434, 437 HGB der primär gegenüber der Beklagten zu 1) wirkende Haftungsausschluss
des § 639 TZG eingreift, kommt der Rechtssache eine über den zur Entscheidung
stehenden Fall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung zu.
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Im Übrigen besteht ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision
zuzulassen, nicht. Die Rechtssache hat im Hinblick auf die Abweisung der Klage gegen
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die Beklagte zu 1) weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der
Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
Streitwert:
48
217.853,37 €
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