Urteil des OLG Köln vom 18.05.2007

OLG Köln: wohnung, unbeschränkte steuerpflicht, falsche auskunft, unrichtige auskunft, berechnung der steuer, treu und glauben, stadt, künstler, einkommenssteuer, einkünfte

Oberlandesgericht Köln, 20 U 128/05
Datum:
18.05.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 128/05
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 5 O 291/04
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom
12.7.2005 teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den
Kläger 176.697,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen
weiteren Schaden einschließlich eventuellen weiteren Steuerschaden
zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist oder entsteht, dass die
Steuern für die Jahre 1991 bis 1995 erst verspätet, nämlich im Sommer
1998 festgesetzt worden sind.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 73 % und die
Beklagte zu 27 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die gegen sie
gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils
vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110
% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird - unter
Berücksichtigung des Feststellungsantrages und der Hilfsaufrechnung -
auf bis zu 1.550.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Kläger - amerikanischer Staatsbürger mit Hauptwohnsitz außerhalb Deutschlands
(bis 1995 New York, danach Paris, jetzt wieder New York) - ist ein international tätiger
und bekannter Dirigent. Er war ab der Spielzeit 1989/90 bis 2002 zunächst als
Chefdirigent der Oper, dann als Generalmusikdirektor und Chefdirigent des H.-
Orchesters der beklagten Stadt tätig (Verträge vom 10.9.1986, Bl. 3 AH, vom 13.6.1989,
Bl. 6 AH, vom 18.7.1991, Bl. 192 AH, vom 10.10.1994, Bl. 12 AH und vom 27.1.2000, Bl.
55 AH).
3
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen Steuernachteilen in den Jahren 1991 bis
1998, die sich daraus ergeben haben, dass er von November 1989 bis April 1998 eine
Wohnung in L. gemietet hatte und damit nicht mehr als Steuerausländer der
beschränkten Steuerpflicht unterlag, sondern in Deutschland unbeschränkt
steuerpflichtig war. Ferner hat er in erster Instanz Ersatz der Steuernachteile verlangt,
die sich daraus ergeben haben, dass seine Tätigkeit nach der Vertragsgestaltung in
steuerlicher Hinsicht als nichtselbständige Tätigkeit anzusehen war mit der Folge, dass
er nach einer Gesetzesänderung ab 1.1.1996 nicht einem pauschalen Steuerabzug von
25 % bzw. 30 % nach § 50a EStG unterlag, sondern der unbeschränkten
Einkommenssteuerpflicht.
4
Bei Abschluss der Verträge vom 10.9.1986 betreffend die Spielzeiten 1989/90 bis
1992/93 der Oper und vom 13.6.1989 betreffend die Tätigkeit des Klägers als
Generalmusikdirektor für die Spielzeiten 1991/92 bis 1995/96 galt für die Einnahmen
des Klägers bei der Beklagten ein pauschaler Steuerabzug von 15 % seiner deutschen
Brutto-Einkünften, §§ 1 Abs. 4, 50a Abs. 4 EStG.
5
Nach § 1 Abs. 1 EStG unterliegen natürliche Personen, die im Inland ihren Wohnsitz
haben, der unbeschränkten Steuerpflicht, d.h. sie sind mit allen steuerbaren Einkünften
i.S.v. § 2 EStG in Deutschland steuerpflichtig, egal, wo sie erzielt werden
(Welteinkommen). Unbillige Härten, die sich daraus ergeben, dass ggfs. dieselben
Einkünfte in mehreren Staaten steuerpflichtig sind, werden durch
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ausgeglichen (Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 1
Rdnr. 2 und 90). Wer dagegen der beschränkten Steuerpflicht unterliegt, hat in
Deutschland nur seine inländischen Einkünfte (§ 49 EStG) zu versteuern, § 1 Abs. 4
EStG. Nur beschränkt steuerpflichtig sind Personen, die im Inland weder einen
Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, § 1 Abs. 4 EStG. Die Begriffe des
Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts werden in §§ 8 und 9 AO definiert. Hält
sich jemand mehr als 6 Monate (oder 180 Tage) im Jahr in Deutschland auf, hat er hier
in der Regel seinen gewöhnlichen
Aufenthalt
Wohnsitz gilt diese Grenze nicht. Nach § 8 hat jemand dort seinen
Wohnsitz
Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung
beibehalten und benutzen wird. Für die Frage, ob jemand eine Wohnung
innehat
die 6-Monats-Grenze des § 9 AO herangezogen. Die Dauer des tatsächlichen
Aufenthalts spielt dagegen für die Frage des Wohnsitzes keine Rolle.
6
Bei Abschluss der Verträge war der Kläger als Steuerausländer nur beschränkt
steuerpflichtig, d.h. steuerpflichtig nur mit seinen in Deutschland erzielten Einkünften.
7
Denn seinerzeit hatte er keinen inländischen Wohnsitz und hielt sich auch nicht mehr
als 180 Tage im Jahr in Deutschland auf.
Dadurch, dass der Kläger eine Wohnung für mehr als 6 Monate in L. angemietet hatte,
hatte er dort seinen steuerlichen Wohnsitz begründet und war damit unbeschränkt
steuerpflichtig.
8
Nach § 50a Abs. 4 EStG in der bis 1995 geltenden Fassung wurde die
Einkommenssteuer bei beschränkt steuerpflichtigen Künstlern durch einen pauschalen
Abzug von 15 % der Einnahmen - ohne die Möglichkeit, Werbungskosten abzuziehen -
vorgenommen.
9
Mit dem Jahressteuergesetz 1996 änderte sich die Rechtslage für die beschränkt
steuerpflichtigen Künstler. § 50a Abs. 4 EStG wurde geändert. Der pauschale
Steuerabzug wurde von 15 % auf 25 % erhöht, ferner galt der pauschale Steuerabzug
nur noch für Einkünfte aus
selbständiger
spielzeitverpflichteter Dirigent und Orchesterchef galt steuerlich dagegen als
unselbständige Tätigkeit, da - so der maßgebliche Erlass des Bundesministers der
Finanzen vom 5.10.1990, BStBl. I S. 638 - dieser Personenkreis in den Theaterbetrieb
eingegliedert ist. Inlandseinkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit waren aber auch für
beschränkt Steuerpflichtige unbeschränkt zu versteuern, d.h. nach den maßgeblichen
Steuersätzen und unter Berücksichtigung von Werbungskosten etc..
10
Nach einem Erlass des BMF vom 15.1.1996 (BStBl. I S. 55) gab es eine Ausnahme für
gastspielverpflichtete Dirigenten. Diese sind zwar als nichtselbständig anzusehen, so
dass der pauschale Abzug von 25 % nach § 50a Abs. 4 EStG in der ab 1.1.1996
geltenden Fassung nicht zum Zuge kam. Für diese Künstler sah Ziff. 4 des Erlasses
aber eine pauschale Lohnsteuer von 30 % ohne die Möglichkeit eines Abzugs für
Werbungskosten vor. Auf dieser Basis hat die Beklagte den Kläger ab 1996 steuerlich
behandelt, was aber vorausgesetzt hätte, dass der Kläger nicht spielzeit-, sondern nur
gastspielverpflichtet war und dass er nur der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Am
11.4.1996 vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte dem Kläger die Nettodifferenz
zwischen dem bisherigen pauschalen Abzug von 15 % und dem von ihr aufgrund des
Jahressteuergesetztes 1996 vorgenommenen erhöhten Abzuges von 30 % erstattet (vgl.
die Vermerke der Beklagten vom 15.4. und 21.6.1996, Anl. K 8 und K 9 zur Klageschrift).
Die entsprechenden Beträge zahlte die Beklagte an den Kläger.
11
Aufgrund eines Haftungsbescheids des Finanzamtes vom 24.6.1998 zahlte die Beklagte
über den 30-%-igen Steuerabzug hinaus weitere 464.975 DM für die Jahre 1996 und
1997 an das Finanzamt.
12
Der Kläger wirft der Beklagten vor, ihn nicht rechtzeitig über die steuerlichen Folgen der
Wohnungsanmietung und des Jahressteuergesetzes 1996 aufgeklärt zu haben, so dass
er nicht rechtzeitig eine günstigere steuerliche Gestaltung seiner Tätigkeit habe wählen
können. Im Gegenteil, der damalige Kulturdezernent der Beklagten O. habe ihn sogar
gedrängt, eine Wohnung in L. anzumieten und so seine Verbundenheit mit der Stadt zu
dokumentieren. Dabei habe er ihm ausdrücklich erklärt, dass die Wohnungsanmietung
keine Folgen für seinen Status als Steuerausländer habe, solange er sich nicht länger
als 180 Tage im Jahr in L. aufhalte. Ferner habe die Beklagte einen zu geringen
Steuerabzug vorgenommen, so dass er auch nicht über die Höhe der Steuerabzüge auf
die steuerlichen Folgen der Anmietung seiner Wohnung und der Ausgestaltung des
13
Vertrages aufmerksam geworden sei.
Die ursprüngliche Klageforderung von 1.134.088,92 € setzte sich wie folgt zusammen
(GA 89):
14
Steuernachzahlungen 644.371,95 €
15
Stundungszinsen 10.792,35 €
16
Zinsen an Stadtsparkasse L. 63.790,44 €
17
Steuerberatungskosten 341.490,13 €
18
Kosten für Rechtsberatung 73.644,05 €.
19
Der geltend gemachte Steuerschaden setzte sich wie folgt zusammen:
20
Für das Jahr 1990 konnte wegen des Zeitablaufs keine nachträgliche Steuerfestsetzung
erfolgen (Bescheid des Finanzamts L.-West vom 10.8.2000, Bl. 253 AH), für dieses Jahr
ist dem Kläger daher kein Schaden entstanden.
21
Die Nachforderungen für 1991 bis 1998 ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle
(vgl. die Aufstellungen GA 57 ff):
22
Jahr
Einkommenssteuer
Soli-Zuschlag
Zinsen
Summe
1991
198.805 DM
9.594 DM
87.115 DM
295.514 DM
1992
93.011 DM
3.307 DM
41.627 DM
137.945 DM
1993
210.530 DM
79.435 DM
289.965 DM
1994
206.906 DM
64.183 DM
271.089 DM
1995
246.119 DM
17.919 DM
55.354 DM
319.392 DM
1996
- 60.715 DM
- 5.839 DM
- 16.197 DM
-82.751 DM
1997
- 171.807 DM
- 13.066 DM
- 52.401 DM
-237.274 DM
1998
224.744 DM
11.785 DM
29.873 DM
266.402 DM
Summe
947.593 DM
23.700 DM
288.989 DM
1.260.282 DM
23
Die negativen Werte für die Jahre 1996 und 1997 ergeben sich aus der
Steuernachzahlung der Beklagten als Haftungsschuldnerin in Höhe von 464.975 DM,
die auf die Steuerschuld des Klägers angerechnet wurde (vgl. den Vermerk AH 70).
24
Zu dem Gesamtbetrag von 1.260.282,00 DM = 644.371,95 € kommen noch
Stundungszinsen in Höhe von 21.108,00 DM = 10.792,35 €, so dass sich insgesamt
655.164,30 € ergeben.
25
Der Kläger hat beantragt,
26
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.134.088,92 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszins nach § 247 BGB seit Klagezustellung (15.7.2004) zu zahlen,
27
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen weiteren Schaden
einschließlich eventuellen weiteren Steuerschaden zu ersetzen, der ihm dadurch
entstanden ist oder entsteht, dass er rückwirkend ab 1991 bis 1998 von den
Finanzbehörden als "Steuerinländer" und zusätzlich ab 1996 bis 2000 weiterhin
als nicht selbständig Tätiger behandelt worden ist.
28
Die Beklagte hat beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
30
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird
auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, durch welches das Landgericht die
Klage abgewiesen hat.
31
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er - wie er mit Schriftsatz vom
21.6.2006 (GA 458) klargestellt hat - nur den ihm durch die Anmietung der Wohnung
entstandenen Steuerschaden geltend macht. Er macht dagegen nicht mehr den
Schaden geltend, der ihm infolge des Jahressteuergesetzes 1996 entstanden ist. Die
Steuernachzahlungen und die darauf entfallenden Zinsen macht er nur noch für die
Jahre 1991 bis 1995 geltend. Die Steuerberatungs- und Rechtsberatungskosten
verlangt er dagegen weiterhin für die Zeit von 1990 bis 1998 mit der Begründung, dass
er ohne Anmietung der Wohnung nicht zur Abgabe der Steuererklärungen verpflichtet
gewesen wäre, so dass ihm diese Kosten auch nicht entstanden wären.
32
Die Pflichtverletzung der Beklagten liege zum einen darin, dass sie ihn zur Anmietung
der Wohnung veranlasst habe, zum anderen darin, dass sie in Kenntnis der L.er
Wohnung nur den pauschalen Steuerabzug vorgenommen habe.
33
Der Kläger verweist zum - aus seiner Sicht weitgehend unstreitigen - Sachverhalt auf
folgendes:
34
Der seinerzeitige Kulturdezernent der Beklagten, Q. O., habe ihn mehrfach gedrängt,
doch in L. eine Wohnung zu nehmen und damit seine Bindung an die Stadt auch
äußerlich sichtbar zu machen. Dabei habe er mehrfach erklärt, er sei sich sicher, durch
die Anmietung der Wohnung ändere sich nichts an seinem Status als
"Steuerausländer", solange er nicht mehr als 180 Tage im Jahr in L. anwesend sei.
35
Die Anmietung der Wohnung sei - was das Landgericht verkannt habe - auch den
zuständigen Mitarbeitern der Personalabteilung bekannt gewesen (Unterlagen GA 340 -
351).
36
Die Beklagte sei schon nach den einkommenssteuerrechtlichen Bestimmungen
verpflichtet gewesen, von seinem Honorar den richtigen Steuerabzug vorzunehmen. Da
er in all den Jahren von der Beklagten als Steuerausländer behandelt und seine
Einkünfte nur um den damals (bis 31.12.1995) geltenden pauschalen Abzug von
37
15 % gekürzt worden seien, habe er keine Veranlassung gehabt, Recherchen über die
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Richtigkeit seiner steuerlichen Behandlung durch die Beklagte anzustellen.
Nachdem das EStG seit 1.1.1996 zwischen selbständigen und nichtselbständigen
Steuerausländern differenziere, habe die Beklagte am 22.5.1996 vom Finanzamt eine
sog. Anrufungsauskunft zu der Frage erbeten, ob die Tätigkeit des Klägers als
selbständig oder nicht selbständig anzusehen sei. Nachdem das Finanzamt der
Beklagten am 5.9.1996 (AH 48) und - auf deren Nachfrage nochmals bestätigend - am
4.4.1997 (AH 53) mitgeteilt habe, dass der Kläger schon aufgrund seiner L.er Wohnung
nicht als Steuerausländer anzusehen sei und damit der unbeschränkten Steuerpflicht
unterliege und zudem seine Tätigkeit als nichtselbständig einzustufen sei, habe die
Beklagte ihn - insoweit unstreitig - erstmals am 27.10.1997 über die Rechtsansicht des
Finanzamtes und die steuerlichen Folgen seines Wohnsitzes in L. unterrichtet.
Daraufhin habe er unverzüglich (zum 30.4.1998) die Wohnung in L. gekündigt.
39
Das landgerichtliche Urteil leide an mangelnder Sachaufklärung und grob fehlerhafter
juristischer Subsumtion.
40
Vertragsgrundlage sei der pauschale Steuerabzug von 15 % als Steuerausländer
gewesen. Ohne diese Vertragsgrundlage wären die Verträge nicht oder nicht so
zustande gekommen.
41
Die Beklagte habe eine aufgrund der Fürsorge- und vertraglichen Nebenpflicht
bestehende Verpflichtung zur richtigen Auskunft und Beratung schuldhaft verletzt, indem
sie ihn durch ihren Kulturdezernenten gedrängt habe, eine Wohnung in L. zu nehmen
und dabei erklärt habe, dass dies für die Steuer ohne Konsequenzen sei.
42
Das Landgericht habe seinen Sachvortrag übergangen, wonach der Zeuge O. ihn nicht
nur zur Anmietung der Wohnung gedrängt, sondern dabei auch ausdrücklich versichert
habe, dass die Anmietung der Wohnung seinen Status als Steuerausländer nicht
beeinträchtige. Es hätte ansonsten zu der Frage Stellung nehmen müssen, inwieweit
schon diese objektiv unrichtige Erklärung den Schadensersatzanspruch auslöse.
43
Wenn die Beklagte ihre Pflichten so verstehe, dass sie in keinem Fall steuerlich
relevante Fragen richtig beantworten müsse, hätte sie ihn wenigstens hierauf hinweisen
müssen. Wenn er durch die Beklagte bewegt werde, eine Wohnung anzumieten, habe
er davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte zuvor geprüft habe, dass dies ohne
steuerliche Auswirkungen bleibe.
44
Das Landgericht habe den Sachverhalt verbogen, wenn es davon ausgehe, dass der
Kläger auf die Richtigkeit dieser Erklärung nicht vertraut habe. Das Gegenteil sei der
Fall.
45
Soweit das Landgericht davon ausgehe, der Kläger habe "angesichts der
Kompliziertheit des internationalen Steuerrechts" auf die Richtigkeit der Aussagen der
Beklagten nicht vertrauen dürfen, habe es gründlich den Gegenstand des Rechtsstreits
verkannt. Es gehe nicht um Fragen des internationalen Steuerrechts, sondern eine ganz
simple Frage des deutschen Steuerrechts, deren Antwort sich ohne weiteres aus § 1
Abs. 1 S. 1 EStG ergebe. Die steuerlichen Folgen einer Wohnungsanmietung gehörten
zum normalen Rüstzeug desjenigen, der Verträge mit Ausländern (insbesondere im
Kulturbereich) abschließe.
46
Eine weitere Sachverhaltsverbiegung liege darin, dass das Landgericht die Kenntnis
des Personalamtes von seinem Kölner Wohnsitz frühestens ab Mai 1996 angenommen
habe. Zudem reiche zur Begründung der Fürsorgepflichtverletzung bereits die Kenntnis
des Verwaltungsdirektors der Bühnen, Herrn G..
47
Der Rechtsstreit werfe in Wahrheit nur eine Tatsachen- und im Grunde auch nur eine
entscheidende Rechtsfrage auf: wussten die bei der Beklagten zuständigen Mitarbeiter,
dass der Kläger die Wohnung angemietet hatte, und hätte die Beklagte ihn auf die Folge
- nämlich seine unbeschränkte Steuerpflicht - hinweisen müssen bzw. die
unbeschränkte Steuerpflicht erkennen müssen und bereits in den Jahren 1990 bis 1995
den bis zu 53 % hohen Steuerabzug vornehmen müssen um ihn auf diese Weise über
die verheerenden finanziellen Auswirkungen der Wohnungsanmietung ins Bild zu
setzen.
48
Bereits die falsche Auskunft ihres Kulturdezernenten verpflichte die Beklagte zum
Schadensersatz.
49
Jedenfalls ergebe sich der Schadensersatzanspruch daraus, dass die Beklagte ihre
vertragliche und gesetzliche Pflicht zum richtigen Steuerabzug verletzt und ihn jahrelang
steuerlich falsch behandelt habe. Die Beklagte sei schon aufgrund der
einkommenssteuerrechtlichen Vorschriften verpflichtet, den Steuerabzug richtig zu
berechnen. Hätte sie den Steuerabzug richtig berechnet, wäre ihm bereits mit der ersten
richtigen Honorarabrechnung bekannt geworden, dass die Wohnungsanmietung sehr
wohl steuerschädlich gewesen sei und er hätte die Wohnung sofort gekündigt.
50
Das Landgericht habe den Streitstoff verkannt, wenn es erörtere, ob die Beklagte eine
umfassende steuerliche Beratung geschuldet habe.
51
Der Schutzzweck der Pflicht zum richtigen Steuerabzug umfasse den gesamten
Schaden, also auch die steuerliche Mehrbelastung, die sich aus der Anmietung der
Wohnung ergeben habe. Es möge zutreffend sein, dass eine Verletzung der Pflicht des
Arbeitgebers aus § 38 EStG zum richtigen Lohn- bzw. Einkommensteuerabzug nur zum
Ersatz des Schadens führe, der aus der verspäteten Festsetzung der Steuer entstehe.
Das rechtfertige sich daraus, dass § 38 EStG nur die Vorauszahlung der Steuer betreffe.
Die endgültige Steuerschuld bleibe hiervon unberührt. Anders sei es bei der Pflicht des
Vergütungsschuldners aus § 50a Abs. 4 EStG, den korrekten pauschalen Abzug bei
beschränkt Steuerpflichtigen vorzunehmen. Durch diesen Abzug werde die gesamte
Steuerschuld ausgeglichen. Ferner ergäben sich auch aus §§ 73d, e und g EStDV
erhöhte Pflichten des Vergütungsschuldners zur Prüfung und Feststellung der
Voraussetzungen des pauschalen Abzugs und zur Haftung des Vergütungsschuldners
für nicht abgeführte Beträge. Die Beklagte sei steuerrechtlich verpflichtet, zu überprüfen,
ob der Kläger die Voraussetzungen des beschränkten pauschalen Steuerabzugs erfülle.
Dies rechtfertige umgekehrt das Vertrauen des Klägers darin, dass der pauschale
Abzug weiterhin gerechtfertigt sei.
52
Die Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt. Das Gericht habe verkannt, dass es den
Verwaltungsdirektor nicht entlaste, wenn er hinsichtlich der Steuerfragen keinerlei
Problembewusstsein gehabt habe. Ein Verwaltungsdirektor, der überwiegend mit
internationalen Künstlern arbeite und mit ihnen Verträge abschließe, müsse die
Grundkenntnisse der Besteuerung seiner Künstler haben. Fehle ihm dafür das
Problembewusstsein, handle er grob fahrlässig.
53
Zumindest habe die Beklagte es unterlassen, ihn - den Kläger - auf ihre Unkenntnis
hinzuweisen und eine steuerliche Beratung zu empfehlen.
54
Nachdem - wie das Landgericht zutreffend erkannt habe - die Parteien den 15 %-igen
Steuerabzug einvernehmlich zur Vertragsgrundlage gemacht hätten, hätte die Beklagte
im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht ihn mindestens darauf hinweisen müssen, dass er die
steuerlichen Folgen der Wohnungsanmietung selbst klären müsse. Dieses anerkannte
Recht folge aus den allgemeinen Grundsätzen zu den vertraglichen Nebenpflichten,
dass eine Vertragspartei die anderen auf Gefahren, die sich aus bestimmten
Handlungen ergäben, hinweisen müsse.
55
Er selbst habe keinen Anlass gehabt, sich steuerlich beraten zu lassen. Er habe davon
ausgehen können, dass mit dem pauschalen Abzug von 15 % alles erledigt sei, er habe
daher auch keine Steuererklärung abgegeben. Umgekehrt sei die Beklagte verpflichtet
gewesen, sich über die Folgen einer von ihr empfohlenen Wohnungsanmietung zu
informieren.
56
Soweit ausländische Künstler nach der Natur ihres Vertrages sich nicht ohnehin
dauernd in Deutschland aufhielten, wiesen nach seiner - des Prozessbevollmächtigten
des Klägers - Erfahrung die Verwaltungen derartige Künstler regelmäßig darauf hin,
welche Folgen die Anmietung einer Wohnung habe.
57
Auch die Ansicht des Landgerichts, die Pflichtverletzung habe den Schaden nicht
herbeigeführt, er wäre auch ohne Pflichtverletzung mit dem vollen Steuersatz belastet
worden, verstoße gegen die Denkgesetze der Logik. Hätte die Beklagte den Kläger
aufgeklärt oder den korrekten Steuerabzug vorgenommen, hätte er die Wohnung nicht
angemietet bzw. sofort gekündigt.
58
Für die vom Landgericht vorgenommene Differenzierung zwischen der Pflichtverletzung
der Personalabteilung der Stadt L. und der Pflichtverletzung der Oper L. gebe es nicht
den geringsten Anlass.
59
Unerfindlich sei, wie das Landgericht zu der Ansicht gelange, er - der Kläger - habe zur
Aufklärung des steuerlich relevanten Sachverhalts nicht genügend beigetragen.
60
Hinsichtlich der Schadenshöhe wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.
Eine genaue Aufteilung von Steuerberatungs- und Rechtsberatungskosten auf einzelne
Steuern sei nicht möglich. Zur Frage einer etwaigen Vorteilsausgleichung behauptet der
Kläger, er habe das Geld, das er zunächst durch den versäumten Steuerabzug nicht an
das Finanzamt habe zahlen müssen, nicht zinsbringend angelegt, sondern hierfür eine
Immobilie erworben. Vom Kauf der Immobilie hätte er Abstand genommen, wenn ihm
die Mittel nicht vorab zur Verfügung gestanden hätte.
61
Der Kläger hat zunächst beantragt, das Urteil abzuändern und nach seinen
erstinstanzlichen Schlussanträgen zu entscheiden. Nach Hinweis des Senats hat er
seinen Schaden neu berechnet. Er macht nur noch die Steuernachzahlungen der Jahre
1991 bis 1995 geltend, die etwas höher liegen als die bisher geltend gemachten
Nachzahlungen, da der sich aus der Zahlung der Beklagten ergebende Überschuss für
die Jahre 1996 und 1997 nicht mehr berücksichtigt ist. Ferner hat der Kläger die an das
Finanzamt zu zahlenden Zinsen näher erläutert und fortgeschrieben bis 31.5.2006.
62
Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage BK 8 (GA 471) und die schriftsätzlichen
Erläuterungen hierzu Bezug genommen. Die Darlehenszinsen schreibt der Kläger fort
bis 31.12.2005. Soweit er die Zinsen fortgeschrieben habe, seien diese bisher im
Feststellungsantrag enthalten gewesen. Die Steuerberatungskosten reduziert der
Kläger um 35.818,28 €, da er die im Jahre 1998 gezahlten Steuerberatungskosten von
135.676,90 DM mit diesem Betrag steuermindernd habe geltend machen können. Die
nach 1998 angefallenen Steuerberaterkosten habe er nicht mehr steuermindernd
geltend machen können, da er seit 1999 wieder beschränkt steuerpflichtig gewesen sei
und nur dem pauschalen Steuerabzug gem. § 50a Abs. 4 EStG unterworfen gewesen
sei, bei dem ein Abzug von Werbungskosten nicht möglich sei. Auf dieser Basis hat er
Schadensersatz in Höhe von 1.179.638,77 € verlangt, die sich wie folgt
zusammensetzten:
Steuernachzahlungen 1991 - 1995 504.223,71 €
63
Zinsen an das Finanzamt 206.225,39 €
64
Zinsen an die Stadtsparkasse L. 89.873,77 €
65
Steuerberatungskosten 305.671,85 €
66
Kosten für Rechtsberatung 73.644,05 €
67
Klageforderung 1.179.638,77 €.
68
Inzwischen sind im Steuerverfahren unter dem 18.10.2006 Widerspruchsbescheide
(Anl. BK 16 = GA 590 ff) ergangen, woraufhin der Kläger seine Forderung wie folgt
berechnet:
69
Steuernachzahlungen 1991 - 1995 504.231,01 €
70
Zinsen an das Finanzamt 216.228,58 €
71
Zinsen an die Stadtsparkasse L. 89.873,77 €
72
Steuerberatungskosten 305.671,85 €
73
Kosten für Rechtsberatung 73.644,05 €
74
Klageforderung 1.189.649,26 €.
75
Die Steuernachzahlungen (Einkommensteuer + Solidaritätszuschlag) setzen sich wie
folgt zusammen:
76
1991 101.647,38 € + 4.905,22 € 106.552,60 €
77
1992 47.555,77 € + 1.690,54 € 49.246,31 €
78
1993 107.642,28 € 107.642,28 €
79
1994 105.789,36 € 105.789,36 €
80
1995 125.838,65 € + 9.161,81 € 135.000,46 €
81
Summe 504.231,01 €.
82
Die an das Finanzamt gezahlten und zu zahlenden Zinsen setzen sich wie folgt
zusammen:
83
Zinsen gem. § 233a AO (sog. Nachzahlungszinsen) 80.476,00 €
84
Zinsen gem. § 237 AO (sog. AdV-Zinsen) 124.648,00 €
85
Zinsen gem. § 234 AO (Stundungszinsen) 11.104,58 €
86
Zinsen an das Finanzamt insgesamt 216.228,58 €.
87
Der Kläger beantragt nunmehr (sinngemäß),
88
das Urteil des Landgerichts Köln vom 12.7.2005 - 5 O 291/04 - abzuändern und
89
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.189.649,26 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
90
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen weiteren Schaden
einschließlich eventuellen weiteren Steuerschaden zu ersetzen, der ihm dadurch
entstanden ist oder entsteht, dass er rückwirkend von den Finanzbehörden in den
Jahren 1991 bis 1998 als "Steuerinländer" behandelt worden ist.
91
Die Beklagte beantragt,
92
die Berufung zurückzuweisen.
93
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger könne sich von seiner
Eigenverantwortlichkeit für seine steuerlichen Angelegenheiten nicht lossagen. Als
internationalem Künstler und Spitzenverdiener könne von ihm erwartet werden, seine
Dispositionen selbst auf ihre steuerliche Auswirkungen zu überprüfen.
94
Eine Verletzung der Fürsorgepflicht liege nicht vor. Der Kläger trage alleine die
Verantwortung für seine steuerlichen Belange. Dass er zunächst nur beschränkt
steuerpflichtig gewesen sei, ändere hieran nichts. Denn es sei seine Sache, zu
überprüfen, ob die Voraussetzungen hierfür weiterhin vorlägen, wie sich auch aus § 73e
EStDV ergebe, wonach der Schuldner der Entgeltforderung - die Beklagte - in
Zweifelsfällen den Einbehalt nur unterlassen dürfe, wenn der Gläubiger - der Kläger -
durch Bescheinigung des Finanzamtes seine unbeschränkte Steuerpflicht nachweise.
Daraus folge, dass die Überprüfung seines Steuerstatus Sache des Klägers sei.
95
Aus den mit ihm abgeschlossenen Verträgen ergebe sich keine Verpflichtung, den
anfänglichen Steuerstatus des Klägers aufrecht zu erhalten. Es treffe nicht zu, dass die
Parteien bei Vertragsschluss davon ausgegangen seien, dass der Status des Klägers
als Steuerausländer während der gesamten Laufzeit des Vertrages aufrecht erhalten
bleibe. Hierin läge eine Nettolohnabrede, die die Parteien nicht getroffen hätten.
96
Es liege auch keine Verletzung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht vor. Da die
Tätigkeit des Klägers weitgehend selbständig gewesen und er nicht Arbeitnehmer
gewesen sei, habe ihr allenfalls eine sehr eingeschränkte Fürsorgepflicht oblegen, die
sich in keinem Fall auf die Gestaltung der steuerlichen Belange des Klägers erstreckt
habe. Der Kläger habe von ihr keine steuerliche Beratung erwarten dürfen, umgekehrt
habe sie erwarten können, dass der Kläger seine steuerlichen Belange selbst im Griff
habe.
97
Auch im Zusammenhang mit der Wohnungsanmietung liege keine Pflichtverletzung vor.
Die Beklagte bestreitet, den Kläger zur Anmietung der Wohnung überredet oder
gedrängt zu haben.
98
Auf die bestrittenen Äußerungen des Zeugen O. komme es nicht an. Der Kläger habe
auf die Äußerungen nicht vertrauen dürfen und tatsächlich auch nicht vertraut. Seinem
Vortrag, ihm habe das Problembewusstsein gefehlt, lasse sich entnehmen, dass die
Frage des steuerlichen Status bei der Wohnungsanmietung keine Rolle gespielt habe
und er daher die Wohnung auch nicht im Vertrauen auf die Erklärungen des Zeugen O.
angemietet habe. Er hätte auf die Äußerung auch nicht vertrauen dürfen, da ihm bekannt
gewesen sei, dass der Zeuge O. "vom Steuerrecht schlicht keine Ahnung hatte".
99
Auch Hinweis- oder Aufklärungspflichten hätten ihr im Zusammenhang mit der
Wohnungsanmietung nicht oblegen. Zudem hätten ihre Mitarbeiter auch keine Kenntnis
von den steuerlichen Zusammenhängen gehabt.
100
Die fehlerhafte Abführung der Lohnsteuer rechtfertige ebenfalls keinen
Schadensersatzanspruch. Der Schutzzweck des § 50a Abs. 4 EStG und der sich
hieraus ergebenden Pflichten des Vergütungsschuldners liege nicht darin, den
Vergütungsgläubiger zu Steuersparmaßnahmen zu animieren. Eine unterschiedliche
Betrachtung des Lohnsteuerabzugs nach § 38 EStG und des Abzugs der
Pauschalsteuer nach § 50a Abs. 4 EStG sei aus schadensrechtlicher Sicht nicht
gerechtfertigt. Die sich aus §§ 73d, e und g EStDV ergebenden Pflichten seien nicht
drittbezogen, so dass eine eventuelle Verletzung auch keine Schadensersatzansprüche
begründen könne. Ein eventueller Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter
Abführung der Steuer erfasse allenfalls den Schaden, der sich aus der verspäteten
Festsetzung der Steuer ergebe, nicht aber die nicht abgeführte Steuer. Diese hätte der
Kläger auch bei zutreffender Abführung der Lohnsteuer zahlen müssen.
101
Es fehle im übrigen sowohl an einer schuldhaften Pflichtverletzung als auch an einem
ersatzfähigen Schaden. Die Einkommenssteuernachzahlung sei kein Schaden, da der
Arbeitnehmer die Steuer ja tatsächlich schulde. Es fehle auch an einer schuldhaften
Pflichtverletzung. Es sei allein Sache des Klägers gewesen, für seine zutreffende
steuerliche Behandlung Sorge zu tragen; er wäre verpflichtet gewesen, die Beklagte auf
seine unbeschränkte Steuerpflicht hinzuweisen. Im übrigen hätten ihre Mitarbeiter nicht
wissen müssen, dass die Wohnsitznahme zur unbeschränkten Steuerpflicht führe. Der
gegenteilige Vortrag des Klägers werde bestritten. Die Kenntnis der für die
Lohnabrechnung zuständigen Mitarbeiter des Personalamtes lasse sich nicht mehr
definitiv klären. Das vom Kläger vorgelegte Schreiben vom 4.9.1991 belege, dass das
Personalamt zu diesem Zeitpunkt noch von einem Wohnsitz in New York ausgegangen
sein müsse. Die weiteren vorgelegten Unterlagen belegten keine Kenntnis des
Personalamtes, weil sie sich nur auf die Abendhonorare bezögen. Die
102
Dienstreiseanträge seien zwar beim Personalamt eingegangen, würden aber von
anderen Sachbearbeitern bearbeitet als die Lohn-/Gehaltssachbearbeitung.
Den Kläger treffe jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden bei der
Schadensentstehung. Als international tätigem Künstler, der von einer renommierten
Künstleragentur professionell beraten sei, könne von ihm ein entsprechendes
Problembewusstsein für die Komplexität des Steuerrechts in verschiedenen nationalen
Rechtsordnungen erwartet werden.
103
Die Beklagte bestreitet auch die jetzige Schadensberechnung. Der Kläger habe den
Schaden nicht hinreichend substanziiert dargelegt. Ihm sei kein ersatzfähiger
Zinsschaden entstanden. Er müsse sich nach § 254 BGB schadensmindernd die von
ihm aufgelisteten Werbungskosten gem. Anl. K 60 anrechnen lassen. Diese hätten die
Einkommenssteuer und damit auch die Zinsen gemindert. Unter Berücksichtigung der
Werbungskosten ergebe sich lediglich ein potentieller Zinsschaden von 48.730,00 €.
Wegen der Berechnung im einzelnen wird auf Bl. 7 des Schriftsatzes vom 16.8.2006
(GA 500) Bezug genommen. Hiervon müssten noch die aufgrund der Zahlung der
Beklagten für 1996 und 1997 erzielten Zinsüberschüsse von
104
35.073,60 € abgezogen werden.
105
Die Stundungszinsen seien lediglich in der mit der Klage geltend gemachten Höhe von
21.108,00 DM für die Jahre 1993 bis 1995 belegt.
106
Die Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung gem. § 237 AO gehörten nicht zum
ersatzfähigen Schaden. Sie seien allein dadurch entstanden, dass der Kläger
Rechtsmittel gegen die Steuerbescheide eingelegt habe, nicht aber dadurch, dass die
Steuer verspätet festgesetzt worden sei.
107
Ferner bestreitet die Beklagte die geltend gemachten Darlehenszinsen. Sie bestreitet
insbesondere, dass der Kläger das Darlehen zur Tilgung der Steuerschulden
aufgenommen habe. Dagegen spreche, dass der Kläger über Jahre keine
Tilgungsleistungen erbracht habe. Diese Vertragsgestaltung sei aber nur bei
zweckgebundenen Baudarlehen anzutreffen.
108
Die Beklagte ist der Auffassung, auf einen eventuellen Zinsschaden seien im Wege der
Vorteilsausgleichung die Vorteile anzurechnen, die dem Kläger daraus entstanden
seien, dass ihm die Beträge bis zur nachträglichen Festsetzung zur Verfügung
gestanden hätten. Als Mindestvorteil seien die in der US-amerikanischen
Steuererklärung angegebenen Zinseinkünfte von 72.490,00 US-$ in Anrechnung zu
bringen.
109
Die Rechtsberatungs- und Steuerberatungskosten seien massiv überhöht. Die
Steuerberatungskosten seien überwiegend nicht Folge der verspäteten Festsetzung der
Steuer, sondern der unbeschränkten Steuerpflicht des Klägers. Dieser Umstand sei ihr
indes nicht anzulasten. Der Kläger habe darüber hinaus durch die Vereinbarung des
Zeithonorars gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen.
110
Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einer Gesamtforderung von
464.974,00 DM (237.737,00 €). Hierbei handelt es sich um den Betrag, den die Beklagte
aufgrund Haftungsbescheids des Finanzamts L.-Mitte vom 24.6.1998 im August 1998
111
auf die Steuerschuld des Klägers an das Finanzamt gezahlt hat. Nachdem diese
Zahlung in der Berechnung der Klageforderung nicht mehr berücksichtigt ist, verlangt
die Beklagte Erstattung im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs bzw. nach § 670
BGB.
Der Kläger bestreitet die zur Aufrechnung gestellte Forderung dem Grunde nach und
erhebt gegenüber der Hilfsaufrechnung zudem die Einrede der Verjährung.
112
Die Parteien hätten 1996 vereinbart, dass ein Rückgriff auf ihn nicht erfolgen würde. Die
Beklagte habe sich am 11.4.1996 bereit erklärt, ihm die Netto-Differenz aus der
Änderung des pauschalen Abzugssteuersatzes ab 1.1.1996 zu erstatten (Vermerk vom
15.4.1996, Anl. K 8). Das beinhalte denklogisch, dass sie jedenfalls nicht für einen über
dem "alten" Steuersatz von 15 % hinausgehenden Nachzahlungsbetrag Rückgriff
nehmen würde. Hierin liege auch eine "andere Bestimmung" im Sinne von § 426 Abs. 1
S. 1 2. HS BGB. Ferner habe sie mit dem Finanzamt über die Besteuerung des Klägers
korrespondiert, ein Gutachten eingeholt und in Kenntnis der steuerlichen Rechtslage
auch nach der Korrespondenz mit dem Finanzamt lediglich einen pauschalen Abzug
von 30 % an das Finanzamt abgeführt. Die Beklagte habe die steuerliche Behandlung
des Klägers damit als eigene Angelegenheit betrachtet, was ebenfalls dafür spreche,
dass sie auf einen Regress verzichtet habe. Weiteres Indiz sei, dass die Beklagte bis
jetzt die Zahlung nicht zurückgefordert habe.
113
Dem entspreche auch die Handhabung des Finanzamtes, welches die Zahlung der
Beklagten als sog. geldwerten Vorteil der Einkommenssteuer des Klägers für 1998
unterworfen habe (Anl. BK 18 = GA 645 ff).
114
Zudem sei ein eventueller Erstattungsanspruch spätestens seit dem 31.12.2004 verjährt.
115
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen
Bezug genommen.
116
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 27.4.2007 vertieft der Kläger seine
Argumentation zum Schutzzweck der Pflicht zum richtigen Steuerabzug und zu § 50a
EStG und behauptet unter Beweisantritt (Vernehmung des damaligen Oberstadtdirektors
der Beklagten S., der damaligen Kulturdezernentin Dr. E. X. und seiner eigenen
Parteivernehmung), dass die Beklagte ihm am 11.4.1996, vertreten durch die genannten
Zeugen, unmissverständlich erklärt habe, dass ihm aufgrund der ab dem 1.1.1996
geltenden Erhöhung des Steuersatzes kein Nettoverlust entstehen werde. Dass die
Beklagte in ihrer Erklärung vom 11.4.1996 irrig davon ausgegangen sei, dass anstelle
der 15 % nunmehr ein Abzugssteuersatz von 30 % für den Kläger gelte, tatsächlich aber
der tarifliche Lohnsteuersatz von bis zu 53 %, könne nicht allen Ernstes 11 Jahre später
so ausgelegt werden, dass sie ihm den Netto-Verlust nur in Höhe der Differenz von 15
% bis 30 % auszugleichen habe, nicht aber die gesamte Differenz. Diese Auslegung
verkenne, dass nach der vertraglichen Vereinbarung der Nettoverdienst festgestanden
habe, nämlich Honorar abzüglich 15 %. Der Beklagten sei daher die Rückforderung der
aufgrund des Haftungsbescheids an das Finanzamt gezahlten Beträge verwehrt, die
Hilfsaufrechnung daher unbegründet.
117
II.
118
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
119
Der Kläger macht mit seiner Berufung nur noch die steuerlichen Nachteile geltend, die
sich aus der Anmietung seiner Wohnung in L. und dem damit einhergehenden Verlust
seines Status als Steuerausländer ergeben. Ebenso hat er den Feststellungsantrag auf
die Schäden aus seiner steuerlichen Behandlung als Steuerinländer beschränkt und
nicht mehr die Feststellung hinsichtlich der Schäden beantragt, die sich aus seiner
steuerlichen Behandlung als nicht-selbständig Tätiger in den Jahren 1996 bis 2000
ergibt. Hierbei handelt es sich um eine selbständige Pflichtverletzung und daher auch
einen selbständigen Anspruch, so dass die Berufung entsprechend beschränkt werden
kann.
120
Eventuelle Pflichtverletzungen der Beklagten im Zusammenhang mit dem
Jahressteuergesetz 1996 sind damit nicht mehr Gegenstand der Berufung.
121
III.
122
Die Berufung ist teilweise begründet.
123
Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31.12.2001 geltenden Vorschriften
Anwendung, Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB.
124
Die Beklagte ist aus dem Gesichtspunkt der schuldhaften Verletzung einer vertraglichen
Nebenpflicht (pVV) verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der sich daraus
ergibt, dass sie in den Jahren 1991 bis 1995 den Kläger als Steuerausländer
angesehen und daher einen zu niedrigen Steuerabzug vorgenommen hat. Dieser
Anspruch umfasst indes lediglich die Nachteile des Klägers, die sich daraus ergeben,
dass die Steuern nachträglich festgesetzt und verspätet von ihm bezahlt wurden.
Dagegen umfasst der Anspruch nicht den Ersatz der höheren Steuerlast aus seiner
Stellung als Steuerinländer.
125
Weitergehende Ansprüche wegen unzureichender steuerlicher Beratung oder
Information im Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung in L. bestehen nicht.
126
Der sich hieraus ergebende Schadensersatzanspruch ist durch die Hilfsaufrechnung der
Beklagten teilweise erloschen.
127
Im einzelnen:
128
1. Aus den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen über die Tätigkeit des
Klägers für die Beklagte ergeben sich weder unmittelbar noch unter dem Gesichtspunkt
der ergänzenden Vertragsauslegung oder der Vertragsanpassung nach den
Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage Ansprüche des Klägers auf
Erstattung der Steuernachzahlungen. Solche Ansprüche macht der Kläger in der
Berufungsbegründung auch nicht mehr geltend.
129
Den Verträgen lässt sich nicht entnehmen, dass die Stadt verpflichtet ist, dem Kläger
Steuernachteile zu ersetzen, die sich aus der Änderung der Steuergesetze und/oder der
Anmietung der Wohnung ergeben. Die Parteien haben keine Nettolohnvereinbarungen
getroffen, nach der dem Kläger ungeachtet der jeweiligen steuerlichen Rechtslage ein
bestimmter Betrag als Vergütung verbleiben soll. Vielmehr ergibt sich aus den
130
Verträgen, dass die Einnahmen des Klägers auf Grundlage der jeweils geltenden
steuerlichen Bestimmungen zu versteuern sind. Sowohl der Vertrag vom 10.9.1986, dort
Ziff. 4, als auch der Verlängerungsvertrag vom 10.10.1994, dort § 5 enthalten die
ausdrückliche Regelung, dass alle Zahlungen an den Kläger den jeweiligen
Steuerregelungen in Deutschland unterliegen (AH 4 und 17). Die Honorare sind jeweils
als Bruttohonorare vereinbart, von denen der Steuerabzug vorzunehmen ist. Die
Beklagte hat dem Kläger zwar in der Folgezeit einzelne Steuernachteile erstattet - so die
Steuer auf die Reisekostenentschädigung sowie den Ausgleich der Erhöhung des
pauschalen Steuerabzugs von 15 % auf 30 % ab 1.1.1996 -, hierzu war sie auf
Grundlage der geschlossenen Verträge aber nicht verpflichtet gewesen. Vielmehr
beruhten diese Ausgleichszahlungen auf späteren, gesonderten Vereinbarungen. Diese
Zusatzvereinbarungen begründen keinen vertraglichen Anspruch auf Erstattung der im
vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten, darüber hinausgehenden
Steuernachteile. Vielmehr betrifft die Vereinbarung vom 11.4.1996 die Steuern ab 1996,
die nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Diese Vereinbarung ist daher
allenfalls für die Hilfsaufrechnung von Bedeutung.
Ein Anspruch lässt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage herleiten. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im
Urteil des Landgerichts Bezug genommen werden. Die Parteien sind zwar bei
Abschluss der Verträge davon ausgegangen, dass die Honorare des Klägers lediglich
dem pauschalen Steuerabzug unterliegen, Geschäftsgrundlage war indes nicht, dass
sich die Besteuerung des Klägers während der Laufzeit der Verträge nicht ändern
würde. Unabhängig davon lag die Änderung der steuerlichen Voraussetzungen durch
die Anmietung der Wohnung im Risikobereich des Klägers und rechtfertigt schon
deshalb keine Vertragsanpassung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage.
131
2. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung einer Auskunfts- oder
Aufklärungspflicht auf Erstattung der höheren Steuern, die der Kläger deshalb
schuldete, weil er durch die Anmietung der Wohnung den Status eines Steuerinländers
erlangt hat und daher der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterlag, besteht
nicht.
132
Ein solcher Schadensersatzanspruch lässt sich weder daraus herleiten, dass Mitarbeiter
der Beklagten ihn zur Anmietung der Wohnung gedrängt und dabei erklärt hätten, die
Anmietung der Wohnung ändere nichts an seinem Status als Steuerausländer, solange
er sich nicht mehr als 180 Tage im Jahr in Deutschland aufhalte, noch daraus, dass die
Beklagte ihn nach der Anmietung der Wohnung über die steuerlichen Folgen der
Wohnungsanmietung nicht aufgeklärt hat. Denn hierin liegt keine Verletzung von
Beratungs-, Aufklärungs- oder Hinweispflichten.
133
Die Beklagte schuldete dem Kläger keine allgemeine steuerliche Beratung. Vielmehr ist
dem Landgericht darin zuzustimmen, dass die richtige Versteuerung seiner Einnahmen
allein Sache des Klägers als dem Steuerpflichtigen war. Damit oblag es auch dem
Kläger, sich über die steuerlichen Folgen und seine steuerlichen Pflichten im
Zusammenhang mit den im Ausland erzielten Einkünften zu informieren und ggfs.
beraten zu lassen. Hierzu war er ohne weiteres in der Lage, hat er sich doch hinsichtlich
seiner Einkünfte in Frankreich und den USA steuerlich beraten lassen. Daran ändert
auch das Steuerabzugsverfahren nach § 50a EStG nichts. Zwar hat nach dieser
Regelung der Schuldner der Vergütung, d.h. die Beklagte den Steuerabzug
134
vorzunehmen. Der beschränkt Steuerpflichtige, hier also der Kläger, hat keine
Steuererklärung vorzulegen. Nach § 50a Abs. 5 S. 4 EStG ist aber dennoch der
beschränkt Steuerpflichtige Steuerschuldner, sein Auftraggeber haftet lediglich dem
Finanzamt gegenüber für die Steuer.
Auch im Verhältnis zwischen den Parteien lässt sich aus dem Steuerabzugsverfahren
keine Beratungspflicht herleiten. Die Beklagte ist zwar - auch im Innenverhältnis - zur
richtigen Berechnung der Steuer verpflichtet. Sie schuldete dem Kläger aber keine
Beratung über steuerliche Fragen.
135
Eine Haftung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte dem Kläger in einer
erkennbar steuerlich relevanten Frage eine falsche Auskunft erteilt hätte.
136
Eine Aufklärungspflicht kann sich im Rahmen einer vertraglichen Beziehung für solche
Umstände ergeben, die für den anderen Teil erkennbar von erheblicher Bedeutung sind.
Entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der
Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung verlangen durfte. Grundsätzlich ist es
jedoch Sache jeder Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Eine
allgemeine Aufklärungs- und Beratungspflicht besteht daher nicht. Allerdings müssen
Fragen des anderen Teils wahrheitsgemäß beantwortet werden, ferner müssen
besonders wichtige Umstände, die den Vertragszweck gefährden können, ungefragt
offenbart werden (zum Ganzen Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 123 Rdnr. 5 ff).
137
Nach diesen Grundsätzen war die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger auf die
steuerlichen Folgen der Wohnungsanmietung in Köln hinzuweisen. Eine solche
Hinweispflicht lässt sich weder aus den Gesprächen im Vorfeld der
Wohnungsanmietung herleiten noch aus dem Gesichtspunkt eines
Informationsvorsprungs der Beklagten im Hinblick auf die steuerlichen Folgen der
Wohnungsanmietung.
138
Auch wenn die Initiative zur Anmietung der Wohnung von der Beklagten ausgegangen
sein sollte, war es doch die eigene Entscheidung des Klägers, ob er in Köln eine
Wohnung anmieten wollte. Es oblag daher auch ihm, die Folgen dieser Entscheidung
zu prüfen und zu überdenken, auch in steuerlicher Hinsicht. Diese Beratung hat die
Beklagte nicht übernommen. Selbst wenn der Zeuge O. den Kläger zur Anmietung der
Wohnung gedrängt haben sollte, hat die Beklagte damit nicht die Verantwortung für die
steuerlichen Folgen dieser Entscheidung des Klägers übernommen.
139
Eine Haftung ergibt sich auch dann nicht, wenn im Zusammenhang mit der Anmietung
der Wohnung der Steuerstatus des Klägers Thema war und der damalige
Kulturdezernent der Beklagten O. dem Kläger, wie dieser behauptet, die unrichtige
Auskunft erteilt hat, die Anmietung einer Wohnung in L. ändere an seinem Status als
Steuerausländer nichts, solange er sich nicht mehr als 180 Tage im Jahr in Deutschland
aufhalte. Eine - auch unrichtige - Auskunft begründet nur dann eine Haftung, wenn die
Auskunft nach den subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Empfängers eine
verlässliche Grundlage bildet (Palandt/Sprau, aaO, § 839 Rdnr. 41). Danach begründet
z.B. eine mündliche Auskunft eines nicht entscheidungsbefugten Sachbearbeiters zum
Ausgang eines förmlichen, noch nicht abgeschlossenen Verfahrens kein berechtigtes
Vertrauen und löst daher auch keine Haftung der betreffenden Körperschaft aus.
140
Im vorliegenden Fall war die Auskunft des Zeugen O. nicht geeignet, ein berechtigtes
141
Vertrauen zu begründen. Auch unter Zugrundlegung des Vortrags des Klägers hat es
die Beklagte nicht übernommen, die steuerlichen Auswirkungen der
Wohnungsanmietung zu überprüfen. Bei der vom Kläger behaupteten Äußerung des
Zeugen O. handelte es sich erkennbar nicht um eine steuerliche Beratung. Nach dem
Vortrag des Klägers hat der damalige Kulturdezernent der Beklagten, der Zeuge O.
lediglich gesprächsweise - in welchem genauen Kontext ergibt sich aus dem Vortrag
des Klägers nicht - die Ansicht geäußert, die Anmietung der Wohnung ändere an
seinem Status als Steuerausländer nichts.
Auf eine solche Äußerung - egal in welchem Kontext - durfte der Kläger
berechtigterweise nicht vertrauen, weil der Zeuge O. als Kulturdezernent für diese Frage
erkennbar weder zuständig noch kompetent war. Wesentliche Vermögensdispositionen
durfte der Kläger auf diese Auskunft nicht stützen, dazu war weder die beiläufige
Erwähnung dieses Punktes im Zusammenhang mit Gesprächen über eine
Wohnungsanmietung noch die Kompetenz eines Kulturdezernenten ausreichend. Wenn
für den Kläger die steuerlichen Folgen der Wohnungsanmietung von Bedeutung waren,
hätte er sich hierüber fachkundigen Rat einholen müssen. Auf derartige Äußerungen im
Rahmen unverbindlicher Gespräche konnte und durfte er sich dagegen nicht verlassen.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der die steuerliche Brisanz der
Wohnungsanmietung nicht erkannt hat. Dieser Umstand fällt allein in seinen
Risikobereich und vermag eine Haftung der Beklagten nicht zu begründen. Zwar haben
sich die Parteien nach dem Vortrag des Klägers Gedanken über die steuerlichen Folgen
gemacht, wie die Äußerung des Zeugen O. zeigt. Der Kläger durfte sich mit dessen
Auskunft indes nicht zufrieden geben. Wenn er dies dennoch tat - sei es auch mangels
eigenen Problembewusstseins - erfolgte dies auf eigenes Risiko.
142
Es kommt somit nicht darauf an, ob der Kläger tatsächlich auf die Auskunft vertraut hat,
entscheidend ist vielmehr, dass er auf die Auskunft nicht vertrauen durfte.
143
Schließlich ergibt sich eine Beratungspflicht im Zusammenhang mit der
Wohnungsanmietung auch nicht daraus, dass die Beklagte über überlegenes Wissen im
Hinblick auf die steuerlichen Folgen der Wohnungsanmietung verfügt hätte. Tatsächlich
haben beide Parteien die steuerlichen Folgen der Wohnungsanmietung nicht zutreffend
erkannt. Die Haftung der Beklagten lässt sich nicht daraus herleiten, dass sie die
steuerlichen Folgen der Wohnungsanmietung hätte erkennen können und müssen.
Denn auch dies gilt gleichermaßen für den Kläger. Es mag zutreffen, dass von einer
Stadt, die im Ausland lebende Künstler beschäftigt, Kenntnisse über deren zutreffende
steuerliche Behandlung erwartet werden können - schon deshalb, weil die Stadt
verpflichtet ist, die Steuern korrekt an das Finanzamt abzuführen. Auf der anderen Seite
oblag es aber ebenso dem Kläger, sich um seine steuerlichen Belange zu kümmern und
sich ggfs. zur Wahrung seiner Interessen steuerlich beraten zu lassen. Anlass hierfür
bestand schon deshalb, weil er im Ausland nicht unerhebliche Einkünfte erzielt hat. Ein
Informationsvorsprung der Beklagten, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflicht
begründen könnte, bestand daher nicht.
144
3. Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt aber darin, dass sie den Kläger steuerlich
falsch behandelt hat, indem sie auch nach Anmietung der Wohnung in den Jahren 1990
bis 1995 lediglich den nur für beschränkt steuerpflichtige Steuerausländer geltenden
Pauschalabzug von 15 % vorgenommen hat und nicht die an sich geschuldete Steuer
einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat. Der sich hieraus ergebende
Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung umfasst indes nicht die
145
Steuernachzahlung selbst, sondern lediglich die Nachteile, die sich aus der verspäteten
Anmeldung und Festsetzung der Steuer ergeben.
3.1. Nach § 38 EStG ist der Arbeitgeber - hier also die Beklagte - verpflichtet, die
Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.
Das gleiche gilt nach § 73e EStDV für den pauschalen Steuerabzug des § 50a Abs. 4
EStG.
146
Die gesetzliche Verpflichtung zur korrekten Abführung der Steuer besteht zunächst
gegenüber dem Fiskus. Aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht ist der Auftraggeber
aber auch dem Dienstverpflichteten bzw. Arbeitnehmer gegenüber zum korrekten
Steuerabzug verpflichtet. Das ist für das Arbeitsrecht ständige Rechtsprechung des BAG
(vgl. z.B. BAG NJW 2004, 3588; NZA 1990, 309; vgl. auch BFH NZA-RR 1997, 121;
ebenso Palandt/Weidenkaff, aaO, § 611 Rdnr. 65; Blomeyer, in: Münchener Handbuch
zum Arbeitsrecht, Bd. 1, § 96 Rdnr. 93, Hanau, in: Münchener Handbuch zum
Arbeitsrecht, Bd. 1, § 64 Rdnr. 68 f); es gilt aber gleichermaßen für sonstige
Dienstverträge. Für eine Differenzierung zwischen Arbeits- und Dienstverträgen, die
auch das Steuerrecht nicht vornimmt, fehlt es an einem sachlichen Grund.
147
Eine Verletzung dieser Pflicht kann zum Schadensersatz verpflichten. Ein solcher
Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung kommt insbesondere in
Betracht, wenn der Arbeitgeber einen zu hohen Betrag an das Finanzamt abführt und
die Überzahlung wegen Bestandskraft des Steuerbescheids nicht mehr korrigiert
werden kann. Ein Schadensersatzanspruch kommt aber auch in Betracht, wenn - wie
hier - zu wenig Steuern abgeführt werden und hierdurch ein Schaden entsteht
(Blomeyer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, § 96 Rdnr. 93).
148
Die Beklagte hat diese - ihr auch gegenüber dem Kläger obliegende - Pflicht zum
korrekten Steuerabzug objektiv verletzt, indem sie lediglich 15 % bzw. 30 % der
Einkünfte pauschal als Steuer abgeführt hat. Dies war einmal deshalb unrichtig, weil der
Kläger einen Wohnsitz in Deutschland hatte und damit unbeschränkt steuerpflichtig war,
zum anderen ab 1996 - was aber nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist -
auch deshalb, weil er im steuerlichen Sinne nichtselbständig tätig war.
149
Die Beklagte hat schuldhaft gehandelt. Von den zuständigen Beamten einer
Stadtverwaltung kann die Kenntnis der entsprechenden Steuervorschriften erwartet
werden. Es handelt sich nicht um komplizierte Fragen des internationalen Steuerrechts,
sondern lediglich die zutreffende Anwendung der §§ 1 Abs. 1 und 4 EStG, 8 und 9 AO.
150
Auf Grundlage des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der
Senat davon aus, dass auch den für die Abführung der Steuer zuständigen Mitarbeitern
des Personalamtes bekannt war, dass der Kläger eine Wohnung in L. angemietet hatte.
Hierfür spricht schon der Vermerk des Personalamtes vom 4.9.1991 (Anl. BK 8 = GA
351), wonach der Kläger seinen Hauptwohnsitz in New York unterhalte und dort auch
seinen Steuerwohnsitz habe. Der Begriff Hauptwohnsitz impliziert das Vorhandensein
weiterer Wohnsitze. Auch die weiteren, mit der Berufung vorgelegten Unterlagen
belegen, dass zumindest den übrigen für den Kläger zuständigen Stellen der
Stadtverwaltung die L.er Anschrift bekannt war. Warum alleine das Personalamt diese
Kenntnis nicht gehabt haben soll, ist auch unter Berücksichtigung der differenzierten
Zuständigkeiten innerhalb einer Stadtverwaltung nicht nachvollziehbar. Entscheidend
ist aber, dass die Beklagte dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers nicht hinreichend
151
substanziiert entgegengetreten ist, indem sie sich lediglich darauf beruft, dass die
Kenntnis der für die Lohnabrechnung zuständigen Mitarbeiter des Personalamtes sich
nicht mehr definitiv klären lasse. Zwar obliegt die Darlegung der Voraussetzungen des
Schadensersatzanspruchs, wozu auch die Kenntnis der maßgeblichen Mitarbeiter der
Beklagten von dem L.er Wohnsitz des Klägers gehört, zunächst dem Geschädigten. Der
Kläger hat die Kenntnis der zuständigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung indes
behauptet. Da es sich hierbei um verwaltungsinterne Vorgänge innerhalb der Beklagten
handelt, in die der Kläger keinen Einblick hat, reicht der Vortrag der Beklagten zur
Widerlegung der klägerischen Behauptung nicht aus. Insbesondere ist nicht
vorgetragen, auf welcher Grundlage und aufgrund welcher Informationen das
Personalamt den Lohnsteuerabzug vornimmt. Auch der Hintergrund des Vermerks vom
4.9.1991 zum Steuerstatus des Klägers ist nicht erläutert.
Die Kenntnis der für die Abendhonorare des Klägers zuständigen Mitarbeiter ist
unstreitig.
152
Der falsche Steuerabzug war für den Eintritt des geltend gemachten Schadens auch
kausal, denn hätte die Beklagte einen höheren Steuerabzug vorgenommen, hätte der
Kläger dies erkannt und nachgefragt, worauf dies beruht und dann jedenfalls seine
Wohnung kündigen und möglicherweise auch auf eine andere vertragliche Gestaltung
seiner Tätigkeit hinwirken können. Auch wenn der Kläger seine Wohnung beibehalten
hätte, hätte er jedenfalls erkannt, dass er seine gesamten Einnahmen zu versteuern und
rechtzeitig eine Steuererklärung abzugeben hat.
153
3.2. Der sich danach dem Grunde nach ergebende Schadensersatzanspruch erfasst
aber nach dem Schutzzweck der verletzten Pflicht zum korrekten Steuerabzug nicht die
höheren Steuern, die der Kläger aufgrund der Anmietung einer Wohnung im Inland dem
deutschen Fiskus schuldete, sondern lediglich die Nachteile, die sich daraus ergeben,
dass der Kläger die Steuern verspätet an den Fiskus abgeführt hat.
154
Eine Schadensersatzpflicht besteht nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden
nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt; es
muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren
Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Pflicht übernommen wurde
(Palandt/Heinrichs, aaO, Vorb v § 249 Rdnr. 62).
155
Die dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn gegenüber dem Arbeitnehmer bzw.
Dienstverpflichteten bestehende Pflicht, den Steuerabzug korrekt zu berechnen, soll die
richtige Besteuerung des Dienstverpflichteten herbeiführen und ihn vor Schäden
bewahren, die durch eine unzutreffende Besteuerung entstehen. Schutzzweck der
Pflicht, den Steuerabzug richtig zu berechnen, ist aber nicht, dem Steuerpflichtigen eine
günstigere steuerliche Gestaltung zu ermöglichen. Das ergibt sich schon daraus, dass -
wie oben dargelegt - dem Dienstherrn oder Arbeitgeber keine allgemeine Pflicht zur
steuerlichen Beratung obliegt. Die Pflicht zur richtigen Besteuerung dient auch nicht der
Unterrichtung des Dienstverpflichteten über die zutreffende steuerlicher Belastung, d.h.
sie begründet keine Aufklärungs- und Informationspflicht. Dabei besteht hinsichtlich des
Schutzzweckes kein Unterschied zwischen der Pflicht des Auftraggebers zur Abführung
der Lohnsteuer und der Pflicht zum pauschalen Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG
i.V.m. § 73e EStDV in der damaligen Fassung. Der Zweck des Steuerabzugsverfahrens
liegt nicht darin, dass der Vergütungsschuldner - hier die Stadt - für den
Steuerpflichtigen - hier den Kläger - die Voraussetzungen des pauschalen
156
Steuerabzugs ermittelt. Das zeigt auch die Regelung in § 73e S. 5 EStDV, wonach der
Vergütungsschuldner den Abzug vornehmen muss, bis ihm der Steuerpflichtige
nachweist, dass die Voraussetzungen für den Abzug nicht vorliegen.
Die Steuernachzahlung selbst stellt damit keinen unter den Schutzzweck der Pflicht zur
richtigen Berechnung des Steuerabzugs fallenden Schaden dar. Denn die
Steuernachzahlung war berechtigt, der Kläger schuldete die Steuern, weil er aufgrund
seines inländischen Wohnsitzes der unbeschränkten Steuerpflicht unterlag. Es kann
zwar angenommen werden, dass der Kläger bei Vornahme eines zutreffenden, 15 %
deutlich übersteigenden Abzugs sich nach dessen Berechtigung erkundigt und in
diesem Zusammenhang auf die steuerlichen Folgen der Wohnungsanmietung
aufmerksam geworden wäre und die Wohnung aufgegeben hätte. Die aus der
Wohnungsanmietung entstehende zusätzliche Steuerlast stellt damit aber noch keinen
unter den Schutzzweck der Pflicht zum korrekten Steuerabzug fallenden ersatzfähigen
Schaden dar.
157
Unter den Schutzzweck der verletzten Pflicht fallen vielmehr lediglich solche Schäden,
die dem Kläger dadurch entstanden sind, dass er die geschuldeten Steuern erst
verspätet an das Finanzamt gezahlt hat. Als ersatzfähiger Schaden kommen damit
lediglich die aufgrund der verspäteten Zahlung geschuldeten Zinsen und
Stundungszinsen, sowie die Zinsen in Betracht, die der Kläger zur Finanzierung der
Steuernachzahlung aufwenden musste. Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt, er
habe im Nachhinein Werbungskosten nicht mehr geltend machen können, weil bei der
pauschalen Abzugssteuer Werbungskosten nicht abgesetzt werden können und er
diese daher auf seine amerikanische Gesellschaft "Y." verlagert habe und zudem nicht
mehr über die erforderlichen Belege verfügt habe, hat er den sich hieraus ergebenden
Schaden nicht gesondert beziffert. Er lässt sich den vorliegenden Unterlagen auch nicht
entnehmen.
158
4. Der danach ersatzfähige Schaden stellt sich wie folgt dar:
159
4.1. Zinsen
160
Hinsichtlich der Zinsen und Stundungszinsen hat die Klage in Höhe von 215.916,35 €
dem Grunde nach, d.h. vorbehaltlich der Hilfsaufrechnung, Erfolg.
161
4.1.1. § 233a AO
162
Nach § 233a AO ist die Differenz zwischen den festgesetzten Steuern und dem
vorgenommenen Steuerabzug ab dem 16. Monat nach Ablauf des Kalenderjahres, in
dem die Steuer angefallen ist, zu verzinsen (Nachzahlungszinsen). Der Zinssatz beträgt
nach § 238 AO 0,5 % je Monat bzw. 6 % p.a.; die Zinsen können für höchstens 4 Jahre
erhoben werden (§ 233 a Abs. 2 S. 3 AO in der bis Ende 1999 gültigen Fassung).
163
Die Zinsen nach § 233a AO sind durch die vorgelegten Steuerbescheide vom
18.10.2006 nachgewiesen.
164
Danach sind festgesetzt worden
165
für das Jahr 1991 24.383,00 €
166
für 1992 11.404,00 €
167
für 1993 20.980,00 €
168
für 1994 14.276,00 €
169
und für 1995 9.433,00 €
170
insgesamt 80.476,00 €.
171
4.1.2. Stundungszinsen
172
Die Stundungszinsen, die sich ebenfalls auf 0,5 % je Monat belaufen (§ 238 AO), sind in
der mit der Klage ursprüngliche geltend gemachten Höhe von 21.108,00 DM =
10.792,35 € belegt durch den Festsetzungsbescheid vom 29.12.2000 (Anl. K 54, GA
170). Aus dem Bescheid ergibt sich, dass die Stundungszinsen die Einkommenssteuer
1993 bis 1995 und den Solidaritätszuschlag für 1995 betreffen. Die Bescheide über die
Stundung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21.6.2006 (Anl. BK 9 und 10, GA 472 ff)
vorgelegt.
173
Nicht belegt sind die Stundungszinsen für die Jahre 1991 und 1992 in Höhe von
insgesamt 605,00 DM.
174
4.1.3. AdV-Zinsen
175
Auch die Aussetzungszinsen nach § 237 AO sind vom Schutzzweck der Pflicht zum
korrekten Steuerabzug erfasst. Nach § 237 Abs. 1 AO ist der Betrag, hinsichtlich dessen
die Vollziehung aufgrund eines Einspruchs des Steuerpflichtigen ausgesetzt war,
insoweit zu verzinsen, als der Einspruch endgültig keinen Erfolg gehabt hat. Diese
Zinsen treten während der Dauer des Einspruchsverfahrens wirtschaftlich an die Stelle
der Stundungszinsen. Bei zutreffendem Steuerabzug wären auch diese Zinsen nicht
angefallen.
176
Die Zinsen sind durch den vorgelegten Steuerbescheid des Finanzamtes L.-West vom
15.11.2006 (Anl. BK 17 = GA 643) in Höhe von insgesamt 124.648,00 € belegt.
177
Danach ergibt sich folgender erstattungsfähiger Zinsschaden:
178
Nachzahlungszinsen 80.476,00 €
179
nachgewiesene Stundungszinsen 10.792,35 €
180
AdV-Zinsen 124.648,00 €
181
ersatzfähiger Zinsschaden 215.916,35 €.
182
4.1.4. Vorteilsausgleichung
183
Diese Zinsbelastung ist nicht im Wege des Vorteilsausgleichs zu reduzieren. Der Kläger
konnte zwar in dem Zeitraum, für welchen die Zinsen zu zahlen sind, über die Beträge
verfügen. Es steht aber nicht hinreichend fest, dass ihm hierdurch ein auf den
184
Zinsschaden anzurechnender Vorteil entstanden ist.
Im Rahmen der Vorteilsausgleichung sind Vorteile auf den Schaden anzurechnen,
wenn sie durch das schädigende Ereignis adäquat kausal verursacht wurden und ihre
Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, d.h. den
Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig begünstigt.
Zwischen Nach- und Vorteil muss ein innerer Zusammenhang bestehen, der beide bei
wertender Betrachtung zu einer Rechnungseinheit verbindet (st. Rspr.; vgl. BGH NJW
1997, 2378 m.w.Nachw.; Palandt/Heinrichs, aaO, Vorb v § 249 Rdnr. 120 ff).
185
Ein konkreter finanzieller Vorteil des Klägers, die nicht abgeführten Beträge nutzen zu
können, steht nicht fest. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im Termin vom
24.3.2006 erklärt, der Kläger habe die nicht gezahlten Steuern zum Erwerb einer
Wohnung in New York eingesetzt, die er, wenn ihm die Mittel nicht zur Verfügung
gestanden hätten, nicht erworben hätte. Danach hat der Kläger weder Anlagezinsen
erzielt noch Aufwendungen in Form von Kreditzinsen erspart. Die bloße Möglichkeit, die
Gelder zinsbringend anzulegen, stellt ebenso wenig wie die Möglichkeit, die erworbene
Immobilie zu nutzen, einen im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu
berücksichtigenden, mit dem Zinsschaden deckungsgleichen finanziellen Vorteil dar.
Die für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung darlegungs- und
beweispflichtige Beklagte (BGH NJW 2000, 734; Oetker, in Münchener Kommentar zum
BGB, 4. Aufl., § 249 Rdnr. 267 jeweils m.w.Nachw.) hat keine konkreten Umstände
aufgezeigt, aus denen sich entgegen dem Vortrag des Klägers ein anzurechnender
Vorteil ergäbe. Der Vortrag des Klägers ist schlüssig und durch die Beklagte nicht
widerlegt.
186
Als mindestens auszugleichender Vorteil können auch nicht die in den US-
amerikanischen Steuererklärungen für die Jahre 1991 bis 1998 angegebenen
Zinseinkünfte angesetzt werden, da nicht feststeht, dass diese gerade aus den nicht
abgeführten Steuern und nicht aus sonstigen Einkünften des Klägers erzielt wurden.
187
4.2. Kreditzinsen
188
Ersatzfähig sind ferner die Kreditzinsen in Höhe von 89.873,77 €, die der Kläger zur
Finanzierung der Steuernachzahlung aufgewendet hat und die durch die
entsprechenden Zinsbescheinigungen der Stadtsparkasse L. nachgewiesen (Anl. K 32,
Bl. 87 ff AH sowie GA 482-484) sind. Aus dem Kontoauszug für 1999 ergibt sich, dass
der Kläger im August 1999 ein Darlehen über 400.000,00 DM ausgezahlt bekommen
hat. Das bestätigt seinen Vortrag, wonach das Darlehen der Stadtsparkasse L. der
Finanzierung der im August 1999 auf die Steuerschuld geleisteten Zahlung von
396.813,00 DM diente.
189
Die Kreditzinsen gehören zu dem ersatzfähigen Schaden, der durch die verspätete
Festsetzung der Einkommenssteuer entstanden ist. Hätte die Beklagte den Steuerabzug
korrekt vorgenommen, hätte der Kläger die Steuerzahlung nicht finanzieren müssen,
sondern sie wäre sofort von seinem laufenden Einkommen abgezogen worden.
190
4.3. Steuerberatungskosten
191
Hinsichtlich der Steuerberatungskosten hat die Berufung nur teilweise Erfolg.
192
Ersatzfähig sind lediglich die Steuerberatungskosten, die gerade dadurch erforderlich
geworden sind, dass die Steuern erst verspätet festgesetzt wurden. Soweit die
Steuerberatungskosten deshalb angefallen sind, weil der Kläger unbeschränkt
steuerpflichtig ist und daher eine Steuerklärung über sein gesamtes Einkommen
abgeben muss, stellen sie keinen ersatzfähigen Schaden dar. Die Kosten, die sich auf
die allgemeine steuerliche Beratung und die Steueranmeldungen bezogen, sind vom
Schutzzweck der verletzten Fürsorgepflicht nicht umfasst.
193
Dagegen sind die Steuerberatungskosten grundsätzlich ersatzfähig, die den
Mehraufwand hinsichtlich der Ermittlung und Geltendmachung der Werbungskosten
betreffen, der sich aus der nachträglichen Abgabe der Steuererklärung ergab. Dieser
Mehraufwand ist in einem Teil der Rechnungen enthalten, er ist aber insgesamt nicht
gesondert ausgewiesen. Die danach ersatzfähigen Steuerberatungskosten lassen sich
daher nur grob schätzen.
194
Da nur ein verhältnismäßig geringfügiger Teil des Zeitaufwands auf die grundsätzlich
ersatzfähige Tätigkeit entfällt, geht der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten
Ermessens nach § 287 ZPO von ca. 15 % der nach der Berechnung des Klägers im
Schriftsatz vom 21.6.2006 (GA 468) auf die Steuerjahre 1990 bis 1995 entfallenden
227.652,18 € aus. Ersatzfähig sind damit 35.000,00 €. Dabei sind auch die auf das Jahr
1990 anteilig entfallenden Steuerberatungskosten zu berücksichtigen. Auch für dieses
Jahr war eine Beratung grundsätzlich erforderlich und hinsichtlich der Geltendmachung
des Verjährungseinwands sinnvoll.
195
Der danach ersatzfähige Betrag mindert sich nicht nach § 254 BGB wegen Verstoßes
gegen die Schadensminderungspflicht. Der Kläger hat nicht dadurch gegen die ihm
obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, dass er mit der ihn beratenden
Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfergesellschaft A B (jetzt F & Z) ein Zeithonorar
vereinbart hat. Die Vereinbarung eines Zeithonorars ist in der
Steuerberatergebührenordnung vorgesehen und für eine derart umfassende Tätigkeit
mit internationalem Bezug weder unangemessen noch unüblich.
196
4.4. Rechtsberatungskosten
197
Die Rechtsberatungskosten kann der Kläger ersetzt verlangen. Grundsätzlich gehören
auch die Kosten der Rechtsverfolgung zum ersatzfähigen Schaden und sind vom
Schutzzweck eines Anspruchs aus Vertragsverletzung umfasst (BGH NJW 2006, 1065;
Palandt/Heinrichs, aaO, § 249 Rdnr. 39). Ferner sind auch die Kosten zur Ermittlung des
Schadensumfangs als mit dem Schaden unmittelbar verbundenem und nach § 249 BGB
auszugleichender Nachteil ersatzfähig. Denn die Schadensermittlung ist Voraussetzung
für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs (BGH NJW-RR 1989, 953, 956;
Palandt/Heinrichs, aaO, § 249 Rdnr. 40).
198
Nach diesen Grundsätzen gehören die gesamten geltend gemachten
Rechtsberatungskosten zum ersatzfähigen Schaden. Zwar sind die Kosten für die
Geltendmachung einer Ersatzforderung nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1970, 1122; 1995, 1112) lediglich in der Höhe
ersatzfähig, in der die Forderung auch berechtigt ist. Das führt im vorliegenden Fall
indes nicht zu einer Kürzung der Rechtsberatungskosten, da diese sich wesentlich auch
auf die Prüfung und Ermittlung des ersatzfähigen Schadens beziehen. Die
Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war erforderlich und zweckmäßig, da es sich
199
um einen rechtlich schwierig gelagerten Fall handelt. Grund und Höhe des Anspruchs
hängen in erster Linie von Rechtsfragen ab. Zwar hat der vorprozessual tätige Anwalt
gegenüber der Beklagten auch Schadenspositionen geltend gemacht, die nach den
obigen Ausführungen nicht berechtigt waren, weil vom Schutzzweck der verletzten
Pflicht nicht umfasst. Es lässt sich aber nicht feststellen, dass hierauf ein messbarer
Anteil der - nach Zeitaufwand abgerechneten - Rechtsberatungskosten entfällt.
Die Höhe der Gesamtkosten ist durch die vorgelegten Rechnungen belegt. Auch
insoweit liegt eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht darin, dass der
Kläger die auf Basis eines Zeithonorars abgerechneten Kosten bezahlt hat. Angesichts
der Komplexität der Angelegenheit war die Abrechnung nach Zeitaufwand nicht
unverhältnismäßig.
200
4.5. Damit ergibt sich folgender ersatzfähiger Gesamtschaden
201
Zinsen an das Finanzamt 215.916,35 €
202
Darlehenszinsen 89.873,77 €
203
Steuerberatungskosten 35.000,00 €
204
Kosten für Rechtsberatung 73.644,05 €
205
ersatzfähiger Gesamtschaden 414.434,17 €.
206
5. Der Schaden mindert sich nicht durch ein Mitverschulden des Klägers im Sinne von §
254 BGB.
207
Ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers liegt nicht darin, dass er der von
ihm behaupteten Auskunft des Zeugen O. über die Steuerunschädlichkeit der
Wohnungsanmietung vertraut hat. Denn nach den obigen Ausführungen hat er ohnehin
keinen Anspruch auf Ersatz der hierdurch angefallenen höheren Steuern.
208
Ein Mitverschulden liegt auch nicht darin, dass er nicht erkannt hat, dass die Beklagte
einen zu geringen Steuerabzug vorgenommen hat. Der Kläger wusste zwar, in welcher
Höhe die Beklagte den Steuerabzug vorgenommen hatte. Es stellt aber kein ihm
anzulastendes Mitverschulden dar, dass er die steuerlichen Folgen der Anmietung der
Wohnung nicht erkannt hat. Jedenfalls würde ein eventuelles Mitverschulden hinter das
überwiegende Verschulden der Beklagten zurücktreten. Denn es oblag im
Steuerabzugsverfahren in erster Linie der Beklagten, die zutreffende Steuer zu ermitteln
und an das Finanzamt abzuführen.
209
6. Die Klageforderung, soweit sie begründet ist, ist durch die von der Beklagten
hilfsweise erklärte
Aufrechnung
176.697,17 € verbleiben.
210
Die erstmalige Geltendmachung der Aufrechnung in der Berufung ist nach § 533 ZPO
zulässig. Die Aufrechnung ist sachdienlich. Die für die Aufrechnung wesentlichen
Tatsachen waren bereits in 1. Instanz vorgetragen.
211
Der Beklagten steht ein aufrechenbarer Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgrund
212
ihrer Mithaftung nach § 42d EStG an das Finanzamt auf die festgesetzte
Einkommenssteuer des Klägers gezahlten Beträge aus § 426 Abs. 1 BGB zu.
Hinsichtlich der an das Finanzamt abzuführenden Steuern besteht zwischen den
Parteien ein Gesamtschuldverhältnis, § 42d Abs. 3 EStG. Unstreitig ist, dass die
Beklagte aufgrund ihrer Haftung an das Finanzamt 464.975,00 DM (237.737,94 €) auf
die festgesetzten Steuern gezahlt hat. Im Innenverhältnis zwischen den Parteien ist
allein der Kläger zur Zahlung der Steuern verpflichtet. Das ergibt sich schon aus der
Regelung in den mit dem Kläger abgeschlossenen Verträgen, wonach die Einkünfte zu
versteuern sind. Eine anderweitige Aufteilung im Innenverhältnis ergibt sich auch nicht
aus einem eventuellen Schadensersatz- oder Freistellungsanspruch des Klägers in
Höhe der von der Beklagten gezahlten Steuern. Ein solcher Schadensersatzanspruch
besteht hinsichtlich der Steuerforderungen nicht, wie oben ausgeführt.
Der Erstattungsanspruch ist schließlich nicht aufgrund einer anderweitigen
Vereinbarung oder sonstigen Bestimmung ausgeschlossen. Aus der am 11.4.1996
getroffenen Vereinbarung ergibt sich lediglich, dass die Beklagte sich verpflichtet hat,
dem Kläger die Differenz zwischen dem bisher vorgenommenen pauschalen
Steuerabzug von 15 % und dem ab 1996 vorgenommenen Abzug von 30 % zu erstatten.
Die mit der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Beträge betreffen aber über den
pauschalen Abzug von 30 % hinausgehende Beträge, die die Beklagte aufgrund
Haftungsbescheids vom 24.6.1998 an das Finanzamt gezahlt hat. Aus den
Steuerbescheiden vom 18.10.2006 (jeweils S. 3) für die Jahre 1996 und 1997 ergibt
sich, dass der Betrag von 464.975,00 DM über den an das Finanzamt abgeführten
Steuerabzug von 30 % hinausgeht und aufgrund des Haftungsbescheides vom
24.6.1998 gezahlt wurde. Die dort ausgewiesenen Beträge entsprechen der vom Kläger
zur Akte gereichten Übersicht (GA 648).
213
Die Vereinbarung vom 11.4.1996 erfasst diese Beträge nicht. Gegenstand der
damaligen Vereinbarung war lediglich die Differenz zwischen dem bisherigen Abzug
von 15 % und dem erhöhten pauschalen Abzug von 30 % aufgrund des
Jahressteuergesetzes 2006.
214
Der Kläger trägt nicht hinreichend konkret vor, dass die Parteien seinerzeit
ausdrücklich
der Änderung der Besteuerung ab 1.1.1996 erstattet. Aus den Vermerken der Beklagten
vom 15.4. und 25.6.1996 (Anl. K 8 und 9), auf die er sich zum Beleg seines
diesbezüglichen Vorbringens bezieht, ergibt sich das nicht. Für eine solche
ausdrückliche Absprache bestand seinerzeit auch kein Anlass. Dass der Kläger
aufgrund seines inländischen Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig war, war den
Parteien zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 11.4.1996 noch nicht bekannt. Ebenso
wenig haben sie besprochen, dass die Voraussetzungen des pauschalen Steuerabzugs
ab 1.1.1996 auch deshalb nicht vorlagen, weil der Kläger weder selbständig tätig noch
lediglich gastspielverpflichtet war. Weder dem Sachvortrag des Klägers noch den von
der Beklagten gefertigten Vermerken vom 15.4.1996 und 25.6.1996 lässt sich
entnehmen, dass die höhere Steuerlast Gegenstand der Gespräche war. Vielmehr hat
der Kläger in der Klageschrift (S. 17 und 18) vorgetragen, dass die Beklagte ihm
zugesagt habe, die Differenz zwischen der bisherigen 15-%-igen Abzugssteuer und der
nach ihrer Meinung auf 30 % erhöhten Steuer zu übernehmen. Da sich für ihn daher
zunächst nichts geändert habe, habe er folgern müssen, dass die Beklagte
vereinbarungsgemäß wie bisher für ihn die Steuer auf seine L.er Einnahmen (als
Abzugssteuer für "Steuerausländer") zahlte und dies für ihn Abgeltungswirkung habe.
215
Zwar kann den Vermerken der Beklagten entnommen werden, dass die endgültige
Besteuerung des Klägers ab 1.1.1996 für die Beklagte noch nicht abschließend geklärt
war. Den Vermerken lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Parteien seinerzeit
schon geregelt oder auch nur besprochen hatten, wen das Risiko einer eventuellen
höheren
Die Vereinbarung kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie die
gesamte über den ursprünglich geltenden pauschalen Steuerabzug von 15 %
hinausgehende Steuer umfassen sollte. Aus den Vermerken der Beklagten ergibt sich
zwar als Zweck der Absprache, dass der Kläger durch die Erhöhung der Pauschale für
beschränkt Steuerpflichtige keinen "Nettoverlust" erleiden sollte. Das war aber nicht
zugleich Inhalt der Vereinbarung. Gegenstand der Gespräche war allein die Erhöhung
des pauschalen Steuerabzugs von 15 % auf 30 %. Eine darüber hinausgehende
Zusicherung, jedweden weiteren Steuernachteil zu erstatten, hat die Beklagte nicht
abgegeben. Der Kläger hatte auch keinen Anspruch auf die Erstattung von Nachteilen
aufgrund nachträglicher Steuererhöhungen. Nach den abgeschlossenen Verträgen
waren diese Nachteile vielmehr von ihm selbst zu tragen, wie oben (unter Ziff. 1)
dargelegt. Eine andere Auslegung rechtfertigt sich schließlich nicht aus dem späteren
Verhalten der Beklagten. Die Zahlung an das Finanzamt hat die Beklagte nicht freiwillig
in Erfüllung der Vereinbarung vom 11.4.1996 geleistet, sondern aufgrund des
Haftungsbescheids des Finanzamts. Dass sie den Erstattungsanspruch nicht bereits
vorher geltend gemacht hat, lässt keine Rückschlüsse auf den Inhalt oder ihr
Verständnis der am 11.4.1996 getroffenen Absprache zu.
216
Im übrigen gehen die auf den Haftungsbescheid gezahlten Beträge noch über die für die
Jahre 1996 und 1997 festgesetzte Steuer hinaus. Nach den jetzt vorliegenden
Steuerbescheiden vom 18.10.2006 steht dem Kläger für die Jahre 1996 und 1997 ein
Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt von 183.873,57 € zu. Jedenfalls in dieser
Höhe ist die Hilfsaufrechnung auch dann begründet, wenn man die Vereinbarung vom
11.4.1996 auf jedwede, über den pauschalen Abzug von 15 % entstehende
Steuerbelastung ab 1.1.1996 erstrecken würde.
217
Die Verjährung des Erstattungsanspruchs schließt die Aufrechnung nach § 390 S. 2
BGB a.F. bzw. § 215 BGB n.F. nicht aus.
218
6. Der
Feststellungsantrag
bezieht, die durch die verspätete Festsetzung der Einkommenssteuer des Klägers für
die Jahre 1991 bis 1995 entstanden sind oder entstehen. Solche weiteren Schäden sind
jedenfalls so lange nicht ausgeschlossen, wie der Nachzahlungsbetrag nicht an das
Finanzamt gezahlt und der zur Finanzierung der bisherigen Zahlungen aufgenommene
Kredit getilgt ist.
219
7. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 27.4.2007 rechtfertigt nicht die
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Auf seine Rechtsauffassung hinsichtlich
der Haftung dem Grunde nach hat der Senat bereits im Termin am 24.3.2006 und im
Beschluss vom 28.4.2006 hingewiesen. Die Erörterungen im Termin vom 20.4.2007
stellt der Schriftsatz falsch dar. Der Senat hat seine Rechtsauffassung keineswegs mit
fiskalischen Interessen der Beklagten begründet und hätte hierzu auch keinen Anlass.
Die diesbezüglichen Vermutungen des Klägers liegen neben der Sache. Die
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erfolgte nicht aufgrund der
Hilfsaufrechnung, sondern war, wie im Beschluss vom 22.9.2006 ausgeführt,
220
erforderlich, weil der Kläger seinen Steuerschaden und die Zinsen nicht hinreichend
dargelegt hatte.
Es bedarf auch nicht der Vernehmung der zu der Absprache vom 11.4.1996 benannten
Zeugen oder der Parteivernehmung der Kläger. Was seinerzeit tatsächlich besprochen
wurde, ergibt sich aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien und den Vermerken der
Zeugin E. X. vom 15.4. und 25.6.1996 (Anl. K 8 und 9 zur Klageschrift). Ob die
Vereinbarung auch die über den Steuerabzug von
221
30 % hinausgehende Steuerbelastung, über die seinerzeit nicht gesprochen wurde,
umfasst, ist eine Frage der Auslegung und damit Rechtsfrage.
222
IV.
223
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
224
Der Senat hat die Revision für beide Parteien zugelassen im Hinblick auf die Frage
nach dem Schutzzweck der Pflicht des Dienstherrn zur richtigen steuerlichen
Behandlung des Dienstverpflichteten. Eine Beschränkung der Revisionszulassung liegt
hierin nicht.
225