Urteil des OLG Koblenz vom 28.07.2010

OLG Koblenz: örtliche zuständigkeit, faires verfahren, gerichtsstand, beschleunigungsgebot, untersuchungshaft, strafverfahren, quelle, datum

OLG
Koblenz
28.07.2010
2 Ws 336/10
1. Werden nach § 3 StPO zusammenhängende Strafverfahren in getrennten Verfahren geführt, gilt der
gemeinsame Gerichtsstand gem. § 13 Abs. 1 StPO unabhängig davon, in welchem Stadium sich die
Verfahren befinden und ob die Verfahren miteinander verbunden worden sind.
2. Verfahren, die im Sinne des § 3 StPO in einem persönlichen bzw. sachlichen Zusammenhang stehen,
sind grundsätzlich zusammen zu verhandeln; dies gilt besonders, wenn die den Angeklagten zur Last
gelegten Taten durch den Vorwurf des bandenmäßigen Vorgehens sachlich miteinander verbunden sind
und die Bandenstruktur porzessökonomisch nur im Rahmen der gemeinsamen Hauptverhandlung geklärt
werden kann.
Geschäftsnummer:
2 Ws 336/10
4 Ws GSTA 280/10 – GenStA Koblenz
2090 Js 18583/10 – 3 KLs – StA Koblenz
In der Strafsache
g e g e n
K. D.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt D. -
w e g e n schweren Bandendiebstahls
hier: Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen Erklärung der örtlichen
Unzuständigkeit und Ablehnung der Verbindung
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht Völpel, den Richter am Oberlandesgericht Pott und die Richterin am Oberlandesgericht
Speich
am 28. Juli 2010
b e s c h l o s s e n :
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 3. Strafkammer des Landgerichts
Koblenz vom 25. Juni 2010 aufgehoben, soweit sich die Kammer für örtlich unzuständig erklärt hat.
Die Beschwerde wird insoweit als unbegründet verworfen, als sie sich gegen die Ablehnung der
Verbindung des Verfahrens mit dem bei der Kammer anhängigen Verfahren 2090 Js 48873/09 – 3 KLs
Verbindung des Verfahrens mit dem bei der Kammer anhängigen Verfahren 2090 Js 48873/09 – 3 KLs
StA Koblenz richtet.
G r ü n d e :
I.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat unter dem 7. Mai 2010 Anklage gegen K. D. zur 3. Strafkammer des
Landgerichts Koblenz erhoben. Dem Angeschuldigten werden hierin zwei schwere Bandendiebstähle zur
Last gelegt, die er am 8. Januar 2002 in K. gemeinschaftlich handelnd u.a. mit zwei weiteren
Bandenmitgliedern, dem Dr. R. und dem A. C., begangen haben soll.
Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, dieses Verfahren mit dem weiteren, bei der Kammer bereits
rechtshängigen Strafverfahren 2090 Js 48873/09 – 3 KLs StA Koblenz zu verbinden, das sich gegen Dr.
R., A. C. sowie B. D. richtet. Gegenstand jenes Verfahrens sind - neben den beiden vorgenannten
schweren Bandendiebstählen – mehr als 40 weitere Straftaten. Alle drei Angeklagten befinden sich seit
29. November 2009 (R. und D.) bzw. 3. Dezember 2009 (C.) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die
Kammer hat dieses Verfahren mit Beschluss vom 5. Mai 2010 eröffnet und die Anklage zur
Hauptverhandlung zugelassen. Mit der Hauptverhandlung soll am 3. August 2010 begonnen werden,
Fortsetzungstermine sind für den 4. August 2010 und sodann zweimal wöchentlich bis Ende 2010
vorgesehen.
Mit Beschluss vom 25. Juni 2010 hat die 3. Strafkammer die Verbindung beider Verfahren abgelehnt und
sich für örtlich unzuständig erklärt. Gegen diese, ihr am 23. Juli 2010 zugeleitete Entscheidung hat die
Staatsanwaltschaft Koblenz am selben Tag Beschwerde eingelegt, der die Kammer durch Beschluss vom
26. Juli 2010 nicht abgeholfen hat.
II.
1.
Die gemäß § 304 Abs. 1 statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (Erb in Löwe-Rosenberg,
StPO, 26. Aufl., § 16 Rdn. 16; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 16 Rdn. 7, jew. m. w. N.) hat in der Sache
insoweit Erfolg, als sich die 3. Strafkammer durch den angefochtenen Beschluss für örtlich unzuständig
erklärt hat.
Der Kammer ist zwar darin zuzustimmen, dass sich ihre örtliche Zuständigkeit weder unter dem
Gesichtspunkt des Tatortes (§ 7 Abs. 1 StPO), des Wohnsitzes (§ 8 Abs. 1 StPO) noch des
Ergreifungsortes (hier Hamburg, § 9 StPO) ergibt.
Die örtliche Zuständigkeit folgt jedoch - unabhängig von der Frage der Verbindung und dem
unterschiedlichen Verfahrensstadium (vgl. BGH NJW 1996, 447) - aus §§ 3, 13 StPO, weil das gegen den
Angeschuldigten D. und das gegen die Angeklagten R., D. und C. gerichtete Verfahren
zusammenhängende Strafsachen darstellen. Nach § 13 Abs. 1 StPO ist ein Gerichtsstand für
zusammenhängende Strafsachen, die einzeln nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11 StPO zur
Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden, bei jedem Gericht begründet, das für eine der
Strafsachen zuständig ist. Ein Zusammenhang in diesem Sinne ist nach § 3 StPO unter anderem dann
gegeben, wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter oder Teilnehmer beschuldigt werden (vgl. BGH
NStZ 2009, 221 Rdn. 3, zit. n. juris). Dies ist hier der Fall, da der Angeklagte D. die beiden ihm zur Last
gelegten Bandendiebstähle gemeinschaftlich mit den Angeklagten R. und C. begangen haben soll.
Der Gerichtsstand nach § 13 Abs. 1 StPO setzt zwar voraus, dass verschiedene Gerichte gleicher Ordnung
nach §§ 7 bis 11 StPO örtlich zuständig sind (Meyer-Goßner § 13 Rdn. 2 m.w.N.); darauf, dass für das
Verfahren gegen den Angeschuldigten D. ein Gericht niederer Ordnung zuständig wäre, hat die Kammer
bei ihrer Entscheidung jedoch nicht abgestellt.
2.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, soweit das Landgericht die Verbindung beider Verfahren
abgelehnt hat.
Sind bei derselben Strafkammer mehrere Verfahren anhängig, die bereits zusammen hätten angeklagt
werden können, so entscheidet, wie sich aus § 2 Abs. 2 StPO ergibt, allein die Zweckmäßigkeit über eine
getrennte oder verbundene Entscheidung (Meyer-Goßner, Die Verbindung von Strafsachen beim
Landgericht, NStZ 2004, 353, 355).
Verfahren, die – wie die beiden vorliegenden Verfahren – im Sinne des § 3 StPO in einem persönlichen
bzw. sachlichen Zusammenhang stehen, sind grundsätzlich zusammen zu verhandeln, um eine
Verdoppelung der Beweisaufnahme, aber auch eine unterschiedliche Beurteilung desselben
Sachverhalts durch unterschiedliche Gericht zu verhindern (Senatsbeschlüsse 2 Ws 390/07 vom
30.7.2007 und 2 Ws 316/04 vom 25.5.2004; Meyer-Goßner § 2 Rdn. 2 m.w.N.). Dies gilt besonders, wenn
die sämtlichen Angeklagten zur Last gelegten Taten durch den Vorwurf des bandenmäßigen Vorgehens
sachlich miteinander verbunden sind und die Bandenstruktur (prozessökonomisch) nur im Rahmen der
gemeinsamen Hauptverhandlung gegen alle Angeklagten geklärt werden kann (Senatsbeschlüsse 2 Ws
170/10 vom 5.5.2010 und 2 Ws 390/07, s.o.). Damit wird in der Regel auch dem Recht der Angeklagten
auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren und dem Beschleunigungsgebot entsprochen (vgl. BVerfG StV
2002, 578).
Vorliegend kommt die nach diesen Grundsätzen eigentlich gebotene Verfahrensverbindung jedoch nicht
mehr in Betracht, da sie wegen des Verfahrensstandes des gegen R., D. und C. gerichteten
Strafverfahrens unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht mehr durchführbar ist.
Die gegen den Angeschuldigten D. gerichtete Strafsache befindet sich im Zwischenverfahren; die Kammer
hat zunächst über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage zur
Hauptverhandlung zu entscheiden. Eine Verbindung beider Verfahren hätte somit zur Folge, dass mit der
gemeinsamen Hauptverhandlung nicht - wie im Verfahren 2090 Js 48873/09 – 3 KLs terminiert - am 3.
August 2010 begonnen werden könnte. Vielmehr wären die in der Strafsache R. mit allen fünf Verteidigern
abgestimmten Hauptverhandlungstermine aufzuheben und neu zu bestimmen. Eine
Verfahrensverbindung würde zum jetzigen Zeitpunkt daher dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen
widersprechen und die Angeklagten R., D. und C., die sich jeweils seit über sechs Monaten in
Untersuchungshaft befinden, in ihrem Recht auf einen zügigen Abschluss des Verfahrens (Art. 5 Abs. 3
Satz 1 Halbs. 2 MRK) verletzen.