Urteil des OLG Karlsruhe vom 01.02.2016

aussetzung, rechtsbeistand, strafprozessordnung, aktiven

OLG Karlsruhe Beschluß vom 1.2.2016, 2 Ws 572/15
Leitsätze
Eine Beschwerde des Nebenklägers gegen einen Aussetzungsbeschluss nach § 228
Abs. 1 Satz 1 StPO ist nicht zulässig.
Tenor
1. Die Beschwerde der Nebenklägerin A. B. gegen den Beschluss des Landgerichts
Freiburg vom 4. November 2015 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Nebenklägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem
Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu
tragen.
Gründe
I.
1 Dem Angeklagten wird neben einem Meineid u.a. auch eine Nachstellung (§ 238
StGB) zur Last gelegt. Die Beschwerdeführerin hat sich dem Verfahren als
Nebenklägerin angeschlossen. Am 13.10.2015 begann die
Berufungshauptverhandlung beim Landgericht Freiburg, die am 14.10.2015
fortgesetzt wurde. Die weiteren Fortsetzungstermine am 03.11.2015 und 04.11.2015
fanden jeweils in Abwesenheit des Angeklagten statt, da dieser - im
Zusammenhang mit einer unmittelbar vor Terminsbeginn seitens der Nebenklägerin
veranlassten Taschenpfändung - erhebliche gesundheitliche Beschwerden geltend
machte; die hinzugezogenen Rettungssanitäter hielten eine genauere ärztliche
Abklärung im Universitätsklinikum Freiburg für geboten. Diese ergab nach Auskunft
der Ärztin der Notaufnahme, dass der Angeklagte einen „frischen Herzinfarkt“ erlitten
habe und stationär aufgenommen worden sei, wobei weitere Untersuchungen
geboten seien. Als sich der Angeklagte am Nachmittag des 04.11.2015 immer noch
in stationärer Behandlung befand und ein Fortsetzungstermin bei einer
Nichtberücksichtigung des Termins vom 03.11.2015 (vgl. hierzu BGH NStZ 2009,
168 einerseits und BGH, Beschluss vom 30.06.2015 - 3 StR 202/15 -, juris,
andererseits) spätestens am 06.11.2015 hätte stattfinden müssen (zur
Fristberechnung vgl. BGH, Beschluss vom 3.03.2014 - 3 StR 408/13 -, juris), eine
Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten bis zu diesem Zeitpunkt ungewiss und der
Verteidiger am 06.11.2015 durch einen anderen Termin verhindert war, setzte die
Strafkammer nach Anhörung von Staatsanwaltschaft, Nebenklägervertreterin und
Verteidiger die Hauptverhandlung mit Beschluss vom 04.11.2015 aus; ein neuer
Termin sollte später von Amts wegen bestimmt werden.
2 Gegen diesen Beschluss legte die Nebenklägerin durch ihren Rechtsbeistand mit
Schriftsatz vom 10.11.2015 Beschwerde ein. Zur Begründung rügte sie die
Verfahrensverzögerung und vertrat die Ansicht, eine Verhandlungsunfähigkeit habe
nicht vorgelegen; im Übrigen hätte auch in Abwesenheit des Angeklagten
verhandelt werden können. Ferner habe es sich bei dem 04.11.2015 um einen
fristunterbrechenden Verhandlungstag im Sinne des § 229 StPO gehandelt.
3 Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat unter dem 04.12.2015 auf Verwerfung
der Beschwerde als unbegründet angetragen. Der Verteidiger hält die Beschwerde
für unzulässig, da die Nebenklägerin nicht beschwert sei.
II.
4 Die Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss vom 04.11.2015 ist als
unzulässig zu verwerfen, da eine solche im Fall der Nebenklage nicht statthaft ist.
5 Angesichts der bei einer Beschwerde des Nebenklägers von vornherein fehlenden
Zulässigkeit bedarf es keiner Entscheidung, ob eine solche ungeachtet der
Regelung des § 305 Satz 1 StPO bei einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft oder
des Angeklagten gegeben wäre (vgl. die überwiegend differenzierende Ansicht:
OLG Karlsruhe Justiz 1977, 277; NStZ 1985, 227; OLG Brandenburg NStZ 2014,
176; OLG Stuttgart Justiz 2000, 91; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 142; OLG
Frankfurt StV 1988, 195; KK-Gmel, StPO, 7. Aufl. 2013, § 228 Rn. 14; Meyer-
Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 228 Rn. 16; LR-StPO/Becker, 26. Aufl.
2009, § 228 Rn. 40; SK-StPO/Deiters/Albrecht, 5. Aufl. 2015, § 228 Rn. 21;
Radtke/Hohmann/Britz, StPO, 1. Aufl. 2011, § 228 Rn. 29; SSW-Grube, StPO, 2.
Aufl. 2016, § 228 Rn. 28; HK-StPO/Julius, 5. Aufl. 2012, § 228 Rn. 11; generell
ablehnend: KMR-Eschelbach, StPO, Stand Mai 2006, § 228 Rn. 32).
6 Die prozessualen Rechte des Nebenklägers sind seit der Neuregelung durch das
Opferschutzgesetz vom 18.12.1996 (BGBl. I Seite 2496) und dem 2.
Opferrechtsreformgesetz vom 29.07.2009 (BGBl. I Seite 2280) in der
Strafprozessordnung im Wege der Einzelregelung abschließend normiert worden
(vgl. zum Opferschutzgesetz Rieß/Hilger NStZ 1987, 145, 154). Dessen Befugnisse
in der Hauptverhandlung, insbesondere aktiven Möglichkeiten, ergeben sich jeweils
abschließend aus § 397 Abs. 1 Sätze 3 und 4 StPO, die Anfechtungsbefugnisse
aus § 400 StPO. Weitergehende Rechte stehen dem Nebenkläger grundsätzlich
nicht zu; er hat insbesondere keine der Staatsanwaltschaft entsprechende
Rechtsstellung inne (KK-Senge, aaO, § 397 Rn. 1; Radtke/Hohmann/Merz, aaO, §
397 Rn. 11; SSW-Schöch, aaO, § 397 Rn. 9). Der Nebenkläger ist demzufolge nur
zur Rechtsmitteleinlegung befugt, soweit er in seiner Rechtsstellung beschwert ist
(Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 400 Rn. 1; vgl. auch KK-Senge, aaO, § 400 Rn. 4).
Angesichts dieser eingeschränkten Rechtsstellung steht dem Nebenkläger nicht zu,
die Aussetzung der Hauptverhandlung zu verlangen (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, §
397 Rn. 6 a.E.; SK-StPO/Velten, aaO, § 397 Rn. 10; Radtke/Hohmann/Merz, aaO, §
397 Rn. 11; SSW-Schöch, aaO, § 397 Rn. 9; einschränkend LR-StPO/Hilger, aaO, §
397 Rn. 11 bei besonderer - hier nicht gegebener - Konstellation).
7 Da der Nebenkläger eine Aussetzung der Hauptverhandlung nicht wirksam
beantragen kann, ist die Anfechtung einer solchen Entscheidung ebenfalls
ausgeschlossen, da auch sie dessen (eingeschränkte) Rechtsstellung nicht berührt.
III.
8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Sätze 1 und 3 StPO.