Urteil des OLG Karlsruhe vom 05.02.2016

hausordnung, dvd, besucher, genehmigung

OLG Karlsruhe Beschluß vom 5.2.2016, 2 Ws 449/15
Leitsätze
Die Justizvollzugsanstalt darf die Übergabe von Gegenständen durch einen
Sicherungsverwahrten an einen Besucher von der vorherigen Einholung ihrer
Erlaubnis abhängig machen.
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts
Freiburg vom 6. August 2015 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen
zu tragen (§ 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
3. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.- EUR
festgesetzt (§§ 65, 60, 52 GKG).
Gründe
I.
1 Der Antragsteller befindet sich seit dem 09.07.2013 im Vollzug der Maßregel der
Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt A. Mit Verfügung der
Antragsgegnerin vom 10.01.2014 war der Antrag des Antragstellers, während
eines Besuchs am 10.01.2014 eine DVD an eine Besucherin herauszugeben, von
einem Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt im Hinblick auf eine fehlende
Vorabgenehmigung mündlich untersagt worden. Der Untergebrachte durfte an den
Besuch nur mitgebrachtes Brot und Zeitschriften übergeben. In der Hausordnung
der JVA der Abteilung für Sicherungsverwahrte (Stand Dezember 2013) sind unter
Ziffer 12 die Voraussetzungen und der Ablauf von Besuchen/Langzeitbesuch
geregelt. Dort ist u.a. ausgeführt: „Die Übergabe oder der Empfang weiterer
Sachen muss zuvor genehmigt werden.“
2 Sein als Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit auszulegender Antrag auf
gerichtliche Entscheidung vom 13.01.2014 wurde, nachdem die Antragsgegnerin
23.01.2014 Stellung zu dem Antrag genommen hatte und der Antragsteller mit
Schreiben vom 10.02.2014 hierzu eine Stellungnahme abgab, durch Beschluss
der Strafvollstreckungskammer Freiburg vom 06.08.2015 als unbegründet
zurückgewiesen. Zuvor hatte er unter anderem wegen dieses Verfahrens mit
Schreiben vom 02.08.2015 eine Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG erhoben.
II.
3 Die den Erfordernissen des § 118 StVollzG entsprechende Rechtsbeschwerde ist
zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung
zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen, § 116 Abs. 1 StVollzG. Der Fall gibt
Veranlassung, Rechtsfragen, die sich aus der Regelung des § 24 Abs. 3 JVollzGB
V ergeben und die durch obergerichtliche Entscheidungen nicht hinreichend
geklärt sind, zu klären.
4 1. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Antragsgegnerin mit dem
Fehlen einer vorherigen Genehmigung begründete Verweigerung der Abgabe
einer im Besitz des Untergebrachten stehenden DVD an seine Besucherin hat den
Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
5 Die Maßnahme hat ihre Rechtsgrundlage in § 24 Abs. 3 Satz 1 des am 01.06.2013
in Kraft getretenen JVollzGB V. Diese Regelung entspricht den in § 21 JVollzGB III
getroffenen Regelungen zur Überwachung von Besuchen in der Strafhaft. Nach
der Gesetzesbegründung war unter dem Gesichtspunkt des Abstandsgebots eine
abweichende Regelung von der bewährten Regelung des § 21 JVollzGB III nicht
angezeigt (LT-Drs. 15/2450, Seite 71). Die Untergebrachten können danach (im
Einzelfall) einen Antrag auf Übergabe bestimmter Gegenstände beim Besuch
stellen (Beck-OK/Dorsch, JVollzGB V, Stand 01.10.2015, § 24 Rn. 8).
6 Soweit die Hausordnung der Antragsgegnerin in Ziffer 12 verlangt, dass die
Übergabe von weiteren Sachen (als Geld und genannte Genussmittel) an
Besucher zuvor von der Anstalt genehmigt werden muss, wird dies von der
gesetzlichen Grundlage in § 24 Abs. 3 Satz 1 JVollzGB V - dass Gegenstände nur
mit Erlaubnis übergeben werden dürfen - getragen. Dabei ist die Hausordnung
selbst keine Rechtsgrundlage für Eingriffe in Rechte der Untergebrachten. Hier
aufgeführte Einschränkungen für die Untergebrachten müssen sich aus anderen
Normen des Strafvollzugsrechts begründen lassen (BVerfG StV 1996, 499; BVerfG
NStZ 1998, 103). Da die Hausordnung keine einzelnen Angelegenheiten regelt, ist
sie auch nicht selbstständig rechtlich anfechtbar (Arloth, StVollzG 3. Aufl., § 109
Rn. 10 mwN). Die Hausordnung einer Justizvollzugsanstalt ist jedoch ein in der
vollzuglichen Praxis wichtiges Regelwerk, um die Untergebrachten über den
Tagesablauf in der Anstalt und über ihre wesentlichen Rechte und Pflichten zu
informieren (LT-Drs. 14/5012, Seite 175). Dass der gerichts- und hafterfahrene
Untergebrachte die seit 2013 gültige Hausordnung nicht kannte, hat er weder
vorgetragen noch ist dies ersichtlich. Damit war ihm bereits vor dem
streitgegenständlichen Besuch bekannt gemacht, dass die Übergabe von
Gegenständen an einen Besucher von einer vorherigen Genehmigung durch die
Antragsgegnerin abhängig ist.
7 Das in der Hausordnung der Antragsgegnerin in Ziffer 12 enthaltene Erfordernis
der „Vorabgenehmigung“ der Übergabe von einzelnen Gegenständen an
Besucher überschreitet nicht das der Antragsgegnerin in § 24 JVollzGB V
eingeräumte Ermessen. Die vorgegebene Verfahrensweise schränkt die Rechte
der Untergebrachten nicht in wesentlichem Ausmaß ein. Da gemäß § 24 Abs. 3
Satz 1 JVollzGB V Gegenstände bei einem Besuch von einem Untergebrachten
an die Besucher nur mit Erlaubnis der Justizvollzugsanstalt übergeben werden
dürfen, bedarf eine Übergabe schon nach dem Wortlaut der Vorschrift
grundsätzlich der vorherigen Erlaubnis der Justizvollzugsanstalt, die sonst das ihr
nach dem Gesetz zustehende formale Kontrollrecht tatsächlich
verwaltungstechnisch nicht ausüben könnte. Ob und inwieweit die
Justizvollzugsanstalt die Genehmigung von bestimmten Voraussetzungen
abhängig macht, unterliegt ihrem Ermessen, dessen Ausübung durch das
Willkürverbot begrenzt wird (OLG Hamm ZfStrVo 1994, 118; LNNV/Laubenthal,
StVollzG, 12. Aufl. 2015, Abschnitt E, Rn. 46 mwN). Die Antragsgegnerin hat ihr
Ermessen in der für alle Untergebrachten geltenden Hausordnung nach diesen
Maßstäben rechtsfehlerfrei ausgeübt, indem sie eine Genehmigung vorsieht, die
eine Antragstellung durch den Untergebrachten vor einem geplanten Besuch
verlangt. Da ein Untergebrachter einen konkreten Besuchstermin jeweils im
Voraus kennt, ist es ihm auch ohne weiteres zumutbar, einen entsprechenden
Antrag zeitlich vor dem Besuchstermin zu stellen, um der Justizvollzugsanstalt eine
Prüfung und Entscheidung zu ermöglichen.
8 Die genannte Regelung in Ziffer 12 der Hausordnung ist darüber hinaus auch im
Hinblick auf § 59 JVollzGB V rechtmäßig. Dieser regelt, dass Untergebrachte nur
Sachen in Gewahrsam haben dürfen, die ihnen mit Zustimmung der
Justizvollzugsanstalt überlassen werden. Nach § 59 Abs. 1 Satz 2 JVollzGB V
dürfen von einem Untergebrachten Sachen ohne Zustimmung der
Justizvollzugsanstalt auch nicht abgegeben werden, außer solche von geringem
Wert. Als weitere Verhaltensvorschrift regelt § 59 JVollzGB V zusammenfassend
übergreifende Gewahrsamsfragen, die teilweise über die Bestimmung des
Abschnitts „Sicherheit und Ordnung“ i.e.S. hinausgehen, sinnvollerweise aber
gemeinsam zu regeln sind. Dabei liegt die Entscheidung über den Gewahrsam
grundsätzlich bei der Vollzugsbehörde. Ausnahmen gelten lediglich für Sachen
von geringem Wert. Die Norm entspricht nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs.
15/2450, Seite 79) der bewährten Regelung des § 63 JVollzGB III. Eine
Abweichung unter dem Gesichtspunkt des Abstandsgebots erschien dem
Gesetzgeber auch insoweit nicht angezeigt (Beck-OK/Maurer, JVollzGB V, Stand
01.10.2015, § 59 Rn. 3; zum Zustimmungsvorbehalt JVollzGB III, § 63 Rn. 1-4).
9 Der Senat hat keine Bedenken, dass § 24 und § 59 JVollzGB V
verfassungsgemäß sind. Der Zweck des Maßregelvollzugs rechtfertigt es, dem
Untergebrachten die persönliche Benutzung seiner ihm gehörenden Sachen als
Folge seiner Unterbringung grundsätzlich zu beschränken bzw. vorzuenthalten
und hierdurch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, der insbesondere die
Aufgabe zukommt, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im
vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine
eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen, einzuschränken
(vgl. zu Einschränkungen der Eigentums-garantie BVerfG NStZ-RR 2007, 92;
BVerfG, NVwZ 2014, 211 mwN; Senat, Beschluss vom 7.10.2015 - 2 Ws 328/15 -,
NStZ-RR 2015, 392). Von daher begegnet es entgegen der Rechtsansicht des
Antragstellers keinen Bedenken, wenn aufgrund einer gesetzlichen Regelung die
Justizvollzugsanstalt vor Abgabe von im Eigentum eines Untergebrachten
stehenden Sachen an Dritte diese Abgabe formal erlauben muss. Dies ist für die
Justizvollzugsanstalt schon deshalb erforderlich, um über die in der Anstalt
befindliche Habe der einzelnen Untergebrachten informiert zu sein. Sachlicher
Hintergrund sind neben behandlerischen vor allem sicherheitsrechtliche Aspekte.
Das Eigentumsrecht des Antragstellers wird durch das vorgeschriebene formale
Verfahren auch nur geringfügig tangiert.
10 Vorliegend hat die Antragsgegnerin auf Grundlage der rechtsgültigen Hauordnung
rechtsfehlerfrei - und nicht willkürlich, wie der Antragsteller meint - die Herausgabe
einer DVD des Untergebrachten an eine Besucherin untersagt, da diese
Herausgabe nicht wie in der Hausordnung verlangt „zuvor“ - d.h. vor
Besuchsbeginn - genehmigt wurde. Dass die Hausordnung auf der gesetzlichen
Grundlage der § 24 Abs. 1 Satz 3 JVollzGB V dies zuvor verlangt, ist im Hinblick
auf die in ihrer Hand liegende Organisation des Vollzugsablaufs nicht zu
beanstanden. Insoweit geht die Rüge des Antragstellers, dass die Genehmigung
auch noch während des Besuchs hätte erteilt werden können, ins Leere. Da es
sich bei einer DVD - im Gegensatz zu Brot und Zeitschriften - um einen
Gegenstand handelt, über den in der Kammer in Bezug auf die Habe des
Untergebrachten aus vollzugsorganisatorischen Gründen wie aus
Sicherheitsgründen Buch geführt wird, ist auch nicht zu beanstanden, dass die
Antragsgegnerin bei der DVD anders vorging als bei den anderen beiden
Gegenständen, die zudem (anders als die DVD) als geringwertig einzustufen sind.