Urteil des OLG Karlsruhe vom 26.03.2014

OLG Karlsruhe: öffentliche bekanntmachung, stadt, treu und glauben, nichtigkeit, negative feststellungsklage, verbot der diskriminierung, erneuerbare energien, einstweilige verfügung, gemeinderat

OLG Karlsruhe Urteil vom 26.3.2014, 6 U 68/13 (Kart)
Kartellrechtlich begründete Nichtigkeit eines Konzessionsvertrags nach § 46 Abs. 2 EnWG
Leitsätze
Der Altkonzessionär, der sich an einem Konzessionsverfahren für einen Vertrag gemäß § 46
Abs. 2 EnWG beteiligt hat, ist von einer Konzessionsvergabeentscheidung der Gemeinde, die
zugunsten eines anderen Bieters getroffen wurde, in besonderer Weise betroffen, weil er im
Falle des Rechtsbestands des Konzessionsvertrages zur Übereignung der notwendigen
Verteilungsanlagen an den Neukonzessionär verpflichtet ist (§ 46 Abs. 2 S. 2 EnWG). Er kann
deshalb die aus § 134 BGB folgende Nichtigkeit des Konzessionsvertrags wegen Verstoßes
gegen die Anforderungen aus §§ 1, 46 Abs. 1, 2 EnWG und § 20 GWB a.F. selbst dann geltend
machen, wenn er von der Möglichkeit, vor Abschluss des Konzessionsvertrags eine
Unterlassungsverfügung gegen die Gemeinde zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht hat
(Fortführung von BGH Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12).
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 03.05.2013
(Az. 22 O 33/12 Kart.) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Übergabe und
Übereignung der im Eigentum der Klägerin befindlichen Stromnetzverteilungsanlagen auf dem
Gebiet der Stadt Achern sowie der Gemeinden Sasbach, Sasbachwalden, Renchen und
Rheinau hat.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht
die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, von der Klägerin die Übergabe
und Übereignung der im Eigentum der Klägerin befindlichen Stromnetzverteilungsanlagen
auf dem Gebiet der Stadt Achern und der Gemeinden Sasbach, Sasbachwalden, Renchen
sowie Rheinau zu fordern.
2 Zwischen der Klägerin und diesen Gemeinden bestanden Konzessionsverträge, in
welchen sich die Gemeinden verpflichteten, der Klägerin ihre öffentlichen Wege für die
Verlegung und den Betrieb von Stromleitungen gegen Zahlung von Konzessionsabgaben
zur Verfügung zu stellen. Die Konzessionsverträge zwischen der Klägerin und den
Gemeinden endeten wie folgt: Achern am 31.12.2012, Rheinau am 20.07.2012,
Sasbachwalden am 30.09.2012, Sasbach am 01.11.2012 und Renchen am 10.02.2013.
3 Unter dem 19.11.2009 hat die Stadt Achern das Ende des Konzessionsvertrages zum
31.12.2012 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht und interessierte
Unternehmen aufgefordert, ihr Interesse am Abschluss eines
Anschlusskonzessionsvertrages zu bekunden. In vergleichbarer Weise sind die übrigen
Kommunen vorgegangen. Beide Parteien haben jeweils ihr Interesse bekundet.
4 Bereits am 04.06.2009 wandte sich der von verschiedenen Gemeinden beauftragte
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater X an interessierte Energieunternehmen und teilte mit,
dass die Gemeinden die sich aus dem Auslaufen der Konzessionsverträge ergebenden
Möglichkeiten auch dazu nutzen möchten, eine gemeinsame und einheitliche
Vorgehensweise zu verfolgen. Neben der einheitlichen Konzessionsvergabe sollte die
Gründung eines Regionalwerks unter Beteiligung Dritter die Gründung kleinerer Einheiten
bis hin zu einzelnen Gemeinde-/Stadtwerken erwogen werden. Mit Schreiben vom
23.07.2009 erfolgte eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung der beteiligten
Gemeinden mit der Aufforderung, Vorstellungen zur Entwicklung eines Regionalwerks zu
präsentieren. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Kopien
der beiden Schreiben (Anl. B1 und 2) Bezug genommen.
5 Mit Schreiben vom 06.04.2010 (Anl. B 3) wurde den Interessenten mitgeteilt, verschiedene
Gemeinden würden sich zu einer Gesellschaft zusammenschließen, deren Zweck unter
anderem der Betrieb von Strom- und Gasnetzen sowie der Vertrieb von Strom und Gas
sein werde. Mit Schreiben vom 19.05.2010 wurden die interessierten
Elektrizitätsunternehmen aufgefordert, zu darin aufgeführten Fragen/Kriterien Stellung zu
nehmen, die sowohl die Konzession als auch insgesamt die Neustrukturierung der
Energieversorgung in der Region betrafen. Wegen der Einzelheiten wird auf die der
Beklagten vorgelegte Kopie dieses Schreibens (Anl. B4) Bezug genommen.
6 Mit Schreiben vom 12.07.2010 (Anl. K4) erklärte die Klägerin ihr Interesse am Abschluss
eines Konzessionsvertrages für die Versorgung mit Strom. In der Folgezeit führten die
Klägerin und die Gemeinden, die sich zu einem Regionalwerk Oberrhein
zusammenschließen wollten (so genannte RWO-Gemeinden) und die durch den
Oberbürgermeister der Stadt Achern, die Kämmerer der Städte Achern, Rheinau und
Iffezheim sowie den externen Berater Wirtschaftsprüfer und Steuerberater X vertreten
wurden, Verhandlungen, die sich bis Sommer 2011 hinzogen. Basis der Verhandlungen
mit der Klägerin war dabei der von den Gemeinden an die Klägerin herangetragene
Wunsch nach der Gründung eines voll funktionsfähigen Regionalwerks, in das die Strom-
und Gasnetze eingebracht werden sollten. Mit Schreiben vom 12.07.2010 hatte die
Klägerin mitgeteilt, über eine regionale Netzgesellschaft zu verhandeln. Im weiteren
Verlauf der Verhandlungen erklärte die Klägerin ihre Bereitschaft, die Stromnetze in eine
Gesellschaft unter der vorläufigen Bezeichnung RWO einzubringen, auch wenn die
Kommunen an dieser Gesellschaft die Mehrheit haben würden. Die Klägerin schlug vor,
das Stromnetz nach Erwerb durch das RWO zurück zu pachten und durch ihre
Tochtergesellschaft betreiben zu lassen, so dass das RWO Erlöse aus der
Netzverpachtung erzielt hätte. Alternativ bot die Klägerin auch ein so genanntes
unternehmerisches Modell an, bei dem das RWO Netzeigentümer und auch Netzbetreiber
würde. Dabei stellten die RWO-Kommunen detaillierte Nachfragen zum Pacht- und zum
unternehmerischen Modell, insbesondere in einem Schreiben des Wirtschaftsprüfers und
Steuerberaters X vom 31.01.2011 (Anl. K 5). Die Gemeinde Achern verlangte für die RWO-
Kommunen per E-Mail vom 10.03.2011 (Anl. K 6) auch einen Sitz im Aufsichtsrat der
Klägerin, was von elementarer Bedeutung sei. Mit Schreiben vom 15.04.2011 (Anl. K 7)
fasste Wirtschaftsprüfer und Steuerberater X die damalige Verhandlungsposition der
RWO-Gemeinden zusammen, woraus die Klägerin den Schluss zog, die neu zu
gründende RWO sollte Netzeigentümerin und Netzbetreibern werden. Nach dem
Verständnis der Kommunen sollte die Geschäftsführung mit einfacher Mehrheit ohne
Zustimmungsquorum gewählt werden. Oberste Prämisse sei, dass das Regionalwerk
kommunal geführt werde, weswegen Minderheitenrechte der Klägerin bei Verabschiedung
des Wirtschaftsplans nicht in Betracht kämen. In einem Schreiben vom 04.05.2011 (Anl. K
9) des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters X an die Klägerin heißt es:
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"In der heutigen Diskussion kam klar zum Ausdruck, dass sich die Vertragsparteien im
jetzigen Verhandlungszeitpunkt sehr nahe gekommen sind und es beiderseits
bedauerlich wäre, wenn das gemeinsam angestrebte Projekt am bestehenden Dissens,
insbesondere an der Mitbestimmung beim Wirtschaftsplan, der Ergebnisverwendung und
Feststellung des Jahresabschlusses (Stellungnahme zu Ihrem Punkt 6 in unserem
Schreiben vom 15.04.2011) scheitern würde."
8 Am 19.07.2011 erstellte die Verwaltung der Stadt Achern eine Beschlussvorlage für den
Gemeinderat, wonach eine Energiegesellschaft Regionalwerk Oberrhein gegründet
werden solle, deren Gesellschaftszweck der Verkauf umweltfreundlich erzeugter Energie
sei. An dieser Vertriebsgesellschaft sollten die Beklagte und die B AG & Co. KG als
bisheriger und zukünftiger Konzessionsnehmer Gas mit je 24,5 % der Gesellschaftsanteile
beteiligt werden. Das RWO sollte nicht mehr Inhaberin der Stromkonzession im
Gemeindegebiet der Stadt Achern und der übrigen Gemeinden und gegebenenfalls
Netzbetreibern werden. Vielmehr sollte die Konzession unmittelbar und direkt an die
Beklagte vergeben werden. Zugleich verzichteten die RWO Gemeinden nunmehr auf jede
kommunale Einflussnahme bezüglich der Besetzung des Geschäftsführerpostens beim
Konzessionsnehmer und Netzbetreiber. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der
Klägerin in Kopie vorgelegte Beschlussvorlage vom 19.07.2011 (Anl. K 10) Bezug
genommen. Am 25.07.2011 hat der Gemeinderat der Stadt Achern einen entsprechenden
Beschluss gefasst.
9 Am 15.11.2011 erstellte die Verwaltung eine Beschlussvorlage für den Gemeinderat der
Stadt Achern zu Tagesordnungspunkt 6 "Abschluss eines Konzessionsvertrages über die
Nutzung öffentlicher Verkehrswege zum Bau und Betrieb von Leitungen für die
Stromversorgung im Stadtgebiet" mit der Empfehlung, den Abschluss eines
Konzessionsvertrages mit der Beklagten für die Dauer von 20 Jahren zu beschließen. In
der Beschlussvorlage wird unter anderem ausgeführt:
10 „Die Bewerber haben sich intensiv in das Verfahren für die Vergabe der Konzession
eingebracht, das Verfahren als solches akzeptiert. Seitens der Bewerber sind bezüglich
des Verfahrens keine Einwände geltend gemacht worden, dies weder zu der formalen
Gestaltung des Verfahrens wie auch zu den seitens der Kommunen aufgestellten
Kriterien.
11 Im Rahmen der Abwägung der Angebote untereinander ist der Entwurf des
Konzessionsvertrages seitens [der Beklagten] vorzugswürdig und berücksichtigt die
kommunalen Interessen der Stadt am weitesten.
12 Die Verwaltung vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass die örtliche
Energieversorgung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesverwaltungsgerichts zum Schutzbereich der kommunalen
Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 3 Grundgesetz gehört. Daraus ergibt sich
eine weitere Auswahlkompetenz der Stadt im Rahmen einer Ermessensentscheidung,
deren Grenzen der Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot bilden. Die
Stadtverwaltung ist der Auffassung, dass sie bei der Auswahl von mehreren Bewerbern
um die Strom-Konzessionen die folgenden maßgeblichen Gründe festgestellt hat:
13 'Für die Stadt Achern erscheint die Vergabe der Strom-Konzession an [die Beklagte] für
die Erreichung von Zielen des Energiewirtschaftsgesetzes am besten geeignet, im
Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge die weitere Entwicklung der Infrastruktur in
der Stadt mitzugestalten.' … “
14 Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten in Kopie vorgelegte
Beschlussvorlage vom 15.11.2011 nebst Anlage Bezug genommen (Anl. B 6). Am
21.11.2011 beschloss der Gemeinderat der Stadt Achern entsprechend dem Vorschlag
der Beschlussvorlage.
15 Am 10.02.2012 schloss die Stadt Achern mit der Beklagten einen Konzessionsvertrag, am
15.02.2012 die Gemeinde Sasbachwalden, am 27.02.2012 die Gemeinde Rheinau, am
28.02.2012 die Gemeinde Renchen und am 07.03.2012 die Gemeinde Sasbach. Wegen
der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Kopien der
Konzessionsverträge (Anl. B 7 -Achern, B 9 -Sasbachwalden, B 10 -Rheinau, B 11 -
Renchen und B8 -Sasbach) Bezug genommen. Zuvor hatten die Gemeinderäte dieser
Gemeinden entsprechende Beschlüsse dazu gefasst.
16 Mit Abtretungsvertrag vom 10.02.2012 (Anl. B 17) hat die Stadt Achern ihren Anspruch auf
die Übernahme der Verteilungsanlagen aus dem Konzessionsvertrag mit der Klägerin
sowie alle mit der Netzübernahme in Zusammenhang stehenden vertraglichen und
gesetzlichen Haupt- und Nebenrechte, insbesondere Ansprüche auf eine Treu und
Glauben entsprechende Entflechtung des Verteilernetzes an die Beklagte abgetreten, die
die Abtretung angenommen hat. Gleich lautende Abtretungsvereinbarungen haben die
Gemeinden Sasbachwalden, Rheinau, Renchen und Sasbach abgeschlossen (Anl. B 18
bis B 21).
17 Die Klägerin hat bei der Kartellbehörde des Landes Baden-Württemberg beantragt, ein
Missbrauchsverfahren einzuleiten. Die Behörde hat von der Einleitung eines Verfahrens
jedoch abgesehen.
18 Mit Schreiben vom 14.03.2012 und 03.04.2012 (Anl. K 1, K 2) machte die Beklagte
gegenüber der Klägerin Ansprüche auf Übergabe und Übereignung der im Eigentum der
Klägerin stehenden Stromverteilungsanlagen auf dem Gebiet der Stadt Achern sowie der
Gemeinden Sasbach, Sasbachwalden, Renchen und Rheinau geltend. Hiergegen richtet
sich die von der Klägerin erhobene negative Feststellungsklage.
19 Die Klägerin ist der Auffassung, die zwischen der Stadt Achern, den übrigen Gemeinden
und der Beklagten abgeschlossenen Konzessionsverträge seien nichtig. Die Gemeinden
hätten alle einschlägigen Verfahrensregeln missachtet und insbesondere die Klägerin
über die Entscheidungskriterien im Unklaren gelassen. Soweit Kriterien ableitbar gewesen
seien, seien diese unzulässig gewesen und hätten eine Konzessionsvergabe nicht tragen
dürfen, über die nach § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG im Lichte der Ziele des § 1 EnWG hätte
entschieden werden müssen. So sei der Umstand, dass die Klägerin die günstigsten
Netznutzungsentgelte geboten habe, nicht berücksichtigt worden. Auswahlkriterien seien
nicht klar benannt worden; zudem sei die Auswahlentscheidung, wie das akzeptierte
Beteiligungskonzept zeige, nicht anhand der mitgeteilten Kriterien getroffen worden.
Gegenüber der Klägerin sei immer wieder der Eindruck entwickelt worden, den RWO-
Kommunen sei der unternehmerische Einfluss auf den Netzbetrieb besonders wichtig. Wie
die tatsächlich mit der Beklagten geschlossenen Verträge zeigten, habe dieses Verlangen,
an dem die Klägerin ihre Angebote ausgerichtet habe, später keine entscheidende Rolle
mehr gespielt. Wenn schon die entscheidungsrelevanten Parameter geändert würden,
dann sei es zwingend notwendig, alle Wettbewerber hierüber zu unterrichten und ihnen
Gelegenheit zu geben, ihr Angebot neu auszurichten. Das Verfahren sei auch deswegen
intransparent, weil zwischen der Konzessionsvergabe für das Netz und dem Vertrieb von
Energie nicht klar getrennt worden sei. Intransparent sei zudem, welcher Zusammenhang
zwischen der Beteiligung der Beklagten als Konzessionsnehmerin am RWO als reiner
Vertriebsgesellschaft, der Beteiligung der RWO-Kommunen an der Beklagten einerseits
und der Konzessionsvergabe an die Beklagte andererseits bestehe. Die Beschlussvorlage
für den Gemeinderat der Stadt Achern vom 19.07.2011 (Anl. K 10) bestätige den
Zusammenhang zwischen der Entscheidung über den Kooperationspartner und der
Konzessionsvergabe. Es werde bestritten, dass die Stadt Achern über die
Konzessionsvergabe anhand der in den Anlagen B 5 und B 6 genannten Kriterien
entschieden habe; die Entscheidung habe aufgrund anderer Aspekte bereits
festgestanden. Es werde auch bestritten, dass die Entscheidungen der übrigen
Gemeinden auf den in Anlagen B 5 und B 6 genannten Erwägungen beruhten. Jedenfalls
fehlten in diesen Anlagen Hinweise darauf, dass Aspekte, die in § 1 EnWG genannt sind,
eine Rolle bei der Vergabe gespielt hätten. Die Konzessionsverträge verstießen darüber
hinaus auch gegen das Nebenleistungsverbot von § 3 KAV. Eine verbotene
Nebenleistung sei mit den Regelungen in § 7 Abs. 2 und 3 des Konzessionsvertrages
verbunden. Unzulässig sei auch, dass die Beklagte das im Bereich der Erzeugung und
des Vertriebs von Energie tätige Regionalwerk Oberrhein mit ihrem vorhandenen Know-
how unterstützen solle, wie es die Sitzungsvorlage vom 25.07.2011 vorsehe (Anl. K 10).
Die einzige Leistung, die die Kommunen erbrächten, liege in der Bereitstellung des
Konzessionsvertrages. Angesichts dessen sei aber die Gegenleistung der Beklagten, die
in der Beteiligung der Kommunen am Erfolg des Vertriebsgeschäfts liege, unzulässig. Das
gesamte Konzessionsvergabeverfahren sei von Beginn an durch den Willen der
beteiligten Kommunen zur Rekommunalisierung der Energieversorgung und damit von
politisch-fiskalischen Aspekten überlagert gewesen. Dies zeige auch eine Äußerung des
Oberbürgermeisters der Stadt Achern, die am 25.09.2012 veröffentlicht worden sei (Anl. K
23).
20 Auf die Nichtigkeit der Konzessionsverträge könne sich die Klägerin auch berufen. Ein
Verstoß der Klägerin gegen § 242 BGB liege nicht vor. Schließlich könne sich die
Beklagte zur Rechtfertigung der geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf die
Abtretungen aus den Bestimmungen der abgelaufenen Konzessionsverträge berufen.
21 Die Klägerin hat beantragt:
22 Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Übergabe
und Übereignung der im Eigentum der Klägerin befindlichen
Stromnetzverteilungsanlagen auf dem Gebiet der Stadt Achern sowie der Gemeinden
Sasbach, Sasbachwalden, Renchen und Rheinau hat.
23 Die Beklagte hat beantragt:
24 Die Klage wird abgewiesen.
25 Die Beklagte hält die Klage mangels Rechtsschutzinteresses für unzulässig. Ein
stattgebendes Urteil wirke nur zwischen den Parteien, jedoch nicht gegenüber den
Kommunen. Jedenfalls nach Abschluss der Konzessionsverträge könne sich die Klägerin
nicht mehr auf Fehler im Vergabeverfahren zum Zwecke der Begründung von
Primärrechtsschutz berufen, sie sei vielmehr auf Schadensersatzansprüche gegen die
vergebende Stelle beschränkt. Die Klägerin habe im Laufe des Verfahrens mit zahlreichen
Verhandlungsrunden ausreichend Möglichkeiten gehabt, die von ihr behaupteten
Verfahrensmängel zu rügen und auf eine Behebung dieser Mängel zu dringen. Trotz
Nachfrage der Beklagten habe die Klägerin die gerügten Verfahrensmängel erst im
vorliegenden Rechtsstreit konkretisiert.
26 Die Kommunen hätten Verhandlungen sowohl über die ein energiewirtschaftliches
Kooperationskonzept als auch über die Vergabe der Strom- und Gasnetzkonzessionen
geführt. Beide Aspekte seien aber getrennt behandelt worden; es habe lediglich einen
organisatorischen Gleichlauf gegeben. Die Trennung komme auch dadurch zum
Ausdruck, dass letztlich in unterschiedlichen Gemeinderatssitzungen jeweils getrennt über
die Zusammenarbeit im Rahmen eines Kooperationsmodells und die Vergabe von
Konzessionen entschieden worden sei. Von Anfang an seien verschiedene Konzepte für
möglich erachtet und angesprochen worden, wie es aus dem Schreiben des
Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters X vom 04.06.2009 hervorgehe (Anl. B 1). Die
Kriterien, die für die beteiligten Kommunen maßgeblich sein sollten, seien im Schreiben
vom 19.05.2010 aufgeführt (Anl. B 4); dieses Schreiben habe den gemeinsamen Leitfaden
von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur vom 15.10.2010 und das Positionspapier
der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg vom 05.12.2011 noch nicht berücksichtigen
können. Gerade die Klägerin habe versucht, sich einen ungerechtfertigten Vorteil
gegenüber den Mitbewerbern zu verschaffen, indem konzessionsvertragsrechtlich
unzulässige Nebenleistungen angeboten worden seien. Zu berücksichtigen sei auch,
dass hinsichtlich der Verfahrensgestaltung der Kommunen auf den Beginn des
Vergabeverfahrens abzustellen sei, weshalb die Novellierung von § 46 Abs. 3 EnWG im
Jahre 2011 nicht berücksichtigt werden könne.
27 Nachdem mittlerweile die Konzessionen an die Beklagte vergeben worden seien, habe
die Beklagte einen gesetzlichen Anspruch gegen die Klägerin auf Übereignung der
genannten Stromverteilungsanlagen. Daneben könne die Beklagte auch aus
abgetretenem Recht von der Klägerin Übereignung verlangen. Die Konzessionsverträge
seien selbst dann nicht nichtig, wenn man unterstelle, dass die Kommunen bei der
Gestaltung des Verfahrens und der Auswahlentscheidung gegen Vorschriften verstoßen
hätten; anderenfalls werde unangemessen in die Rechtsposition der Beklagten
eingegriffen. Ein Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot von § 3 KAV liege nicht vor. Im
Übrigen bezögen sich die Vorwürfe der Klägerin nicht auf die Konzessionsverträge selbst,
sondern auf das Verfahren hinsichtlich der Auswahl der Kooperationspartner. Die
Beklagte jedenfalls sei schutzwürdig, von einer etwaigen Rechtswidrigkeit des
Vergabeverfahrens habe sie keine Kenntnis gehabt.
28 Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird,
hat das Landgericht die negative Feststellungsklage abgewiesen. Die Klage sei zulässig;
das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Beklagte sich eines Anspruchs
aus § 46 Abs. 2 EnWG berühmt habe. Auch bestünden keine Bedenken gegen die
Fassung des Klageantrags. Die Klage sei unbegründet, weil die abgeschlossenen
Konzessionsverträge nicht nichtig seien. Ob die Gemeinden bei der Entscheidung,
Konzessionsverträge mit der Beklagten abzuschließen, gegen §§ 19, 20 GWB, 46 Abs. 3
EnWG oder die aus europäischem Recht abgeleiteten Pflichten verstoßen hätten, könne
dahinstehen. Die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB setze grundsätzlich voraus, dass sich das
gesetzliche Verbot gegen die Vornahme gerade dieses Rechtsgeschäfts richte und beide
Parteien als Verbotsadressaten anspreche. Das sei nicht der Fall; die genannten
Vorschriften richteten sich nur an die Gemeinden. Eine Erstreckung der Nichtigkeitsfolge
des § 134 BGB auf diesen Fall sei nicht durch den Zweck der genannten Vorschriften
geboten. Zwar regele § 46 EnWG nicht nur das Verfahren, sondern auch teilweise die
materiellen Kriterien, nach denen sich die Vergabe der Konzession zu richten habe.
Daraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass sich diese Regelungen auch
an den neuen Konzessionsinhaber wendeten. Da dieser regelmäßig keine Kenntnis vom
Inhalt der Verhandlungen mit anderen Interessenten habe, könne ihm nicht die Teilnahme
am rechtswidrigen Verhalten der Gemeinde vorgeworfen werden. Es treffe nicht zu, dass
einem unterlegenen Bewerber keine effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine
Vergabeentscheidung zu Gebote stünden. Im Streitfall sei für die Klägerin von Anfang an
erkennbar gewesen, dass die Gemeinden die Entscheidungen über die strategische
Partnerschaft und die Auswahl des Konzessionärs in einem gemeinsamen Verfahren
vorbereiteten und dabei Kriterien für maßgeblich hielten, die eine klare Trennung der
beiden zu treffenden Entscheidungen nicht ermöglichen würden. Die Klägerin sei in der
Lage gewesen, sich hiergegen sowohl im laufenden Verfahren als auch nach der
Vergabeentscheidung zu wenden und ggf. Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zu stellen. Die Ziele des § 46 EnWG ließen sich bei Verstößen auch ohne
Nichtigkeit des Folgegeschäfts (Konzessionsvertrag) erreichen. Dies werde durch die
Parallele zum Vergabeverfahren bestätigt. Wie dort sei auch im Streitfall dem
unterlegenen Bewerber ein Vorgehen gegen den Auftraggeber zumutbar. Aus der
Beteiligung der Gemeinden in Höhe von 10,752 % an der Beklagten ergebe sich nichts
anderes. Die streitigen Konzessionsverträge seien auch nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 3
Abs. 2 KAV nichtig. Selbst wenn unzulässige Nebenleistungen vereinbart worden seien,
ziehe dies mit Rücksicht auf die in den Verträgen enthaltene salvatorische Klausel nicht
die Nichtigkeit des Gesamtvertrages nach sich. Auch die gegebenen Zusagen im
Zusammenhang mit der beabsichtigten Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens
führten nicht zur Nichtigkeit der Konzessionsverträge.
29 Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen
Feststellungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags weiterverfolgt. Die
Klägerin führt aus, der durch § 46 EnWG intendierte Wettbewerb um die Netze finde primär
im Interesse der Allgemeinheit statt. Nach § 46 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 EnWG solle derjenige
Bewerber ausgewählt werden, der als künftiger Inhaber des Wegenutzungsrechts am
besten geeignet sei, die Netze effizient und zuverlässig zu betreiben; dies ergebe sich aus
der mit der EnWG-Novelle 2011 eingeführten Klarstellung in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG.
Dieser Normzweck gebiete, dass ein unter Verstoß gegen die genannten Vorgaben
geschlossener Konzessionsvertrag nichtig sei. Anderenfalls stehe für die nächsten 20
Jahre fest, dass ein Inhaber des Wegenutzungsrechts nicht das Unternehmen sei, das im
Rahmen einer an den Zielen des § 1 EnWG orientierten Bestenauslese obsiegt habe.
Auch aus generalpräventiven Erwägungen sei die Nichtigkeitsfolge zwingend. Die
Begründung der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts sei widersprüchlich. Ob
anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden, sei gerade im Zusammenhang mit §
134 BGB aus Rechtsgründen irrelevant; im Übrigen sei effektiver Rechtsschutz auf Basis
der aktuellen Rechtslage wegen bestehender erheblicher Unsicherheiten nicht zu
erlangen. Im Streitfall habe die Klägerin erst nach Abschluss des Verfahrens erfahren,
dass die ihr mitgeteilten Kriterien entweder von Anfang an unzutreffend gewesen oder
nachträglich modifiziert worden seien. Eine analoge Anwendung des Kartellvergaberechts
scheide mangels Vergleichbarkeit der Interessenlage und mangels Bestehens einer
planwidrigen Regelungslücke aus. Die Berufung auf die Nichtigkeit der
Konzessionsverträge sei auch nicht treuwidrig; jedenfalls sei die Beklagte, die die
Fehlerhaftigkeit der Kriterien und ihrer Anwendung von Anfang an habe erkennen können,
nicht schutzwürdig. Zudem habe sich das Landgericht nicht mit dem geltend gemachten
Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB auseinandergesetzt. Diese träten als Verbotsgesetze
neben § 46 EnWG. Die unzureichende Benennung und Beachtung der Auswahlkriterien
begründe auch einen Verstoß gegen die genannten Vorschriften. Darüber hinaus habe
das Landgericht nicht beachtet, dass die getroffenen vertraglichen Regelungen gegen das
Verbot der Nebenleistungen in § 3 KAV verstoße. Die gesellschaftsrechtlichen
Vereinbarungen, die der Umsetzung des Beteiligungsmodells dienten, und der Abschluss
des Konzessionsvertrags seien in der Weise miteinander verknüpft, dass beide Geschäfte
miteinander „stehen und fallen“ sollten. Da es nahe liege, dass die auf
gesellschaftsrechtlicher Ebene getroffenen Vereinbarungen weitere Verstöße gegen das
Nebenleistungsverbot enthielten, werde erneut gem. § 142 ZPO beantragt,
30 der Beklagten, hilfsweise der Stadt Achern aufzugeben, den Gesellschaftsvertrag sowie
insbesondere den Konsortialvertrag einschließlich aller Nebenabreden offenzulegen, die
(unter anderem) die Beklagte und die Stadt Achern in Bezug auf die Energiegesellschaft
abgeschlossen haben.
31 Die im Laufe des Verfahrens erfolgte Änderung der Auswahlkriterien verstoße außerdem
gegen das aus dem europäischen Primärrecht folgende Transparenzgebot: Auch dies
führe mit Blick auf das Erfordernis des effet utile zur Nichtigkeit der Konzessionsverträge.
32 Schließlich habe das Landgericht ignoriert, dass auch verfassungsrechtliche Aspekte die
Nichtigkeit der abgeschlossenen Konzessionsverträge indizierten. Der mit dem Abschluss
eines neuen Konzessionsvertrags verbundene Entzug der Eigentumsposition des
Altkonzessionärs sei nur dann mit Art. 14 GG vereinbar, wenn dieser Entzug zugunsten
eines besser geeigneten Netzbetreibers gerechtfertigt sei.
33 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie verweist darauf, dass sie im
Auswahlverfahren um die Neukonzessionierung nur die Stellung eines Bewerbers
innegehabt habe. Den Inhalt der Verhandlungen zwischen der Klägerin und den
Gemeinden müsse sie daher mit Nichtwissen bestreiten. Die Beklagte als redliche
Bewerberin sei nicht der richtige Ansprechpartner für die von der Klägerin erhobenen
Vorwürfe. Unbeschadet dessen seien die geschlossenen Konzessionsverträge
rechtswirksam. Sie verstießen weder gegen § 1 noch gegen §§ 19, 20 GWB; der
Beklagten werde durch die Konzessionsverträge keine marktbeherrschende Stellung
eingeräumt. Auch die Vorgaben des § 46 Abs. 2 EnWG und der
Konzessionsabgabenverordnung seien gewahrt; jedenfalls führe die salvatorische Klausel
dazu, dass die Verträge allenfalls teilweise nichtig sein könnten. Ein Verstoß gegen
europarechtliche Vorgaben sei nicht ersichtlich.
34 Auch das Konzessionsverfahren weise keine Fehler auf, die zu einer Nichtigkeit der
abgeschlossenen Verträge führen könnten. Entsprechend dem Zweck des § 46 EnWG sei
ein wettbewerbliches Verfahren um den Abschluss der Konzessionsverträge durchgeführt
worden. Der Veröffentlichungspflicht nach § 46 Abs. 3 EnWG hätten die Gemeinden
genügt; weitere Anforderungen an das Verfahren enthalte § 46 EnWG nicht. Auch
hinsichtlich der materiellen Auswahlentscheidung enthalte das EnWG im Streitfall keine
Vorgaben. Der mit Wirkung zum 04.08.2011 im § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG aufgenommene
Verweis auf § 1 EnWG beinhalte keine abschließende Regelung der bei der
Auswahlentscheidung zugrunde zulegenden Erwägungen. Zudem hätten die Kommunen
nach Art. 28 Abs. 2 GG die Entscheidungsautonomie bei der ihnen durch § 46 EnWG
zugewiesenen Aufgabe der Auswahl des Betreibers; ihnen komme auch nach der
Neufassung des § 46 EnWG ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer
Beurteilungsspielraum zu. Damit seien die Kommunen bei der Ausgestaltung der
Auswahlkriterien weitgehend frei; lediglich bei der endgültigen Auswahlentscheidung
seien die Kommunen kraft gesetzlicher Vorgabe in § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG auch den
Zeilen des § 1 EnWG verpflichtet. Es stehe ihnen jedoch frei, neben diesen Zielen auch
andere kommunale Interessen zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen § 46 EnWG könne
nur dann vorliegen, wenn objektiv erkennbar eine wettbewerbswidrige Vergabe erfolgt sei,
die keinen Bezug zu den Zielen des § 1 EnWG aufweise. Für ein objektiv willkürliches
oder ein planmäßig andere Bewerber benachteiligendes Verfahren sei im Streitfall aber
nichts ersichtlich. Auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ziele des § 1
EnWG bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt worden seien.
35 Selbst wenn man aber Fehler des Konzessionsverfahrens annehme, sei die Klägerin mit
der Geltendmachung solcher Fehler im vorliegenden Verfahren präkludiert. Zwar fänden
die Vorschriften über das Vergabeverfahren (§§ 97 ff. GWB) auf das
Konzessionsvergabeverfahren keine Anwendung; jedoch rechtfertigten die Parallelen
zwischen beiden Verfahren, insbesondere mit Blick auf das Unterschwellenwertverfahren,
die entsprechende Anwendung der im Vergabeverfahren entwickelten Grundsätze. Die
Bewerber im Konzessionsverfahren hätten die Obliegenheit, Verfahrensverstöße zu rügen;
deren Verletzung führe dazu, dass sie im gerichtlichen Verfahren mit einer solchen Rüge
präkludiert seien. Dies sei auch im Interesse der Rechtssicherheit für den obsiegenden
Bieter geboten. Die Klägerin sei deshalb gehalten gewesen, ihre Einwände gegen das
Konzessionsverfahren bereits innerhalb desselben oder jedenfalls unmittelbar nach
Beschlussfassung im jeweiligen Gemeinderat geltend zu machen. Da dies nicht
geschehen sei, könne die Klägerin mit ihren Einwänden im vorliegenden Verfahren nicht
gehört werden.
36 Jedenfalls aber führten etwaige Verfahrensfehler nicht zur Gesamtnichtigkeit der
geschlossenen Verträge. Der Sinn des § 46 EnWG verlange eine solche Konsequenz
nicht; ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus §§ 19, 20 GWB. Die Nichtigkeitsfolge sei
unverhältnismäßig; sie bedeute einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die schutzwürdige
Rechtsposition des rechtmäßig handelnden obsiegenden Bewerbers.
37 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
38 Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte hat keinen Anspruch
auf Übergabe und Übereignung der im Eigentum der Klägerin befindlichen
streitgegenständlichen Stromnetzverteilungsanlagen. Sie ist nicht „neues
Energieversorgungsunternehmen“ im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG geworden, denn
die geschlossenen Konzessionsverträge sind nach § 134 BGB nichtig, weil die
Gemeinden mit der Auswahlentscheidung, die Konzession für den Netzbetrieb an die
Beklagte zu vergeben, gegen § 20 GWB verstoßen haben. Hierauf kann sich die Klägerin
als Altkonzessionärin im vorliegenden Verfahren berufen. Den Verstoß gegen § 20 GWB
kann die Klägerin gemäß § 404 BGB auch dem abgetretenen vertraglichen
Übereignungsanspruch entgegenhalten.
39 1. Die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage ergibt sich, wie das Landgericht
zutreffend ausgeführt hat, aus dem Umstand, dass die Beklagte sich eines Anspruchs auf
Übergabe und Übereignung der für die Durchführung der jeweiligen Konzessionsverträge
notwendigen Verteilungsanlagen berühmt hat (Anl. K 1, K 2). Ebenfalls zu Recht hat das
Landgericht angenommen, dass die fehlende Konkretisierung dieser Anlagen der
Zulässigkeit des Feststellungsantrags in der vorliegenden Konstellation nicht
entgegensteht. Auch in den genannten Schreiben werden die Anlagen nicht konkretisiert;
über die Frage, welche genauen Anlagen von dem behaupteten Übereignungsanspruch
erfasst werden, streiten die Parteien nicht.
40 2. Der Beklagten steht kein gesetzlicher Anspruch auf Übereignung der Netzanlagen nach
§ 46 Abs. 2 S. 2 EnWG zu.
41 a) Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG in der ab dem 04.08.2011 geltenden Fassung ist, wenn
Wegenutzungsverträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert werden, der bisher
Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen
Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen
Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen
Vergütung zu übereignen. Diese Gesetzesfassung ist jedenfalls für die Entscheidungen
über die Vergabe der Konzession an die Beklagte (November 2011) für den Abschluss
der neuen Konzessionsverträge (Februar/März 2012) anwendbar; wie im Folgenden
auszuführen sein wird, hat die Neufassung des EnWG für die hier
entscheidungserheblichen Fragen nicht zu einer Veränderung geführt.
42 Der gesetzliche Übereignungsanspruch setzt also voraus, dass der Gläubiger „neues
Energieversorgungsunternehmen“ geworden ist. Damit ist, wie sich aus dem
Regelungszusammenhang mit § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG ergibt, das Unternehmen gemeint,
mit dem die Gemeinde im Hinblick auf den Ablauf des alten Konzessionsvertrags einen
neuen Vertrag über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den
Betrieb von Energieversorgungsleitungen zur allgemeinen Versorgung im
Gemeindegebiet (nachfolgend: Konzessionsvertrag) geschlossen hat. Der gesetzliche
Anspruch auf Übereignung der Netzanlagen steht dem Neukonzessionär nur zu, wenn
der zwischen ihm und der Gemeinde geschlossene Konzessionsvertrag wirksam ist; der
bloße Umstand, dass sich die Gemeinde für die Vergabe der Konzession an den
Petenten entschieden hat, reicht für die Aktivlegitimation nicht aus (vgl. BGH, Urt. v.
17.12.2013, KZR 66/12, Rn. 62; OLG München, Urt. v. 26.09.2013, U 3589/12 Kart, juris-
Rdn. 106 m.w.N.).
43 b) Gemäß § 46 Abs. 3 EnWG machen die Gemeinden spätestens zwei Jahre vor Ablauf
von Verträgen nach Abs. 2 (u.a.) das Vertragsende durch Veröffentlichung im
Bundesanzeiger und – bei entsprechender Größe des Netzes – zusätzlich im Amtsblatt
der Europäischen Union bekannt. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von
Verträgen nach Abs. 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge
zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende öffentlich bekannt zu
geben. Vertragsabschlüsse mit Unternehmen dürfen frühestens drei Monate nach der
Bekanntgabe der vorzeitigen Beendigung erfolgen. Sofern sich mehrere Unternehmen
bewerben, macht die Gemeinde bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen
nach Abs. 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich
bekannt. Die zum 04.08.2011 in Kraft getretene Neufassung hat § 46 Abs. 3 EnWG um die
Klarstellung ergänzt, dass die Gemeinde bei der Auswahl des Neukonzessionärs den
Zielen des § 1 EnWG verpflichtet ist (Abs. 3 S. 5). Eine sachliche Änderung war damit
nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 17/11269
S. 35: „klargestellt“); die Maßgeblichkeit der in § 1 genannten Ziele für die
Auswahlentscheidung galt schon nach der bis zum 03.08.2011 geltenden Fassung des
EnWG (BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12, Rn. 39 ff.; OLG Schleswig ZNER 2013, 403,
juris-Rn. 89 ff.).
44 Die genannten Vorschriften dienen dem angestrebten „Wettbewerb um die Netze“.
Konzessionsverträge dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen
werden (§ 46 Abs. 2 S. 1 EnWG); nach ihrem Ablauf hat die Gemeinde eine neue
Konzessionierungsentscheidung unter Beachtung des Diskriminierungsverbots (§ 46 Abs.
1 S. 1 EnWG) zu treffen, die inhaltlich den in § 1 EnWG genannten Zielen –
Versorgungssicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz und
Umweltverträglichkeit der Energieversorgung; zunehmende Nutzung erneuerbarer
Energien – „verpflichtet ist“ (Abs. 3 S. 5). Nach der Begründung der EnWG-Novelle 2012
soll die Wortwahl des § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG deutlich machen, dass bei der
Auswahlentscheidung der Gemeinde die Ziele des § 1 „zwingend zu berücksichtigen
sind. Die Maßgabe, dass der Netzbetrieb wirtschaftlich effizient zu erfolgen hat, muss
auch durch die Auswahl des Konzessionärs sichergestellt werden“ (so BT-Drucks.
17/11269 S. 35).
45 Allerdings ist die Auswahl eines neuen Netzbetreibers, bei der es sich um eine
Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) handelt, der Gemeinde
aufgrund ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts zugewiesen, das die Verantwortung
für Aufbau, Betrieb und Unterhaltung der örtlichen Infrastruktureinrichtungen umfasst (vgl.
Schneider/Theobald/Albrecht, Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., § 9 Rn. 80). Daraus
folgt, dass der Gemeinde bei der Konzessionsvergabe sowohl bei der Aufstellung als
auch bei der Bewertung der Auswahlkriterien ein Beurteilungsspielraum zusteht
(Mau/Bormann ZNER 2013, 459 ff.; Schneider/Theobald/Albrecht, a.a.O., § 9 Rn. 91 f.).
Das kommunale Selbstverwaltungsrecht besteht aber nur „im Rahmen der Gesetze“ (Art.
28 Abs. 2 S. 1 GG), zu denen auch die einschlägigen Bestimmungen des
Energiewirtschaftsrechts und des Kartellrechts gehören (vgl. BGH a.a.O. Rn. 31; OLG
Düsseldorf ZNER 2013, 48 juris-Rn. 80; OLG München, Urt. v. 26.09.2013, U 3589/12
Kart, juris-Rdn. 114; OLG Schleswig ZNER 2013, 403 juris-Rn. 100 f.).
46 Die daraus folgenden rechtlich geschützten, aber vielfach nicht gleichgerichteten
Interessen und Ziele sind nach Auffassung des Senats in praktische Konkordanz zu
bringen (ähnlich BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12, Rn. 44 ff.). Die Gemeinde hat bei
der Konzessionsvergabeentscheidung die in § 1 EnWG genannten Ziele nicht nur
einzubeziehen, sondern muss ihnen praktisches Gewicht verleihen; sie überschreitet
beispielsweise ihren Beurteilungsspielraum, wenn sie den Vorgaben des § 1 EnWG von
vornherein nachrangige Bedeutung gegenüber dem kommunalen Interesse an der
Generierung von Einnahmen (soweit es nicht von § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG geschützt ist)
oder an einer Sicherung oder Erweiterung des kommunalen Einflusses auf die
Energieversorgung zumisst (ähnlich OLG Schleswig a.a.O. juris-Rn. 106 ff.). Andererseits
ist die Gemeinde in bestimmten Konstellationen nicht gehindert, kommunale Interessen in
ausschlaggebender Weise in die Konzessionsentscheidung einfließen zu lassen, etwa
wenn mehrere Angebote den Zielen des § 1 EnWG in gleichwertiger Weise gerecht
werden oder wenn die energiewirtschaftsrechtlichen Vorzüge des einen Angebots im
Zusammenspiel mit der Verwirklichung kommunaler Zielsetzungen die anders gelagerten,
aber nicht wesentlich überwiegenden energiewirtschaftsrechtlichen Aspekte des anderen
Angebots überwiegen. Das Gesetz selbst ermöglicht der Gemeinde an mehreren Stellen
(§ 46 Abs. 1 S. 2 EnWG; § 3 KAV), ihre Interessen in einem vorgegebenen Rahmen
durchzusetzen (BGH a.a.O. Rn. 45). In diesem Sinne ist nach Auffassung des Senats das
Postulat einer „vorrangigen“ Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG (BGH a.a.O. Rn.
41 f.; OLG Schleswig a.a.O.; OLG Schleswig WuW/E 2013, 84 juris-Rn. 127 ff.) zu
verstehen. Dementsprechend schließt die Regelung des § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG die
Berücksichtigung weiterer Ziele im Rahmen des Rechts der kommunalen
Selbstverwaltung nicht aus (vgl. BT-Drucks. 17/11269 S. 35).
47 c) Neben diesen inhaltlichen Anforderungen an die Auswahlentscheidung ergeben sich
verfahrensrechtliche Erfordernisse aus dem in § 46 Abs. 1 EnWG verankerten
Diskriminierungsverbot und aus der – daneben anwendbaren – kartellrechtlichen
Vorschrift des § 20 Abs. 1 GWB in der bis 31.12.2012 geltenden Fassung. Die
Gemeinden sind bei der Entscheidung über die Konzessionsvergabe für das jeweilige
Netz – insoweit ist auf den lokalen Angebotsmarkt abzustellen – als absolut
marktbeherrschende Unternehmen Normadressaten des § 20 GWB a.F. (vgl. BGH, Urt. v.
17.12.2013, KZR 66/12, Rn. 22 ff.; OLG Schleswig ZNER 2013, 403 juris-Rn. 135 ff.;
Schneider/Theobald/Albrecht, a.a.O., § 9 Rn. 87 ff.; Gemeinsamer Leitfaden von
Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen
und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 15.12.2010, S. 4 f. m.w.N.).
48 Der von § 46 EnWG im Interesse einer bestmöglichen Erreichung der Ziele des § 1 EnWG
angestrebte „Wettbewerb um die Netze“ erfordert, dass die Gemeinde, die diesen
Wettbewerb zu organisieren hat, möglichen Bewerbern die Auswahlkriterien und ihre
Gewichtung transparent und diskriminierungsfrei in der Weise mitteilt, dass alle Bewerber
gleichermaßen in der Lage sind, ihre Angebote auf dieses Anforderungsprofil
zuzuschneiden. Gerade wegen des verbleibenden kommunalen Gestaltungsspielraums
ist es erforderlich, dass die Bewerber nicht nur die Auswahl der Kriterien, die die
Gemeinde für maßgeblich erachtet, sondern auch deren Gewichtung erfahren. Nur unter
diesen Voraussetzungen – gesetzeskonforme Kriterienauswahl und -gewichtung sowie
transparente diskriminierungsfreie Information der Bewerber hierüber – kann
gewährleistet werden, dass die Konzessionsvergabe den oben geschilderten inhaltlichen
Anforderungen entspricht.
49 d) Diesen Anforderungen wird das streitgegenständliche Konzessionsvergabeverfahren
in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
50 (1) Die von den Gemeinden bekanntgegebenen Auswahlkriterien orientieren sich nicht in
der oben dargestellten Weise „vorrangig“ an den Zielen des § 1 EnWG. Nach dem
eigenen Vortrag der Beklagten haben die Gemeinden den Bewerbern mit Schreiben vom
19.05.2010 (Anl. B 4) folgende „Kriterien der Konzessionsvergabe“ unterbreitet:
51 Diese Kriterien lassen nicht erkennen, dass sie vorrangig (im oben genannten Sinne) an
den Zielen des § 1 EnWG orientiert sind. Ganz im Vordergrund stehen vielmehr erkennbar
die Interessen der Gemeinden an der Erzielung optimaler Einnahmen, an der Vermeidung
von Risiken und Folgekosten und an der Sicherung des kommunalen Einflusses auf den
Netzbetrieb und die Energieversorgung. Die Liste lässt auch erkennen, dass beide
letztgenannten Punkte – Netzbetrieb und Vertrieb von Energie – jedenfalls in den
Auswahlkriterien nicht klar getrennt wurden. So heißt es im zweiten Hauptpunkt:
„Kommunale Mehrheit in allen Gesellschaften (Netz/Vertrieb/Strom/Gas)“. Auch die letzten
drei Hauptpunkte machen deutlich, dass die Konzessionsvergabe von Überlegungen zum
Energievertrieb mitbeeinflusst war. Inwieweit solche Überlegungen überhaupt zulässig
sind, bedarf im Streitfall keiner Prüfung; entscheidend ist, dass die in § 1 EnWG
genannten Kriterien – Versorgungssicherheit, effiziente, preisgünstige,
verbraucherfreundliche Versorgung, umweltfreundliche Versorgung und zunehmende
Nutzung erneuerbarer Energien – bei der Aufzählung im Schreiben nach Anlage B 4 nicht
in einer Weise benannt und gewichtet werden, dass ihre schwerpunktmäßige
Berücksichtigung bei der Konzessionsentscheidung für die Bewerber deutlich würde.
52 (2) Die Kriterienliste verstößt daher auch insoweit gegen das Transparenzgebot, als sie
eine Gewichtung der aufgezählten Kriterien nicht mit der zu fordernden Klarheit erkennen
lässt. Zwar könnte der Satz
53 „Daneben wurden vereinzelt folgende Vergabekriterien mit der maximalen Gewichtung
bewertet:“
54 vermuten lassen, dass allen in der Aufzählung genannten Kriterien jedenfalls von einigen
Gemeinden die gleiche hohe Priorität zugemessen wurde und dass jedenfalls denjenigen
Kriterien, die dem zitierten Satz voranstehen, durchweg höchstes Gewicht beigemessen
wurde. Das ist aber zum einen nicht hinreichend deutlich und würde zum anderen auf
eine offensichtliche Fehlgewichtung hinauslaufen; eine gleichermaßen hohe Priorität für
„Eigentumsübertragung in den Endschaftsbestimmungen“ und „Einbezug der
Straßenbeleuchtung“ wäre offensichtlich sachwidrig.
55 (3) Diese Mängel haben sich in der von der Gemeinde getroffenen
Konzessionsentscheidung fortgesetzt. Die Beschlussvorlage der Stadtverwaltung Achern
vom 21.11.2011 (Anl. B 6), der der Gemeinderat gefolgt ist, lautet in den maßgeblichen
Passagen wie folgt:
56 (vom Abdruck wird abgesehen)
57 Auch hieran wird deutlich, dass die gebotene vorrangige Berücksichtigung der Ziele des §
1 EnWG nicht stattgefunden hat und dass die kommunalen Interessen an einer
Optimierung des Verhältnisses von Einnahmen zu Kosten/Risiken für die Entscheidung
bestimmend waren. Zwar bilden einzelne Kriterien, die in den obigen Textpassagen
genannt werden, bestimmte Teilaspekte der in § 1 EnWG genannten Ziele ab (z.B.
Elektromobilität, SmartGrid [„intelligentes Stromnetz“], SmartMetering [„intelligente Zähler“]
als Elemente einer effizienten, auf erneuerbare Energien ausgerichteten Versorgung) und
sind insofern ohne weiteres berücksichtigungsfähig. Wie unter „3. Verfahrensaspekte“
aber deutlich wird, stand die Gemeinde ausdrücklich auf den Standpunkt, dass ihr
aufgrund der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie eine weitere, lediglich durch
Gleichheitsgrundsatz und Willkürverbot begrenzte und auf die kommunalen Interessen
der Stadt fokussierte Auswahlentscheidung zusteht. Auch der Aspekt der Höhe der
Netznutzungsentgelte, der für die Beurteilung der Preisgünstigkeit der Versorgung
zentrale Bedeutung hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12, Rn. 85-87) und der im
Auswahlverfahren angesprochen worden war, findet keine Berücksichtigung. Damit sind
die Maßstäbe und Grenzen des – durchaus bestehenden und nicht weiter überprüfbaren –
Auswahlermessens der Gemeinde unrichtig definiert.
58 (4) Hinzu kommt, dass eine Reihe von Kriterien, die in der Liste nach Anlage B 4
aufgeführt sind und denen erkennbar erhebliche Bedeutung beigemessen wird, in der
Auswahlentscheidung nicht mehr auftauchen. Das betrifft insbesondere diejenigen
Kriterien, die der Sicherung des kommunalen Einflusses dienen (Beirats- und
Aufsichtsratsmitgliedschaften, Mehrheitsverhältnisse etc.). Zwar ist nach Auffassung des
Senats eine Änderung der Auswahlkriterien im Verlauf des
Konzessionsvergabeverfahrens nicht prinzipiell ausgeschlossen (vgl.
Schneider/Theobald/Albrecht, a.a.O., § 9 Rn. 95 m.w.N., auch zur Gegenansicht). Für eine
solche Änderung gelten dann aber wiederum die oben genannten inhaltlichen und
verfahrenstechnischen Anforderungen. Sie muss den Bewerbern in einer transparenten
und diskriminierungsfreien Weise kommuniziert werden, sie muss sich weiterhin
vorrangig an den Zielen des § 1 EnWG orientieren und sie darf einzelne Bewerber nicht
unangemessen benachteiligen, was etwa bei einer spät im Verfahren beschlossenen
Änderung denkbar ist, der einzelne Bewerbern bereits gerecht werden oder dies leicht
sicherstellen können, während andere ihr Angebot erkennbar nicht mehr oder nur noch
unter Schwierigkeiten an die Änderung anpassen können.
59 Im Streitfall ist nicht ersichtlich, in welcher Weise den Bewerbern transparent gemacht
wurde, dass den auf die Sicherung des kommunalen Einflusses gerichteten
Auswahlkriterien bei der Auswahlentscheidung eine geringere oder gar keine Bedeutung
mehr zukommen werde. Darin liegt ein weiterer Verstoß gegen das Transparenzgebot,
das aus dem Verbot der Diskriminierung und der unbilligen Behinderung (§§ 46 Abs. 1
EnWG, 20 Abs. 1 GWB) abzuleiten ist.
60 (5) Die vorstehenden Mängel sind am Beispiel der von der Stadt Achern getroffenen
Entscheidung dargestellt worden. Es ist aber nicht streitig, dass die anderen beteiligten
Gemeinden gleichartige Beschlüsse gefasst haben, denen vergleichbare Erwägungen
zugrunde lagen (vgl. Klageerwiderung vom 13.07.2012, S. 12 f. = AS I 44 f.). Damit leiden
die anderen Konzessionvergabeentscheidungen an den gleichen Mängeln wie die
Entscheidung der Stadt Achern. Wegen dieser Mängel stellen die Entscheidungen eine
unbillige Behinderung der unterlegenen Bieter dar (BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12,
Rn. 54 ff.)
61 e) Auf der Grundlage der dargestellten Auswahlkriterien und des dargestellten
Auswahlverfahrens durfte die Konzession nach § 46 EnWG nicht vergeben werden. Die
Verstöße gegen die Vorgaben aus § 46 Abs. 3 S. 5 i.V.m. § 1 EnWG, § 46 Abs. 1 EnWG
und § 20 Abs. 1 GWB a.F. führen entgegen der Auffassung des Landgerichts zur
Nichtigkeit der Konzessionierungsentscheidung und der zu ihrem Vollzug geschlossenen
Konzessionsverträge, § 134 BGB.
62 Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt,
nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Ob ein Gesetzesverstoß zur
Nichtigkeit des fraglichen Rechtsgeschäfts führt, ist also aufgrund einer Auslegung der
jeweiligen Verbotsnorm zu entscheiden. Ordnet das Gesetz die Nichtigkeitsfolge nicht
ausdrücklich an, ist der Sinngehalt des Verbots maßgeblich. Bei Verboten, die sich an
beide Seiten des Rechtsgeschäfts richten, ist in der Regel anzunehmen, dass das
Rechtsgeschäft nichtig sein soll. Umgekehrt führt ein Verbot, das sich nur an eine Seite
richtet, in der Regel nicht zur Nichtigkeit (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 134 Rn. 8
f.). Ausnahmsweise kann aber auch ein einseitiges Verbot zur Nichtigkeit nach § 134
BGB führen, wenn es mit dem Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch
das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen
(BGHZ 65, 370, unter B.2.b). Ein solcher Fall liegt hier vor.
63 Sämtliche oben dargestellten Anforderungen, die sich aus §§ 46, 1 EnWG und aus § 20
Abs. 1 GWB ergeben, verfolgen das Ziel, bei der Neuvergabe der wegerechtlichen
Konzession, die im Normalfall nur alle 20 Jahre ansteht, einen diskriminierungsfreien und
– vorrangig – auf die Ziele des § 1 EnWG ausgerichteten „Wettbewerb um das Netz“
zwischen verschiedenen potentiellen Netzbetreibern zu ermöglichen. Es soll mit anderen
Worten derjenige Netzbetreiber ermittelt und ausgewählt werden, der sich unter
Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG sowie der anderen berücksichtigungsfähigen
„konzessionsbezogenen“ Ziele im Rahmen des Auswahlermessens der Gemeinde als
vorzugswürdig darstellt. Wird die Vergabeentscheidung – wie im Streitfall – anhand einer
unrichtigen Kriterienauswahl und aufgrund einer intransparenten Gewichtung der Kriterien
getroffen, kann der Zweck der genannten Vorschriften nicht erreicht werden. In einem
solchen Fall gebietet der Normzweck daher die Nichtigkeitsfolge, und zwar nicht nur für
die Konzessionierungsentscheidung, sondern auch für die in Vollzug dieser
Entscheidung geschlossenen Konzessionsverträge (vgl. OLG Schleswig ZNER 2013,
403 juris-Rn. 144-153; für § 46 EnWG offenlassend BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12,
Rn. 72). Ließe man den geschlossenen Konzessionsvertrag trotz der dargestellten
Normverstöße bestehen, hätte die gesetzwidrig zustande gekommene Entscheidung
voraussichtlich für lange Zeit Bestand; damit würde der Zweck der Nichtigkeitsnorm
verfehlt (vgl. auch BGH a.a.O. Rn. 103 ff.).
64 Der Senat teilt ferner die Auffassung des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O. juris-Rn.
147), dass ein Bewerber, der solche Verstöße geltend machen kann, nicht auf
Sekundäransprüche, insbesondere auf Schadensersatz, verwiesen werden kann. Ein
effektiver Rechtsschutz kann auf diese Weise schon deshalb nicht gewährleistet werden,
weil die Frage, wie die Konzessionierungsentscheidung bei gesetzeskonformer
Verfahrensdurchführung getroffen worden wäre, gerade wegen des bestehenden
erheblichen Spielraums der Gemeinden bei der Kriterienauswahl und -gewichtung kaum
zu entscheiden ist; vor allem aber könnten Ersatzansprüche allenfalls den entgangenen
Gewinn und den sonstigen Schaden des unterlegenen Bewerbers kompensieren, ändern
aber nichts an der dem Gemeinwohl (§ 1 EnWG) zuwiderlaufenden Entscheidung
zugunsten eines Bewerbers, der jedenfalls nach diesem Verfahren nicht hätte ausgewählt
werden dürfen.
65 f) Nach der bereits zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 17.12.2013,
KZR 66/12, Rn. 108 f.) soll die Frage der Nichtigkeit des auf einer fehlerhaften
Auswahlentscheidung beruhenden Konzessionsvertrags anders zu beurteilen sein (d.h.
der Vertrag soll nicht nach § 134 BGB nichtig sein, vgl. Rn. 110), wenn alle diskriminierten
Bewerber um die Konzession ausreichend Gelegenheit hatten, ihre Rechte zu wahren,
diese Möglichkeit aber nicht genutzt haben. In diesem Fall könne und müsse die
fortdauernde Behinderung durch den fehlerhaft abgeschlossenen Konzessionsvertrag im
Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden. Dies müsse – so der
Bundesgerichtshof weiter – insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn die
Gemeinde – in Anlehnung an den auch § 101a GWB zugrundeliegenden
Rechtsgedanken – alle Bewerber um die Konzession in Textform über die beabsichtigte
Auswahlentscheidung unterrichtet und den Konzessionsvertrag erst (mindestens) 15
Kalendertage nach Absendung der Information abgeschlossen habe.
66 (1) In welcher Weise die unterlegenen Bieter „ihre Rechte wahren“ sollen, wird in der
Entscheidung nicht ausgeführt. Nach dem Verständnis des Senats ist ein Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Verfügung gemeint, mit der der Gemeinde, gestützt auf § 46
Abs. 1 EnWG, § 20 GWB a.F. bzw. § 19 GWB n.F. in Verbindung mit § 33 Abs. 1 S. 1
GWB, der Abschluss des geplanten Konzessionsvertrags untersagt werden soll.
67 (2) Nach § 101a Abs. 1 S. 1 GWB, der unmittelbar für das Vergabeverfahren oberhalb der
Schwellenwerte gem. § 100 Abs. 1 GWB gilt, hat der Auftraggeber die unterlegenen
Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des
Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der
vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt
des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren. Mit der Vorschrift soll die
Gewährung effektiven Rechtsschutzes verfahrensmäßig abgesichert werden; damit er
über die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens entscheiden kann, muss der Bieter
68 - über die Entscheidung zu seinen Lasten und zugunsten des obsiegenden Bieters sowie
über die wesentlichen Gründe für die Entscheidung Kenntnis erhalten und
- ausreichend Zeit haben, einen Antrag zu stellen (vgl. Schulte/Just, Kartellrecht, § 101a
GWB Rn. 1, 7).
69 Auf den vorliegenden Fall gewendet, müsste die Gemeinde den unterlegenen Bietern ihre
Konzessionsentscheidung zugunsten der Beklagten sowie die maßgebenden Gründe für
ihre Entscheidung in Textform so rechtzeitig und mit einer solchen Konkretisierung
mitgeteilt haben, dass diese in der Lage gewesen wären, gegen den Vertragsabschluss
eine einstweilige Unterlassungsverfügung zu beantragen.
70 Eine solche an die unterlegenen Bieter gerichtete Information in Textform lässt sich dem
Parteivortrag nicht entnehmen. Jedenfalls nicht ausreichend sind die in Anlagen BB 1 und
BB 2 vorgelegten Zeitungsberichte; sie stammen nicht von der Gemeinde und bieten
keine verlässliche Grundlage für einen möglichen Verfügungsantrag. Ebenfalls nicht
ausreichend ist das in Anlage BB 3 vorliegende Schreiben der Gemeinde Renchen vom
23.11.2011. Abgesehen davon, dass es lediglich eine der Konzessionsentscheidungen
betrifft, werden in dem Schreiben keinerlei Gründe für die getroffene Entscheidung
mitgeteilt.
71 (3) Weitere Fälle, in denen dem unterlegenen Bieter die Wahrung seiner Rechte obliegen
soll, werden in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht genannt. Die Beklagte
beruft sich insoweit auf die öffentliche Bekanntmachung der Konzessionsentscheidung.
Gemäß § 46 Abs. 3 S. 6 EnWG, der auch zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen
Konzessionsentscheidungen galt, macht die Gemeinde bei Neuabschluss oder
Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2, sofern sich mehrere Unternehmen bewerben,
ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt. Die
Wendung „bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen“ ist nach dem Verständnis
des Senats nicht temporal, sondern konditional („im Falle eines Neuabschlusses oder
einer Verlängerung nach Absatz 2“) zu verstehen.
72 Nach dem im nachgelassenen Schriftsatz vom 03.03.2014 gehaltenen Vortrag der
Beklagten hat die Gemeinde Achern am 16.01.2012 (Anlage BB 4) ihre
Konzessionsentscheidung im Bundesanzeiger öffentlich bekanntgemacht
(Vertragsschlusszeitpunkt 10.02.2012, Anlage B 7); die anderen Gemeinden sollen in
gleicher Weise verfahren sein. Die Klägerin soll nach dem Vortrag der Beklagten auch
zeitnah von den getroffenen Konzessionsentscheidungen und ihren wesentlichen
Gründen Kenntnis gehabt haben.
73 Zumindest unter den Gegebenheiten des Streitfalls war die öffentliche Bekanntmachung
der Konzessionsentscheidung und ihrer wesentlichen Gründe im Bundesanzeiger nicht
geeignet, eine Obliegenheit der Klägerin zur Wahrnehmung ihrer
Rechtsschutzmöglichkeiten auszulösen. Dabei kann der von der Beklagten im
nachgelassenen Schriftsatz vom 03.03.2014 gehaltene Vortrag als zutreffend unterstellt
werden; es kann insbesondere unterstellt werden, dass die Gründe, die im
Bundesanzeiger genannt wurden (vgl. Anlage BB 4), den nach § 46 Abs. 3 S. 6 EnWG zu
stellenden Anforderungen genügten und dass die öffentlichen Bekanntmachungen so
rechtzeitig erfolgten, dass die Klägerin eine auf Untersagung des Vertragsschlusses
gerichtete einstweilige Verfügung noch hätte beantragen und erlangen können.
74 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall
ebenfalls eine öffentliche Bekanntmachung der Konzessionsentscheidung erfolgt ist,
wobei allerdings der Zeitpunkt des Konzessionsvertragsabschlusses unklar ist (BGH Urt.
v. 17.12.2013, KZR 66/12, Rn. 4; vgl. auch OLG Schleswig ZNER 2013, 403 juris-Rn. 7;
LG Kiel RdE 2012, 263 juris-Rn. 9). In der Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs
wird die Möglichkeit, dass die dortige Beklagte (Altkonzessionärin) wegen dieser
öffentlichen Bekanntmachung gehalten gewesen wäre, die Gemeinde auf Unterlassung
des Vollzugs ihrer Konzessionsentscheidung in Anspruch zu nehmen, nicht erörtert; der
Bundesgerichtshof hat offenbar die öffentliche Bekanntmachung nach § 43 Abs. 3 S. 6
EnWG – anders als die Mitteilung analog § 101a GWB – nicht als ausreichend
angesehen, eine solche Obliegenheit auszulösen. Dafür kann die Erwägung sprechen,
dass eine Ausnahme von der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB wegen der oben
dargestellten gravierenden Verfehlung des von §§ 46 EnWG, 20 GWB verfolgten Zwecks
nur in engen Ausnahmefällen anzuerkennen ist und dass eine individuelle Mitteilung der
Konzessionsentscheidung, ihrer Gründe und des alsbald bevorstehenden
Vertragsschlusses dem unterlegenen Bieter in wesentlich stärkerem Maße die
Notwendigkeit vor Augen führt, seine Rechte zu wahren. Das gilt insbesondere dann,
wenn man den Zweck der Pflicht nach § 43 Abs. 3 S. 6 EnWG lediglich in der
Ermöglichung politischer Kontrolle durch Information der Gemeindebürger sieht (vgl.
Schneider/Theobald, a.a.O., § 9 Rn. 97). Bei einer individuellen Mitteilung ist es zudem
eher gerechtfertigt, nach nur 15 Kalendertagen zum Vollzug der
Konzessionsentscheidung zu schreiten als bei einer öffentlichen Bekanntmachung, bei
der nicht sichergestellt ist, dass der unterlegene Bieter rechtzeitig genug von ihr Kenntnis
erlangt. Etwas anderes wird auch dann nicht gelten können, wenn der unterlegene Bieter
– wie es die Beklagte im Streitfall über die Klägerin behauptet – auch ohne
(ausreichende) individuelle Mitteilung rechtzeitig Kenntnis von der Entscheidung der
Gemeinde erhält; im Interesse der Rechtssicherheit kann auf das formelle Erfordernis
einer Mitteilung in Textform nicht verzichtet werden.
75 (4) Weitergehend ist der Senat der Auffassung, dass eine Differenzierung zwischen
„einfachen“ unterlegenen Bietern und dem Altkonzessionär, der am Verfahren um die
neue Konzession teilgenommen hat und unterlegen ist, geboten ist. Der unterlegene
Altkonzessionär ist im Falle eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot der §§ 46
Abs. 1 EnWG, 19/20 GWB auch dann nicht gehindert, die Nichtigkeit des fehlerhaft
zustande gekommenen neuen Konzessionsvertrags geltend zu machen, wenn er von der
Möglichkeit, seine Rechte im Eilverfahren geltend zu machen, keinen Gebrauch gemacht
hat. Denn der Altkonzessionär ist – wie der Bundesgerichtshof in der zitierten
Entscheidung anerkennt (BGH Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12, Rn. 117) – in besonderer
Weise von der diskriminierenden Konzessionsentscheidung betroffen. Anders als
„einfache“ Mitbieter verliert er nicht nur die Erwerbschance, die ein 20-jähriger Netzbetrieb
bietet; der Altkonzessionär ist darüber hinaus nach der Neuvergabe der Konzession an
einen Dritten nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG verpflichtet, seine für den Netzbetrieb der
allgemeinen Versorgung notwendigen Verteilungsanlagen an den Neukonzessionär
gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Es handelt
sich um einen gesetzlich angeordneten Zwangsverkauf, bei dem der Verkaufspreis nicht
frei auszuhandeln ist, sondern einer Bindung an die wirtschaftliche Angemessenheit und
damit einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 24.10.2012, Az. 6
U 168/10 (Kart), juris-Rn. 40). Dieser erhebliche Eingriff in das nach Art. 14 Abs. 1 GG
geschützte Eigentumsrecht des Altkonzessionärs ist nur gerechtfertigt, wenn die
Neukonzessionierung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben, d.h. anhand zutreffender
Kriterien, ohne Diskriminierung und unter Wahrung des Transparenzgebots, durchgeführt
worden ist. Wäre der Altkonzessionär auf ein Vorgehen im Wege des vorläufigen
Rechtsschutzes gegen den Vollzug der Konzessionierungsentscheidung durch
Abschluss des Konzessionsvertrages verwiesen, bestünde wegen der Unsicherheiten,
die mit einem solchen summarischen Eilverfahren auf der Grundlage der Mitteilung der
„wesentlichen Gründe“ der Entscheidung verbunden sind, ein erhebliches Risiko, dass
eine fehlerhaft getroffene Konzessionierungsentscheidung letztlich doch Bestand hat und
der Altkonzessionär zur Übereignung der Verteilungsanlagen an einen Bewerber
gezwungen werden kann, der nicht nach den gesetzlich vorgesehenen Kriterien und/oder
nicht nach dem gesetzlich vorgesehenen transparenten und diskriminierungsfreien
Verfahren ausgewählt worden ist. Zumindest dem Altkonzessionär ist daher der Einwand
der Nichtigkeit des Konzessionsvertrages auch dann nicht abgeschnitten, wenn er keine
Unterlassungsverfügung gegen den Vollzug der Konzessionierungsentscheidung
beantragt hat.
76 Der Senat verkennt nicht, dass diese Erwägung in einem Spannungsverhältnis zu dem
dogmatischen Ausgangspunkt steht, den der Bundesgerichtshof in der zitierten
Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs führt
der Umstand, dass den diskriminierten bzw. unbillig behinderten Bietern die Möglichkeit
gegeben wurde, ihre Rechte wahrzunehmen, ohne dass sie diese Möglichkeit genutzt
haben, dazu, dass der Konzessionsvertrag trotz seines gegen das Diskriminierungsverbot
verstoßenden Zustandekommens nicht gemäß § 134 BGB nichtig ist. Die oben für
notwendig erachtete Differenzierung zwischen unterlegenen „einfachen“ Bietern und
unterlegenem Altkonzessionär würde aber zu einer „relativen Nichtigkeit“ des Vertrages
im Verhältnis zum Altkonzessionär führen, was aus dogmatischer Sicht problematisch ist.
77 Vorzugswürdig erscheint daher, den unter Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
zustande gekommenen Konzessionsvertrag einheitlich für nichtig zu erachten (§ 134
BGB) und lediglich den unterlegenen einfachen Bietern, welche die ihnen analog § 101a
GWB eröffnete Möglichkeit eines Vorgehens gegen den Vertragsschluss nicht genutzt
haben, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu versagen, diese Nichtigkeit geltend zu
machen. Der unterlegene Altkonzessionär hat demgegenüber wegen seiner besonderen
Betroffenheit von der Konzessionsentscheidung grundsätzlich Anspruch darauf, dass die
Ordnungsmäßigkeit der Konzessionsentscheidung in einem Hauptsacheverfahren geklärt
wird.
78 Danach kann die Klägerin schon deswegen die Nichtigkeit des mit der Beklagten
geschlossenen Konzessionsvertrags geltend machen, weil sie als Altkonzessionärin im
Falle des Rechtsbestands dieses Vertrages zur Übereignung ihrer Verteilungsanlagen
verpflichtet wäre. Unabhängig kann der Klägerin auch aus einem weiteren vom
Bundesgerichtshof (a.a.O. Rn. 116) genannten Grund die Berufung auf die Nichtigkeit
nicht versagt werden. Angesichts der zum Entscheidungszeitpunkt (Ende 2011 / Anfang
2012) ungeklärten Rechtslage kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin seinerzeit
die grundsätzlichen Mängel der Ausschreibung erkennen musste. In dieser Situation kann
der Umstand, dass sie gegen den beabsichtigten Vertragsschluss keine
Unterlassungsverfügung beantragt hat, nicht dazu führen, dass die Geltendmachung der
Nichtigkeit des Konzessionsvertrags im vorliegenden Verfahren als treuwidrig angesehen
wird.
79 3. Auch vertragliche Ansprüche auf Übereignung der Verteilungsanlagen stehen der
Beklagten nicht zu. Denn die Klägerin kann diesen Ansprüchen gemäß §§ 404, 413 BGB
die Einwendungen entgegenhalten, die zur Zeit der Abtretung der Ansprüche gegen die
Gemeinden als Zedenten begründet waren (vgl. BGH, Urteile vom 17.12.2013, KZR 65/12
und 66/12; Presseerklärung Nr. 207/2013). Gegenüber den Gemeinden hätte die Klägerin
aber dem vertraglichen Übereignungsanspruch entgegenhalten können, dass die
Gemeinden durch die Fehler bei der Kriterienauswahl und beim
Konzessionierungsverfahrens gegen ihre – gerade auch dem Schutz der Klägerin
dienenden – Pflichten aus §§ 46, 1 EnWG und § 20 Abs. 1 GWB a.F. verstoßen haben (§§
33 Abs. 1, Abs. 3 GWB, 242 BGB). Die Klägerin wäre also den Gemeinden gegenüber auf
der Basis des durchgeführten Konzessionierungsverfahrens nicht zur Übereignung der
Verteilungsanlagen verpflichtet gewesen. Das gilt nach der Abtretung der
Übereignungsansprüche auch gegenüber der Beklagten als Zessionarin.
80 Da die Ansprüche, derer sich die Beklagte berühmt hat, somit nicht bestehen, ist die von
der Klägerin zulässig begehrte negative Feststellung zu treffen. Der von der Klägerin
gemäß § 142 ZPO zusätzlich beantragten Vorlage von Vertragsdokumenten bedarf es
nicht. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
81 Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen im Streitfall
trotz der dargestellten unterschiedlichen rechtlichen Ansätze nicht. Eine Zulassung der
Revision kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsfrage, derentwegen die Zulassung
erfolgen soll, entscheidungserheblich ist (vgl. BGHZ 153, 254 = NJW 2003, 1125 juris-Rn.
5). Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, führen die unterschiedlichen rechtlichen
Ansätze vorliegend zum selben Ergebnis.