Urteil des OLG Karlsruhe vom 26.07.2012

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OLG Karlsruhe Urteil vom 26.7.2012, 9 U 64/11
Wohngebäudeversicherung: Haftung des Versicherers für Pflichtverletzungen des
Regulierungsbeauftragten nach einem Schadensfall
Leitsätze
1. Schaltet der Versicherer in der Wohngebäudeversicherung einen Regulierungsbeauftragten
ein, so wird dieser als "Helfer" des Versicherers tätig, und nicht etwa als Berater des
Versicherungsnehmers oder als unabhängiger Sachverständiger. Der Versicherer haftet daher in
der Regel nicht, wenn der Versicherungsnehmer im Vertrauen auf fehlerhafte Feststellungen des
Regulierungsbeauftragten einen Schaden nur unzulänglich beheben lässt.
2. Ein Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer kann gemäß
§§ 280 Abs. 1, 278 BGB allerdings dann in Betracht kommen, wenn der Regulierungsbeauftragte
seine Rolle als "Helfer" des Versicherers überschreitet, wenn er z. B. Maßnahmen zur
Schadensbeseitigung aus der Sicht des Versicherungsnehmers mit verbindlicher Wirkung
festlegt, oder wenn er gegenüber dem vom Versicherungsnehmer beauftragten
Werkunternehmer fehlerhafte Anweisungen erteilt.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 02.03.2011 - 2 O
191/10 C - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der
Streithelferin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der Beklagten oder
der Streithelferin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil
vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Wohnhauses in V. . Das Dach des Anwesens wurde
bei einem schweren Hagelunwetter am 26.06.2006 erheblich beschädigt. Die Reparatur
des Daches wurde von der Streithelferin ausgeführt. Es wurden neue Dachrinnen
angebracht, das Dach wurde vollständig neu gedeckt und die Dachpappe wurde erneuert.
Die Rechnung der Streithelferin vom 30.11.2006 belief sich auf insgesamt 29.782,99
EUR. Die Rechnung wurde von der Beklagten vollständig bezahlt im Hinblick auf die
Gebäudeversicherung, welche die Klägerin bei der Beklagten unterhält.
2
Die Klägerin hat Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht, weil
das Dach nach dem Hagelschaden nur unzulänglich repariert worden sei. Durch den
schweren Hagelschlag seien nicht nur die Dachplatten teilweise zerschlagen worden.
Vielmehr sei auch die Dachpappe und die darunter befindliche Holzkonstruktion teilweise
beschädigt worden. Daher sei nach dem Hagelschlag in erheblichem Umfang Wasser
und Feuchtigkeit in die Dachkonstruktion gelangt. Es wäre zwingend erforderlich
gewesen, über die von der Streithelferin durchgeführte Reparatur hinaus auch die in der
Dachkonstruktion befindliche Dämmung vollständig zu erneuern und zumindest teilweise
auch die Holzkonstruktion. Da dies nicht erfolgt sei, seien in den folgenden Jahren im
Dachgeschoss des Hauses erhebliche Schäden durch Schimmel entstanden. Für eine
korrekte Reparatur der Dachkonstruktion und eine Beseitigung der Schimmelschäden
müsse die Klägerin entsprechend dem Angebot der Firma … vom 20.03.2009 mindestens
46.700,00 EUR aufwenden.
3
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die ihr entstehenden Unkosten sei die
Beklagte verantwortlich. Sie hat daher erstinstanzlich einen Vorschuss von 46.700,00
EUR nebst Zinsen von der Beklagten verlangt und im Übrigen die Feststellung, dass die
Beklagte sämtliche Schäden zu ersetzen habe, die mit der erforderlichen
Mängelbeseitigung verbunden seien. Die von der Streithelferin durchzuführenden
Arbeiten nach dem Hagelschlag seien nicht von der Klägerin, sondern von dem für die
Beklagte tätigen Zeugen G. festgelegt worden. Dieser habe den Inhalt des an die
Streithelferin erteilten Auftrags verbindlich festgelegt, habe der Streithelferin
entsprechende Anweisungen erteilt, und die Bauleitung vor Ort inne gehabt. Die Klägerin
habe keinen Einfluss auf die Dachreparatur gehabt. Der Zeuge G. habe es versäumt,
dafür zu sorgen, dass auch die durchfeuchtete Dämmung und das Holzwerk nach dem
Hagelschlag erneuert wurden. Ohne die Versäumnisse des für die Beklagte tätigen
Zeugen G. wären die geltend gemachten Schäden nicht entstanden.
4
Die Klägerin hat der Streithelferin bereits im Verfahren vor dem Landgericht den Streit
verkündet. Diese ist auf Seiten der Beklagten dem Rechtstreit beigetreten.
5
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.03.2011 abgewiesen. Zum einen bestehe
zwischen den Parteien kein Werkvertrag, aus welchem die Klägerin gegebenenfalls
Ansprüche geltend machen könnte. Eine werkvertragliche Beziehung bestehe nur
zwischen der Klägerin und der Streithelferin. Zum anderen ergebe sich aus den im
vorausgegangenen Beweissicherungsverfahren (Landgericht Konstanz 2 OH 11/09 C)
eingeholten Gutachten, dass der Hagelschaden vom 26.06.2006 und die anschließende
Dachreparatur durch die Streithelferin nicht ursächlich seien für die von der Klägerin
vorgetragenen Feuchtigkeits- und Schimmelschäden. Vielmehr sei Kondenswasser aus
dem Inneren des Hauses in die Dachkonstruktion eingedrungen. Hierfür sei ein bereits
vorher bestehender Mangel des Daches ursächlich, der mit den Arbeiten der Streithelferin
nichts zu tun habe (undichte Folie unter der Dämmung).
6
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie hält das Urteil des
Landgerichts aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen für fehlerhaft. Die Klägerin
ergänzt und vertieft den erstinstanzlichen Vortrag. Aus verschiedenen Umständen ergebe
sich, dass die Feuchtigkeitsschäden im Dachgeschoss ihres Hauses allein durch den
Hagelschlag vom 26.06.2006 und die anschließende fehlerhafte Reparatur durch die
Streithelferin verursacht worden seien. Die Beklagte müsse für die Pflichtverletzungen
des Zeugen G., der die Reparaturmaßnahmen veranlasst habe, einstehen.
7
Die Klägerin geht im Berufungsverfahren von einer Vorschussklage über auf eine
bezifferte Schadensersatzklage. Aus dem eingeholten Kostenvoranschlag der Firma B.
ergebe sich, dass ein Betrag von 46.700,00 EUR bei abstrakter Betrachtungsweise zur
Mangelbeseitigung erforderlich sei. Sie habe im Übrigen ein Interesse daran,
festzustellen, dass die Beklagte auch solche Schäden ersetzen müsse, die über diesen
Betrag hinausgingen.
8
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 02.03.2011 – 2 O
191/10 C – aufzuheben,
9
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 46.700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift zu
bezahlen, und
10 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Schäden zu ersetzen, die mit der
Mängelbeseitigung des Dachaufbaus im Objekt A.-Straße in V. zukünftig verbunden
sind.
11 Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
12 die Berufung zurückzuweisen.
13 Die Beklagte und die Streithelferin verteidigen das Urteil des Landgerichts. Die Schäden
am Anwesen der Klägerin seien nach dem Hagelschlag vom 26.06.2006 von der
Streithelferin vollständig und korrekt repariert worden. Feuchtigkeit und Schimmel im
Dachgeschoss des Hauses hätten mit dem Hagelschlag und den Reparaturarbeiten der
Streithelferin nichts zu tun. Die Beklagte ist im Übrigen der Auffassung, dass sie unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt für eventuelle Mängel der Werkleistung der
Streithelferin verantwortlich sei. Der Zeuge G. habe der Streithelferin keinerlei
Anweisungen hinsichtlich der auszuführenden Arbeiten gegeben. Er habe auch den
Umfang der durchzuführenden Arbeiten nach dem Hagelschlag nicht festgelegt. Der
Zeuge G. habe lediglich die erforderlichen Feststellungen vor Ort getroffen, damit die
Beklagte entscheiden konnte, welche Aufwendungen im Rahmen des bestehenden
Versicherungsvertrages mit der Klägerin zu ersetzen waren.
14 Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
15 Der Senat hat Beweis erhoben im Einzelrichtertermin vom 10.01.2012 durch Vernehmung
mehrerer Zeugen und durch Einholung eines ergänzenden mündlichen Gutachtens des
Sachverständigen S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Protokoll vom 10.01.2012 Bezug genommen.
16 Die Akten des Beweissicherungsverfahrens (Landgericht Konstanz - 2 OH 11/09 C -)
waren beigezogen und Gegenstand des Verfahrens.
II.
17 Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die geltend gemachten
Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte stehen der Klägerin nicht zu.
18 1. Die Klageänderung im Berufungsverfahren ist zulässig gemäß §§ 533, 529 ZPO. Es
bestehen keine Bedenken gegen einen Übergang von einer Vorschussklage zu einer
bezifferten Schadensersatzklage bei im Übrigen gleichem Tatsachenstoff.
19 2. Der Feststellungsantrag der Klägerin im Berufungsverfahren ist unzulässig. Es besteht
kein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Der Feststellungsklage steht
entgegen, dass eine - mögliche - Leistungsklage grundsätzlich als vorrangig anzusehen
ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Auflage 2012, § 256 ZPO, Rdnr. 7 a). Die Klägerin hat
durch den Übergang zum Schadensersatzanspruch im Berufungsverfahren dokumentiert,
dass eine abstrakte Bezifferung des geltend gemachten Schadensersatzanspruches
möglich ist. Dann bleibt grundsätzlich kein Raum für einen ergänzenden
Feststellungsantrag. Dass sich der Feststellungsantrag auf bestimmte abgrenzbare
Schadenspositionen beziehen soll, die zum einen vom Zahlungsantrag nicht erfasst
werden und die zum anderen derzeit noch nicht bezifferbar sind, ist dem Vorbringen der
Klägerin nicht zu entnehmen.
20 3. Es gibt außer dem Versicherungsverhältnis (dazu siehe unten 4.) keinen anderen
Vertrag zwischen den Parteien, auf welchen die Klägerin den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch stützen könnte. Aus den vorgelegten Unterlagen (vgl. den
Kostenvoranschlag der Streithelferin vom 22.08.2006 im Anlagenheft des
Beweissicherungsverfahrens, die Rechnung der Streithelferin vom 30.11.2006 Anlage B 1
und die Abtretungsvereinbarung vom 03.11.2006, Anlage B 2) ergibt sich, dass ein
Werkvertrag über die Dachreparatur zwischen der Klägerin und der Streithelferin
zustande gekommen ist, und nicht etwa zwischen der Klägerin und der Beklagten
einerseits und der Beklagten und der Streithelferin andererseits. Es gibt daher keine
vertragliche Grundlage zwischen den Parteien, welche die Beklagte zu einer
mangelfreien Wiederherstellung des Daches nach dem Hagelschlag verpflichtete. Die
Beklagte war im Rahmen des Versicherungsvertrages lediglich verpflichtet, der Klägerin
die erforderlichen Aufwendungen zur Beseitigung des versicherten Schadens zu
ersetzen. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nachgekommen, indem sie (auf der
Grundlage der Abtretungsvereinbarung vom 03.11.2006, Anlage B 2) die Rechnung der
Streithelferin vom 30.11.2006 bezahlt hat. Auf eventuelle Mängel der Werkleistung kann
sich die Klägerin gegenüber der Beklagten grundsätzlich nicht berufen, da sie für solche
Mängel - sofern sie vorliegen sollten - im Rahmen des bestehenden Werkvertrages nur
die Streithelferin verantwortlich machen könnte.
21 An dieser vertraglichen Ausgangsposition ändert auch der Umstand nichts, dass die
Beklagte den Zeugen G. beauftragt hat, im Rahmen der Abwicklung des Hagelschadens
am Haus der Klägerin tätig zu werden. Die Beklagte hatte im Rahmen des bestehenden
Versicherungsvertrages mit der Klägerin zu prüfen, welche Schäden am Gebäude
entstanden waren, und welche Versicherungsleistungen im Hinblick auf erforderliche
Reparaturen dementsprechend von ihr zu erbringen waren. Die hierfür erforderlichen
Feststellungen traf vor Ort der Zeuge G. für die Beklagte. Da es allein um eine Abwicklung
des Versicherungsfalles im Rahmen der bestehenden Versicherungsbedingungen ging,
bestand kein Anlass für eine zusätzliche vertragliche Vereinbarung zwischen der Klägerin
und dem für die Beklagte handelnden Zeugen G.. Mithin reichen die Einschaltung des
Zeugen G. und dessen Tätigkeit bei der Schadensabwicklung nicht aus, um konkludente
Willenserklärungen der Parteien im Sinne einer den Versicherungsvertrag ergänzenden
vertraglichen Vereinbarung anzunehmen.
22 4. Allerdings könnte eine Schadensersatzhaftung der Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1,
278 BGB in Betracht kommen, wenn der Zeuge G. im Rahmen des bestehenden
Versicherungsverhältnisses der Beklagten obliegende Nebenpflichten verletzt hätte.
Solche Pflichtverletzungen sind jedoch nicht ersichtlich. Zumindest ist der Klägerin der
erforderliche Nachweis solcher Pflichtverletzungen nicht gelungen.
23 a) Wenn ein Regulierungsbeauftragter, wie der Zeuge G., für einen Versicherer zu einem
Schadensfall bestimmte Feststellungen trifft, ergeben sich daraus in der Regel
Konsequenzen allein im Verhältnis zwischen dem Regulierungsbeauftragten und dem
Versicherer. Denn der Regulierungsbeauftragte wird nicht im Auftrag des
Versicherungsnehmers und daher primär auch nicht in dessen Interesse tätig. Dem
Versicherer obliegen allerdings bei der Schadensabwicklung Schutzpflichten gegenüber
dem Versicherungsnehmer. Zwar ist es primär Sache des Versicherungsnehmers selbst,
zu entscheiden, auf welche Weise und mit welchen Mitteln er einen Hagelschaden
beseitigen will. Wenn und soweit der Regulierungsbeauftragte pflichtwidrig Einfluss auf
die von dem Versicherungsnehmer eingeleiteten Maßnahmen trifft, können sich daraus
Schadensersatzansprüche ergeben. Das kommt zum Beispiel in Betracht, wenn der
Regulierungsbeauftragte dem Versicherungsnehmer einen Reparaturbetrieb empfiehlt,
dessen Unzuverlässigkeit ihm bekannt ist, oder wenn er in einer für den
Versicherungsnehmer verbindlichen Weise die Maßnahmen zur Schadensbehebung
festlegt. Generell kommt eine Haftung des Versicherers in Betracht, wenn der
Regulierungsbeauftragte gegenüber dem Versicherungsnehmer oder gegenüber dem für
die Reparatur verantwortlichen Werkunternehmer fehlerhafte Anweisungen erteilt, die zu
Schäden des Versicherungsnehmers führen (vgl. zu solchen Konstellationen LG Köln,
RuS 1991, 410; LG Düsseldorf, RuS 2008, 297; Nugel, jurisPR-VersR 10/2008,
Anmerkung 4).
24 b) Pflichtverletzungen des Regulierungsbeauftragten G. im Verhältnis zur Klägerin sind
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls nicht nachgewiesen. Daher kommt es
nicht darauf an, ob die Maßnahmen zur Schadensbeseitigung durch die Streithelferin
ausreichend waren, oder ob unter den gegebenen Umständen auch Dämmung und
Holzwerk der Dachkonstruktion hätten erneuert werden müssen. Es kommt auch nicht
darauf an, ob und inwieweit die später festgestellten Feuchtigkeits- und
Schimmelschäden mit dem Hagelschlag und den Reparaturarbeiten der Streithelferin
ursächlich zusammenhängen.
25 aa) Der Senat kann nicht feststellen, dass der Inhalt des Werkvertrages zwischen der
Klägerin und der Streithelferin von dem Zeugen G. festgelegt worden wäre. Es ist
vielmehr aus Beweislastgründen davon auszugehen, dass der Inhalt des Vertrages von
der Klägerin und von der Streithelferin bestimmt wurde, so dass für einen -
möglicherweise - unzureichenden Umfang der Arbeiten allein die Streithelferin und nicht
die Beklagte gegenüber der Klägerin verantwortlich wäre. Für den entsprechenden
Sachvortrag der Beklagten sprechen die schriftlichen Vertragsunterlagen. Denn das als
"Kostenvoranschlag" bezeichnete Angebot der Streithelferin war an die Klägerin und nicht
an den Zeugen G. gerichtet. Der Zeuge G. hat bei seiner Vernehmung erklärt, der für die
Streithelferin handelnde Geschäftsführer W. habe nach eigenem Wissen in dem Angebot
festgelegt, welche Arbeiten nach seiner Auffassung erforderlich seien. Er habe lediglich
bestätigt, dass die entsprechenden Kosten von der Beklagten übernommen werden.
Gegenüber der Klägerin habe er ausdrücklich klargestellt, dass sie - und nicht etwa die
Beklagte - Auftraggeberin gegenüber der Streithelferin sei. Die Darstellung des Zeugen G.
entspricht den informatorischen Angaben des Geschäftsführers der Streithelferin. Diese
hat im Termin vom 10.01.2012 bestätigt, dass die Streithelferin auf Grund eigener
Beurteilung der erforderlichen Maßnahmen den Inhalt des Angebots festgelegt habe und
nicht etwa der Zeuge G..
26 Diesen Angaben steht zwar die Darstellung der Klägerin entgegen. Nach ihren Angaben
habe allein der Zeuge G., der ihr ständiger Ansprechpartner gewesen sei, alle nötigen
Absprachen mit der Streithelferin getroffen. Die informatorischen Angaben der Klägerin
sind jedoch für einen Nachweis, dass der für die Beklagte handelnde Zeuge G. den Inhalt
der Vereinbarung mit der Streithelferin bestimmt hat, nicht ausreichend. Auch wenn der
Senat keine Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit der Klägerin hat, erscheint es
zumindest nicht fernliegend, dass die Erinnerung der Klägerin an die Details der
damaligen Schadensabwicklung nach mehreren Jahren nicht ganz zutreffend ist, zumal
die Frage der Verantwortlichkeit und die jeweiligen Interessen - ungewollt - die
Erinnerung und die Wiedergabe des Geschehens beeinflussen können. Die Angaben der
Klägerin reichen jedenfalls nicht aus, um die entgegenstehende Darstellung des Zeugen
G. und des Geschäftsführers der Streithelferin zu widerlegen.
27 bb) Eine Haftung der Beklagten könnte in Betracht kommen, wenn der Zeuge G. bei der
Schadensbeseitigung die Bauleitung übernommen hätte, und hierbei entsprechende
Anweisungen für die Durchführung der Reparaturen gegeben hätte. Dies konnte in der
durchgeführten Beweisaufnahme jedoch nicht festgestellt werden.
28 cc) An eine Haftung der Beklagten wäre möglicherweise auch dann zu denken, wenn der
Zeuge G. im Vorfeld des Auftrags an die Streithelferin die Übernahme der Kosten
bestimmter erforderlicher Schadensbeseitigungsmaßnahmen durch die Beklagte
abgelehnt hätte. Auch ein solcher Sachverhalt hat sich in der durchgeführten
Beweisaufnahme jedoch nicht feststellen lassen. Dem Zeugen G. lag zur Prüfung und
Weiterleitung an die Beklagte lediglich das entsprechende Angebot der Streithelferin vom
22.08.2006, welches letztlich auch zur Ausführung gekommen ist, vor. Ein Angebot mit
weiteren Reparaturmaßnahmen (insbesondere Erneuerung von Dämmung und Holzwerk)
lag dem Zeugen zu keinem Zeitpunkt zur Prüfung vor. Die Beweisaufnahme hat auch
nicht ergeben, dass die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt im Jahr 2006 von der
Beklagten bzw. von dem Zeugen G. die Übernahme weiterer Reparaturkosten verlangt
hätte. Es hat im Vorfeld der Dachreparatur keine Leistungsablehnung durch die Beklagte
gegeben, durch welche diese - eventuell pflichtwidrig - auf die Ausführung der Reparatur
Einfluss genommen haben könnte.
29 c) Allerdings hat sich der Sachvortrag der Klägerin in der Beweisaufnahme insoweit
bestätigt, als der Zeuge G. auf Grund seiner eigenen Feststellungen vor Ort die im
Angebot der Streithelferin vorgesehenen Reparaturmaßnahmen für ausreichend gehalten
hat, und dies auch gegenüber der Klägerin geäußert hat. Der Zeuge G. hat bestätigt, dass
nach seinen damaligen Feststellungen weitere Maßnahmen, insbesondere eine
Erneuerung der Dämmung, nicht erforderlich waren, da aus seiner Sicht damals (im Jahr
2006) keine Anzeichen für größere Feuchtigkeitsschäden bestanden. Die damalige
Auffassung des Zeugen dürfte zwar insoweit Einfluss auf das Reparaturgeschehen
gehabt haben, als die Klägerin - nach den Feststellungen des Zeugen G. - keinen Anlass
sah, der Streithelferin einen weitergehenden Reparaturauftrag (Erneuerung der Dämmung
etc.) zu erteilen. Für eine Haftung der Beklagten wegen einer Verletzung von
Schutzpflichten (§§ 280 Abs. 1, 278 BGB) reicht dies jedoch nicht aus.
30 Wenn ein Versicherer nach einem Schadensfall einen Regulierungsbeauftragten mit
Feststellungen zum Schaden vor Ort beauftragt, ist auch für den Versicherungsnehmer
erkennbar, dass der Regulierungsbeauftragte Feststellungen im Interesse des
Versicherers trifft, und nicht etwa als unabhängiger Sachverständiger oder als Berater des
Versicherungsnehmers tätig wird. Wenn ein Versicherungsnehmer Zweifel hat, ob die von
einem Regulierungsbeauftragten des Versicherers in Aussicht gestellten Leistungen
ausreichend sind, muss der Versicherungsnehmer sich selbst darum kümmern, welche
Maßnahmen zur Schadensbeseitigung erforderlich sind. Dafür steht ihm zum einen die
mit der Reparatur beauftragte Fachfirma (vorliegend die Streithelferin) zur Verfügung. Der
Versicherungsnehmer kann darüber hinaus auch selbst einen Sachverständigen
beauftragen (was die Klägerin später, nach Schimmelbildungen Anfang des Jahres 2009,
getan hat), oder der Versicherungsnehmer kann, wenn die Versicherungsbedingungen
eine solche Möglichkeit vorsehen, ein versicherungsrechtliches
Sachverständigenverfahren durchführen (vgl. dazu § 84 VVG). Eine andere
Betrachtungsweise käme nur dann in Betracht, wenn der als "Helfer" der Beklagten tätige
Zeuge G. die beschriebene Rolle als Regulierungsbeauftragter überschritten hätte. Dies
war jedoch nicht der Fall bzw. ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls
nicht nachgewiesen. Insoweit ist auf die Ausführungen oben b) zu verweisen. Es lässt
sich - über die objektive Tätigkeit des Zeugen G. hinaus - nicht feststellen, dass der Zeuge
bei der Klägerin in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt hätte, dass er nicht als
Beauftragter der Beklagten, sondern als eine Art unabhängiger - und unparteilicher -
Berater tätig werde.
31 5. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag
verpflichtet gewesen wäre, nach dem Schadensfall vom 26.06.2006 über die Bezahlung
der Rechnung der Streithelferin hinaus weitere Leistungen zu erbringen. Denn einen
(ergänzenden) Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag hat die Klägerin im
Rechtstreit nicht geltend gemacht (vgl. hierzu auch den entsprechenden Hinweis des
Einzelrichters im Termin vom 10.01.2012, II, 293).
32 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
33 7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711
ZPO.
34 8. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht
vor.