Urteil des OLG Hamm vom 08.06.2010

OLG Hamm (ausschlagung der erbschaft, kläger, höhe, nachlass, erbschaft, erbe, schenkung, miteigentumsanteil, vertrag, pflichtteil)

Oberlandesgericht Hamm, 10 U 10/10
Datum:
08.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 U 10/10
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 16 O 336/09
Schlagworte:
Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten. Ausschlagung
der Erbschaft
Normen:
§§ 2329 Abs. 1, 822, 2325 Abs. 1, 2326, 2327
Tenor:
Auf die Berufungen der Beklagten werden das am 16. Dezember 2009
verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster und das
am 10. Februar 2010 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des
Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 28.762,20 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 24.06.2009 zu
zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 837,52 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit
dem 28.07.2009 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 72 % der Beklagten und zu 28
% dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht jeweils der Gegner vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
I.
2
Die Parteien streiten über Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers nach der am
21.04.2008 verstorbenen Erblasserin S2. Der Kläger nimmt die Beklagte als
"Weiterbeschenkte” in Anspruch.
3
Der Kläger, der an diesem Verfahren nicht Beteiligte S3 und der am 29.10.2007
verstorbene Ehemann der Beklagten, S4, sind Brüder und die Söhne der Eheleute S
und S2. Der Vater verstarb am 30.06.1982. Er wurde von seiner Ehefrau, der
Erblasserin, allein beerbt. Zum Nachlass gehörte das im Grundbuch von P Blatt ####1,
Amtsgericht Osnabrück, eingetragene Hausgrundstück Y-Straße in P.
4
Der Kläger erhielt nach dem Tod des Vaters von der Erblasserin einen Betrag in Höhe
von 10.225,84 €.
5
Mit notariellem Vertrag vom 22.06.1999 übertrug die Erblasserin das Grundstück
unentgeltlich auf ihre Söhne S3 und S4 zu je ½-Miteigentumsanteil. Sie selbst behielt
sich ein Nießbrauchsrecht an der Grundbesitzung vor. S4 übertrug seinerseits seinen ½-
Miteigentumsanteil mit notariellem Vertrag vom 10.08.2007 unentgeltlich auf die
Beklagte. Er verstarb am 29.10.2007. Kinder hatte S4 nicht. Die Beklagte hat am
22.02.2008 ihre Einsetzung als Erbin ihres Ehemannes ausgeschlagen. Ebenso haben
der Kläger und seine Kinder die Erbschaft als gesetzliche Miterben nach S4
ausgeschlagen.
6
Die Erblasserin S2 verstarb am 21.04.2008. Sie wurde von ihrem Sohn S3 allein beerbt,
nachdem der Kläger und seine Kinder die Erbschaft nach der Mutter bzw. Großmutter
ebenfalls ausgeschlagen haben. Der Nachlass betrug nach Abzug der Verbindlichkeiten
22.475,60 €.
7
S3 und die Beklagte verkauften das Grundstück Y-Straße in P mit notariellem Vertrag
vom 09.06.2009 mit einem Erlös in Höhe von 320.000,00 €.
8
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger gegen die Beklagte einen
Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 40.000,00 € geltend gemacht. Der Bruder
S3 hat ihm seinerseits einen Betrag in Höhe von 40.000,00 € gezahlt.
9
Widerklagend hat die Beklagte die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von
1.419,19 € nebst Zinsen verlangt.
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Sie hat sich darauf berufen, das der Anspruch gegen sie als Beschenkte gemäß § 2329
11
BGB subsidiär sei. Der Kläger müsse sich an den Erben halten, dieser habe 160.000,00
€ aus dem Verkaufserlös bekommen. Außerdem stehe ihm der Nachlass zur Verfügung.
Dem Erben verbliebe damit mehr als sein gesetzlicher Pflichtteil. Sie sei auch nicht
Beschenkte im Sinne des § 2329 BGB, da die Erblasserin den Miteigentumsanteil an S4
und nicht an sie verschenkt habe. Die Vorschrift des § 822 BGB sei hier nicht
anwendbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Weitergabe der Schenkung erfolgt
sei, weil sie zur Begleichung der hohen Krankheitskosten für ihren Ehemann private
Mittel eingesetzt und einen Kredit über 20.754,24 € aufgenommen habe. Der Kläger
habe seinerseits erheblich Zuwendungen von der Erblasserin erhalten, die er sich
anrechnen lassen müsse.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des im ersten Rechtszug streitigen
Vorbringens der Parteien und der in der ersten Instanz gestellten Anträge der Parteien
wird auf den Tatbestand des Urteils vom 16.12.2009 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat mit dem am 16.12.2009 verkündeten Urteil der Klage in vollem
Umfang stattgegeben. Dabei ist es davon ausgegangen, dass durch die unentgeltliche
Weitergabe des Geschenks die Haftung gemäß §§ 2329, 822 BGB auf die Beklagte
verlagert worden sei. Die Voraussetzungen des § 2329 BGB seien erfüllt. Der Kläger sei
pflichtteilsberechtigt mit einer Quote von ¼. Der Nachlass habe unstreitig 22.475,60 €
betragen. Unter Hinzurechnung des unstreitigen Wertes des Grundstücks von
320.000,00 € ergebe sich ein fiktiver Nachlass in Höhe von 342.475,60 €. Davon könne
der Kläger ¼ = 85.618,90 € verlangen. Im Hinblick darauf, dass der aktive Nachlass
22.475,60 € betragen habe und dass der Erbe S3 dem Kläger bereits 40.000,00 €
ausgezahlt habe, sei dieser zu einer weiteren Pflichtteilsergänzung nicht verpflichtet.
Das gelte selbst dann, wenn man die streitige Behauptung der Beklagten
berücksichtige, dass der Kläger von der Erblasserin eine anzurechnende Zuwendung in
Höhe von 10.225,84 € erhalten habe. Durch sein Verhalten habe der Erbe S3 zu
erkennen gegeben, dass er sich auf die Einrede des § 2328 BGB berufe. Die Beklagte
habe den ½-Miteigentumsanteil unentgeltlich erlangt. Sie sei zur anteilsmäßigen
Herausgabe dieser unentgeltlichen Bereicherung in Höhe des
Pflichtteilsergänzungsanspruchs verpflichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
die Entscheidungsgründe des Urteils vom 16.12.2009 verwiesen.
13
Da das Landgericht in diesem Urteil über die Widerklage der Beklagten nicht
entschieden hatte, ist am 10.02.2010 ein Ergänzungsurteil ergangen, mit dem die
Widerklage der Beklagten abgewiesen worden ist. Sie könne die Erstattung ihrer
vorgerichtlichen Kosten nicht verlangen, da sie sich zu Unrecht gegen den Anspruch
des Klägers zur Wehr gesetzt habe.
14
Die Beklagte hat gegen beide Urteile Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihre
erstinstanzlichen Ziele weiter und beanstandet, dass das Landgericht nicht
berücksichtigt habe, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag die Erbschaft
ausgeschlagen habe. Damit stehe ihm auch kein Pflichtteils- und
Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Die Voraussetzungen für die im Gesetz
vorgesehenen Ausnahmen gemäß § 2306 BGB lägen nicht vor. Die Beklagte ist
weiterhin der Ansicht, dass die §§ 2329, 822 BGB nicht anwendbar seien, da sie nicht
die von der Erblasserin Beschenkte sei. Außerdem hafte sie gemäß § 2329 BGB nur
subsidiär. Der Erbe müsse zunächst die Erbmasse bis auf seinen Pflichtteil einsetzen.
Die Beklagte hält schließlich ihren Vortrag aufrecht., dass der Kläger von der
Erblasserin Zuwendungen erhalten habe, die er sich anrechnen lassen müsse.
15
Die Beklagte beantragt,
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1. das Urteil des Landgerichts Münster vom 16.12.2009 abzuändern und die Klage
abzuweisen,
2. das Ergänzungsurteil des Landgerichts Münster vom 10.02.2010 abzuändern mit
der Maßgabe, dass der Kläger und Berufungsbeklagte im Wege der Widerklage
verurteilt wird, nicht anrechenbare Anwaltskosten der außergerichtlichen
Rechtsverfolgung in Höhe von 1.419,19 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 28.07.2009 an sie zu zahlen.
17
18
Der Kläger beantragt,
19
beide Berufungen zurückzuweisen.
20
Er verteidigt die angefochtenen Urteile unter Wiederholung und Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vortrages. Nach seiner Auffassung beeinträchtige die Ausschlagung
der Erbschaft seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht. Der Kläger weist darauf hin,
dass sich der Erbe seinerseits auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen habe.
Außerdem bestreitet er, von der Mutter Schenkungen erhalten zu haben. Die Zahlung
von 10.225,84 € habe sich auf seine Pflichtteilsansprüche nach dem Vater bezogen, die
er einschließlich Zinsen der Mutter gestundet habe.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz
wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22
Der Senat hat im Termin am 80.06.2010 die Berufungsverfahren 10 U 10/10 und 10 U
21/10 unter Führung des Aktenzeichens 10 U 10/10 miteinander verbunden.
23
Die Grundakten von P Blatt ####1, Amtsgericht Osnabrück, haben zur Information des
Senats vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
24
II.
25
Die Berufungen der Beklagten haben zum Teil, so wie aus dem Urteilstenor ersichtlich,
Erfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel nicht begründet und waren zurückzuweisen.
26
1.
27
Der Kläger hat gemäß §§ 2329 Abs. 1, 822 BGB gegen die Beklagte als Beschenkte
einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 28.762,20 €.
28
a)
29
Er ist Gläubiger des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Der Kläger gehört als Sohn der
Erblasserin gemäß § 2303 BGB zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten. Da der Sohn S4,
30
der Ehemann der Beklagten, ohne Abkömmlinge verstorben ist, beträgt die
Pflichtteilsquote des Klägers neben dem Bruder S3 ¼.
Die Ausschlagung der Erbschaft ist unschädlich für den Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Es reicht aus, dass der Pflichtteilsanspruch des Klägers dem Grunde nach besteht.
Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Kläger auch einen konkreten
Pflichtteilsanspruch geltend machen kann. Die Ausschlagung der Erbschaft führt zwar
dazu, dass der Kläger auch keinen Pflichtteilsanspruch mehr hat, weil er nicht durch
eine Verfügung der Erblasserin von Todes wegen, sondern durch seine eigene
Willensentscheidung von der Erbschaft ausgeschlossen ist (s. dazu Palandt-Edenhofer
BGB, 69. Aufl., § 2303 Rdnr. 3 und § 1953 Rdnr. 2). Der Pflichtteilsergänzungsanspruch
verbleibt ihm aber trotzdem (s. dazu BGH NJW 1973 S. 995 f; Palandt-Edenhofer a.a.O.
§ 2325 Rdnr. 2,4; Lange in Münchner Kommentar BGB, 4. Aufl., § 2325 Rdnr. 5;
Birkenheier in juris-Praxiskommentar, 4. Aufl. 2008, § 2325 Rdnr. 11 und § 2329 Rdnr.
12). Der von der Beklagten in der Berufungsbegründung vorgetragenen Auffassung
kann somit nicht gefolgt werden.
31
b)
32
Schuldnerin des geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist die Beklagte.
Ursprünglicher Empfänger der Schenkung des ½-Miteigentumsanteils an dem
Grundstück der Erblasserin war der Ehemann der Beklagten, S4. Er hat das Geschenk
der Erblasserin mit dem notariellen Vertrag vom 10.08.2007 unentgeltlich an die
Beklagte weitergegeben. Damit greift zugunsten des Pflichtteilsberechtigten § 822 BGB
ein. Nach dieser Vorschrift ist ein Dritter - hier die Beklagte -, der von dem Empfänger
das Erlangte unentgeltlich erhalten hat, zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die
Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte, soweit infolge
der Zuwendung an den Dritten die Verpflichtung des Empfängers - hier der Erben des
S4 - zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist (s. zu Birkenheier a.a.O. §
2329 Rdnr. 46; Lange a.a.O. § 2329 Rdnr. 11). Die Beklagte hat sich zwar wegen der
Schenkung ihres Ehemannes auf "moralisch nachvollziehbare Gründe” wegen dessen
Erkrankung und auch den Verbrauch des gemeinsamen Vermögens einschließlich einer
Kreditaufnahme berufen. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich und wird auch von der
Beklagten nicht vorgetragen, dass der Übertragung des ½-Miteigentumsanteils eine
Gegenleistung ihrerseits gegenüber gestanden hat mit der Folge, dass hier keine
Schenkung vorgelegen hätte. Der Vertrag vom 10.08.2007 ist im Gegenteil ausdrücklich
als Schenkungsvertrag formuliert.
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c)
34
Dem Kläger als Pflichtteilsberechtigten steht ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung
gemäß § 2325 Abs. 1 BGB zu.
35
Die Erblasserin hat im Wege der Schenkung das Grundstück mit dem Vertrag vom
22.06.1999 auf ihre Söhne S3 und S4 zu je ½-Miteigentumsanteil übertragen, wobei die
Grundbuchumschreibung im Jahr 2000 erfolgt ist. Die Parteien geben übereinstimmend
den Wert des Grundstücks - entsprechend dem im Jahr 2009 erzielten Verkaufserlös -
mit 320.000,00 € an. Der Senat geht bei dieser Sachlage davon aus, dass dieser Wert
auch unter Berücksichtigung des Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 BGB) der
maßgebliche Wert für die weiteren Berechnungen ist.
36
Da der Nachlass mit 22.475,60 € unstreitig positiv ist, würde der
Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers ¼ = 80.000,00 € betragen. Zu beachten ist
jedoch die Regelung des § 2326 BGB, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist (s.
dazu Palandt-Edenhofer a.a.O. § 2326 Rdnr. 2) und die auch im Fall der Ausschlagung
des Erbteils durch den Pflichtteilsberechtigten gilt (s. BGH NJW 1973 S. 955, 956;
Lange a.a.O. §2326 Rdnr. 5; Birkenheier a.a.O. § 2326 Rdnr. 14, 15). Dem
Pflichtteilsberechtigten steht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1
BGB nur zu, soweit der Wert des Hinterlassenen zurückbleibt hinter der Summe aus
dem ordentlichen Pflichtteil und dem Ergänzungspflichtteil. Das bedeutet, dass der
Pflichtteilsberechtigte sich auf seinen Ergänzungsanspruch das anrechnen lassen
muss, was er aus dem aktiven Nachlass über den Pflichtteil hinaus an mehr erhält oder -
wie hier - erhalten hätte, wenn die Ausschlagung der Erbschaft nicht erfolgt wäre. Der
Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers beträgt deshalb 74.391,10 € und berechnet
sich wie folgt:
37
Nachlass 22.475,60 €
38
davon Erbteil des Klägers ½ 11.237,80 €
39
Pflichtteil ¼ 5.618,90 €
40
Pflichtteil 5.618,90 €
41
+ Ergänzungspflichtteil 80.000,00 €
42
85.618,90 €
43
./. Erbteil 11.237,80 €
44
Ergänzungsanspruch des Klägers
74.381,10 €
45
d)
46
Als Beschenkte haftet die Beklagte gemäß § 2329 Abs. 1 BGB nur subsidiär, soweit der
Erbe nicht gemäß § 2325 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden kann, weil es an
rechtlichen Gründen für seine Verpflichtung fehlt. Der Erbe S3 hat zur Erfüllung des
Pflichtteilsergänzungsanspruchs des Klägers einen Teilbetrag in Höhe von 16.856,70 €
aus dem Nachlass aufzubringen.
47
Im Nachlass waren noch 22.475,60 €. Dieser Betrag wäre grundsätzlich in voller Höhe
zur Erfüllung des Ergänzungsanspruchs einzusetzen. Der Kläger trägt jedoch - von der
Beklagten nicht bestritten - vor, dass sich der Erbe S3 auf sein
Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 2328 BGB berufen habe, weil er selbst
pflichtteilsberechtigt ist. Dem Erben steht die Einrede aus § 2328 BGB zu. Er muss den
Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers nur mit dem Teil des Nachlasses erfüllen,
der nach Abzug seines eigenen Pflichtteilsanspruchs und eines eigenen etwaigen
Pflichtteilsergänzungsanspruchs (berechnet nach den §§ 2325, 2326, 2327 BGB)
verbleibt (s. dazu Birkenheier a.a.O. § 2328 Rdnr. 13). Ein Pflichtteilsanspruch des
Erben, für den ebenfalls die Quote von ¼ gilt, besteht nach den obigen Ausführungen in
Höhe von 5.618,90 €. Darüberhinaus hat der Bruder S3 grundsätzlich ebenfalls einen
Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 80.000,00 €. Darauf muss dieser sich aber
48
gemäß § 2327 Abs. 1 S. 1 BGB anrechnen lassen, dass ihm selbst ein ½-
Miteigentumsanteil an dem Grundstück geschenkt worden ist und er deshalb aus dem
Verkaufserlös 160.000,00 € erhalten hat. Einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat der
Erbe S3 selbst deshalb nicht mehr. Aus dem Nachlass kann nach Abzug des dem Erben
gebührenden ordentlichen Pflichtteils von 5.618,90 € ein Betrag von 16.856,70 € zur
Erfüllung des Ergänzungsanspruchs des Klägers eingesetzt werden.
Damit verbleiben für den subsidiären Anspruch gegen die Beschenkte gemäß § 2329
Abs. 1 BGB 57.524,40 € (74.381,10 € - 16.856,70 €). Nur dieser Betrag kann aus dem
Nachlass nicht aufgebracht werden.
49
Die Beklagte haftet dafür anteilig zu ½ = 28.762,20 € entsprechend ihrem ½-
Miteigentumsanteil an dem geschenkten Grundstück. § 2329 Abs. 3 BGB ist hier nicht
anwendbar, weil der Vollzug der Schenkung an mehrere Beschenkte gleichzeitig und
nicht nacheinander erfolgt ist (s. dazu Birkenheier a.a.O. § 2329 Rdnr. 28; Lange a.a.O.
§ 2329 Rdnr. 16).
50
e)
51
Schenkungen, die der Kläger selbst von der Erblasserin erhalten hat, sind gemäß §
2327 BGB nicht anzurechnen. Der Vortrag der Beklagten dazu ist nicht ausreichend. Es
genügt nicht, wenn lediglich pauschal behauptet wird, dass der Kläger von der
Erblasserin Zuwendungen in erheblichem Maße erhalten habe, ohne dass jedoch
konkrete Einzelheiten dargelegt werden. Der Kläger hat zu der unstreitigen Zahlung der
Erblasserin an ihn in Höhe von 20.000,00 DM = 10.225,84 € vorgetragen, dass es sich
um die Auszahlung seines Pflichtteils nach seinem Vater gehandelt habe, den er der
Mutter zunächst gestundet habe. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
52
f)
53
Der Anspruch gemäß § 2329 Abs. 1 BGB gegen den Beschenkten richtet sich
grundsätzlich auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Gegenstand der Schenkung,
und zwar in der Höhe begrenzt auf den fehlenden Betrag. Eine Ausnahme gilt aber
dann, wenn - wie hier - der geschenkte Gegenstand veräußert wurde. Die Beklagte
schuldet deshalb gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz und kann auf Zahlung in
Anspruch genommen werden (s. dazu Lange a.a.O. § 2329 Rdnr. 8; Birkenheier a.a.O. §
2329 Rdnr. 39, 44)
54
2.
55
Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der nicht
anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten ist nur in Höhe eines Betrages von
837,52 € begründet. Die Beklagte war berechtigt, sich wegen eines Betrages von
11.237,80 € (40.000,00 € - 28.752,20 €) gegen die Forderung des Klägers zur Wehr zu
setzen und anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nach diesem Streitwert berechnet
sich ihr Anspruch auf der Grundlage ihrer Abrechnung im Schriftsatz vom 20.07.2009
wie folgt:
56
Gegenstandswert bis 13.000,00 €
57
Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG
58
526, € * 1,3 683,80 €
59
+ Postgebühr Nr. 7200 RVG 20,00 €
60
703,80 €
61
+ 19 % Umsatzsteuer 133,72 €
62
837,52 €
63
III.
64
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10. 711 ZPO.
65
Die Revision wird nicht zugelassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung
ohne grundsätzliche Bedeutung. Auch gebieten weder die Fortbildung des Rechts noch
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
66