Urteil des OLG Hamm vom 10.09.2004

OLG Hamm: programm, abrechnung, fehlerhaftigkeit, buchführung, kontrolle, handelsvertreter, beweislast, ware, bargeld, daten

Oberlandesgericht Hamm, 35 U 43/03
Datum:
10.09.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
35. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
35 U 43/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Detmold, 1 O 319/01 LG Detmold
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 07. Juli 2003 verkündete
Urteil der Zivilkammer I des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Beklagte hat vom 01.04.1997 bis zum 31.01.2000 eine Agentur der Klägerin
betrieben. Grundlage der Geschäftsbeziehungen war der Handelsvertretervertrag vom
27.03.1997 (Bl. 12 ff. d. A.).
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Der Beklagte hat zunächst gem. § 2 IV des Vertrages (Bl. 14 d. A.) die Handelsware,
nämlich im wesentlichen die Briefmarken und die Telefonkarten, als Eigenhändler
vertrieben. Zum 01.10.1999 hat die Klägerin das Geschäft umgestellt. Auch dieser Teil
des Geschäfts unterfiel von da an dem Handelsvertretervertrag. Die Ware war
Agenturware. Zum 01.02.2000 wurde die Agentur des Beklagten geschlossen, weil – so
die Klägerin – zu hohe Verbindlichkeiten aufgelaufen waren. Diese macht die Klägerin
mit der Klage geltend. Die Klägerin hat die Klageforderung wie folgt ermittelt:
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Abrechnung vom 31.01.2000 =
99.000,00
DM
Rückforderung wegen der vom Beklagten am 19.11.1999 versehentlich zu
hoch eingebuchten Ausgabe Frachtsendungen =
12.887,60
DM
Vom Beklagten nicht eingezogene Nachnahme-Beträge =
2.732,14
DM
Insgesamt =
114.619,74
DM
4
Der Beklagte hat sich vor dem Landgericht im wesentlichen mit dem Vortrag verteidigt,
die Abrechnung der Klägerin sei falsch und für ihn nicht überprüfbar. Das von der
Klägerin angewendete Epos-Rechensystem sei fehlerhaft, buche falsch und ermögliche
auch Dritten auf das Agenturkonto zuzugreifen.
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Das Landgericht hat der Klage in der vorgenannten Höhe unter Zurückweisung der
weitergehenden Klage wegen einiger Nebenforderungen stattgegeben. Zur Begründung
hat es im wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin beruhe auf den vom
Beklagten und seinen Mitarbeitern selbst ins Rechensystem eingegebenen Zahlen. Daß
diese Buchungen falsch seien, sei nicht anzunehmen, zumal der Beklagte keinen
einzigen konkreten Fehler habe aufzeigen können. Es spreche auch nichts dafür, daß
das Rechensystem fehlerhaft sei.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er die
Klageabweisung erstrebt. Er wiederholt seinen Vortrag, das EDV-Programm sei grob
fehlerhaft und unzuverlässig und deshalb als Grundlage für die von der Klägerin
vorgenommene Abrechnung nicht geeignet. Seine Ehefrau und seine Mitarbeiter,
welche die Postagentur geführt hätten, hätten richtig gebucht und die der Klägerin
zustehenden Einnahmen an diese weiter geleitet. Wenn der Sollsaldo dennoch immer
höher geworden sei, so zeige das, daß die Buchführung der Klägerin fehlerhaft sei.
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Der Senat hat die Berufung des Beklagten durch das Versäumnisurteil vom 28.01.2004
zurückgewiesen. Der Beklagte hat form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
8
Er beantragt,
9
das Versäumnisurteil aufzuheben, das Urteil des Landgerichts Detmold vom
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07.07.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
13
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend zu dem neuen
Vorbringen des Beklagten vor. Sie hält das Berufungsvorbringen für unerheblich.
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Wegen des Sachvortrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, die Protokolle und den Berichterstattervermerk Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
17
1.
18
Grundlage der Rechtsbeziehungen der Parteien ist der zwischen ihnen abgeschlossene
Handelsvertretervertrag. Zusätzlich war der Beklagte, soweit er Waren der Klägerin
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verkauft hat, zunächst als Eigenhändler tätig. Seit dem 01.10.1997 sind die Waren vom
Beklagten im Namen der Klägerin in seiner Eigenschaft als Handelsvertreter veräußert
worden.
Der Beklagte hat im Namen der Klägerin Geschäfte abgeschlossen. Er ist verpflichtet,
die für die Klägerin erzielten Einnahmen entsprechend der von dieser vorgelegten
Abrechnung an sie herauszugeben.
20
2.
21
Bezüglich der Darlegungs- und Beweislast gilt folgendes:
22
a)
23
Die Klägerin macht einen Saldo aus einer Abrechnung geltend. Das Landgericht hat
gemeint, es handele sich um ein Kontokorrentverhältnis. Dem ist nicht zu folgen, da es
an einer Abrechnung nach Zeitabschnitten gem. § 355 I HGB fehlt. Es gelten vielmehr
die vom BGH für die Geltendmachung einer Saldoforderung aufgestellten Grundsätze.
Danach muß die Klägerin zu den Einzelforderungen, die von ihr geltend gemacht
werden, vortragen sowie die Passivkosten, die von ihr akzeptiert werden, in die
Berechnung einstellen. Soweit der Beklagte die im Saldo zusammengefaßten
gegenseitigen Forderungen bestreitet, wie das hier der Fall ist, ist näheres Vorbringen
des Klägers zu den Einzelforderungen erforderlich (BGH NJW 1991, 2908). Im zu
entscheidenden Fall gilt dabei die Besonderheit, daß der Beklagte zunächst als
Eigenhändler für die Klägerin tätig war. Soweit es um die Ansprüche aus diesem
Rechtsverhältnis geht, muß die Klägerin die Lieferungen an den Beklagten darlegen
und beweisen und den Beklagten trifft die Darlegungs- und Beweislast zu den von ihm
erbrachten Zahlungen. Soweit es um die Agenturverkäufe geht, gilt im Ergebnis nichts
anderes. Der Beklagte hat insoweit ein Geschäft der Klägerin besorgt (§ 675 BGB), über
das er abrechnen muß (§ 666 BGB). Den Beklagten trifft insoweit auch die Darlegungs-
und Beweislast für den Verbleib der ihm übergebenden Gegenstände unter dem
Gesichtspunkt der Verwahrung (§ 688 BGB).
24
b)
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Die Klägerin hat die ihr obliegende Darlegungslast durch die Vorlage der
Computerauszüge in den vier Leitz-Ordnern genügt. Aus diesen Auszügen sind die
Buchungen und Geschäfte im einzelnen erkennbar. Hinzu kommt hier, daß nach dem
nicht substantiiert widerlegten Vortrag der Klägerin nur der Beklagte und seine
Mitarbeiter Zugriff auf das Programm hatten. Dafür spricht, daß in dem Programm die
einzelnen Geschäftsvorfälle detailliert aufgeführt werden, wie sie nur vom Beklagten und
seinen Mitarbeitern eingegeben werden konnten. Zweifel an der Richtigkeit des
Vortrags der Klägerin wären nur dann berechtigt, wenn der Beklagte Fehlbuchungen
hätte belegen können. Das ist aber nicht der Fall. Der Beklagte hat für seine Agentur
keine einzige solche Buchung aufgezeigt und beschränkt sich auf den Vortrag, daß das
Programm allgemein fehlerhaft sei und daß auch bei anderen Agenturen Fehler
aufgetreten seien. Das begründet aber noch keine Zweifel an der Richtigkeit der hier
vorgelegten Abrechnung. Im einzelnen gilt folgendes:
26
aa)
27
Der Beklagte behauptet, das Epos-Programm sei völlig unbrauchbar. Es sei so stark mit
Fehlern behaftet, daß die unter Anwendung des Programms für die Agentur des
Beklagten vorgenommenen Buchungen nicht aussagekräftig seien, weil angenommen
werden müsse, daß ein wesentlicher Teil der Belastungen gar nicht von dem Beklagten
und seinen Mitarbeitern eingegeben worden sei.
28
(a)
29
Der Beklagte hat dazu vorgetragen, daß es in anderen Agenturen zu Fehlbuchungen
gekommen sei und daraus geschlossen, daß das Programm fehlerhaft sei. Dieser
Vortrag überzeugt nicht. Die Klägerin hat nämlich in der Berufungserwiderung zu den
einzelnen vom Beklagten in der Berufungsbegründung geschilderten Vorfällen Stellung
genommen und dargestellt, aus welchen anderen Gründen es zu den angeblichen
"Fehlern" gekommen ist oder gekommen sein kann. Dem ist der Beklagte nicht
entgegengetreten.
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In der Einspruchsbegründung hat der Beklagte seinen Vortrag aus der
Berufungsbegründung wiederholt, ohne sich mit dem Vorbringen der Klägerin aus der
Berufungserwiderung auseinandersetzt. So ist das Vorbringen des Beklagten zu einem
wesentlichen Teil schon deshalb unbeachtlich, weil Fehler des Programms KUBA
behauptet werden, mit dem der Beklagte gar nicht gearbeitet hat oder weil sich die
Vorfälle zu Zeitpunkten ereignet haben sollen, zu welchen der Beklagte längst
ausgeschieden war. Da die EDV-Programme aber ständig erneuert und angepaßt
werden, können aus späteren Fehlern keine Rückschlüsse auf die Fehlerhaftigkeit des
vom Beklagten verwendeten Programms gezogen werden. Andere angebliche
Programmfehler sind offensichtlich ins Blaue hinein behauptet worden. Die Klägerin hat
in dem Schriftsatz vom 28.04.2004, auf den Bezug genommen wird (Bl. 638 ff. d. A.) im
einzelnen überzeugend zu den Behauptungen des Beklagten Stellung genommen.
Nachvollziehbare Gesichtspunkte, die für eine Fehlerhaftigkeit und Ungeeignetheit des
Programms sprechen könnten, verbleiben danach nicht.
31
So ist die Klägerin der spekulativen Behauptung des Beklagten, von anderen Agenturen
könne unter Verwendung der Kassennummer des Beklagten auf dessen Konto
zugegriffen werden, mit der überzeugenden Erklärung entgegengetreten, die
Kassennummern seien den Rechnern einer bestimmten Agentur zugeordnet. Deshalb
ist auch die Behauptung des Beklagten offensichtlich unzutreffend, mit der Postcard
könne von einem fremden Terminal zu Lasten einer anderen Agentur abgebucht
werden. Diese Tatsache ergibt sich auch nicht aus dem vom Beklagten zitierten
Schreiben.
32
Die Behauptung des Beklagten, die Postagenturen könnten ihre Kassennummern
beliebig ändern, hat ersichtlich mit der Realität nichts zu tun. Die Beklagte hat
nachvollziehbar und überzeugend im einzelnen geschildert, daß die Kassennummern
zu einem bestimmten Zeitpunkt geändert worden sind und auf welche Weise die
Zuteilung der neuen Kassennummern erfolgt.
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Die Behauptung des Beklagten, daß es bei Warenbestellungen zu Fehlern kommen
könnte, ist unstreitig. Warenbestellungen können einer falschen Kassennummer
zugeordnet werden. Da die Belastung auf dem Agenturkonto aber erst erfolgt, wenn die
Ware ausgeliefert worden ist, fällt es spätestens bei der Auslieferung auf, daß
Bestellung und Lieferung nicht zu einander passen. Außerdem weist die Beklagte zu
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Recht darauf hin, daß dann dem Agenturpartner eine Lieferung in Rechnung gestellt
wird, die er nicht erhalten hat. Er kann das - wie auch ein anderer Unternehmer, der eine
falsche Rechnung oder eine fehlerhafte Lieferung erhält – an Hand seiner Unterlagen
feststellen und entsprechend reagieren. Ein Indiz für die Fehlerhaftigkeit des Programms
ist das ersichtlich nicht.
Die Behauptung des Beklagten, bei der Anlage von Festgeldern sei es zu Fehlern
gekommen, ist schon deshalb unzutreffend, weil die Beklagte keine Anlage von
Festgeldern anbietet.
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Die Tatsache, daß es bei der Einbuchung von Wertzeichen zu Fehlern gekommen ist,
sagt ebenfalls nichts über die Zuverlässigkeit des Programms. Wenn statt Einzelmarken
Rollen zu hundert Stück verbucht werden, so ist das ein Indiz für ein Eingabefehler. Im
übrigen ist dem Beklagten dieser Fehler – wie nicht anders zu erwarten – aufgefallen
und nach seinem eigenen Vortrag von der Klägerin korrigiert worden.
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Daß es auch in den Filialen der Klägerin selbst zu Kassendifferenzen gekommen ist, ist
unstreitig. Der Beklagte zieht aber aus dem Schreiben der Klägerin die falschen
Schlüsse. Aus ihm ist zu ersehen, daß bei je 1 Millionen Umsatz in einem bestimmten
Bezirk Kassendifferenzen in Höhe von 264,00 € entstanden waren und das von der
Zentrale beanstandet worden ist. Wären die Differenzen in dem zu entscheidenden Fall
so gering, wäre es wohl zu dem Rechtsstreit nicht gekommen. Außerdem erklärt die
Klägerin die Kassendifferenzen überzeugend damit, daß Fehler bei der
Entgegennahme von Geldern und möglicherweise auch bei der Eingabe der
Buchungen erfolgt sind. Ein Indiz für die Fehlerhaftigkeit des Programms ist das nicht.
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Schließlich kann auch nicht aus dem Umstand, daß von der Beklagten mehrere EDV-
Programme verwendet werden und diese miteinander verknüpft sind, nicht auf eine
Anfälligkeit und Ungeeignetheit des von der Beklagten den Agenturen zur Verfügung
gestellten Programms geschlossen werden. Daß mehrere Programme miteinander
verknüpft werden ist heutzutage Standard. Auf die Fehlerhaftigkeit der
Programmanwendung können daraus keine Schlüsse hergeleitet werden.
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Vom Senat sind nur einige der von dem Beklagten aufgestellten Behauptungen
beispielhaft herausgegriffen worden. Im übrigen wird auf die überzeugende
Stellungnahme der Klägerin Bezug genommen.
39
(b)
40
Gegen die Fehlerhaftigkeit und Ungeeignetheit des Programms spricht weiter, daß im
Zusammenhang mit den Streitigkeiten zwischen ehemaligen Agenturpartnern und der
Klägerin 4 Gutachten eingeholt worden sind, die dem Beklagten bekannt sind. In keinem
einzigen dieser Gutachten wird festgestellt, daß das Epos-Programm ungeeignet ist und
daß die mit diesem Programm erstellten Abrechnungen deshalb mit Fehlern behaftet
seien. Der Verwendung dieser Gutachten in dem Rechtsstreit hat der Beklagte nicht
widersprochen. Er hat selbst die Vorlage eines Gutachtens angekündigt, aus dem sich
die Fehlerhaftigkeit des Epos-Programms ergeben sollte. Dieses Gutachten ist aber bis
zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt worden, weshalb, wird vom
Beklagten nicht mitgeteilt.
41
bb)
42
Der Beklagte hat weiter behauptet, die Datei, auf der die Buchungen für seine Agentur
vorgenommen worden sei, sei praktisch frei zugänglich. Insbesondere Mitarbeiter der
Klägerin hätten Buchungen zu Lasten des Beklagten vornehmen können und auch
vorgenommen. Diese Behauptung ist ersichtlich ebenfalls ins Blaue hinein aufgestellt
worden.
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Die Beklagte hat im Einzelnen die Sicherheitsvorkehrungen dargestellt. Daß es solche
Sicherheitsvorkehrungen gibt und nicht jeder Mitarbeiter in das Rechenprogramm einer
Filiale oder einer Agentur eingreifen kann, liegt auf der Hand. Allerdings hat in
zumindest einem Fall ein Mitarbeiter der Beklagten Falschbuchungen zu seinen
Gunsten und zu Lasten einer Agentur vorgenommen. Dieser Vorfall hat sich in einem
anderen Bezirk ereignet. Unabhängig von diesem Gesichtspunkt spricht aber allein die
Möglichkeit, daß mit krimineller Energie von einem Täter ins Programm eingegriffen
wird, nicht gegen die Geeignetheit und Zuverlässigkeit des EDV-Programms. Daß von
Straftätern EDV-Programme manipuliert werden, läßt sich wohl niemals vollständig
verhindern. Solchen Mißbrauch hat es aber auch schon in der Zeit gegeben, in denen
noch Bücher geführt worden sind und die Buchführung nicht über EDV-Programme
abgewickelt worden ist. Daß ein solcher Vorfall theoretisch in Betracht kommt, macht
noch nicht die gesamte Abrechnung der Klägerin insgesamt fehlerhaft, zumal der
Agenturpartner solchen Straftaten nicht hilflos ausgesetzt ist. Er hat die Möglichkeit, die
Buchungen eines jeden Tages nach Geschäftsschluß abzurufen und ausdrucken zu
lassen und sie auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Daß er von dieser Möglichkeit
Gebrauch macht, muß schon allein deshalb erwartet werden, weil nur so eigene
Eingabefehler, die zu Lasten des Agenturpartners gehen, vermieden werden können.
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cc)
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Dem Senat ist aus eigener Sachkenntnis bekannt, daß es keine 100 %ig vollkommenen
und fehlerfreien Programme gibt und daß sich Mißbrauch nicht vollständig ausschließen
läßt. Gerade deshalb ist es aber auch die Pflicht eines Agenturnehmers, die Buchungen
zu verfolgen und sich nicht blind auf die im Programm enthaltenen Daten zu verlassen.
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Eine Kontrolle der Daten ist leicht möglich, weil die Buchungen übersichtlich und leicht
nachvollziehbar in dem Epos-Programm aufgeführt werden. Als Lastschriften sind zu
Vertragsbeginn die dem Beklagten übergebenden Kassenbestände und Waren
verbucht worden. Danach sind als weitere Lastschriften laufend die vom Beklagten in
das Programm eingegebenen Warenverkäufe und die vom Beklagten von Kunden für
die Klägerin entgegengenommenen Einzahlungen verbucht worden. Als Gutschriften
sind die Auszahlungen des Beklagten aus der Kasse an Kunden verbucht worden.
Ebenso die Abführung von Bargeld aus der Kasse an die Klägerin.
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Trotz dieser Übersichtlichkeit der Buchführung hat der Beklagte keinen einzigen Fehler
in der Buchführung, die seine Agentur betrifft, aufzeigen können. Dabei geht es, wie die
Klageforderung zeigt, um hohe Beträge. Wenn es zu Fehlbuchungen gekommen wäre,
so müßten folglich hohe Summen zu Lasten des Beklagten eingebucht worden sein
oder über eine längere Zeit eine Vielzahl von kleinen Beträgen. Beides wäre dem
Beklagten mit Sicherheit aufgefallen. Die Klägerin macht einen Abrechnungssaldo von
99.000,00 DM geltend. Wenn es tatsächlich zu Fehlbuchungen gekommen wäre, so
wäre dem Beklagten mit Sicherheit jedenfalls irgendein einzelner Buchungsfehler
aufgefallen. Daß die Buchungsfehler so geschickt versteckt worden sind, daß sie dem
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Beklagten in der gesamten Zeit seiner Tätigkeit nicht auffallen konnten und auch bei
einer Überprüfung im nachhinein für ihn nicht feststellbar sind, ist nicht anzunehmen.
Der Beklagte ist auch in der Lage gewesen, die Buchführung des Epos-Programms
laufend zu kontrollieren. Er war von April 1997 bis einschließlich Januar 2000 für die
Klägerin tätig. Das Epos Programm ermöglichte es ihm, am Ende eines Geschäftstages
eine Tagesübersicht über die vorgenommenen Buchungen ausdrucken zu lassen und
diese zu kontrollieren. Nur in der Zeit von Oktober 1999 bis Januar 2000 soll ein
Bestandsvergleich nach der Behauptung des Beklagten nicht möglich gewesen sein.
Die Buchungen selbst konnten also abgerufen und überprüft werden. Nach dem
eigenen Vortrag des Beklagten liegt der Zeitraum, in dem es im wesentlichen zu dem
Schuldsaldo gekommen ist, also in der Zeit, in der eine EDV-mäßige Überprüfung nicht
nur der Buchung, sondern auch des Bestandes möglich war. Der Beklagte konnte somit
kontrollieren. Auch in der Zeit ab Oktober 1999 war er dazu – wenn sein Sachvortrag
richtig ist – in der Lage. Er hätte dann die Bestandskontrolle durch eine eigene
Buchführung vornehmen müssen. Daß er dazu nicht in der Lage gewesen ist, ist nicht
anzunehmen. Dagegen spricht schon entscheidend, daß der Beklagte selbst vorträgt,
daß er im Jahre 1999 über mehrere Monate wegen der aufgelaufenen Schulden eine
Kontrolle durchgeführt hat. Diese Kontrolle hat aber, wie in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat vom 10.09.2004 vom Beklagten selbst dargelegt worden ist, zu keinen
Beanstandungen geführt. Es sind nur jeweils am Geschäftsabschluß unbedeutende
Abweichungen zwischen dem Kassenergebnis und dem in der EDV ausgewiesenen
Ergebnis festgestellt worden, die sich mit Rechen- oder Schreibfehler erklären lassen.
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Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 07.05.2004 die
Behauptung aufgestellt, vom Sommer 1999 bis Ende 1999 seien seine
Verbindlichkeiten gestiegen, obwohl der verbuchte Betrag mit dem Bargeld
übereingestimmt habe und obwohl die Einnahmen an die Klägerin weitergeleitet
worden seien. Diese Weiterleitung ist in der Weise erfolgt, daß der Beklagte
Bargeldeinnahmen auf einem für die Agentur angelegten Sonderkonto bei einer Bank
eingezahlt hat. Von diesem Konto hat die Klägerin die nach den Abrechnungen ihr
zustehenden Beträge abgebucht. Wenn sich tatsächlich in der überprüften Zeit
entgegen dem Ergebnis der Buchungen der Schuldsaldo erhöht hätte, so hätte das ein
Indiz dafür sein können, daß Fehler bei der Buchhaltung vorgekommen sind. Diesen
Nachweis hat der Beklagte aber nicht geführt, obwohl der Senat ihm dazu Gelegenheit
gegeben hat und in seinem Auflagenbeschluß vom 26.05.2004 im einzelnen
aufgegeben hat, was noch vorgetragen werden müsse. Der Beklagte hat weder
vorgetragen, daß die Tageseinnahmen jeweils in voller Höhe auf dem Bankkonto
eingezahlt worden sind noch hat er die Entwicklung des Bankkontos in der fraglichen
Zeit dargestellt. Diese Fragen sind in der letzten mündlichen Verhandlung vom
10.09.2004 vom Senat noch einmal angesprochen worden. Ergänzender Sachvortrag
hierzu ist auch nicht in der mündlichen Verhandlung erfolgt.
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Der Vortrag des Beklagten, er könne die von der Klägerin vorgelegte Abrechnung nicht
überprüfen, greift ebenfalls nicht durch. Die Behauptung ist ersichtlich schon deshalb
falsch, weil der Beklagte für einzelne Zeiträume detailliert Stellung genommen hat und
somit über Unterlagen verfügt, die es ihm ermöglichen die Abrechnung der Beklagten zu
überprüfen. Der Beklagte müßte daher schon vortragen, für welche genauen Zeiträume
ihm Unterlagen fehlen und weshalb er über sie nicht verfügt. Die Behauptung des
zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, die
51
Leitzordner, in denen sich die Abrechnungsunterlagen der Beklagten befinden, lägen
ihm nicht vor, ist unerheblich. Dabei kann die Frage, ob der zweitinstanzliche
Prozeßbevollmächtigte in der Lage gewesen ist, sich die Unterlagen von dem
Rechtsanwalt zu beschaffen, der erstinstanzlich vom Beklagten beauftragt worden war,
dahin gestellt bleiben. Daß die Aktenordner sich auf der Geschäftsstelle des Senats
befinden, war dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten
spätestens seit dem Senatstermin vom 07.05.2004 bekannt. Er hatte also ausreichend
Gelegenheit, in diese Unterlagen Einsicht zu nehmen.
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3)
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Der Vortrag des Beklagten, die Klägerin müsse für die Fehler, die seine Mitarbeiter
gemacht hätten, einstehen, weil sie ihm kein Programm zur Verfügung gestellt habe, das
es ihm ermögliche, die einzelne Buchung dem einzelnen Mitarbeiter zuzuordnen,
überzeugt nicht.
54
a)
55
Der Beklagte hat die Postagentur als Handelsvertreter und damit als selbständiger
Kaufmann betrieben. Für seine Mitarbeiter, auf welche er die ihm übertragenen
Aufgaben delegiert hat, ist er selbst verantwortlich. Sie sind seine Erfüllungsgehilfen (§
278 BGB). Um die Mitarbeiter zu überwachen hätte er selbst Vorkehrungen treffen
müssen, um die einzelnen Buchungen den einzelnen Mitarbeitern zuordnen zu können.
Außer seiner Ehefrau, an deren Zuverlässigkeit der Beklagte nicht zweifelt, waren nur
wenige Mitarbeiter tätig. Es ist davon auszugehen, daß diese nicht zur gleichen Zeit in
der Postagentur gearbeitet haben, sondern daß die Tätigkeit zeitlich aufgeschlüsselt
war. Allein dadurch war eine Überwachung und Kontrolle für den Beklagten schon
gegeben.
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b)
57
Die Behauptung des Beklagten, nur ein Programmfehler oder ein Zugriff eines Dritten
komme als Ursache für die Schulden in Betracht, wird somit durch substantiierten
Vortrag nicht gestützt. Die Schulden können beispielsweise dadurch verursacht worden
sein, daß der Beklagte und seine Ehefrau nicht alle eingenommenen Gelder
weitergeleitet haben, sondern einen Teil für eigene Zwecke verwendet haben. In
Betracht kommt auch, daß eine unzuverlässige Mitarbeiterin Geld an sich genommen
hat. Unstreitig hat eine frühere Mitarbeiterin des Beklagten Gelder unterschlagen.
Möglicherweise ist der von dieser angerichtete Schaden weitaus größer als der
Beklagte das bisher erkannt hat.
58
c)
59
In dem Schriftsatz vom 22.06.2004 stellt der Beklagte weitere Vermutungen an, wie es
zu Fehlbuchungen gekommen sein könnte. Mit diesem Sachvortrag ist der Beklagte
gem. § 529 Abs. 1; 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Weshalb dieser Sachvortrag nicht
bereits im ersten Rechtszug vorgetragen worden ist, ist vom Beklagten nicht dargelegt
worden. Daß einer der Fälle des § 531 Abs. 2 Ziffer 1 – 3 ZPO vorliegt, ist auch nicht
erkennbar.
60
4.
61
Der Beklagte trägt schließlich vor, er habe als Handelsvertreter gem. § 87 c II HGB
einen Anspruch auf Vorlage weiterer Unterlagen. Diese Darlegung steht der von der
Klägerin geltend gemachten Forderung nicht entgegen.
62
Der Beklagte hat als Handelsvertreter nach der vorgenannten Vorschrift einen Anspruch
auf einen Buchauszug, um die von der Klägerin vorgenommene Provisionsabrechnung
überprüfen zu können. Ein solcher Anspruch ist vom Beklagten bisher nicht geltend
gemacht worden und es ist auch nicht ersichtlich, über welche weiteren Informationen
der Beklagte verfügen muß, um seinen Provisionsanspruch richtig berechnen zu
können. Daß die Klägerin die Provision falsch abgerechnet hat, wird im übrigen nicht
einmal behauptet.
63
5.
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Das Rechtsmittel des Beklagten konnte damit keinen Erfolg haben. Das
Versäumnisurteil des Senats war daher aufrechtzuerhalten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 543 ZPO) liegen
nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die vom Senat auf der
Grundlage der Rechtsprechung des BGH entschieden worden ist.
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