Urteil des OLG Hamm vom 23.02.2010

OLG Hamm (miteigentümer, zwischenverfügung, belastung, verfügung, anteil, beschwerde, eintragung, gegenstand, miteigentumsanteil, grundbuchamt)

Oberlandesgericht Hamm, 15 Wx 316/09
Datum:
23.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 Wx 316/09
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 23 T 417/09
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und die Zwischenverfügung des
Grundbuchamtes vom 07.05.2009 werden aufgehoben.
Gründe
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I.
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Durch Übertragungsvertrag vom 08.07.1997, ergänzt durch Urkunde vom
05.11.1997, erwarben die Beteiligte und ihr Ehemann jeweils zu ½
Miteigentumsanteil das o.a. Wohnungseigentumsrecht. Zur Sicherung eines
bedingten Rückübertragungsanspruchs der Übertragsgeber – der Eltern der
Beteiligten - wurde eine Rückauflassungsvormerkung bewilligt. Die
Vertragsparteien vereinbarten weiter die Eintragung eines – auch sukzessive
auszuübenden - Rangvorbehalts bei dieser Rückauflassungsvormerkung für
Grundpfandrechte bis zur Höhe von 300.000 DM nebst Zinsen und
Nebenleistungen. Auf die entsprechenden Anträge hin wurden die Beteiligte und
ihr Ehemann als Eigentümer zu je ½ Anteil eingetragen, in Abteilung II wurde die
Rückauflassungsvormerkung nebst dem vereinbartem Rangvorbehalt
eingetragen.
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Durch notarielle Urkunde vom 18.02.2009 bestellte die Beteiligte unter teilweiser
Ausnutzung des Rangvorbehalts eine im Rang vor der
Rückauflassungsvormerkung einzutragende Fremdgrundschuld über 949,46 € an
ihrem Miteigentumsanteil. Den entsprechenden Eintragungsantrag der Beteiligten
hat das Grundbuchamt beanstandet. Mit Zwischenverfügung vom 04.03.2009 hat
das Grundbuchamt die Auffassung vertreten, ein Rangvorbehalt zugunsten
mehrerer Miteigentümer könne von diesen nur gemeinschaftlich ausgeübt werden.
Erforderlich sei danach die Vorlage einer Genehmigung des weiteren
Miteigentümers in der Form des § 29 GBO. Nach Fristverlängerung hat der
Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten der Auffassung des Grundbuchamtes
mit näherer Darlegung seines Standpunktes widersprochen. Mit weiterer
Zwischenverfügung vom 07.05.2009 hat das Grundbuchamt seine Auffassung
bekräftigt und zur Behebung des Eintragungshindernisses eine letzte Frist
gesetzt.
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Gegen diese Verfügung hat die Beteiligte Beschwerde erheben lassen. Nach der
Nichtabhilfe durch das Amtsgericht hat das Landgericht die Beschwerde durch
Beschluss vom
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22.09.2009 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der
weiteren Beschwerde.
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II.
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Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 78, 80 GBO statthaft sowie formgerecht
eingelegt.
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Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten ergibt sich daraus, dass ihre
Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
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In der Sache ist die weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des
Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 78 Satz 1 GBO a.F.). In
verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht allerdings zutreffend von einer
zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen, da die Zwischenverfügung nach
gefestigter Rechtsprechung eine grundsätzlich anfechtbare Entscheidung
darstellt, auch wenn es sich nicht um eine Endentscheidung handelt (BGH NJW
1994, 1158). In diesem Zusammenhang hat das Landgericht jedoch übersehen,
dass die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer
Zwischenverfügung im Sinne des § 18 Abs. 1 GBO nicht vorlagen. Ein Mangel in
dieser Beziehung muss zwingend zur Aufhebung der Zwischenverfügung im
Rechtsmittelwege führen (vgl. etwa BayObLGZ 1991, 97, 102; Demharter, GBO,
27 Aufl., § 77, Rdnr. 14).
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Nach § 18 Abs.1 S.1 GBO kommt eine Zwischenverfügung nur in Betracht, wenn
das der Eintragung entgegenstehende Hindernis mit Rückwirkung behebbar ist.
Denn andernfalls würde eine verfrühte Antragstellung zu Unrecht begünstigt,
indem ihr eine Rangwirkung eingeräumt würde, die ihr sachlich nicht zukommen
kann. Ein nicht mit Rückwirkung behebbares Eintragungshindernis liegt u.a. dann
vor, wenn eine notwendige Bewilligung im Sinne des § 19 GBO noch nicht erklärt
ist (BGHZ 27, 310, 313). So liegen die Dinge hier, wobei der eigene
Rechtsstandpunkt des Grundbuchamtes zugrunde zu legen ist. Das
Grundbuchamt ist davon ausgegangen, dass für die beantragte Eintragung unter
Ausnutzung des Rangvorbehalts die Mitwirkung des anderen Miteigentümers
erforderlich ist. Bei der notwendigen Erklärung handelt es sich allerdings
entgegen der Diktion des Grundbuchamtes nicht etwa um eine sonstige
Zustimmung eines nur mittelbar Betroffenen, bei welcher eine Zwischenverfügung
grundsätzlich in Betracht käme. Denn das Grundbuch
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amt und ihm folgend das Landgericht haben angenommen, der Rangvorbehalt
könne aus Gründen des materiellen Rechts von den Miteigentümern des
Wohnungseigentums nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Daraus folgt dann
indessen zwingend die Bewilligungsbefugnis im Sinne des § 19 GBO beider
eingetragenen Miteigentümer. Die fehlende Bewilligung des Ehemannes der
Beteiligten konnte deshalb nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein.
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Unabhängig von der danach erforderlichen Aufhebung der Zwischenverfügung
aus formellen Gründen kann sich der Senat auch sachlich nicht dem
Rechtsstandpunkt der Vorinstanzen anschließen. Nach § 19 GBO ist für die
Eintragung die Bewilligung all derjenigen Personen erforderlich, die durch
dieselbe in ihren Rechten betroffen werden können. Die verfahrensrechtliche
Bewilligungsbefugnis leitet sich aus der Befugnis zur sachlichrechtlichen
Verfügung über das von der beantragten Eintragung betroffene Recht ab
(Demharter, a.a.O., § 19 Rdnr. 56 m.w.N.). Von diesem Ausgangspunkt haben die
Vorinstanzen zutreffend sachlich geprüft, ob die Beteiligte bei der Belastung ihres
Miteigentums allein zur Ausübung des Rangvorbehalts befugt ist oder dazu der
Mitwirkung ihres Ehemannes bedarf.
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Die Befugnis der Beteiligten zur alleinigen Ausübung des Rangvorbehalts folgt
nach Auffassung des Senats aus § 747 S. 1 BGB. Danach kann jeder
Bruchteilsberechtigte über seinen Anteil verfügen. Besteht die
Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück, kann jeder Miteigentümer also
ohne Mitwirkung der anderen Verfügungen über seinen Miteigentumsanteil treffen.
Dementsprechend ist nach den §§ 1114, 1192 Abs. 1 BGB der Miteigentumsanteil
an einem Grundstück möglicher Gegenstand einer Verfügung in der Form der
Belastung mit Hypotheken und Grundschulden. Diese unmittelbar aus dem
Miteigentum fließende Verfügungsbefugnis erstreckt sich nach Auffassung des
Senats auch auf die Ausübung eines Rangvorbehalts, durch den sich die
Miteigentümer gem. § 881 Abs. 1 BGB in zulässiger Weise bei der
zurückliegenden Belastung des Grundstücks (hier: mit einer
Auflassungsvormerkung) das Recht vorbehalten haben, Grundpfandrechte in dem
näher beschriebenen Umfang mit dem Rang vor dieser Vormerkung zu bestellen.
Der Rangvorbehalt ist seinem Rechtscharakter nach die mit dem Eigentum am
Grundstück untrennbar verbundene Befugnis, eine nachträgliche Rangänderung
zulasten des mit dem Vorbehalt belasteten Rechts herbeizuführen (vgl. etwa
MK/BGB-Kohler, 5. Aufl., § 881, Rdnr. 4). Die Befugnis zur Ausübung des
Rangvorbehalts muss danach derjenigen zur Belastung des
Grundstückseigentums folgen. Ist der einzelne Miteigentümer bei der
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Belastung seines Miteigentumsanteils (§ 1114 BGB) zur alleinigen Verfügung
befugt (§ 747 S. 1 BGB), muss dies im Ausgangspunkt auch für die Ausübung des
damit verbundenen Rangvorbehalts gelten.
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Allerdings kann ein von einem Grundstücksalleineigentümer begründeter
Rangvorbehalt nach Aufteilung in Miteigentumsanteile nur in der Weise ausgeübt
werden, dass der Nennbetrag der an sämtlichen Miteigentumsanteilen im Vorrang
bestellten Grundpfandrechte den Nennbetrag des Rangvorbehalts nicht
übersteigt. Denn nur so kann vermieden werden, dass das mit dem Rangvorbehalt
belastete Recht keine größere Beschränkung erleidet, als sie bei der Bestellung
des Rechts vorgesehen war (OLG Schleswig FGPrax 2000, 5). Daraus vermag
der Senat indessen nicht den Schluss zu ziehen, dass es sich bei der Ausübung
des Rangvorbehalts im Sinne des § 747 S. 2 BGB um eine Verfügung über den
gemeinschaftlichen Gegenstand im Ganzen handelt, die von den Miteigentümern
nur gemeinschaftlich getroffen werden kann. Die Verfügung des Miteigentümers
beschränkt sich auf eine Belastung seines Miteigentums und eine damit
zusammenhängende, ihm vorbehaltene Rangbestimmung. Verfügungen über den
gemeinschaftlichen Gegenstand im Ganzen sind ferner solche Verfügungen,
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deren rechtliche Wirkung sich ihrem Inhalt nach nicht auf das einzelne
Anteilsrecht begrenzen lässt. Dabei handelt es sich beispielhaft um
Rechtsgeschäfte, die den Bestand oder den Inhalt des gemeinschaftlichen Rechts
betreffen (Staudinger-Langhein, BGB, Neubearb. 2008, § 747, Rdnr. 67; BGH
NJW 1985, 1159, 1161). Darum geht es hier jedoch ebenfalls nicht, insbesondere
ist die Ausübung des Rangvorbehalts nicht gleichzustellen der Einziehung einer
gemeinschaftlichen Forderung. Vielmehr handelt es sich ausschließlich um die
einseitige Ausübung eines Eigentümerrechts, die sich auf die Rangveränderung
des mit dem Vorbehalt belasteten Rechts beschränkt. In diesem Zusammenhang
kann offen bleiben, ob der Rangvorbehalt in der Weise rechtsgeschäftlich bestellt
werden kann, dass er durch die Miteigentümer nur gemeinschaftlich ausgeübt
werden kann. Eine solche Bestimmung ist hier nicht getroffen worden. Durch
etwaige abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen der Miteigentümer im
Rahmen des Gemeinschaftsverhältnisses könnte die dingliche
Verfügungsbefugnis des einzelnen Miteigentümers nach § 747 S. 1 BGB nicht
beschränkt werden (vgl. § 137 S. 1 BGB).
Das Recht des jeweiligen Miteigentümers zur Ausübung des Rangvorbehalts wird
deshalb nur beschränkt durch das gleichrangige Recht des oder der anderen
Miteigentümer, im Rahmen einer Belastung ihres Miteigentumsanteils den
Vorbehalt in derselben Weise
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auszunutzen. Die Belastung des einen Miteigentumsanteils wird durch
Belastungen des oder der anderen nicht berührt. Da der Rangvorbehalt
untrennbar mit dem Miteigentum verbunden ist, wird das Verhältnis, in dem die
Miteigentümer von dem vorbehaltenen Belastungsumfang Gebrauch machen
können, durch die im Grundbuch eingetragenen Anteile bestimmt. Das Recht
anderer Miteigentümer wird deshalb erst dann im Sinne des § 19 GBO betroffen,
wenn einer der Miteigentümer die vorbehaltene Belastung in einem Umfang
ausschöpft, der über den nach seiner Miteigentumsquote auf ihn entfallenden
Anteil am Rangvorbehalt hinausgeht. Bei einer betragsmäßigen Beschränkung
des Rangvorbehalts ist dementsprechend auf den der Miteigentumsquote
rechnerisch entsprechenden Anteil abzustellen. Hierbei ist eine bereits erfolgte
Rangausnutzung zu berücksichtigen. Ist diese durch die Miteigentümer auf allen
Anteilen gemeinschaftlich erfolgt, so ist dem einzelnen Miteigentümer,
unbeschadet der Haftung seines gesamten Anteils, lediglich ein seiner Quote
entsprechender Anteil an dem Betrag des Gesamtrechts anzurechnen. Vorliegend
bleibt die unter Ausnutzung des Rangvorbehalts bestellte Grundschuld jedoch
deutlich hinter dem ½ Anteil der Beteiligten an dem noch zur Verfügung
stehenden Belastungsumfang zurück.
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Eine Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist nicht
veranlasst.
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