Urteil des OLG Hamm vom 28.08.2009

OLG Hamm (antragsteller, fao, antrag, tätigkeit, verfügung, gemeinschaftspraxis, begründung, teilnahme, umfang, gesellschafterversammlung)

Oberlandesgericht Hamm, 1 AGH 28/09
Datum:
28.08.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
1. Senat des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 AGH 28/09
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 30.04.2009 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen
der Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.
Die sofortige Beschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert wird auf 12.500,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Antragsteller ist seit dem 15.09.1978 bei dem Amtsgericht Hamm und dem
Landgericht Dortmund und seit 1999 zusätzlich noch bei dem Oberlandesgericht Hamm
zugelassen. Er betreibt eine Einzelpraxis in Hamm.
3
Am 29.11.2007 beantragte er bei der Antragsgegnerin, ihm zu gestatten, die
Bezeichnung "Fachanwalt für Medizinrecht" zu führen. Diesen Antrag wies die
Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28.03.2008 zurück. Am 06.05.2008 stellte der
Antragsteller einen neuen Antrag, dem er eine 84 Fälle umfassende Fallliste beifügte.
Am 16.09.2008 gab ihm die Antragsgegnerin durch den zuständigen Fachausschuss
auf, die Handakten zu einzelnen in der Liste genannten Fälle vorzulegen. An die
Übersendung wurde mit Schreiben vom 20.11.2008 unter Fristsetzung zum 26.11.2008
erinnert. Am 24.11.2008 stellte der Antragsteller die angeforderten Handakten zur
Verfügung.
4
Mit Beschluss vom 01.04.2009 wies die Antragsgegnerin den Antrag zurück, mit
folgender Begründung:
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- Die Fälle 13 und 14 der Liste könnten nur mit 1,0 Punkten bewertet
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werden. Es handele sich bei dem Fall Nr. 14 um das Berufungsver-
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fahren des Falles Nr. 13; es seien keine "neuen Schwerpunkte
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erkennbar" gewesen.
9
- Die Fälle 17 und 22 befassten sich mit der Umwandlung der
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radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. X u.a. Es könne nur
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ein Fall anerkannt werden.
12
- Auch bei den Fällen 57 und 58 handele es sich nur um einen Fall
13
(außergerichtliche Auseinandersetzung der Praxis X/X2).
14
- Die Fälle 36, 37, 38, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 56,
15
59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 76, 77, 78,
16
79, 80 und 81 befassten sich mit der Geltendmachung von Vergütungs-
17
ansprüchen der radiologischen Gemeinschaftspraxis (später Medizi-
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nisches Versorgungszentrum) Dres. X, X3. In keinem Fall
19
habe gegenüber dem Gericht zu Tatsachen oder Rechtsfragen Stellung
20
genommen werden müssen. Es seien, "wenn überhaupt, bei großzü-
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giger Beurteilung" diese Fälle "mit dem Faktor 0,5 anzusetzen", so dass
22
sich "bei wohlwollender Auslegung 19 Fälle (von angemeldeten 38)"
23
ergäben.
24
- Die Fälle 24, 25, 26, 30, 32, 33, 34 und 35 (Teilnahme des Antrags-
25
stellers an Gesellschafterversammlungen der Gemeinschaftspraxis
26
X, des X4 X und der Teillaborgemeinschaft X) seien
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im Wesentlichen nicht anzuerkennen. Teilweise lägen die Fälle außer-
28
halb des 3-Jahres-Zeitraumes der FAO, teilweise seien sie anderweitig
29
berücksichtigt worden, so dass keine eigenständige weitere Tätigkeit des
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Antragsstellers vorläge. Die Gesellschafterversammlung am 13.09.2005
31
(Fall 33) betreffe keine rechtliche Beratungstätigkeit des Antragstellers.
32
Dasselbe gelte für die Teilnahme des Antragstellers an der Gesellschaf-
33
terversammlung vom 25.04.2007. Anzuerkennen sei danach nur die
34
Teilnahme an der Gesellschafterversammlung am 07.11.2007 (Erläu-
35
terung der Rechtsfolgen des Ausscheidens des Arztes Dr. Y).
36
- Der Fall 19 (Dres. X ./. Dr. Y; Beitrittsvertrag zur Gemein-
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schaftspraxis) sei bereits am 24.04.2002 abgeschlossen gewesen und
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könne deshalb nicht anerkannt werden.
39
- Der Fall 72 (Verfahren wegen erhöhter Honorarzahlungen) sei noch
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nicht abgeschlossen. Eine eigenständige rechtliche Prüfung des Sach-
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verhaltes fehle, es gebe auch kein anhängiges Verfahren. Der Fall sei
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deshalb nur mit 0,5 Punkten zu bewerten.
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Insgesamt hätten daher von den angemeldeten 84 Fällen 28,5 Fälle (bei richtiger
Addition: 30,5 Fälle) nicht anerkannt werden können, so dass "lediglich 55,5 Fälle für
die nachzuweisenden praktischen Erfahrungen" Berücksichtigung finden könnten.
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Gegen diese Verfügung wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche
Entscheidung, der vom 30.04.2009 datiert und am selben Tage beim Anwaltsgerichtshof
eingegangen ist. Zur Begründung führt er aus, die "Herabstufung der Gewichtung
einzelner Fälle" durch die Antragsgegnerin sei unzulässig, die Fachanwaltsordnung
habe eine "Gewichtungsregelung nicht getroffen". Selbst wenn eine Gewichtung der
Fälle, die sich auf die Verfolgung ärztlicher Honoraransprüche beziehen, zulässig sei,
hätte ihm Gelegenheit gegeben werden müssen, Fälle nachzumelden. Tatsächlich habe
er 12 weitere, von ihm nachgemeldete Fälle der Geltendmachung ärztlicher
Honoraransprüche (sämtlich für das X4 Dres. X) im Zeitraum 01.01.2008 bis 06.05.2008
bearbeitet. Gewichte man diese (ebenfalls) mit 0,5 Punkten, seien die "notwendigen 60
Fallpunkte" erreicht. Mit der Streichung weiterer Fälle in der Beschlussbegründung vom
01.04.2209 befasst sich der Antragsteller nicht.
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Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 22.05.2009, den Antrag
zurückzuweisen. Eine Begründung dieses Antrages legte sie mit Schriftsatz vom
20.08.2009 vor. Sie verteidigt die Verfügung vom 01.04.2009 unter näherer Erläuterung
der früheren Erwägungen.
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Mit Verfügung vom 14.08.2009 wurde der Antragsteller gebeten, zum Gegenstand
seiner Tätigkeit in den nachgemeldeten Fällen vorzutragen. Mit Schriftsatz vom
17.08.2009 nahm er Bezug auf die bereits in der ersten Fallliste enthaltenen Fälle der
Geltendmachung ärztlicher Honoraransprüche. Die nachgemeldeten Fälle seien "nach
Gegenstand und Schwierigkeit der Fallbearbeitung vergleichbar" mit den ursprünglich
angemeldeten.
47
Die Antragsgegnerin vertiefte ihr Vorbringen mit Schriftsätzen vom 20.08.2009 und
25.08.2009 und wies insbesondere darauf hin, dass die Fälle der Geltendmachung
ärztlicher Honorarforderungen durchaus niedriger als bisher erfolgt (etwa mit 0,2
Fallpunkten) bewertet werden könnten. Die nachgemeldeten Fälle seien, soweit dies
beurteilt werden könnte, nicht mit 0,5 Punkten zu bewerten.
48
II.
49
1.
50
Der Antrag ist zulässig. Er ist fristgerecht beim Anwaltsgerichtshof eingegangen.
51
2.
52
Er ist nicht begründet.
53
a)
54
Außer Streit steht, dass der Antragsteller die theoretischen Kenntnisse durch Vorlage
der Bescheinigungen der Deutschen Anwaltsakademie nachgewiesen hat.
55
b)
56
Die praktischen Erfahrungen müssen gem. §§ 5 S. 1 lit. i) und 14 lit. b) Nrn. 1 bis 8 FAO
durch Bearbeitung von 60 Fällen belegt werden. Davon müssen 15 Fälle
rechtsförmliche Verfahren betreffen. 12 der rechtsförmlichen Verfahren müssen
Gerichtsverfahren sein. Die Fälle müssen sich auf mindestens 3 verschiedene Bereiche
des § 14 lit. b) FAO Nrn. 1 bis 8 FAO verteilen. Aus den jeweils drei verschiedenen
Bereichen müssen je 3 praktische Fälle nachgewiesen werden.
57
Außer Streit steht, dass der Antragssteller aus (mindestens) 3 verschiedenen Bereichen
des § 15 lit. b Fälle nachgewiesen hat. Er hat 10 Fälle der zivilrechtlichen Arzthaftung (§
14 b Nr. 1 a FAO) bearbeitet, davon 5 gerichtliche Verfahren. 5 Fälle betreffen § 14 lit. b
Nr. 2 (Recht der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung), darunter sind ein
gerichtlicher und ein rechtsförmlicher Fall. Die Fälle 16 — 22 betreffen den Bereich des
§ 14 lit. b Nr. 3 a (Berufsrecht der Heilberufe, insbesondere ärztliches Berufsrecht),
davon beziehen sich zwei Fälle auf rechtsförmliche Verfahren.
58
Die (im Wesentlichen umstrittenen) Fälle betreffen den Bereich des § 14 lit. b Nr. 5 FAO:
Vergütungsrecht der Heilberufe. Sie beziehen sich auf Mahnverfahren (die als
gerichtliche Verfahren im Sinne der FAO anzusehen sind).
59
Der Antragsteller stützt seinen Antrag auf die Annahme, die Mindergewichtung sei
generell unzulässig. Gegen die Streichungen einzelner Fälle durch die Antragsgegnerin
erhebt er keine Bedenken.
60
Bedenken bestehen auch (weitgehend) nicht:
61
Allerdings dürfte der Fall 14, in dem der Antragsteller im Berufungsverfahren tätig war,
mit einem Fallwert von 0,5 anzuerkennen sein.
62
Keine Bedenken bestehen gegen die Annahme, dass die Fälle 17 und 22 bzw. 57 und
58 jeweils nur einen Fall betreffen.
63
Für den Komplex "Teilnahme an Gesellschafterversammlungen" gilt: Die Streichungen
(auch des Falles 26, vgl. den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 25.08.2009) sind
nicht zu beanstanden, nachdem die Gesellschafterversammlungen außerhalb des 3-
Jahres-Zeitraums des § 3 FAO lagen. Soweit der Antragsteller den Gegenstand seiner
Beratung in den Versammlungen bereits in anderen Fallnummern ausgewiesen hat,
kann seine Tätigkeit nicht zur Anerkennung eines weiteren Falles führen. Wurde eine
rechtsberatende Tätigkeit in der Gesellschafterversammlung nicht erbracht, hat sich der
Antragsteller vielmehr darauf beschränkt, an der Versammlung teilzunehmen, ohne sich
zu Wort zu melden oder ein rechtliches Anliegen seines Mandanten zu vertreten, liegt
keine Fallbearbeitung im Sinne der FAO vor.
64
Keine Bedenken bestehen gegen die Streichung des Falles mit der Nr. 19 (die
Fallbearbeitung war vor Beginn des 3-Jahres-Zeitraums des § 3 FAO abgeschlossen).
65
Schließlich hat die Antragsgegnerin zu Recht den Fall mit der Nr. 72 nur mit 0,5
bewertet; die Tätigkeit des Antragstellers ist nicht über die Zusendung eines
Aktenvermerks zu einem Urteil, das für seinen Mandanten von Bedeutung sein kann,
hinausgegangen. Korrespondenz mit der Gegenseite findet sich in der Akte nicht.
66
Grundsätzliche Bedenken gegen die Mindergewichtung einzelner Fälle gibt es nicht.
Nach der seit dem 01.11.2006 geltenden Fassung des § 5 Abs. 3 FAO ist eine
abweichende Gewichtung sowohl nach oben als auch nach unten zulässig (§ 5 S. 2
FAO a.F. hatte nur von einer "anderen Gewichtung" gesprochen; es war streitig, ob nur
eine höhere oder auch eine niedrigere Gewichtung zulässig sei). Dies bedeutet, dass
nicht jeder angemeldete Fall zwingend mit dem Faktor 1 zu bewerten ist. Kriterium für
eine abweichende Gewichtung sind Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der Fälle
(BGH AnwBl 2006, 413).
67
Nicht richtig sind die Erwägungen der Antragsgegnerin auf Blatt 2 der Verfügung vom
01.04.2009, die auf die "gängige Praxis des Fachanwaltsausschusses und der
zuständigen Abteilung V des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer" hinweisen, bei
"gleichartiger Geltendmachung von Gebührenpositionen nach GOÄ im Mahnverfahren
nur mit 0,5 zu gewichten". Bei einer bestimmten Art der Fallbearbeitung allgemein und
losgelöst vom einzelnen Fall eine Mindergewichtung anzunehmen, ist nicht von § 5 Satz
3 FAO gedeckt (BGHZ 166, 292; BGH NJW 2005, 214; AGH Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 18.05.2007, Leitsatz, veröffentlicht in BRAK-Mitt. 2007, 224). Der
Bundesgerichtshof hat für Steuererklärungen für ein und denselben Mandanten über
mehrere Jahre hinweg klargestellt, dass eine niedrigere Gewichtung nicht allein damit
begründet werden kann, es seien in unterschiedlichen Fällen wiederholt dieselben
Rechtsfragen zu beantworten gewesen. Die niedrigere Bewertung muss mithin
fallspezifisch begründet werden. Allerdings hat die Antragsgegnerin im Ergebnis nicht
pauschal - unter Außerachtlassung des Einzelfalles - gewichtet: Die Fälle, die sich auf
die Beitreibung ärztlicher Honorare beziehen, hat sie nach Akteneinsicht einzeln
ausgewertet. In sämtlichen Fällen hat der Antragsteller keine Tatsachen erörtert oder
Rechnungen nach der GOÄ beurteilt. Vor diesem Hintergrund bestehen keine
grundsätzlichen Bedenken gegen die Mindergewichtung.
68
Jedoch ist eine Gewichtung dieser Fälle mit 0,5 nicht angemessen. Die Antragsgegnerin
selbst spricht von einer ursprünglich "großzügigen" Beurteilung. Bei der
Mindergewichtung ist der Umfang eines Falles, der zeitliche Aufwand der Bearbeitung
(Studium der relevanten Unterlagen, der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung
sowie eine etwaige Besprechung mit dem Mandanten und anderen Beteiligten) zu
berücksichtigen. Maßgebliche Bedeutung kommt ferner der Schwierigkeit der
Fallbearbeitung zu (Klose BRAK-Mitt. 2008, 152). Abzugrenzen sind schwierige
Sachverhalte von solchen, die gleichsam routinemäßig ohne weitere Sachprüfung
bearbeitet werden können.
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Die obergerichtliche Rechtsprechung zur Abstufung der Gewichtung ist nicht einheitlich.
Der AGH Bremen geht in seinem Beschluss vom 07.12.2003 davon aus, dass selbst
sehr einfache Sachverhalte jedenfalls mit einer Fallzahl von 0,5 zu gewichten seien
(FamRZ 2004, 1645). Der AGH Thüringen hat sich dieser Auffassung angeschlossen
(BRAK-Mitt. 2005, 134). In der Literatur wird es (wohl durchgängig) als zulässig
angesehen, Fälle mit einem geringeren Wert als 0,5 zu bewerten (Hartung/Scharner,
Anwaltliche Berufsordnung, 4. Auflage, § 5 FAO
70
Rdnr. 315; Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 7. Auflage, § 5 Rdnr. 27). Es soll bei
Fällen minderer Bedeutung und nicht schwieriger, nicht umfangreicher Fall-
71
bearbeitung eine Herabsetzung bis auf einen Faktor von 0,1 zulässig sein. Zwar seien
starke Herabsetzungen grundsätzlich zu vermeiden, da sie nicht nur zu einer starken
Erhöhung der erforderlichen Zahl von Einzelfällen führten, sondern auch die Gefahr
einer aufgesplitterten Fallzahl begründeten. Deshalb sei eine Herabstufung auf 0,5 als
"Regelfall" — bei einfacher Fallgestaltung — anzunehmen (Vossebürger, a.a.O.). Dies
ändere aber nichts an der grundsätzlichen Möglichkeit, bei einem Fall, dessen geringer
Umfang und geringe Schwierigkeit nahe läge, unter einen Wert von 0,5 zu gehen. Es sei
"immer noch besser", diesen Fall mit einem "geringeren Faktor als überhaupt nicht zu
berücksichtigen" (Vossebürger, a.a.O.; vgl. auch OffermannBurckhart, Fachanwalt
werden und bleiben, Rdnr. 337; dies. in Kilian/vom Stein, Praxishandbuch für
Anwaltskanzleien und Notariat, § 16 Rdnr. 144 ff.).
72
Danach ist bei einer routinemäßig zu bearbeitenden, sich häufig wiederholenden
Ausgangslage, die sich auf das Ausfüllen eines Mahnbescheides ohne Sachprüfung
und Erläuterungen beschränkt, ein Punktwert von höchstens 0,25 angemessen, es sei
denn, dass sich ausnahmsweise besondere Schwierigkeiten stellten. Dem entspricht es,
dass der Bundesgerichtshof bei "Fällen mit gleichgelagerter Problematik" eine
Mindergewichtung unter dem Stichwort "Wiederholungsfälle" ausdrücklich als zulässig
angesehen hat (Beschluss vom 20.04.2009; AnwZ (B) 48/08). Der Bundesgerichtshof
hat in einem Fall, in dem es um die Anerkennung als Fachanwalt für Erbrecht ging, bei
der wiederholten Einrede nach § 1990 BGB gegenüber verschiedenen Forderungen
zweier Nachlassgläubiger zwar jeweils einen Fall im Sinne der FAO angenommen, im
Hinblick auf die "gleichgelagerte Problematik" aber den Fällen "so geringes Gewicht
beigemessen", dass er nur ein Punktwert von ("höchstens") 0,2 anerkannt hat. In der
vorgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof das Nichterreichen der
notwendigen Fallzahl abweichend vom Anwaltsgerichtshof begründet und damit
bestätigt, dass die "Neugewichtung" im Rechtsmittelverfahren zulässig ist (so auch AGH
Berlin BRAK-Mitt. 2009, 81).
73
Für die ursprünglich angemeldeten "Beitreibungsfälle" hat eine Aktenauswertung
74
ergeben, dass der Antragsteller keine nennenswerte Sach- und Rechtsprüfüng
vomehmen musste. Wie sich aus dem Schriftsatz des Antragstellers vom 17.08.2009
ergibt, sind die nachgemeldeten Fälle durchgängig nicht anders zu beurteilen. Danach
ist ein Faktor von höchstens 0,25 für die "Beitreibungsfälle" angemessen.
c)
75
Auf die Möglichkeit, im Rahmen des Verfahrens vor der Antragsgegnerin Fälle
nachzumelden, war der Antragsteller nicht hingewiesen worden. Der Ausschuss hätte
im Hinblick auf die von ihm vorgenommene Mindergewichtung den Antragsteller über
seine Rechtsauffassung unterrichten, ihm eine nachvollziehbare, gerichtlich
überprüfbare Begründung geben und die Gelegenheit einräumen müssen, seine
Fallliste zu ergänzen, § 24 Abs. 4 FAO. Dem Schreiben vom 16.09.2008, mit dem
Handakten beim Antragsteller angefordert wurden, ist die Rechtsauffassung des
Ausschusses nicht zu entnehmen. Bedenken werden erstmals im Antrag zurückwei-
76
senden Beschluss vom 01.04.2009 erörtert. Allerdings hatte der Antragsteller Ge-
77
legenheit, in Kenntnis der Auffassung der Antragsgegnerin Fälle im gerichtlichen
Verfahren nachzumelden. Der Senat hat die nachgemeldeten Fälle berücksichtigt (der
Senat geht grundsätzlich von der Möglichkeit der Nachmeldung im gerichtlichen
Verfahren aus, vgl. den Beschluss vom 18.09.2009 in der Sache - 1 ZU 75/07 -).
78
d)
79
Danach ergibt sich unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin
zu den übrigen Fällen der Liste, die der Antragsteller, wie ausgeführt, im wesentlichen
nicht angreift, Folgendes:
80
Die Fallliste vom 06.05.2008 enthält 84 Falle; 12 nachgemeldete Fälle der
81
Geltendmachung ärztlicher Honoraransprüche nach GOÄ ergeben 96 Fälle
82
Abzuziehen sind
83
- Ein Punktwert von
0,5
84
Tätigkeit im Berufungsverfahren)
85
- Fall 17 und 22 sind identisch (abzuziehen
1,0)
86
- Fall 19 ist zu streichen (außerhalb der 3-Jahreszeitraumes); Abzug
1,0
87
- Aus den Fällen Nrn. 36, 37, 38, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52,
88
56, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 76, 77, 78,
89
79, 80 und 81 sind bei einer Mindergewichtung auf 0,25
28,5
90
streichen.
91
- Die Fälle 24, 25, 96, 30, 32, 33, 34 und 35 betreffen Gesellschafterversamm-
92
lungen, an denen der Antragsteller für die Gemeinschaftspraxis, das X4
93
bzw. die Laborgemeinschaft Dres. X teilnahm. Auf die obigen Erläu-
94
terungen kann Bezug genommen werden, es sind 6 Fälle zu streichen.
95
- Fall 58 (schon bei Nr. 57 berücksichtigt), Abzug
1,0
96
- Nicht zu beanstanden ist die Auffassung der Antragsgegnerin, dass der
97
Fall 72 aus den oben erläuterten Gründen nur mit einem Punktwert 0,5
98
angesetzt werden kann, Abzug
0,5.
99
Zu streichen sind damit insgesamt Fälle mit einem Punktwert von 47,5. Bei
angemeldeten 96 Fällen ergäbe sich danach ein Punktwert von 48,5. Dieser liegt unter
der geforderten Fallzahl von 60. Der Antrag war danach zurückzuweisen.
100
III.
101
Die Kostenentscheidung folgt aus § 201 BRAO.
102
Die sofortige Beschwerde war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 223 Abs. 3 BRAO
hierfür nicht vorliegen.
103
Die Festsetzung des Gegenstandswertes entspricht der ständigen Rechtsprechung des
Senats zu §§ 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 KostO in Zulassungssachen.
104