Urteil des OLG Hamm vom 26.09.2008

OLG Hamm: treu und glauben, einstellung der zahlungen, verbrauch, liefersperre, wiederherstellung, leistungsfähigkeit, beschwerdeschrift, vorschuss, vertragserfüllung, wasserversorgung

Oberlandesgericht Hamm, 19 W 29/08
Datum:
26.09.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 W 29/08
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 4 O 369/08
Schlagworte:
Liefersperre, Abschlagszahlungen, offensichtlicher Fehler,
Zwangsverwalter, Treu und Glauben
Normen:
§§ 13 Abs. 1, 17 Abs. 1, 19 Abs. 2 StromGVV u. GasGVV
Leitsätze:
Die Einstellung der Energielieferung aus einem
Energielieferungsvertrag mit einem Zwangsverwalter wegen
Nichterfüllung von Zahlungspflichten verstößt nicht deshalb gegen Treu
und Glauben oder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil
das Zwangsverwalterkonto nicht die zur Erfüllung der Zahlungspflichten
erforderliche Deckung aufweist.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller nach
einem Gegenstandswert von 23.892,-- Euro.
G r ü n d e
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Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht
begründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu
Recht zurückgewiesen.
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Der Antragsteller hat einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin aus den
geschlossenen Energieversorgungsverträgen auf Wiederherstellung der Strom- und
Gasversorgung betreffend das Objekt T-Straße in I, dessen Zwangsverwalter er ist, nicht
hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die
Antragsgegnerin nach § 19 Abs. 2 der Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) und
der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) berechtigt war, die
Energielieferung einzustellen, weil der Antragsteller seine Zahlungspflichten trotz
Mahnung nicht erfüllt hat.
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Der Antragsteller hat nach seinem Vorbringen die Abschlagszahlungen für das Objekt,
die insgesamt 3.982,-- Euro monatlich betragen, ab Juli 2008 eingestellt. Damit hat er
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seine Pflicht aus den den Verträgen zugrundeliegenden §§ 13 Abs. 1 GasGVV und
StromGVV zur Leistung von Abschlagszahlungen verletzt.
Der Antragsteller war nicht berechtigt, die Zahlung der Abschläge ohne weiteres
einzustellen. Nach § 17 Abs. 1 S. 2 StromGVV und GasGVV berechtigen Einwände
gegen die Abschlagsberechnungen zur Zahlungsverweigerung nur, soweit die
ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder sofern der in einer
Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch
wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist. Diese
Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Antragsteller hat nicht einmal hinreichend
dargelegt, dass – wie er meint – eine Herabsetzung der Abschläge gerechtfertigt ist.
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Beanstandungen gegen die Festsetzung der Abschlagszahlungen durch die
Antragsgegnerin bei Abschluss der Verträge im Februar 2008 entsprechend dem
Verbrauch des zuletzt abgerechneten Zeitraums hat der Antragsteller nicht erhoben. Ist
ein Kunde der Auffassung, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist, als bei
Bemessung der Abschläge angenommen, hat er nach § 13 Abs. 1 S. 4 StromGVV und
GasGVV dies dem Versorgungsunternehmen glaubhaft zu machen. Das
Versorgungsunternehmen hat den glaubhaft gemachten Sachverhalt angemessen zu
berücksichtigen. Der Antragsteller hat sich jedoch erst nach Einstellung der Zahlungen
mit Schreiben vom 29.08. und 11.09.2008 an die Antragsgegnerin gewandt. Weder in
den Schreiben noch im vorliegenden Verfahren hat er zudem hinreichend glaubhaft
gemacht, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist als zunächst angenommen. Er führt
ohne nähere Erläuterung an, es seien zwischenzeitlich Sparmaßnahmen eingeleitet
und u. a. im Mai das Schwimmbad außer Betrieb genommen worden, der Hotelbetrieb
laufe nur sehr schleppend. Dieses Vorbringen reicht nicht aus. Es ist weder dargelegt,
wie die tatsächlichen Verhältnisse und der Verbrauch sich in vorangegangenen
Abrechnungszeiträumen gestaltet haben, noch ist anhand der mitgeteilten Zählerstände
nachvollziehbar, dass wider Erwarten einer erheblich geringerer Verbrauch in der
laufenden Abrechnungsperiode zu erwarten ist. Soweit der Antragsteller aufgrund der
Zählerstände für den Zeitraum vom 23.02.2008 bis 27.08.2008 Überzahlungen von
834,18 Euro und 325,-- Euro errechnet, ist dies bereits deshalb nicht aussagekräftig,
weil sich die Verbrauchswerte überwiegend auf die warme Jahreszeit beziehen. Es ist
daher zweifelhaft, ob das Vorbringen des Antragstellers die Annahme eines erheblich
geringeren Verbrauchs rechtfertigt. Jedenfalls ist die ernsthafte Möglichkeit eines
offensichtlichen Fehlers bei Bemessung der Abschläge nicht ersichtlich.
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Es ist ferner davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller gemahnt
und die Liefersperre ordnungsgemäß unter Fristsetzung angedroht hat (§ 19 Abs. 2 S. 1
StromGVV und GasGVV). Gegen die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts
in der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug genommen wird, wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht.
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Entgegen der Ansicht des Antragstellers war die Antragsgegnerin nicht aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit an der Liefersperre gehindert. Nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromGVV und
GasGVV genügt eine Unverhältnismäßigkeit der Versorgungsunterbrechung nicht, um
das Recht des Versorgungsunternehmens auszuschließen. Es muss darüber hinaus
hinreichende Aussicht bestehen, dass der Kunde seinen vertraglichen Verpflichtungen
nachkommt. Eine solche Aussicht besteht hier nach dem Vorbringen des Antragstellers
in der Beschwerdeschrift nicht. Vielmehr ist der Antragsteller zur Leistung der
Abschlagszahlungen nicht in der Lage und hat auch nicht die Möglichkeit, sich
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anderweitig entsprechende Mittel zu beschaffen. Das Zwangsverwalterkonto weist zur
Zeit nur einen Betrag von 1.546,12 Euro aus, und dies auch nur, weil die Gläubigerin
des Zwangsverwaltungsverfahrens im Juli einen Vorschuss von 10.000,-- Euro gezahlt
hat. Dass der Antragsteller, "um seinen guten Willen zu zeigen" inzwischen unter dem
19.09.2008 weitere Abschlagszahlungen von insgesamt 2.650,-- Euro geleistet hat,
rechtfertigt es nicht, die Antragsgegnerin zur Wiederherstellung der Strom- und
Gasversorgung zu verpflichten. Rückstände in nicht unerheblicher Höhe sind bisher
nicht beglichen, weil der Antragsteller dazu nicht in der Lage ist.
Die Liefersperre verstößt nicht gegen Treu und Glauben. Die finanzielle
Leistungsfähigkeit des Kunden ist in diesem Zusammenhang nicht als Gesichtspunkt zu
berücksichtigen. Der Verordnungsgeber hat mit der Regelung des Rechts zur
Einstellung der Versorgung die sich daraus für den Kunden ergebenden Nachteile
bewusst in Kauf genommen. Jeder Kunde ist naturgemäß von der
Versorgungseinstellung unangenehm und in seinen wirtschaftlichen und sozialen
Bedürfnissen einschneidend betroffen. Aus den Regelungen ist zu entnehmen, dass
das Versorgungsunternehmen jedenfalls bei nicht unerheblichen Zahlungsrückständen
nicht zur Vorleistung verpflichtet sein soll, wenn keine hinreichende Aussicht auf
Vertragserfüllung durch den Kunden besteht (vgl. Hempel/Franke, Recht der Energie-
und Wasserversorgung, Band 5, § 33 AVBeltV Rdn. 135, 159D). Besondere Umstände,
die ausnahmsweise einen Verstoß der Antragsgegnerin gegen Treu und Glauben
rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Der Antragstellerin ist
nicht zumutbar, durch Vorleistung das sich aus der wirtschaftlichen Situation des
Objekts ergebende Risiko zu tragen. Der die Zwangsverwaltung betreibenden
Gläubigerin ist es zuzumuten, dafür Sorge zu tragen, dass der Antragsteller seine
Verpflichtungen gegenüber der Antragsgegnerin nach den gegenüber jedem anderen
Kunden geltenden vertraglichen und gesetzlichen Regelungen erfüllen kann, wenn sie
den weiteren Betrieb des Hotels wünscht.
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Hiernach war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
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