Urteil des OLG Hamm vom 17.01.2008

OLG Hamm: verrechnungsstelle, abtretung, agb, wirkung ex tunc, eigentumsvorbehalt, apotheker, abrechnungsstelle, genehmigung, zuwendung, herausgabe

Oberlandesgericht Hamm, 27 U 115/07
Datum:
17.01.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 115/07
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 11 O 494/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Juni 2007 verkündete
Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 64.277,69 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 27. April 2006
zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1
I.
2
Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des
Apothekers X die Rückgewähr einer durch die Apotheken Verrechnungsstelle von Q an
die Beklagten ausgekehrten Zahlung in Höhe von 64.277,69 €.
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Der Insolvenzschuldner, der die F Apotheke in O betrieb, wurde ausschließlich durch
die Beklagte, eine Apothekergenossenschaft, beliefert. Dem lagen die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten zugrunde, die in Ziffer 6 einen verlängerten
Eigentumsvorbehalt, bezogen auf alle Forderungen, die dem Schuldner "aus der
Weiterveräußerung gegen seine Abnehmer oder Dritte erwachsen", enthält.
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Der Schuldner ließ seine Forderungen gegen Kostenträger (gesetzliche
Krankenkassen) aufgrund eines Vertrages vom 16.07.1979 durch die Apotheken
Verrechnungsstelle von Q abrechnen und einziehen; Inhaber der
5
Abrechnungsforderung blieb er allerdings selbst.
Die Liquiditätsprobleme des späteren Insolvenzschuldners waren bereits seit einigen
Jahren Gegenstand von Gesprächen mit der Beklagten. Nachdem die Verbindlichkeiten
aus Medikamenten- und Warenlieferungen Ende Juni 2005 dennoch auf über 400.000,-
€ angewachsen waren, stellte die Beklagte die Belieferung des Schuldners ein. Sie
wandte sich mit Schreiben vom 01.07.2007 an die Apothekenverrechnungsstelle und
begehrte unter Hinweis auf ihren verlängerten Eigentumsvorbehalt die Auskehrung von
Rezepterlösen des Schuldners an sie. Dem kam die Verrechnungsstelle nach und
überwies der Beklagten am 18.07.2007 die gemäß Schreiben vom 14.07.2005 unter
Abzug der ihr zustehenden Gebühren dem Schuldner gegenüber abgerechneten
Rezepterlöse in Höhe der Klageforderung.
6
Der Schuldner hatte zuvor bereits mit Anwaltsschreiben vom 05.07.2005 Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Das Verfahren wurde mit Beschluss des
Amtsgerichts L vom 01.10.2005 eröffnet.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der verlängerte Eigentumsvorbehalt in
den AGB der Beklagten allenfalls die Forderungen des Schuldners gegen
Krankenkassen, nicht aber seine aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der
Verrechnungsstelle resultierenden Ansprüche betreffe, und die Beklagte daher nach §
812 Abs. 1 BGB zur Herausgabe des an sie ausgekehrten Betrages verpflichtet sei.
Hilfsweise hat er sich auf eine Anfechtung nach § 131 InsO berufen.
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Die Beklagte ist dieser Auffassung unter Hinweis darauf, dass die nach ihren AGB
aufgrund der Weiterveräußerung abgetretenen Forderungen durch die allgemein
übliche Einschaltung einer Verrechnungsstelle keine Änderung erfahren würden,
entgegen getreten. Das müsse zumindest eine am Sinn und Zweck ausgerichtete
Auslegung der AGB ergeben. Die Kostenträger leisteten im Grunde nämlich nicht an die
Verrechnungsstelle, sondern über die Verrechnungsstelle an den Kläger.
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Der Einzelrichter der 11. Zivilkammer des Landgerichts Essen hat die Klage
abgewiesen. Ein Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB bestehe nicht, weil die
Forderungen des Klägers gegen die Verrechnungsstelle aufgrund des verlängerten
Eigentumsvorbehalts wirksam an die Beklagte abgetreten gewesen seien. Diesen lägen
letztlich Ansprüche aus der Weiterveräußerung gegen die Krankenkassen als Dritte im
Sinne der AGB zugrunde. Durch die Einschaltung einer Abrechnungsstelle ändere sich
dieser Charakter nicht. Es mache auch keinen Unterschied, ob die Forderungen gegen
die Kostenträger durch Zahlung an die Verrechnungsstelle oder an den
Insolvenzschuldner direkt erloschen seien. In jedem Fall bestehe ein Anspruch der
Beklagten auf die Gelder, die durch die Weiterveräußerung der durch sie gelieferten
Waren erzielt worden seien. Würde demgegenüber der Auffassung des Klägers gefolgt,
könnte die Abtretung durch die Einschaltung von Abrechnungsstellen umgangen
werden. Auch auf eine Insolvenzanfechtung könne die Klageforderung nicht gestützt
werden.
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Der Kläger verfolgt seinen erstinstanzlichen Antrag unter Wiederholung und Vertiefung
seines Vortrages mit der Berufung weiter. Zusätzlich macht er geltend, dass eine
unterstellte Abtretung gem. §§ 134 BGB, 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB nichtig wäre.
11
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Ansprüche, die der Schuldner
12
gegen die Abrechnungsstelle von Q erworben habe, beruhten ohne jeden Zweifel auf
der Veräußerung von Arzneimitteln. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die
Abtretung auch nicht unwirksam. Der Schuldner müsse der Beklagten im Rahmen der
hier allein in Rede stehenden Abtretung seiner Ansprüche gegen die
Verrechnungsstelle allenfalls deren Abrechnungen, die keine geheimhaltungspflichtigen
Patientendaten enthielten, offen legen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Tatbestand des erstinstanzlichen
Urteils verwiesen.
13
II.
14
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Forderungen, die der streitgegenständlichen
Zahlung der Verrechnungsstelle von Q zugrunde lagen, standen der Beklagten nicht zu.
Der Kläger kann daher nach § 816 Abs. 2 BGB Herausgabe des wirksam an sie als
Nichtberechtigte geleisteten Betrages in Höhe von 64.277,69 € verlangen.
15
1)
16
Die Beklagte ist nicht Inhaberin der Forderungen des Schuldners gegen die
Apothekenverrechnungsstelle von Q geworden.
17
a)
18
Eine Abtretung dieser Forderungen folgt insbesondere nicht aus dem in Ziffer 6 der AGB
der Beklagten enthaltenen verlängerten Eigentumsvorbehalt.
19
Die Abtretung der Forderungen "aus der Weiteräußerung" der von der Beklagten
gelieferten Produkte betrifft zunächst lediglich die unmittelbar aus den jeweiligen
Kaufverträgen resultierenden Zahlungsansprüche gegenüber Kunden (Privatpatienten
als "Abnehmer" i.S.d. AGB) und den Kostenträgern (gesetzliche Krankenkassen als
"Dritte" i.S.d. AGB). Die Einschaltung der Verrechnungsstelle ändert an der Abtretung
der vorgenannten Forderungen zwar – selbstverständlich nichts. Diese Forderungen
waren durch Zahlung der Krankenkassen an die Verrechnungsstelle, die der Schuldner
zur Entgegennahme ermächtigt hatte, gem. §§ 362 Abs. 2, 185 BGB jedoch bereits
genauso erloschen, wie es bei unmittelbarer Zahlung an den Schuldner der Fall
gewesen wäre (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Beklagte muss die Leistung der Kostenträger,
denen die Abtretung nicht offen gelegt wurde, gemäß § 407 Abs. 1 BGB gegen sich
gelten lassen.
20
Der Anspruch des Schuldners gegen die Verrechnungsstelle beruht zwar mittelbar
darauf, dass die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren der Beklagten im
ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr weiter veräußert wurden. Es handelt sich dabei
aber nicht mehr um einen kaufvertraglichen Anspruch "aus der Weiterveräußerung".
Rechtsgrund der Forderung gegenüber der Verrechnungsstelle ist vielmehr der
Anspruch auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten gemäß §§ 675,
670 BGB. Dieser Anspruch mag aufgrund der Art und Weise der Abwicklung rein
tatsächlich und wirtschaftlich an die Stelle der untergegangenen Kaufpreisansprüche
getreten sein. Eine dingliche Surrogation, wie sie das Gesetz beispielsweise in § 1247
S. 2 BGB vorsieht, findet bei der Sicherungszession im Rahmen des verlängerten
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Eigentumsvorbehalts indes nicht statt (vgl. für den Fall der Sicherungsübereignung:
BGH NJW 2007, 781, 782; Müko/Oechsler, BGB, 4. Aufl., Anh §§ 929-936, Rn. 38, 41,
52).
Für die Einbeziehung des weitergehenden Anspruchs des Schuldners gegen die
Verrechnungsstelle aus §§ 670, 675 BGB in die Sicherungszession des verlängerten
Eigentumsvorbehalts bietet Ziffer 6 der AGB keine hinreichende Grundlage. Der
verkehrsübliche verlängerte Eigentumsvorbehalt bezieht sich allein auf Forderungen
aus der unmittelbaren Weiterveräußerung der verkauften Sache, nicht aber auf darüber
hinaus gehende oder an deren Stelle tretende Ansprüche aus Dienst-, Werk- oder
Geschäftsbesorgungsverträgen (vgl. BGH NJW 1968, 1516, 1518; Palandt/Weidenkaff,
BGB, 66. Aufl., § 449, Rn. 18). Abweichungen von diesem Regelfall muss der
Verwender unmissverständlich zum Ausdruck bringen (vgl. BGH a.a.O.); verbleibende
Unklarheiten gehen gem. § 305c Abs. 2 BGB zu seinen Lasten. Aus Ziffer 6 der AGB der
Beklagten lässt sich eine Ausdehnung auf an die Stelle der Kaufpreisforderungen
tretende, davon zu unterscheidende auftragsrechtliche Forderungen gegenüber einem
Abrechnungsunternehmen aber zumindest nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit
entnehmen.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten kann die Einschaltung
einer Abrechnungsstelle die Rechte des Vorbehaltsverkäufers nicht unterlaufen, so dass
auch der Sinn und Zweck der Sicherungsvereinbarung eine ausdehnende Auslegung
nicht gebieten. Eine solche Auslegung würde die Rechtsposition des
Vorbehaltsverkäufers im Gegenteil gegenüber der ohne Einschaltung des
Abrechnungsunternehmens bestehenden Situation erheblich verbessern, indem das
Sicherungsmittel über die abgetretene, aber vom Schuldner einzuziehende Forderung
hinaus weiter – "verlängert" würde, eine dingliche Sicherung also auch dann noch
bestehen würde, wenn ansonsten bei Abrechnung durch den Schuldner selbst – nur
noch ein schuldrechtlicher Anspruch auf Weiterleitung der zum Vermögen des
Schuldners eingezogenen Beträge bestünde:
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Bis zur Erfüllung der abgetretenen Forderungen durch die Kostenträger ist der
Apotheker zur Einziehung berechtigt; die Beklagte hat jedoch die Möglichkeit, die
Abtretung offen zu legen und – gegenüber den Kostenträgern – Zahlung an sich zu
verlangen. Der Umstand, dass der Schuldner seinerseits ein Abrechnungsunternehmen
mit dem Einzug der Forderungen beauftragt hatte, hinderte sie daran nicht. Bei Eintritt
der Insolvenz steht der Beklagten als Vorbehaltsverkäuferin ein Absonderungsrecht an
den abgetretenen, noch bestehenden Forderungen zu (§ 51 Nr. 1 InsO; vgl. BGH NJW-
RR 2004, 340 m.w.N.).
24
Mit der Zahlung durch die Krankenkassen erlöschen die zugrunde liegenden, vom
verlängerten Eigentumsvorbehalt umfassten Forderungen (s.o.). Der Vorbehaltskäufer
ist zur Weiterleitung der – zunächst in sein Vermögen gelangten eingezogenen Beträge
an die Vorbehaltsverkäuferin (Beklagte) verpflichtet; eine darüber hinaus gehende
(dingliche) Sicherung besteht in Bezug auf diese Verpflichtung zur "Weiterleitung" nicht
mehr. Im Fall der Insolvenz handelt es sich um eine einfache Insolvenzforderung (vgl.
etwa Leible/Sosnitza JuS 2001, 449, 454).
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Im vorliegenden Fall der Einschaltung eines Abrechnungsunternehmens verschlechtert
sich die Rechtsstellung der Beklagten, insbesondere im relevanten Fall der Insolvenz,
also nicht. Auch sonst hätte sie wegen noch offener Kaufpreisansprüche, die durch den
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Schuldner bereits eingezogen worden sind, keine Absonderungsrechte mehr. Soweit
der verlängerte Eigentumsvorbehalt, was bei hinreichend klarer Regelung sowohl
individualvertraglich als auch durch AGB möglich sein dürfte, auf die Forderung aus
dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Abrechnungsstelle ausgedehnt wird,
"verlängert" sich die (dingliche) Sicherung über die ansonsten bestehende Situation
hinaus also weiter. Bei nachgeschalteter Abtretung dieses Anspruchs bliebe dann
nämlich auch nach Zahlung durch die Kostenträger noch eine zur Absonderung
berechtigende Sicherung erhalten.
Entgegen der im Termin zur mündlichen Verhandlung von der Beklagten vertretenen
Rechtsauffassung lässt sich deren Berechtigung im Sinne des § 816 Abs. 2 BGB auch
nicht schlicht daraus herleiten, dass die Verrechnungsstelle die Forderungen gegenüber
Krankenkassen, da sie die Bestimmungen der Lieferantenverträge nach § 1 S. 2 des
zugrunde liegenden Vertrages mit dem Schuldner zu beachten habe, letztlich für sie, die
Beklagte, eingezogen habe. Unmittelbare vertragliche Beziehungen der Beklagten zur
Verrechnungsstelle von Q bestehen nicht. Die Verrechnungsstelle nimmt die
Forderungseinziehung für ihren Vertragspartner, den Apotheker, vor, der seinerseits
wiederum – unter Zuhilfenahme der Verrechnungsstelle zugunsten der Beklagten
handelt. Auf Grundlage der jeweiligen Vertragsbeziehungen bestehen die
wechselseitigen Ansprüche und damit korrespondierend auch die
Einziehungsbefugnisse lediglich "im Dreieck". Dadurch wird der Bestimmung in § 1 S. 2
des Vertrages zwischen Schuldner und Verrechnungsstelle ausreichend Rechnung
getragen. Darüber hinaus gehende Rechtsfolgen lassen sich der Regelung nicht
entnehmen, insbesondere gibt sie der Beklagten als nicht am Vertrag beteiligter Dritten
keinen Anspruch darauf, dass die Verrechnungsstelle für sie tätig wird und die
Einziehung für sie vornimmt (§ 328 Abs. 1 BGB).
27
b)
28
Auf die in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien streitige Frage, ob die in Ziffer 6
enthaltene Vorausantretung gemäß §§ 134 BGB, 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB nichtig ist,
kommt es daher nicht entscheidend an. Der Kläger hat insoweit allerdings zutreffend
darauf verwiesen, dass die Nichtberechtigung der Beklagten auch aus diesem
Gesichtspunkt folgen würde.
29
§ 203 StGB ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB (BGHZ 115, 123, 124 = NJW
1991, 2955). Die Abtretung der Honorarforderung eines Arztes ohne Zustimmung des
Patienten ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der damit
nach § 402 BGB verbundenen umfassenden Pflicht, dem Zessionar die zur
Geltendmachung der abgetretenen Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen, in der
Regel wegen Verstoßes gegen § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB nach § 134 BGB nichtig (vgl.
BGHZ 115, 123, 124 = NJW 1991, 2955; BGHZ 116, 268, 272 = NJW 1992, 737; BGH,
NJW 1996, 775; BGH, NJW 2005, 1506). Da der Apotheker nach § 203 Abs. 1 Nr. 1
StGB in gleicher Weise wie ein Arzt zur Verschwiegenheit verpflichtet war, gilt das
Gleiche auch für ihn (vgl. OLG Düsseldorf, 16 U 209/07, Urt. v. 17.08.2007). Für die
Abtretung von Forderungen gegen gesetzliche Krankenversicherungen gilt im
Grundsatz nichts anderes (vgl. OLG Hamm, 19 U 81/06, NJW 2007, 849). Auch insoweit
ist mit der Abtretung gem. § 402 BGB eine der Verschwiegenheitsverpflichtung zuwider
laufende Auskunftspflicht verbunden. Das OLG Düsseldorf ist mit überzeugenden
Gründen darüber hinaus auch im Hinblick auf die Abtretung von Ansprüchen, die einem
Apotheker gegen ein Abrechnungsunternehmen zustehen, an den
30
(Medikamenten)Lieferanten von einer Unwirksamkeit nach §§ 134 BGB, 203 StGB
ausgegangen (16 U 209/07, Urt. v. 17.08.2007; BeckRS 2007, 19463).
Für die Frage der Unwirksamkeit der in Ziffer 6 der AGB der Beklagten enthaltenen
Abtretung bedarf es letztlich keiner Entscheidung, ob dem uneingeschränkt zu folgen ist.
Genauso wenig kommt es darauf an, ob entgegen der Annahme des 19. Zivilsenats des
OLG Hamm (19 U 81/06; NJW 2007, 849) jedenfalls die Abtretung an eine
Verrechnungsstelle zuzulassen ist, weil § 300 Abs. 2 S. 1 SGB V für Apotheken eine
ausdrückliche Ermächtigung zur Weitergabe der Daten an "Rechenzentren" enthält, sich
die Weitergabe dieser Daten bei der Abtretung nicht anders als bei der (bloßen)
Einziehungsbefugnis darstellt und für die Rechenzentren wiederum ein Verbot der
(Weiter-)Abtretung an Dritte besteht (vgl. Lips/Schönberger NJW 2007, 1567). Denn
Ziffer 6 der AGB betrifft zum einen gerade die Abtretung an solche "Dritte", nämlich die
Beklagte. Zum anderen erfasst sie ausdrücklich Forderungen des Apothekers
gegenüber Privatkunden und –patienten ("Abnehmer"). Die unter diesen beiden
Gesichtspunkten gegebene Unwirksamkeit gemäß §§ 134 BGB, 203 StGB führt wegen
des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion zur Gesamtnichtigkeit der AGB-Klausel
zum verlängerten Eigentumsvorbehalt (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., Vorb v § 307, Rn.
8).
31
Die Auffassung der Beklagten, dass § 402 BGB und § 203 StGB – ohne Anwendung
des § 134 BGB – vorliegend dadurch in Einklang zu bringen seien, dass die
Informationspflichten des Zedenten zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung
auf solche Tatsachen begrenzt werden, deren Offenbarung straffrei wäre, widerspricht
der ständigen, dem genau entgegen gesetzten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (s. Nachw. o.). Der BGH hat insbesondere ausdrücklich
entschieden, dass Informationspflichten aus § 402 BGB ungeachtet ihrer strafrechtlichen
Relevanz bestehen (BGH NJW 1996, 775). Entgegen der Auffassung der Beklagten
kann die durch die Unwirksamkeit entstandene Vertragslücke auch nicht durch eine
ergänzende Vertragsauslegung im vorgenannten Sinne geschlossen werden. Denn die
ergänzende Vertragsauslegung darf die beanstandete AGB-Klausel nicht so abmildern,
wie es erforderlich ist, um sie als gerade noch tragbar erscheinen zu lassen (vgl. BGHZ
62, 83, 89 = NJW 1974, 551; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 305c, Rn. 17). Hier bliebe die
Unwirksamkeit der Klausel ohne nachteilige Folge für die Verwenderin, wenn sie diese
im Ergebnis im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung im noch zulässigen
Umfang aufrecht erhalten würde.
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2)
33
Die Leistung der Verrechnungsstelle an die Beklagte als "Nichtberechtigte" im Sinne
des § 816 Abs. 2 BGB ist dem Schuldner bzw. dem Kläger (§ 80 InsO) gegenüber
wirksam. Das folgt zwar nicht aus § 409 Abs. 1 BGB, weil die von der Beklagten
beanspruchte Abtretung durch ihre AGB nicht getragen wird und der Schuldner den
Rechtsschein einer wirksamen Abtretung auch sonst nicht veranlasst hat. In der
Klageerhebung ist aber die Genehmigung der Verfügung gemäß § 185 Abs. 2 S. 1,
1. Fall BGB zu sehen. Spätestens dadurch sind die Leistungen an die Beklagte der
Schuldnerin bzw. dem Kläger gegenüber wirksam geworden (vgl. BGH NJW 1995,
1668, 1670; BGH NJW 1986, 2430; Palandt/Sprau, a.a.O., § 816, Rn. 21).
34
3)
35
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) kann dem Rückforderungsanspruch
aus § 816 Abs. 2 BGB nicht entgegengehalten werden.
36
Eine Leistung, die alsbald zurückzugewähren wäre, kann nach § 242 BGB
grundsätzlich nicht gefordert werden (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242, Rn. 52 m.w.N.).
Hier bestanden zwar fällige Forderungen der Beklagten in einer den Anspruch aus
§ 816 Abs. 2 BGB übersteigenden Höhe. Diese waren aufgrund der Insolvenzsituation
aber nicht realisierbar.
37
a)
38
Die Zahlung der Verrechnungsstelle erfolgte aufgrund einer angenommenen, in
Wahrheit aber nicht gegebenen Abtretung des Anspruchs des Schuldners aus §§ 675,
670 BGB. Das geschah, soweit ersichtlich, ausschließlich auf Veranlassung der
Beklagten (Schr. v. 01.07.2005, Bl. 18), ohne dass der Schuldner sich diese, etwa aus
Rechtsscheinsgesichtspunkten, zurechnen lassen müsste. Der Anspruch des
Schuldners aus §§ 675, 670 BGB war nicht erloschen, insbesondere musste er die
Leistung an die Beklagte nicht gem. § 409 BGB gegen sich gelten lassen (s.o.). In einer
solchen Situation kann der tatsächlich Berechtigte (hier: der Schuldner) seine Leistung
weiterhin vom Gläubiger, hier der Verrechnungsstelle von Q, verlangen, während diese
die ohne Rechtsgrund erbrachte Leistung unmittelbar bei der Empfängerin, hier also der
Beklagtem, kondizieren muss (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB, vgl. BGH NJW 2006,
1731, 1732; BeckOK/Wendehorst, BGB, § 812, Rn. 260; Palandt/Sprau, a.a.O., § 812,.
Rn. 67). Das änderte sich erst durch die Genehmigung der gegenüber der Beklagten
erbrachten Leistung, durch die die Forderung aus §§ 675, 670 BGB erloschen ist, was
gem. §§ 816 Abs. 2, 185 BGB nunmehr zum Kondiktionsanspruch im Verhältnis der
Parteien führt. Die Genehmigung erfolgte, soweit ersichtlich, erst mit Klageerhebung
oder im vorgerichtlichen Schreiben vom 13.04.2007, in jedem Fall also nach
Insolvenzeröffnung. Sie entfaltet keine Rückwirkung, sondern macht die Verfügung
lediglich mit Wirkung "ex tunc" wirksam (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 185, Rn. 10;
Palandt/Sprau, a.a.O., § 816, Rn. 9). Zum danach maßgeblichen Zeitpunkt, in dem der
Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB entstanden ist, konnte die Beklagte ihre Forderungen
nur noch zur Insolvenztabelle anmelden. Ein Anspruch auf "alsbaldige" Rückgewähr (in
voller Höhe) bestand folglich nicht (mehr).
39
b)
40
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klage im Ergebnis genauso begründet ist,
falls der Schuldner – wozu nichts näheres vorgetragen ist die Zahlung durch die
Verrechnungsstelle selbst veranlasst oder ihr zumindest unmittelbar zugestimmt haben
sollte.
41
Die darin liegende mittelbare Zuwendung des Schuldners an die Beklagte über einen
Dritten (Verrechnungsstelle von Q) wäre anfechtbar, so dass dem Kläger ein
Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 InsO zustünde.
42
Eine objektive Gläubigerbenachteiligung wäre gegeben, weil der Beklagten keine
Absonderungsrechte zustanden. Denn die dem Anspruch aus §§ 675, 670 BGB
zugrunde liegenden, allein vom verlängerten Eigentumsvorbehalt erfassten
Forderungen gegen die Kostenträger waren nach dem unstreitigen Parteivortrag bereits
zuvor erloschen (s.o.).
43
Die mittelbare Zuwendung wäre als im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag
vorgenommene inkongruente Deckung ohne weitere Voraussetzungen nach § 131
Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, weil die Beklagte keine Befriedigung "in dieser Art" zu
beanspruchen hatte. Allein die Mittelbarkeit der Zahlung durch Anweisung an eine
Zwischenperson (Verrechnungsstelle von Q) führt regelmäßig zur Inkongruenz (BGH
NZI 2006, 159; NJW-RR 2003, 842).
44
Unabhängig davon lagen aber auch die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO
vor, so dass die Zuwendung selbst bei Annahme einer kongruenten Deckung
anfechtbar bliebe. Die nach § 140 Abs. 1 InsO maßgebliche Gutschrift vom 18.07.2005
erfolgte erst nach Eingang des Eröffnungsantrages (06.07.2005). Die Beklagte kannte,
wie sie im Verhandlungstermin vor dem Senat auch zugestanden hat, zumindest
Umstände, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen
(§ 130 Abs. 2 InsO). Die Liquiditätsprobleme des Schuldners waren ihr bekannt. Dieser
konnte die auf über 400.000,- € angewachsen Verbindlichkeiten nicht zurück führen, so
dass die Beklagte die Belieferung einstellte. Es lag auf der Hand, dass dem Schuldner,
der bei dieser Sachlage keinen neuen Lieferanten finden würde, dadurch die
Möglichkeit jeder weiteren wirtschaftlichen Betätigung als Apotheker genommen war.
Nach dem Inhalt ihres Schreibens vom 01.07.2007 an die Verrechnungsstelle war für
die Beklagte klar ersichtlich, dass die noch ausstehenden Forderungen gegenüber
Kostenträgern die bei ihr und der Ärzte- und Apothekerbank aufgelaufenen
Verbindlichkeiten nicht ansatzweise decken konnten und der Insolvenzschuldner nicht
in der Lage sein würde, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (§ 17 Abs. 2
S. 1 InsO).
45
III.
46
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
47
IV.
48
Die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst, weil die
Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch eine
Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Streitentscheidend ist die Auslegung einer AGB-Klausel im Einzelfall. Die Auffassung
des Senats zur zwischen den Parteien streitigen Grundsatzfrage der Unwirksamkeit
nach §§ 134 BGB, 203 StGB ist für die Entscheidung im Ergebnis nicht tragend.
49