Urteil des OLG Hamm vom 12.03.2008

OLG Hamm: wirkung ex nunc, feststellungsklage, treu und glauben, gesellschafterversammlung, zivilrechtliche berufung, auflage, nichtigkeitsklage, anfechtungsklage, anschlussberufung, geschäftsführer

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 190/06
Datum:
12.03.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 190/06
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 44 O 40/06
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Juli 2006 verkündete
Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen
abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e :
1
A.
2
Mit dem notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 28.08.2003 übertrugen die Kläger
ihre Geschäftsanteile an der Beklagten auf die TGmbH, fochten diese Verträge
allerdings im Juli 2004 wegen angeblicher arglistiger Täuschung an. Über die
Wirksamkeit der Geschäftsanteilsübertragungen schweben Rechtsstreite vor dem
Landgericht und Oberlandesgericht Düsseldorf. Mit in einer Gesellschafterversammlung
der Beklagten vom 14.01.2006 gefassten Beschlüssen wurden vorsorglich die
Geschäftsanteile der Kläger eingezogen und Abfindungsentgelte festgesetzt. Dagegen
haben sich die Kläger mit ihrer Klage gewandt, wobei jeder Kläger alle Beschlüsse -
auch soweit sie die jeweils anderen Kläger betreffen - angreift.
3
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Feststellungen des
angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
4
Das Landgericht hat die Nichtigkeit der angefochtenen Beschlüsse festgestellt. Es hat
die Anfechtungsbefugnis der Kläger dahinstehen lassen, da jedenfalls eine allgemeine
5
Feststellungsklage zulässig gewesen sei. Die am 14.01.2006 gefassten Beschlüsse
seien nichtig. Es komme nicht darauf an, ob die Kläger zum Zeitpunkt der
Beschlussfassungen Gesellschafter gewesen seien. Es sei mit dem Wesen einer GmbH
unvereinbar, Anteile von Betroffenen einzuziehen, die nicht Gesellschafter seien; zudem
sei in diesem Fall die Einladung zur Gesellschafterversammlung mangelhaft gewesen,
weil die TGmbH nicht geladen worden sei. Hätten die Kläger den Vertrag über die
Übertragung der Geschäftsanteile wirksam angefochten und wären sie Gesellschafter
der Beklagten geblieben, hätte die TGmbH ebenfalls zur Gesellschafterversammlung
eingeladen werden müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils Bezug genommen.
6
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Beklagten, die ihren
Klageabweisungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens weiter verfolgt.
7
Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht hätte wegen des Umfanges der
Rechtskraftwirkung des Urteils (Wirkung inter omnes oder inter partes) entscheiden
müssen, ob es der Nichtigkeitsklage oder einer allgemeinen Feststellungsklage
stattgibt. Mit dem Urteil habe es - unter Verstoß gegen § 308 I ZPO - den Klägern etwas
zugesprochen, was nicht beantragt worden sei.
8
Die Nichtigkeitsklage und die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage hätten nur Erfolg,
wenn die Kläger Gesellschafter seien. Sie seien jedoch unzulässig. Es komme nicht
darauf an, dass sie den Vertrag über die Geschäftsanteilsübertragung nicht wirksam
angefochten hätten und seit August 2003 nicht mehr Gesellschafter seien. Vielmehr sei
die formelle Rechtslage nach erfolgter Anmeldung der TGmbH als Gesellschafterin
gemäß § 16 GmbHG entscheidend.
9
Selbst wenn eine allgemeine Feststellungsklage von den Kläger erhoben worden wäre,
so fehle ihnen bei unterstelltem Fortbestehen ihrer Gesellschafterstellung das
Feststellungsinteresse; die Nichtigkeitsklage sei vorrangig. Ihnen fehle aber auch das
Feststellungsinteresse, sofern sie nicht mehr Gesellschafter gewesen seien; denn die
Beschlüsse vom 14.01.2006 hätten ihre Rechtsstellung dann weder verbessert noch
verschlechtert.
10
Eine allgemeine Feststellungsklage in 2. Instanz sei unzulässig, da die Kläger diese
nicht im Rahmen einer fristgerechten Anschlussberufung erhoben hätten. Sie, die
Beklagte, willige in eine entsprechende Klageänderung nicht ein, sie sei auch nicht
sachdienlich.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Beklagten wird Bezug
genommen auf ihre in 2. Instanz zur Akte gereichten Schriftsätze.
12
Die Beklagte beantragt,
13
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
14
Die Kläger beantragen,
15
die Berufung zurückzuweisen,
16
hilfsweise (im Sinne des § 256 ZPO) festzustellen, dass die in dem als Anlage
K 1 beigefügten Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom
14.01.2006 unter den Ziffern 3, 4, 5, 6, 7 und 8 aufgeführten
Gesellschafterbeschlüsse betr. die Einziehung von Geschäftsanteilen und die
Festsetzung des Abfindungsentgeltes nichtig sind.
17
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihren
erstinstanzlichen Sachvortrag.
18
Sie bleiben bei ihrer Auffassung, nach wie vor Gesellschafter der Beklagten zu sein. Sie
hätten den Vertrag vom 28.08.2003 wirksam angefochten. Zudem verhalte sich die
Beklagte widersprüchlich, wenn sie sie - die Kläger - im Rahmen der Einladung und der
Gesellschafterversammlung als Gesellschafter behandele, ansonsten aber die
gegenteilige Auffassung vertrete.
19
Die TGmbH sei nicht wirksam als Gesellschafterin der Beklagten angemeldet worden.
20
Auch die weiteren Versuche der Beklagten und der TGmbH, die Geschäftsanteile in der
Gesellschafterversammlung vom 29.5.2007 und in einer für den 04.12.2007 geplanten
Gesellschafterversammlung einzuziehen, seien erfolglos geblieben.
21
Zumindest die hilfsweise erhobene allgemeine Feststellungsklage sei zulässig.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger wird auf den Inhalt ihrer
Berufungsschriftsätze verwiesen.
23
B.
24
Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
25
Die erhobenen Nichtigkeits- und (hilfsweise) Anfechtungsklagen sind unbegründet, weil
den Klägern die Anfechtungsbefugnis und damit die Aktivlegitimation fehlt. Die in 2.
Instanz hilfsweise erhobene allgemeine Feststellungsklage ist unzulässig, weil sie nicht
innerhalb der Frist zur Einlegung der Anschlussberufung eingegangen ist.
26
I. Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
27
In erster Instanz haben die Kläger - nach dem Wortlaut der Anträge und der
Klagebegründung - als Hauptantrag (zu 1.) eine Nichtigkeitsklage - analog §§ 249 I, 248
AktG - erhoben ("…festzustellen,… Gesellschafterbeschlüsse…nichtig sind") und als
Hilfsantrag (zu 2.) begehrt, die Gesellschafterbeschlüsse für nichtig zu erklären (=
Anfechtungsklage analog § 246 AktG). Diese Klagen, deren Rechtsschutzziel identisch
ist (vgl. Hüffer, AktG, 7. Auflage, § 246, Rn. 14 m.w.N.), haben sie vor dem Hintergrund
erhoben, dass sie von ihrer fortbestehenden Gesellschafterstellung ausgegangen sind.
28
Den Klägern fehlt für diese Klagen allerdings die Anfechtungsbefugnis und damit die
Aktivlegitimation.
29
1.
30
Die Beklagte und die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen in einem
Parallelverfahren der Kläger zu 1. und 2. gegen die Beklagte (Urt. v. 09.01.2008, 44 O
76/07) weisen zutreffend darauf hin, dass - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen
abgesehen - nur Gesellschafter diese Klage erheben können (vgl. BGH, NJW 1969, 133
für die Anfechtungsklage; Senat, Urt. v. 17.10.2007, 8 U 28/07 für die Anfechtungsklage;
Senat, NZG 2000, 938; OLG Schleswig, NZG 2005, 81, 82; Goette, Die GmbH, 2.
Auflage, § 5 Rn. 29 und § 7 Rn. 94; Baumbach/Hueck/ Zöllner, GmbhG, 18. Auflage,
Anh. § 47, Rn. 69 und 136; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Auflage, Anh. § 47, Rn. 32;
Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Auflage, § 47, Rn. 112; Saenger, Minderheitenschutz und
innergesellschaftliche Klagen bei der GmbH, GmbHR 1997, 112, 114).
31
2.
32
Die Kläger waren zwar bis Herbst 2003 angemeldete Gesellschafter der Beklagten i. S.
v. § 16 I GmbHG. In der Zeit danach war allerdings die TGmbH angemeldet; daran
ändern auch die Anfechtungen der Anteilsübertragungsverträge durch die Kläger zu 1.
und 2. mit Schreiben vom 30.7.2004 und des Klägers zu 3. mit Schreiben vom 28.7.2004
wegen arglistiger Täuschung nichts.
33
Die Voraussetzungen für eine wirksame Anmeldung nach § 16 I GmbHG liegen vor.
34
a.
35
Die Kläger weisen zutreffend darauf hin, dass die Kenntnis der Gesellschaft von der
Anteilsübertragung nicht ausreicht, eine wirksame Anmeldung vielmehr einen
entsprechenden Gestaltungsakt des Veräußerers oder Erwerbers gegenüber der
Geschäftsführung der Gesellschaft erfordert (BGH DStR 1991, 952 = NJW-RR 1991, 96
= GmbHR 1991, 311, 312; DStR 2001, 631 = NJW 2001, 1647; Baumbach/
Hueck/Fastrich, § 16, Rn. 3 m. w. N.).
36
aa.
37
Ob die Beteiligung des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers an dem
Übertragungsvorgang eine Anmeldung entbehrlich macht und die durch die Mitwirkung
an der Übertragung vermittelte sichere Kenntnis der Vorgänge ausreicht, beurteilt der
BGH (anders als noch das RG) - unter Berücksichtigung des gestaltenden Charakters
der Anmeldung, die von dem Willen des Anmeldenden getragen sein muss, die
Legitimationswirkung gegenüber der Gesellschaft herbeizuführen - nach den
Umständen des Einzelfalles. Es ist eine Frage der Auslegung des Verhaltens der
Beteiligten, ob darin eine - stillschweigende - Anmeldung zu sehen ist. Die sichere
Kenntnis allein genügt also nicht ohne weiteres. Ein auf eine stillschweigende
Anmeldung deutendes Verständnis hat der BGH für denkbar erachtet, wenn die
"sofortige dingliche Wirkung der Übertragung" vereinbart worden ist und der
übertragende Geschäftsführer seinem Mitgeschäftsführer Mitteilung davon gemacht hat,
dass der Anteil abgetreten wurde (vgl. BGH a.a.O.; Goette, § 5 Rn. 30; Baumbach/
Hueck/Fastrich, a.a.O.).
38
bb.
39
Hier weist die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 25.02.2008 (S. 5 f.) zutreffend darauf
hin, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Die dingliche Wirksamkeit der
Anteilsübertragung nach dem notariellen Vertrag trat sofort ein und in einer gleichzeitig
im Zusammenhang mit der Beurkundung abgehaltenen Gesellschafterversammlung ist
der Anteilsübertragung von den Gesellschaftern zugestimmt worden (so auch LG Essen,
Urt. v. 9.1.2008, 44 O 76/07, S. 15 UA). Ferner haben die Kläger und die Beklagte,
vertreten durch ihren Geschäftsführer, in der Folgezeit über eine Rückübertragung
korrespondiert. Weiterhin hat die Beklagte die TGmbH auch als Gesellschafterin
behandelt, z. B. in den Jahresabschlüssen.
40
cc.
41
Soweit die Kläger einwenden, der Geschäftsführer der Beklagten habe bei Abschluss
des notariellen Übertragungsvertrages am 28.8.2003 als Vertreter ohne
Vertretungsmacht für den Steuerberater J gehandelt, kommt es darauf nicht an. Dessen
Genehmigung vom 29.10.2003, die im Senatstermin am 12.03.2008 von der Beklagten
zur Akte gereicht worden und unstreitig geblieben ist, wirkt nach § 184 I BGB auf den
Vertragsschluss zurück.
42
Der neue Sachvortrag der Parteien ist im Berufungsverfahren auch zuzulassen, weil
dieser Gesichtspunkt vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil übersehen worden
ist (§ 531 II 1 Nr. 1 ZPO) und die zugrunde liegenden Tatsachen zudem unstreitig sind.
43
Hinzu kommt, dass die Anmeldung eines - für die Gesellschaft erkennbar - aufschiebend
bedingten Erwerbs zwar erst mit Bedingungseintritt wirksam wird (BGH, NJW-RR 1991,
926, 928; Hachenburg/Zutt, GmbHG, § 16, Rn. 12). Entsprechend der einhelligen
Auffassung, die bei der Anmeldung eines unbedingten Erwerbs für die wirksame
Anmeldung ausreichen lässt, dass die Gesellschaft sich mit einer unbelegten
Anmeldung begnügt und auf einen Nachweis verzichten kann (BGH, NJW-RR 1991,
926, 927), kann sich aber auch im Falle eines bedingten Erwerbs die Gesellschaft,
vertreten durch ihre Geschäftsführung, mit der Mitteilung begnügen, die Bedingung sei
eingetreten. Behandelt die Gesellschaft in der Folge den Erwerber und nicht mehr den
Veräußerer als Gesellschafter, so ist auch in diesem Fall die Anwendung des § 16
GmbHG auf das Verhältnis zum Erwerber geboten (Senat, NZG 2000, 938). So liegt der
Fall auch hier.
44
dd.
45
Entgegen der Auffassung der Kläger ist es auch unerheblich, dass die TGmbH zum
Zeitpunkt der Veräußerung der Geschäftsanteile unter dieser Bezeichnung noch nicht
firmierte und ob Rechtsanwalt Dr. Q schon Erwerber, entscheidungsbefugter
Gesellschafter und Geschäftsführer war, ob insbesondere die in den Urkunden vom
27.08.2003 (UR-Nr. #####/####und #####/####des Notars Dr. S in L) beurkundeten
Willenserklärungen des Rechtsanwalts Dr. Q bereits wirksam waren. Dies hat das
Landgericht Essen in dem den Parteien bekannten Urteil vom 09.01.2008 (44 O 76/07),
S. 14 f. UA, zutreffend ausgeführt, hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug genommen. Hinzu kommt, dass für die Beklagte nicht erkennbar war, dass Dr. Q
möglicherweise zunächst ohne Vertretungsmacht gehandelt hat; dies ist für die
Anmeldung durch die Veräußerer, die Kläger, ohnehin bedeutungslos.
46
Aus den vorgenannten Gründen können sich die Kläger in diesem Zusammenhang
47
auch nicht mit Erfolg auf die Vorschrift des § 15 HGB berufen.
b.
48
Entgegen der Meinung der Kläger ist der Nachweis der Anmeldung auch erbracht. Ob
dieser geführt ist, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Geschäftsführers, dessen
Ausübung gerichtlich überprüfbar ist (BGH DStR 1991, 952; Baumbach/Hueck/ Fastrick,
§ 16, Rn. 6 m. w. N.). Da der Geschäftsführer T1 der Beklagten selbst an der
Beurkundung beteiligt und ihm die notarielle Urkunde bekannt war und vorlag (zu
diesen Kriterien Senat, GmbHR 1993, 660; Baumbach/Hueck/Fastrick, a.a.O. mit
weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung), besteht an dem Vorliegen dieser
Wirksamkeitsvoraussetzung für die Anmeldung kein Zweifel.
49
c.
50
Zwar kann die Anmeldung gem. § 16 GmbHG grundsätzlich auch durch eine
Anfechtung - wenn auch nur mit Wirkung ex nunc - beseitigt werden (Baumbach/ Hueck/
Fastrich, § 16 Rdn. 4; Senat, NZG 2000, 938). Allerdings haben die Kläger diese
gegenüber der Beklagten nicht erklärt.
51
Auch ein Widerruf der Anmeldung, der unter Umständen für zulässig gehalten wird (vgl.
Senat, NZG 2000, 938; Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O. m. w. N.), scheidet mangels
entsprechender Erklärung der Kläger aus.
52
Im Übrigen berühren Mängel der Abtretung (hier evtl. aufgrund der Anfechtung der
Kläger wegen arglistiger Täuschung) grundsätzlich die Anmeldung nicht (vgl. nur
Baumbach/Hueck/Fastrich, § 16, Rn. 4 m. w. N.).
53
Zwar wird der Widerruf der Anmeldung unter Nachweis der Unwirksamkeit der
Übertragung mit Wirkung ex nunc teilweise für möglich gehalten (vgl. Baumbach/Hueck/
Fastrich, a.a.O. m. w. N.). Die Beklagte weist allerdings zutreffend darauf hin, dass ein
hinreichender Nachweis für die (angebliche) Unwirksamkeit der Anteilsübertragung
wegen der Anfechtungen mit Schreiben der Kläger vom 28. und 30.07.2004 gegenüber
der TGmbH fehlt (siehe S. 7 des Schriftsatzes v. 25.02.2008). Die Beklagte hat die
gerichtliche Klärung zwischen den Klägern und der TGmbH in den vor dem Landgericht
und Oberlandesgericht Düsseldorf anhängigen Rechtsstreiten abzuwarten
(Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O. m. w. N.).
54
d.
55
Hinsichtlich des ehemaligen Gesellschafters Dr. L hat das Oberlandesgericht
Düsseldorf in dem Urteil vom 04.04.2006 zwar festgestellt, dass die Übertragung des
Gesellschaftsanteils vom 28.08.2003 an die TGmbH nichtig ist. Abgesehen davon, dass
dort nicht die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits beteiligt waren und das Urteil nicht
auch zu ihren Gunsten wirkt, hat Dr. L aber danach vor dem Landgericht Essen mit der
Beklagten und der TGmbH den Vergleich vom 24.04.2006 in der Sache 44 O 36/06
geschlossen. Dort ist unter anderem vereinbart, dass er zum 31.12.2005 als
Gesellschafter ausgeschieden ist und für die Zeit bis dahin ergangene
Gesellschafterbeschlüsse der Beklagten nicht mit der Nichtigkeits- und
Anfechtungsklage angreifen kann; mit dem Vergleich wurden sämtliche Ansprüche der
Vergleichsparteien ereldigt. Deshalb können die Kläger damit ihre Rechtsauffassung
56
nicht stützen.
3.
57
Eine Anfechtungsbefugnis der Kläger trotz ihrer fehlenden Anmeldung kann auch nicht
aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet werden.
58
Die Beklagte (Schriftsatz vom 06.03.2008) und das Landgericht Essen (Urteil v.
09.01.2008, 44 O 76/07, S. 17 f. UA) haben zutreffend ausgeführt, dass die Berufung auf
§ 16 I GmbHG nicht deshalb rechtsmissbräuchlich ist, weil die Kläger in den
angefochtenen Beschlüssen als Gesellschafter behandelt worden sind, und auch die
Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes keine andere Beurteilung rechtfertigt.
59
Die Kläger verkennen bei ihrer Argumentation, dass die Beklagte selbst ausdrücklich
bei den Einladungen zur Gesellschafterversammlung und den Beschlussfassungen
davon ausgegangen ist, sie seien aufgrund der Anteilsübertragungen nicht mehr ihre
Gesellschafter und die Anfechtungen wegen arglistiger Täuschung seien nicht
gerechtfertigt.
60
Im Rahmen des Rechtsschutzsystems sind sie als nicht angemeldete Gesellschafter
ausreichend durch die allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) geschützt, soweit
deren Voraussetzungen vorliegen. Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen stehen nur
angemeldeten Gesellschaftern zu. Diese anerkannten und eindeutigen Regeln, die eine
Verwicklung der Gesellschaft in Auseinandersetzungen über die Gesellschafterstellung
vermeiden sollen, schließen es aus, über die Generalklausel des § 242 BGB die von
den Klägern befürwortete Ausnahme zuzulassen. Weder kann die Nichtigkeitsklage
eines Gesellschafters in entsprechender Anwendung des § 249 I AktG als gewöhnliche
Feststellungsklage behandelt werden (vgl. für die AG Hüffer, § 249, Rn. 2 und 12 m. w.
N.; Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47, Rn. 71; Roth/ Altmeppen, § 47, Rn. 113) noch
kann umgekehrt die allgemeine Feststellungsklage eines Nicht- (angemeldeten)
Gesellschafters als Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage behandelt werden (vgl. dazu
ergänzend die nachfolgenden Ausführungen und Nachweise unter Gliederungspunkt II.
1. a.).
61
II. Allgemeine Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. § 256 I ZPO
62
Der in 2. Instanz von den Klägern gestellte Hilfsantrag, bei dem es sich um eine
allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 I ZPO handelt, ist unzulässig.
63
1.
64
Zutreffend hat die Beklagte ausgeführt, der Hilfsantrag sei als Klageänderung
unzulässig, weil die Kläger nicht - innerhalb der Frist des § 524 II 2 ZPO -
Anschlussberufung eingelegt hätten.
65
Die mit dem Hilfsantrag eingeführte allgemeine Feststellungsklage stellt die
Veränderung des Klageantrags durch die Kläger in der Berufungsinstanz nach §§ 263,
533 ZPO dar, die diese als Berufungsbeklagte nur im Rahmen einer zulässigen
Anschlussberufung gem. § 524 ZPO hätte verfolgen können (vgl. BGH, Urteil vom
07.12.2007, V ZR 210/06, BeckRS 2008, 02186; OLG Hamm, Urteil vom 19.09.2003 –
19 U 56/02 -, NJW-RR 2003, 1720; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.09.2005 – 6 U 75/05 -,
66
19 U 56/02 -, NJW-RR 2003, 1720; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.09.2005 – 6 U 75/05 -,
LRE 52, 347 m.w.N.).
a.
67
Die Beklagte hat zunächst zutreffend (im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zum
Verstoß gegen die Vorschrift des § 308 I ZPO) begründet, dass die allgemeine
Feststellungsklage nach § 256 I ZPO gegenüber der Nichtigkeitsklage analog § 249 I
AktG ein "aliud" (so ausdrücklich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, S. 862) und
einen anderen Streitgegenstand darstellt (Wirkung inter partes - inter omnes, keine
Gestaltungswirkung der allgemeinen Feststellungsklage und Erfordernis eines
besonderen Feststellungsinteresses nach § 256 I ZPO; vgl. dazu auch K. Schmidt,
a.a.O., S. 446). Es liegt - unter Zugrundelegung des sog. zweigliedrigen
Streitgegenstandsbegriffs - zwar ein einheitlicher Sachverhalt vor, allerdings ist der
Klageantrag -selbst bei seinem Wortlaut nach mit dem Hauptantrag der Kläger in der
Klageschrift identischer Formulierung - unterschiedlich. Dieser bezeichnet nämlich
sowohl die Rechtsschutzform wie die
Rechtsfolge
Anspruch nimmt (dazu BGH WM 1987, 367: "Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, der auch der Senat folgt, wird der Streitgegenstand im Zivilprozeß
bestimmt durch das allgemeine Rechtsschutzziel und die
konkret in Anspruch
genommene Rechtsfolge
Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die Rechtsfolge hergeleitet wird (vgl. BGHZ
7, 268, 271; 9, 22, 27; BGH, Urteile v. 12. Juli 1961 - VIII ZR 34/61, LM ZPO § 322 Nr.
30; v. 12. Dezember 1975 - IV ZR 101/74, LM ZPO § 322 Nr. 79; v. 31. Mai 1978 - VIII
ZR 93/77, LM ZPO § 322 Nr. 82; v. 22. Mai 1981 - V ZR 111/80, LM ZPO § 322 Nr. 90”;
Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Auflage, Einl. II, Rn. 15).
68
Die allgemeine Feststellungsklage (§ 256 I ZPO) eines "Dritten" verfolgt jedenfalls unter
Berücksichtigung der Rechtsfolge (Wirkung inter partes) ein anderes Ziel als die
Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (Wirkung inter omnes), nur letztere haben einen
identischen Streitgegenstand (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner, Anh. § 47, Rn. 70; für die
AG: BGH NJW 1997, 1510 und NJW 2002, 3465; Wagner, Klagefrist und
Streitgegenstand bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, DStR 2003, 468 ff.; Hüffer, §
246, Rn. 13 f. und Rn. 41 sowie ders. in MüKo, AktG, 2. Auflage, § 246, Rn. 75 m. w. N.).
Die allgemeine Feststellungsklage fällt daher nicht unter die Vorschrift des § 264 ZPO,
es liegt vielmehr eine Klageänderung i. S. v. §§ 533, 263 ZPO vor.
69
b.
70
Will der Berufungsbeklagte - hier also die Kläger - die vor dem erstinstanzlichen Gericht
erfolgreiche Klage in der Berufungsinstanz auf eine andere Grundlage stellen, muss er
eine Anschlussberufung einlegen (BGH, Urteil vom 07.12.2007, V ZR 210/06, BeckRS
2008, 02186; OLG München OLGR 1997, 191, 192; OLG Hamm NJW-RR 2003, 1720,
1721; Ahrens in Eichele/Hirtz/Oberheim, Handbuch – Berufung im Zivilprozess, Teil XIII
Rn. 43; Doukoff, Die zivilrechtliche Berufung, 3. Aufl., Rn. 333; Schumann/Kramer, Die
Berufung in Zivilsachen, 7. Aufl., Rn. 367). Ein Anschluss an die fremde Berufung ist
erforderlich, wenn der Berufungsbeklagte das erstinstanzliche Urteil nicht nur
verteidigen, sondern die von ihm im ersten Rechtszug gestellten Anträge erweitern oder
– wie hier – einen neuen, in erster Instanz nicht vorgebrachten Anspruch geltend
machen will (BGH, a.a.O.; BGHZ 4, 229, 234; Urt. v. 13. Okt. 1954, VI ZR 49/54, LM ZPO
§ 521 Nr. 4; Urt. v. 24. November 1977, VII ZR 160/76, ZZP 91 [1978], 314, 316).
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Eine Anschlussberufung haben die Kläger hier nicht eingelegt, jedenfalls nicht
innerhalb der mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 20.08.2007 gesetzten Frist
von zwei Monaten vor dem Senatstermin für die Berufungserwiderung. Diese lief im
Januar 2008 ab. Der Schriftsatz der Kläger vom 29.02.2008, mit dem sie den Hilfsantrag
erstmals gestellt haben, ist aber erst nach Ablauf dieser für die Einlegung der
Anschlussberufung gem. § 524 II 2 ZPO maßgeblichen Frist eingegangen.
72
III.
73
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
74
IV.
75
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage
vertretener und anerkannter Auffassung in der Rechtsprechung, insbesondere des
Bundesgerichtshofs, und der Literatur getroffen hat. Die Rechtssache besitzt so weder
grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur
Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
76