Urteil des OLG Hamm vom 01.06.1994

OLG Hamm (forderung, verteilung, gläubiger, treu und glauben, nachweis, verzeichnis, beschwerde, frist, konto, verwalter)

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 123/93
Datum:
01.06.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 123/93
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 9 T 921/92
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung
aufgehoben.
Die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) vom 2. November 1992 gegen
den Beschluß des Amtsgerichts Hamm vom selben Tage wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Erstbeschwerdeverfahrens und des Verfahrens der
sofortigen weiteren Beschwerde werden der Beteiligten zu 1) auferlegt.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren
Beschwerde wird auf 670.000,00 DM festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Mit Schreiben vom 14. August 1986 kündigte die XXX Bank XXX die Rechtsvorgängerin
der Beteiligten zu 1), der XXX GmbH & Co KG (fortan: Gemeinschuldnerin) im Blick auf
die wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation fristlos den gesamten
Kredit in Höhe von insgesamt 8.146.848,53 DM und stellte ihn zur sofortigen
Rückzahlung fällig. Dieser Betrag errechnet sich aus den Salden der von der
Gemeinschuldnerin bei diesem Geldinstitut unterhaltenen Konten. Auf dem Konto mit
der Endnummer 100, das Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, wurde ein
Betriebsmittelkredit verbucht, der durch Grundpfandrechte nicht abgesichert war. Die
Konten mit den Endnummern 130, 131 und 132 betrafen Baufinanzierungskredite, die
die Gemeinschuldnerin zur Finanzierung des Neubaus ihrer Betriebsstätte XXX
aufgenommen hatte. Diese Kredite waren durch Grundschulden an dem
Betriebsgelände abgesichert. Ob diese Grundschulden nach den Zweckerklärungen
auch ein auf dem Konto 133 (früher: 101) gebuchtes sogenanntes
Tilgungsstreckungsdarlehen absicherten, war nach Konkurseröffnung streitig.
3
Durch Beschluß des Amtsgerichts Hamm vom 21. August 1986 wurde über das
Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beteiligte zu
2) zum Verwalter im Konkurse ernannt.
4
Am 15. November 1986 meldete die Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 1) eine
Hauptforderung von 8.165.269,37 DM zuzüglich 194.967,11 DM Zinsen und weiterer
Kosten zur Eintragung in die Konkurstabelle an. Die Hauptforderung setzte sich nach
der Aufstellung auf S. 3 der Anmeldung wie folgt zusammen:
5
Konto-Nr.
Saldo per 21.08.1986 (Konkurseröffnung)
1) 750.0133.100
1.963.091,37 DM
2) 750.0133.130
2.625.000,00 DM
3) 750.0133.131
2.500.000,00 DM
4) 750.0133.132
787.500,00 DM
5) 750.0133.133
287.500,00 DM
6) 750.0133.190
2.178,00 DM
insgesamt
8.165.269,37 DM
6
In der Forderungsanmeldung heißt es auf der Seite 2:
7
"Die Anmeldung erfolgt für den Ausfall."
8
Im Prüfungstermin vom 17. November 1986 stellte das Amtsgericht den Gesamtbetrag in
Höhe von 7.983.487,31 DM zur Konkurstabelle fest (vgl. § 145 KO); der Differenzbetrag
wurde von dem Beteiligten zu 2) bestritten.
9
In der Folgezeit wurde das Vermögen der Gemeinschuldnerin verwertet. Aus dem Erlös
für die Betriebsstätte von 6.900.000,00 DM erhielt die Beteiligte zu 1) vorab
6.000.000,00 DM. Es wurde sodann mit Zustimmung des Gläubigerausschusses eine
Abschlagsverteilung vorgenommen (§ 149 KO), mit der auf die festgestellten
bevorrechtigten Forderungen 100% und auf die nicht bevorrechtigten Forderungen eine
Quote von 40% ausgeschüttet wurden. In dem zuvor ausgelegten Gläubigerverzeichnis
vom 7. November 1988, gegen das Einwände nicht erhoben wurden, ist die Beteiligte zu
1) mit keiner Forderung verzeichnet.
10
Mit Schreiben vom 15. November 1990 teilte der Beteiligte zu 2) der Beteiligten zu 1)
mit, daß das Verfahren in Kürze abzuschließen sei und er sich bereit erkläre, als
dinglich gesicherten Anspruch einen Betrag von 5.842.153,51 DM und als
Konkursforderung (Konto Nr. 100) einen Betrag von 1.989.625,35 DM anzuerkennen.
Mit der daraufhin von der Beteiligten zu 1) gegen den Beteiligten zu 2) erhobenen
Zahlungsklage (2 O 672/90 Landgericht Dortmund; 31 U 183/91 OLG Hamm) vertrat
diese demgegenüber die Auffassung, daß ihr aufgrund ihrer dinglich gesicherten
Ansprüche insgesamt 6.625.579,75 DM zustanden. In diesem Verfahren stritten die
Beteiligten unter anderem darüber, ob die Forderung der Beteiligten zu 1) aus dem
Konto Nr. 133 (Tilgungsstreckungsdarlehen) dinglich gesichert sei und ob ein
11
Geschäftsguthaben der Gemeinschuldnerin bei der Bank von 300.600,00 DM von den
dinglich gesicherten Forderungen abzuziehen oder - nach Ansicht der Beteiligten zu 1) -
mit den nicht gesicherten Kontokorrentforderungen zu verrechnen sei. Durch Urteil vom
22. August 1991 wies das Landgericht die Klage der Beteiligten zu 1) ab und verurteilte
sie auf die Widerklage des Beteiligten zu 2) zur Zahlung von 124.838,39 DM. Gegen
dieses Urteil legte die Beteiligte zu 1) Berufung ein. Das Berufungsverfahren endete am
1. April 1992 mit einem Vergleich, nach dem sich der Beteiligte zu 2) verpflichtete, an
die Beteiligte zu 1) 300.000,00 DM nebst Zinsen zu zahlen. Im übrigen heißt es wörtlich
in dem Vergleich:
"Mit dieser Regelung sind alle Streitpunkte dieses Rechtsstreits erledigt mit Ausnahme
der Komplexe "Verkauf oder Verlust von Telefonen" und
12
"Mängelgewährleistungsbürgschaft zugunsten der Firma XXX. Hierbei gehen die
Parteien übereinstimmend davon aus, daß die Frage fehlerhafter Verwertung für beide
Parteien nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits war ..."
13
Die Vergleichssumme wurde an die Beteiligte zu 1) gezahlt.
14
Unter dem 22. Mai 1992 legte der Beteiligte zu 2) dem Konkursgericht einen
Schlußbericht vor, wonach für Gläubiger gemäß Abt. VI eine Quote weit über 40%
vorgesehen war. Darin wird hervorgehoben, daß ein Gläubiger den Nachweis seines
Ausfalles nicht geführt habe. In dem gleichzeitig eingereichten Schlußverzeichnis über
die noch zu berücksichtigenden Forderungen waren Forderungen der Beteiligten zu 1)
nicht enthalten. Durch Beschluß vom 27. Juli 1992 genehmigte der Rechtspfleger des
Konkursgerichts die Vornahme der Schlußverteilung und beraumte Schlußtermin auf
den 21. September 1992 an. Gleichzeitig wurde angeordnet, daß dieser Termin zur
Abnahme der Schlußrechnung und zur Erhebung von Einwendungen gegen das
Schlußverzeichnis der bei der Verteilung zu berücksichtigenden Forderungen diene.
Der Beschluß wurde im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg vom 22. August
1992 veröffentlicht. Die Ankündigung des Beteiligten zu 2) über die Schlußverteilung
sowie die Mitteilung, daß das Verzeichnis auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts
Hamm niedergelegt sei, wurde im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg vom 1.
August 1992 veröffentlicht.
15
Mit Schriftsatz vom 18. September 1992, der am 21. September 1992 beim Amtsgericht
einging, erhob die Beteiligte zu 1) Einwendungen gegen die gemäß Schlußverzeichnis
beabsichtigte Verteilung der Masse. Zur Begründung wies sie auf ihre Forderung aus
dem dinglich nicht gesicherten Betriebsmittelkredit hin, dessen Saldenstand der
Beteiligte zu 2) mit 1.989.625,35 DM ausdrücklich anerkannt habe. Der am 21.
September 1992 stattfindende Schlußtermin wurde auf den 2. November 1992 vertagt.
Im Fortsetzungstermin hat die Bevollmächtigte der Beteiligten zu 1) die in dem
Schreiben vom 18. September 1992 ausgeführten Einwendungen wiederholt. Das
Amtsgericht hat diese Einwendungen mit der Begründung zurückgewiesen, daß die
Beteiligte zu 1) ihren Ausfall nicht innerhalb der Ausschlußfrist der § 153 Abs. 1 Satz 1,
§ 152 KO nachgewiesen habe. Gegen diese Entscheidung hat die Bevollmächtigte
namens der Beteiligten zu 1) noch im Termin sofortige Erinnerung eingelegt, die mit
Anwaltsschriftsatz vom 25. November 1992 begründet worden ist. Der Beteiligte zu 2) ist
dem Rechtsmittel entgegengetreten. Der Richter des Amtsgerichts hat der Erinnerung
nicht abgeholfen. Das Landgericht hat auf die nunmehr als sofortige Beschwerde zu
behandelnde Erinnerung den angefochtenen Beschluß aufgehoben und das
16
Schlußverzeichnis dahin abgeändert, daß in Abteilung VI Nr. 75 als noch zu
berücksichtigende Forderung eine Forderung der Beteiligten zu 1) in Höhe von
1.683.487,31 DM aufzunehmen sei.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beteiligte zu 2) mit seiner durch
Anwaltsschriftsatz vom 26. April 1993 eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde.
17
II.
18
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 161 Abs. 2, § 73 Abs. 3 KO in Verbindung
mit § 568 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere nach
§ 577 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des
Beteiligten zu 2) ergibt sich bereits daraus, daß das Landgericht das von ihm
aufgestellte und vom Amtsgericht gebilligte Schlußverzeichnis abgeändert hat.
19
Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet, weil die Forderung der Beteiligten
zu 1) aus dem Betriebsmittelkredit (Konto mit der Endnummer 100) bei der
vorzunehmenden Verteilung nicht zu berücksichtigen ist (§ 153 Abs. 1 Satz 2 KO).
20
1.
21
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen
Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. Ihre Beschwerdeberechtigung folgt
daraus, daß der Rechtspfleger ihren Antrag, sie im Schlußverzeichnis (§ 151 KO) mit
einer Forderung von 1.989.625,35 DM zu berücksichtigen, zurückgewiesen hat.
22
2.
23
In der Sache selbst hängt die Entscheidung davon ab, ob die Voraussetzungen, unter
denen eine Forderung nach § 153 Abs. 1 KO bei der Schlußverteilung berücksichtigt
werden kann, auf den Anspruch auf Rückzahlung des Betriebsmittelkredits zutreffen.
Nach dieser Bestimmung hat ein Gläubiger, von dem abgesonderte Befriedigung
beansprucht wird, bis zum Ablauf der Ausschlußfrist dem Verwalter den Nachweis
seines Verzichts oder seines Ausfalls nach Maßgabe des § 64 KO zu führen. Wird der
Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so werden die Forderungen bei der vorzunehmenden
Verteilung nicht berücksichtigt.
24
a)
25
§ 153 KO gilt nur für festgestellte absonderungsberechtigte Forderungen. Ist die
Forderung im Prüfungstermin bestritten worden (§ 144 Abs. 1 KO), so kommt zunächst §
152 KO zur Anwendung (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Auflage, § 153 Rdnr. 1;
Kilger/Schmidt, KO, 16. Auflage, § 153 Anm. 1). Im vorliegenden Fall ist die Forderung,
soweit dies im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde von Interesse ist,
festgestellt und in die Konkurstabelle eingetragen worden.
26
b)
27
Nach § 153 Abs. 1 KO findet indes nicht jede festgestellte Forderung bei der
Schlußverteilung Berücksichtigung. Deshalb geht auch die von der Beteiligten zu 1)
mehrfach schriftsätzlich geäußerte Auffassung fehl, die Ausschlußfrist des § 152 KO sei
28
hier nicht anzuwenden, weil unbestrittene Forderungen "ohne weiteres" in das
Schlußverzeichnis aufzunehmen seien. Die Feststellung einer Forderung und ihre
Eintragung in die Tabelle bilden vielmehr nur den Ausgangspunkt für ihre
Berücksichtigung bei der Schlußverteilung. Soweit sie in Frage kommt, greifen die
besonderen Beschränkungen der §§ 64, 153 KO Platz (Jaeger/Weber, KO, 8. Auflage,
Einleitung zu § 153; Kilger/Schmidt a.a.O., § 153 Anm. 2). Diese Vorschriften erlauben
dem Konkursgläubiger, der ein Absonderungsrecht für sich in Anspruch nimmt, eine
volle Konkursteilnahme nur dann, wenn er auf die Sonderhaftung verzichtet. Übt er sein
Absonderungsrecht aus, so bezieht er Anteile aus der Konkursmasse nur für den Betrag
des bei der abgesonderten Bewilligung erlittenen Ausfalls. Der Gläubiger hat sonach
zwar die Wahl, seine Befriedigung aus dem Absonderungsgegenstand oder der
Konkursmasse zu suchen. Das Gesetz versagt ihm dann aber nicht nur die gleichzeitige
Geltendmachung beider Haftungen. Es rückt außerdem die persönliche mit
Konkursbeginn dergestalt in die zweite Reihe, daß der Gläubiger Befriedigung zunächst
aus dem Absonderungsgegenstand suchen muß (Jaeger/Lent, a.a.O., § 64 Rdnr. 9).
aa)
29
Im vorliegenden Fall hat die Beteiligte zu 1) hinsichtlich der hier in Rede stehenden
Forderungen ein Absonderungsrecht ausgeübt. Davon ist auch das Landgericht
ausgegangen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der Betriebsmittelkredit
durch die an dem Betriebsgrundstück bestellten Grundschulden unstreitig nicht
gesichert war. Entscheidend ist vielmehr, daß die Beteiligte zu 1) in ihrer
Forderungsanmeldung vom 15. September 1986 u.a. die absonderungsberechtigten
Forderungen aus der Gebäudefinanzierung und die Konkursforderung aus dem
Betriebsmittelkredit zu einer Hauptforderung unterschiedslos zusammengefaßt und
nebst Zinsen und Kosten einheitlich "für den Ausfall" angemeldet hat. Dies konnte von
dem Konkursverwalter nur dahin verstanden werden, daß die Beteiligte zu 1) - jedenfalls
vorläufig und bis zu einer einschränkenden Präzisierung - wegen der gesamten
Forderung Sicherheiten für sich beanspruchte, die ihr das Recht gaben, außerhalb des
Konkurses Befriedigung zu suchen. Diesem Erklärungsinhalt entsprach auch das
spätere Verhalten der Beteiligten zu 1) bei der Verwertung der Sicherheiten: Wie der
Vorgang um die Verrechnung der Genossenschaftsanteile zeigt, war sie bestrebt, die
vorhandenen weiteren Sicherheiten zu den nicht mit Grundpfandrechten gesicherten
Forderungen, mithin insbesondere zu den Ansprüchen aus dem Betriebsmitteldarlehen
zu ziehen.
30
bb)
31
Dies hat nach § 153 Abs. 1 Satz 2 KO zur Folge, daß bei der Schlußverteilung nur der
Betrag des rechtzeitig, d.h. vor Ablauf der Ausschlußfrist (§ 152 Satz 1 KO)
nachgewiesenen wirklichen Ausfalls oder Verzichts berücksichtigt wird. Der Nachweis
ist dem Verwalter zu erbringen. Weist der Gläubiger Ausfall oder Verzicht nicht
rechtzeitig nach, so werden auch die bereits für ihn zurückgehaltenen Anteile zur
Schlußverteilung frei (§ 156 KO; vgl. Jaeger/Lent a.a.O., § 64 Rdnr. 12).
32
(1)
33
Dazu meint das Landgericht: Die Berücksichtigung der Forderung setze hier keinen
Nachweis über den Ausfall der Beteiligten zu 1) nach § 153 Abs. 1 KO voraus. Denn der
Teil der Forderung, für den die Beteiligte zu 1) bei Ausübung des Absonderungsrechts
34
aus dem Deckungsgegenstand keine Befriedigung erlangt habe, sei dem Beteiligten zu
2) bekannt gewesen. Er selbst habe im Einvernehmen mit der Beteiligten zu 1) das
Betriebsgrundstück veräußert; der Umfang der Absonderungsrechte von 6.300.000,00
DM sei ihm seit Abschluß des gerichtlichen Vergleichs bekannt gewesen. Die dort
offengelassenen Komplexe stellten keine Faktoren für den Ausfall der Beteiligten zu 1)
dar. Aus ihnen rührten lediglich Gegenforderungen her, die der Beteiligte zu 2) nicht
weiterverfolgt habe.
(2)
35
Dem kann der Senat, nicht folgen.
36
Für den Verzicht auf abgesonderte Befriedigung stellt die Konkursordnung eigene
Formvorschriften nicht auf. Wohl aber fordert sie einen dem Konkursverwalter zu
erbringenden Nachweis des Verzichts und stellt schon dadurch außer Zweifel, daß er
durchaus nicht stets in einer formlosen Erklärung gegenüber dem Verwalter aufgeht. Nur
wo die Rechtsaufgabe formlos ist, kann der Verzicht stillschweigend erklärt werden und
seine Erklärung gegenüber dem Verwalter den "Nachweis" des § 153 KO erübrigen
(Jaeger/Lent a.a.O., § 64 Rdnr. 14). Soweit die Rechtsaufgabe formlos möglich ist, kann
sie auch in schlüssigem Verhalten zum Ausdruck gelangen (Jaeger/Lent a.a.O., § 64
Rdnr. 16). In jedem Fall kann indes ein Verzicht dem Schutzzweck des § 64 KO nur
genügen, der die dem Aussonderungsberechtigten verfangenen Massewerte zum
Vorteil der ungesicherten persönlichen Gläubiger ein für allemal freimacht. Mit einem
bloßen Unterlassen der Ausübung eines Absonderungsrechts während des
Konkursverfahrens würde jenem Zwecke nicht gedient sein. Eine uneingeschränkte
Konkursteilnahme erschließt sich sonach dem absonderungsberechtigten
Konkursteilnehmer nur durch die endgültige und vorbehaltlose Aufgabe des Rechts
(Jaeger/Lent a.a.O., § 64 Rdnr. 14; Kilger/Schmidt a.a.O., § 64 Anm. 5; Kuhn/Uhlenbruck
a.a.O., § 64 Rdnr. 13). Diese Maßstäbe gelten schon aus Gründen der Rechtsklarheit
entsprechend, wenn der Gläubiger im Laufe des Konkursverfahrens eine vermeintliche
Sonderhaftung für sich in Anspruch genommen hat. Hier muß er dem Konkursverwalter
entweder rechtsverbindlich erklären, daß er auf die - vermeintliche - Sonderhaftung
endgültig verzichte, oder er muß den Forderungsrest berechnen, der nach Vollzug der
von ihm für sich in Anspruch genommenen abgesonderten Befriedigung nachweislich
ungetilgt bleibt. Ließe man die Forderung, für die der Gläubiger eine in Wahrheit nicht
bestehende Sonderhaftung für sich reklamiert hat, bereits dann zur Schlußverteilung, zu,
wenn dem Konkursverwalter diese Umstände bekannt sind, setzte man die in §§ 64, 153
Abs. 1 KO verankerten Grundsätze für den Bereich der vermeintlichen
Absonderungsrechte weitgehend außer Kraft. Dies widerspräche dem Gesetz, das
ausdrücklich darauf abhebt, ob der Gläubiger eine Sonderhaftung für sich beansprucht.
Als Kehrseite des so ausgeformten Wahlrechts ergibt sich, daß der Gläubiger, der
zunächst ein einheitliches Paket von objektiv absonderungsberechtigten und
Konkursforderungen geschnürt und insgesamt seine Befriedigung aus den
Absonderungsgegenständen gesucht hat, aus der Erklärungspflicht gemäß § 153 Abs. 1
Satz 2 KO nicht entlassen werden kann.
37
Diesen Anforderungen hat die Beteiligte zu 1) im vorliegenden Fall nicht genügt.
38
(a)
39
Die zweiwöchige Ausschlußfrist beginnt gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 KO mit der
40
öffentlichen Bekanntmachung des zur Verteilung verfügbaren Massebestandes (§ 151
KO). Diese erfolgt durch Einrückung in das zur Veröffentlichung amtlicher
Bekanntmachungen des Gerichts bestimmte Blatt und gilt als bewirkt mit dem Ablauf
des zweiten Tages nach der Ausgabe des die Einrückung enthaltenen Blattes (§ 76
Abs. 1 KO). Auf die Einzelheiten der Fristberechnung kommt es hier nicht an (vgl. dazu
Klasmeyer/Elsner, Festschrift für Franz Merz zum 65. Geburtstag 1992, S. 303, 308 ff).
Jedenfalls war bei Eingang der Eingabe der Beteiligten zu 1) vom 18. September 1992
am 21. September 1992 die Frist längst abgelaufen, weil die Bekanntmachung bereits in
der Ausgabe Nr. 31 vom 1. August 1992 des Öffentlichen Anzeigers zum Amtsblatt für
den Regierungsbezirk Arnsberg erfolgt war. Der Inhalt dieses Schreibens kann daher im
Rahmen des § 153 Abs. 1 Satz 2 KO nicht mehr berücksichtigt werden.
(b)
41
In dem Prozeß um das Tilgungsstreckungsdarlehen hat die Beteiligte zu 1) keine im
vorliegenden Zusammenhang relevante Erklärung - auch nicht durch schlüssiges
Handeln - abgegeben. Insbesondere lag in dem Vergleichsschluß vor dem
Oberlandesgericht Hamm am 1. April 1992 weder ein Verzicht auf etwaige Sicherheiten
für den Betriebsmittelkredit noch der Nachweis, in Bezug auf diesen Kredit mit
Sicherheiten ganz oder in einer bestimmten Höhe ausgefallen zu sein. Es besteht kein
Anhalt, daß die Beteiligte zu 1) in einem Verfahren betreffend eine andere Forderung,
nämlich den Zahlungsanspruch aus dem Tilgungsstreckungsdarlehen, Rechte
aufgeben wollte, der Vergleich somit über den Streitgegenstand des anhängigen
Prozesses hinausgreifen sollte. Für derartige Erklärungen bestand nachjage der Dinge
auch kein Grund, weil der Vergleich nur einen Teil des Abrechnungsstreits zwischen
den Beteiligten beilegen sollte, andere Streitpunkte - wie die Verwertung der
Telefonanlage - dagegen ausdrücklich offenblieben.
42
(c)
43
Schließlich gebietet es nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der
auch im Konkursverfahren Geltung hat, die Forderung aus dem Betriebsmittelkredit
ohne den Nachweis im Sinne des § 153 Abs. 1 KO bei der Schlußverteilung zu
berücksichtigen. Die Auffassung, der Beteiligte zu 2) habe mit Schreiben vom 15.
November 1990 die hier in Rede stehende Forderung in Bezug auf die Schlußverteilung
anerkannt und verhalte sich deshalb jetzt widersprüchlich, trifft nicht zu. Denn die
Beteiligte zu 1) ist auf den ihr damals unterbreiteten Abrechnungsvorschlag nicht
eingegangen und hat mit dem Ziel Klage erhoben, den Beteiligten zu 2) zu einer
weitergehenden Zahlung verurteilen zu lassen. Daß die beiden in den Schreiben
genannten Beträge wegen der von dem Beteiligten zu 1) vorgenommenen Verrechnung
der Geschäftsanteile auf die Konkursforderung in einem Abhängigkeitsverhältnis
standen, ist bereits dargelegt. Auch im übrigen ist kein treuwidriges Verhalten des
Beteiligten zu 2) erkennbar. Auf S. 6 des Schlußberichtes vom 22. Mai 1992, der vom
Gläubigerausschuß genehmigt worden ist, hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, daß
ein Gläubiger bisher den Nachweis des Ausfalles nicht geführt habe. Eine Rechtspflicht,
die Beteiligte zu 1), die als Bank in erheblichem Umfang am Geschäftsverkehr teilnahm,
darauf hinzuweisen, daß sie ihren Ausfall bisher nicht nachgewiesen habe, besteht
nicht.
44
Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 KO, § 91 Abs. 1 ZPO: Die Entscheidung über
die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 35 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.
45
Bei der danach vorzunehmenden Schätzung ist der Senat davon ausgegangen, daß die
Beteiligte zu 1) im Falle ihres Obsiegens eine Quote von ca. 40% erhalten hätte.