Urteil des OLG Hamm vom 12.02.2009

OLG Hamm: vergütung, zustand, mwst, entstehung, berg, gebühr, datum, verrechnung

Oberlandesgericht Hamm, 6 WF 475/08
Datum:
12.02.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 WF 475/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Hagen, 53 F 38 / 08
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des
Amtsgerichts – Familiengericht – Hagen vom 12.11.2008 abgeändert.
Auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1) wird der Festsetzungsbeschluss
des Amtsgerichts – Familiengericht – Hagen vom 8.8.2008 dahingehend
abgeändert, dass die an den Beteiligten zu 1) aus der Staatskasse zu
zahlende Vergütung auf 652,72 € festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
1
I.
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Der Beteiligte zu 1) begehrt die Festsetzung einer Vergütung gem. § 55 RVG als im
Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt. Dem von ihm vertretenen
Beklagten war aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ratenfreie
Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Der Beteiligte zu 1) war für den Beklagten bereits
vorprozessual tätig geworden, um gegen diesen gerichtete (weitergehende)
Unterhaltsansprüche der Kläger abzuwehren. Ein Antrag auf Beratungshilfe ist beim
Amtsgericht nicht gestellt worden.
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Das Amtsgericht hat, der Ansicht des Beteiligten zu 2) folgend, die geltend gemachte
Verfahrensgebühr im Hinblick auf die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG von 1,3 auf 0,65
gekürzt, da die vorgerichtliche Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrens-gebühr
anzurechnen sei.
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Der Beteiligte zu 1) macht mit seiner Beschwerde u. a. geltend, durch den angefoch-
tenen Beschluss würden seine Gebührenansprüche in nicht gerechtfertigter Weise
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gekürzt. Angesichts der finanziellen Verhältnisse seines Mandanten bestehe für ihn
faktisch keine Möglichkeit, von diesem den gekürzten Gebührenanteil zu erhalten.
Der Senat hat den Beteiligten zu 3) angehört. Dieser unterstützt die angefochtene
Entscheidung.
6
II.
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Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht
zulässig. Sie ist auch teilweise begründet.
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1.
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Der Senat folgt grundsätzlich der mittlerweile in der Rechtsprechung der Oberlandes-
gerichte vorherrschenden Ansicht, dass auch bei der Vergütungsfestsetzung für einen
im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt die Anrech-
nungsvorschrift in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG Anwendung findet (in
diesem Sinne auch OLG Braunschweig, B.v.12.9.2008, AGS 2008, 606; OLG Bam-berg,
B. v. 21.8.2008, JurBüro 2008, 640; OLG Düsseldorf, B. v. 27.11.2008, Az. I 10 W
109/08; OLG Koblenz, B. v. 14.11.2008, Az. 9 WF 728/08; OLG Celle, B. v. 13.11. 2008,
Az. 10 WF 312/08; OLG Oldenburg, B. v. 27.5.2008, Az. 2 WF 81/08 sowie B. v.
8.5.2008, Az. 8 W 57/08; LAG Düsseldorf, B. v. 2.11.2007, Az. 13 Ta 181/07,
Niedersächs. OVG, B. v. 29.4.2008, Az. 13 OA 39/08; a. A. OLG Oldenburg, B. v.
18.2.2008, Az. 6 W 8/08, und OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 1013).
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Wie der Bundesgerichtshof in Kostenfestsetzungsverfahren bereits mehrfach ent-
schieden hat, entsteht die Verfahrensgebühr aufgrund der Anrechnungsvorschrift von
vorneherein nur in gekürzter Höhe, so dass im Rahmen der Kostenfestsetzung auch
keine darüber hinausgehende Kostenerstattung in Betracht komme. Ob die vom
Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr
unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist, sei bereits nach dem
klaren Wortlaut der Anrechnungsbestimmung ohne Bedeutung. Für die Anrech-nung
und damit die von selbst einsetzende Kürzung sei nach dieser Vorschrift viel-mehr
entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausge-setzter
Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeit-punkt des
Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr
aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte (BGH NJW 2008, 1323, 1324).
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Aus diesen Ausführungen, die auch vom Senat geteilt werden, folgt zwingend, dass
auch bei der Vergütungsfestsetzung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeord-
neten Rechtsanwalts die Verfahrensgebühr entsprechend zu kürzen ist, wenn die
Voraussetzungen der Anrechnungsvorschrift vorliegen. Denn die Verfahrensgebühr
entsteht dann
von vorneherein
festgesetzt werden kann. Dies gilt unabhängig von der Bewilligung von Pro-
zesskostenhilfe, denn der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsan-walt
erhält – vorbehaltlich der Sonderregelungen in Abschnitt 8 des RVG – gem. § 45 Abs. 1
RVG die gesetzliche Vergütung. Er soll also gegenüber dem nicht im Wege der
Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt nicht besser gestellt werden.
Sondervorschriften, welche der genannten Anrechnungsvorschrift vorgehen würden,
enthalten die §§ 45 RVG nicht. Der in diesem Zusammenhang teilweise zitierte § 58
Abs. 2 RVG ist insoweit nicht einschlägig, da er die Frage der Verrechnung von
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Abs. 2 RVG ist insoweit nicht einschlägig, da er die Frage der Verrechnung von
Vorschüssen und Zahlungen betrifft, während es hier um die vorgelagerte Frage der
Entstehung des Gebührenanspruchs geht. Auch steht § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO der
Anrechnung nicht entgegen, weil diese Forderungssperre nur die nach der PKH-
Bewilligung entstehende Vergütung betrifft, während die Geschäftsgebühr bereits zuvor
durch die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts für seinen Mandanten entstanden
ist.
2.
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Im vorliegend zur Entscheidung stehenden Fall scheitert eine Anrechnung gem. Teil 3
Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG indes daran, dass der Beteiligte zu 1) eine Geschäftsgebühr
nicht geltend machen kann.
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Nach der zu den Akten gereichten Erklärung des Beklagten über seine persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse ist davon auszugehen, dass bei ihm auch schon zum
Zeitpunkt der Übernahme des Mandats durch den Beteiligten zu 1) die
Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe vorlagen. Diese Umstände
hätten dem Beteiligten zu 1) auch bereits bei Übernahme des Mandats bekannt werden
können. Der Beteiligte zu 1) wäre deshalb nach Auffassung des Senats, der sich
insoweit der Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg
(JurBüro 2008,528) anschließt, bei sachgerechtem Vorgehen gehalten gewesen, den
Beklagten auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe hinzuweisen.
Da er diese Pflicht jedoch versäumt hat, ist er nunmehr daran gehindert, eine
Geschäftsgebühr gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen. Denn die
Bewilligung der Beratungshilfe hätte zur Folge gehabt, dass dem Beteiligten zu 1)
gegenüber seinem Mandanten allenfalls ein Anspruch nach Nr. 2500 VV RVG in Höhe
von 10,- € zustand. Dagegen war ein Anspruch auf eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300
VV RVG ausgeschlossen, da der Rechtsanwalt für eine Tätigkeit im Rahmen der
Beratungshilfe ausschließlich eine Vergütung nach dem BerHG erhält, § 44 RVG, Vorb.
2.5. vor Nr. 2500 VV RVG.
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3.
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Dem Festsetzungsantrag des Beteiligten zu 1) ist jedoch deswegen nicht in vollem
Umfang zu entsprechen, weil -entsprechend der Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Oldenburg (JurBüro 2008,528), der sich der Senat auch in diesem
Punkt anschließt - ein anteiliger Abzug der Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG
vorzunehmen ist. Gemäß Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG ist die im Rahmen der Beratungshilfe
anfallende Geschäftsgebühr auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches
Verfahren zur Hälfte anzurechnen. Ob eine anzurechnende Geschäftsgebühr bereits
geltend gemacht oder etwa schon beglichen ist, ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (NJW 2008, 1323,1324) unerheblich.
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Die von dem Beteiligten zu 1) verlangte Vergütung ist deshalb um (35,00 € zzgl. MwSt
=) 41,65 € auf (694,37 € - 41,65 € =) 652,72 € zu vermindern.
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4.
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Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG entbehrlich.
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