Urteil des OLG Hamm vom 11.03.2004

OLG Hamm: grundstück, bebauungsplan, öffentliche bekanntmachung, wohnhaus, breite, eigentümer, geschäftsverkehr, mietvertrag, beteiligter, genehmigung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 16 U (Baul) 5/03
11.03.2004
Oberlandesgericht Hamm
16. Zivilsenat
Urteil
16 U (Baul) 5/03
Landgericht Düsseldorf, 30 O (Baul.) 2/02
Auf die Berufung des Beteiligten zu 1) wird das am
12. Februar 2003 verkündete Urteil der Kammer für Baulandsachen des
Landgerichts Düsseldorf abgeändert.
Der Teilumlegungsplan U6/2 - T, östlicher Teil - vom 31. Oktober 2001
wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beteiligte zu 2).
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beteiligte zu 2) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht
der jewei¬lige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe lei¬stet. Den jeweiligen Beteiligten wird nachgelassen,
Sicherheit auch durch selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte
Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder
Genossenschaftsbank zu erbringen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer der in der Gemarkung G1, Flur X, gelegenen Flurstücke
X, X2 und X3. Das Flurstück X ist aus der katastermäßigen Zerlegung des ehemaligen
1.102 qm großen Flurstücks 163 im Januar 2001 hervorgegangen und umfasst dessen
nordwestlichen Teil. Die durch die Zerlegung entstandenen Flurstücke X und X3 sind im
Grundbuch weiterhin als ein einheitliches Grundstück eingetragen. Das Flurstück X, das im
Liegenschaftskataster unter der Rubrik "tatsächliche Nutzung" als "Gebäude- und
Freifläche, Wohnen" geführt wird, hat eine Fläche von 653 qm, die Flurstücke X und X2
eine solche von 369 qm beziehungsweise 12 qm.
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Die eingangs genannten Flurstücke X, X2 und X3 liegen im Geltungsbereich des
Bebauungsplans Nr. 46A "T" der Beteiligten zu 3) und im Bereich der 4. Änderung dieses
Bebauungsplans, die der Rat am 27. Januar 1984 als Satzung beschlossen hat und deren
Genehmigung durch den Regierungspräsidenten Düsseldorf am 15. Mai 1984 ortsüblich
bekannt gemacht worden ist. Der Bebauungsplan setzt die Flächen im Bereich dieser
Flurstücke überwiegend als reines Wohngebiet mit maximal zweigeschossiger offener
Bauweise, einer Grundflächenzahl von 0,4 und einer Geschossflächenzahl von 0,8 fest. In
einem Teilbereich des Flurstücks X3 sowie im Bereich des Flurstücks X2 sind nur Einzel-
oder Doppelhäuser zulässig. Die überbaubaren Grundstücksflächen sind durch
Baugrenzen bestimmt. Hinsichtlich der weiteren Festsetzungen wird auf die
Bebauungsplanurkunde verwiesen.
Das Flurstück X ist in seinem nördlichen Teil straßenrandnah mit einem zweigeschossigen
Wohnhaus (Doppelhaushälfte) bebaut, an das sich im rückwärtigen Bereich ein etwa die
Hälfte der Hausbreite einnehmender Anbau anschließt. Das Wohnhaus trägt die
Straßenbezeichnung "T" Nr. 28. Ungefähr auf Höhe der Rückfront des vorgenannten
Anbaus steht - seitlich nach Osten versetzt - ein eingeschossiges Nebengebäude, das
ursprünglich dem Hauptgebäude zugeordnete Arbeitsräume beherbergte. Das Wohnhaus
auf den Flurstücken X2 und X3 ist - ohne den rückwärtigen Anbau - seit Februar 1986 als
Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen.
Die Flurstücke X und X3 werden durch zwei im Abstand von bis zu 2 m nebeneinander von
Nordosten nach Südwesten verlaufende unterirdische Kanäle für Schmutzwasser
beziehungsweise Regenwasser (DN 250 und DN 400) durchschnitten. Die
Rechtsvorgängerin des Beteiligten zu 1) hat die Verlegung der Kanäle auf den genannten
Flurstücken im Jahre 1973 vertraglich gestattet und sich diesbezüglich im Wege der
Baulasterklärung wie folgt verpflichtet:
"Ich übernehme hiermit gegenüber der Bauaufsichtsbehörde die öffentlich-rechtliche
Verpflichtung, auf meinem Grundstück die Verlegung der Kanalleitungen, die Herstellung
von Kanalschächten sowie die Unterhaltung der Kanaleinrichtungen zu dulden.
Ich dulde, dass Beauftragte der Stadt G1 das Grundstück zur Ausübung ihrer Rechte
und zur Ausführung von Arbeiten nach vorheriger Anmeldung jederzeit betreten und
Aufgrabungen sowie alle Maßnahmen vornehmen dürfen, die zum Bau, zur Unterhaltung,
Inbetriebhaltung und Erneuerung notwendig sind. Der Kanal darf ohne Zustimmung der
Stadt G1 nicht überbaut werden. Bäume und tief wurzelnde Sträucher sind in einem
Streifen von 3,00 m Breite beiderseits der Kanalachse nicht zulässig."
Am 14. Januar 1983 ordnete der Rat der Stadt G1 für einen Teil des Bebauungsplangebiets
die Umlegung an. Das Umlegungsverfahren sollte die im Umlegungsgebiet liegenden
Grundstücke neu ordnen, um die alsbaldige Verwirklichung der sich damals noch im
Aufstellungsverfahren befindlichen 4. Änderung des Bebauungsplans Nr. 46A zu
ermöglichen.
Am 9. Juni 1983 leitete der Beteiligte zu 2) das Umlegungsverfahren ein. Das
Umlegungsgebiet erhielt die Bezeichnung U6. Der Umlegungsbeschluss wurde im
Amtsblatt des Kreises N am 15. Juli 1983 bekannt gemacht und in der Zeit vom 15. Juli bis
zum 15. August 1983 öffentlich ausgehängt. Am 2. Juni 1989 erfolgte die öffentliche
Bekanntmachung der Aufstellung der Bestandsverzeichnisse und der Bestandskarte.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 1983 ersuchte der Beteiligte zu 2) das Grundbuchamt beim
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Amtsgericht Mettmann, für die Flurstücke X, X2 und 163 einen Umlegungsvermerk in das
Grundbuch von G1, Blatt ####, einzutragen.
Mit Mietvertrag vom 29. Juni 1988 vermietete der Beteiligte zu 1) die Wohnung im Hause
"T" Nr. 28 ab dem 1. September 1988 an Herrn U und Frau I. Mitvermietet ist laut
Mietvertrag unter anderem ein ca. 1.100 qm großer Garten.
Im Oktober X3 wurden sämtliche Flächen im Bereich des späteren Teilumlegungsplans U
6/2 in einem Vorschlag der Unterkommission des Beteiligten zu 1) als Straßenland,
Bauland oder Rohbauland bewertet.
In der Sitzung des Beteiligten zu 2) am 27. Oktober X3 ergab die Diskussion, dass nach
dem Vorschlag der Unterkommission die Zuteilung an die Beteiligte zu 4) weit unter dem
Sollanspruch liegen würde. Um den damit zu erwartenden Problemen aus dem Weg zu
gehen, sei eine Neuberechnung der Werte erforderlich. Das Hinterland solle mit dem
Grünflächenpreis von 25 DM/qm und das Straßenland mit einem Preis von 40 DM/qm
bewertet werden.
Unter dem 27. September 1999 erhob der Beteiligte zu 1) Widerspruch gegen das
Umlegungsverfahren.
Am 31. Oktober 2001 stellte der Beteiligte zu 2) den Teilumlegungsplan U 6/2 - T, östlicher
Teil - auf, der am 9. November 2001 im Amtsblatt der Beteiligten zu 3) bekannt gemacht
und in der Zeit vom 9. November bis 27. Dezember 2001 öffentlich ausgehängt wurde.
Der Teilumlegungsplan (Umlegungsverzeichnis Teil II, Ordnungsnummer 6/9) sieht vor,
dem Beteiligten zu 1) an Stelle der EinwurfsFlurstücke X, X2 und X3 mit insgesamt 1.034
qm Fläche die neu zu bildenden Flurstücke X (593 qm) und 2006 (254 qm) zuzuteilen. Das
in das Umlegungsverfahren nach § 52 BauGB einbezogene Flurstück X (449 qm) erfährt
durch das Umlegungsverfahren keine Grenz- oder Wertveränderungen. Für die neu zu
bildenden Flurstücke X und 2006 sind im Grundbuch in Abteilung II - Lasten und
Beschränkungen - jeweils beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, Kanalrecht
(Schmutzwasser) und Kanalrecht (Regenwasser), zu Gunsten der Beteiligten zu 3)
einzutragen. Nach dem Inhalt der Dienstbarkeiten soll die Beteiligte zu 3) berechtigt sein,
die vorhandenen Kanäle dort ständig zu belassen und zu unterhalten. Im Zusammenhang
mit der Unterhaltung der Kanäle enthält der Teilumlegungsplan eine Vereinbarung mit der
Beteiligten zu 3), die unter anderem die Einrichtung eines von Bebauung und bestimmten
Bepflanzungen freizuhaltenden Schutzstreifens beinhaltet. Die Einwurfsflächen des
Beteiligten zu 1) werden wie folgt bewertet: Flurstück X = 167 qm Rohbauland à 190
DM/qm und 202 qm Grünland à 25 DM/qm, Flurstück X = 12 qm Bauland à 290 DM/qm
sowie Flurstück X = 246 qm Bauland à 290 DM/qm, 28 qm Rohbauland à 190 DM/qm und
396 qm Grünland à 25 DM/qm. Daraus ergibt sich ein Einwurfswert von insgesamt 126.820
DM. Die Bewertung der Zuteilungsflächen für den Beteiligten zu 1) stellt sich wie folgt dar:
Flurstück X = 242 qm Bauland à 290 DM/qm und 351 qm Grünland à 25 DM/qm sowie
Flurstück X = 184 qm Bauland à 290 DM/qm und 70 qm Grünland à 25 DM/qm. Das ergibt
einen Zuteilungswert von 134.065 DM. Der Sollanspruch des Beteiligten zu 1) liegt bei
134.125 DM. Er hat an die Beteiligte zu 3) einen Mehrwertausgleich von 7.245 DM zu
zahlen. Die Entschädigung für die im rückwärtigen Teil der Ersatzgrundstücke
verlaufenden Kanäle, einschließlich deren dinglicher Sicherung, ist bei der
Zuteilungsbewertung (25-DM-Zone) berücksichtigt worden. Für das neu zu bildende
Flurstück X wird ein Erschließungsbeitrag von 2.916,67 DM festgesetzt. Der Beteiligte zu 1)
und seine Rechtsnachfolger werden verpflichtet, bei einer Bebauung des neu zu bildenden
Flurstücks X4 jeweils an die Grenzen der neu zu bildenden Flurstücke X und X5
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Flurstücks X4 jeweils an die Grenzen der neu zu bildenden Flurstücke X und X5
anzubauen. Zur Absicherung der Anbauverpflichtung ist im Baulastenverzeichnis der
Beteiligten zu 3) für das Flurstück X eine entsprechende Verpflichtungserklärung
einzutragen.
Am 12. November 2001 wurde der Umlegungsplan dem Beteiligten zu 1) auszugsweise
zugestellt.
Dieser stellte mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2001 - beim Beteiligten zu 2) am selben
Tage eingegangen - einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der beim Landgericht am
5. Februar 2002 einging.
Der Beteiligte zu 1) trug vor, die Umlegung sei nicht notwendig, um die Ziele des
Bebauungsplans zu realisieren. Die Werte der eingebrachten Grundstücke seien nicht
richtig ermittelt worden. Die Bestimmung unterschiedlicher Wertzonen sei fehlerhaft. Alle
Flurstücke im Umlegungsgebiet seien als gleichwertig anzusehen. Das Flurstück X sei ihm
nicht wieder zugewiesen und auch bei der Bewertung des Einwurfs nicht berücksichtigt
worden. Was die Bebaubarkeit des Flurstücks X3 angehe, sehe der Bebauungsplan 46A,
dessen Rechtsgültigkeit fraglich sei, eine Bebauung im rückwärtigen Bereich nicht vor.
Dennoch sei ihm unter dem 28. August 2002 ein Bauvorbescheid erteilt worden, wonach
eine Verlängerung des auf dem Flurstück X vorhandenen Anbaus bis auf Höhe der
Rückfront des weiter südlich gelegenen Nebengebäudes planungsrechtlich zulässig sei.
Insoweit sei eine Befreiung von den die überbaubare Grundstücksfläche regelnden
Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 46A in der Fassung der 4. Änderung in Aussicht
gestellt worden. Das Flurstück X beziehungsweise X sei zu Unrecht als im Eigentum der
Beteiligten zu 5) stehend berücksichtigt worden, woraus sich eine Wertminderung ergebe.
Zudem werde durch die festgelegte dingliche Sicherung der Kanaltrasse in seine Rechte
eingegriffen und der Grundstückswert gemindert. Schließlich bestünden mietvertragliche
Bindungen, in die mit der Umlegung eingegriffen werde.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
den Teilumlegungsplan der Beteiligten zu 3) U6/2 - T, östlicher Teil - vom 31.
Oktober 2001 aufzuheben.
Der Beteiligten zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er trug vor, die Notwendigkeit des Umlegungsverfahrens könne im vorliegenden
gerichtlichen Verfahren nicht mehr geprüft werden. Die Einwurfs- und Zuteilungswerte
seien fehlerfrei ermittelt worden. Es sei eine an Zonen orientierte, differenzierende
Bewertung der Grundstücke erforderlich, nämlich nach Bauland, Rohbauland und
Grünland. Die Linien zur Abgrenzung der Zonen seien nicht willkürlich gezogen worden.
Die Unstimmigkeit bezüglich der Flächenangaben für das Flurstück X im
Teilumlegungsplan U 6/2 (670 qm) und im Liegenschaftskataster (653 qm) beruhe darauf,
dass ein einwandfreier Katasternachweis fehle. Zur Abgrenzung des
Teilumlegungsgebietes habe das ehemalige Flurstück X in die Flurstücke X und X3 zerlegt
werden müssen. Dabei sei die Fläche des Flurstücks X exakt nach Koordinaten berechnet
worden. Die Restfläche (Flurstück X) habe wegen des nicht einwandfreien
Katasternachweises koordinatenmäßig nicht errechnet werden können. Sie sei deshalb im
"Restabzugsverfahren" - Gesamtfläche des alten Flurstücks X abzüglich neuberechneter
Fläche des Flurstücks 1996 - ermittelt worden. Den in der Einwurfsfläche des früheren
Flurstücks X enthaltenen Fehler bei der Flächenberechnung habe man so vollständig auf
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das Flurstück X übertragen, da es im Umlegungsverfahren ohnehin untergehe. Um die
fehlerhafte Flächenangabe im Liegenschaftskataster (653 qm) ohne Nachteil für den
Beteiligten zu 1) zu korrigieren, sei die Einwurfsfläche des Flurstücks X3 anhand der
Bebauungsplankartierung graphisch ermittelt worden. Dies habe zu Gunsten des
Beteiligten zu 1) zur Annahme eines um 17 qm größeren Flächeninhalts geführt. Das
Bauvorhaben, auf das sich der Vorbescheid vom 28. August 2002 beziehe, liege zwar
außerhalb der Baugrenzen des Bebauungsplans, aber innerhalb des Bereichs, der als
Bauland bewertet worden sei. Was die Kanaltrasse angehe, habe es auch schon bisher
zwei im Abstand von 1,5 m verlaufenden Kanäle gegeben, so dass sich bei einem
beiderseitigen Schutzstreifen von 3 m insgesamt ein Schutzstreifen von 7,5 m ergebe. Die
dingliche Sicherung dieses Schutzstreifens führe zu keiner Wertminderung der
Grundstücke. Auf den vom Antragsteller angeführten Mietvertrag komme es nicht an, da er
ohne die erforderlich Genehmigung geschlossen worden sei.
Die übrigen Beteiligten stellten keine Anträge.
Mit Urteil vom 12. Februar 2003 - dem Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 1)
zugestellt am 26. März 2003 - hat das Landgericht den Antrag auf gerichtliche
Entscheidung zurückgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Gegen das Urteil richtet sich die am 28. April 2003 eingelegte Berufung des Beteiligten zu
1), mit der er sein Antragsziel weiterverfolgt.
Im Berufungsverfahren wiederholt und vertieft der Beteiligte zu 1) sein erstinstanzliches
Vorbringen. Insbesondere trägt er vor, die Bewertung der Einwurfsflächen als teilweise
Bauland, Rohbauland und Grünland werde der rechtlichen Qualität dieser Flächen nicht
gerecht. Bei der Grenzziehung zwischen Bauland und Rohbauland sei die auf den
Nachbargrundstücken vorhandene Bebauung unberücksichtigt geblieben. Auf dem
westlich angrenzenden Grundstück erreiche sie eine Bebauungstiefe von 28 m. Bis zu
dieser Tiefe müssten auch seine eigenen Flächen (Flurstück X) als Bauland bewertet
werden, was eine Vergrößerung der Baulandfläche um etwa 130 qm bedeute. Die
Bebauungstiefe auf den Nachbargrundstücken sei für die Bebaubarkeit seiner eigenen
Flächen maßgeblich, da der Bebauungsplan in der Fassung der 3. Änderung, die im
Zeitpunkt der Einleitung des Umlegungsverfahrens gegolten habe, keine Baugrenzen
festsetze. Es sei nicht gerechtfertigt, den östlichen Teil des Flurstücks X3 als
Bauerwartungsland oder teilweise sogar nur als Grünland zu bewerten. Auch diese
Flächen gehörten zum Bebauungszusammenhang. Das Flurstück X liege ebenfalls noch
innerhalb des Bebauungszusammenhanges. Insoweit seien neben dem Wohnhaus "T" Nr.
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einzubeziehen. Allerdings fehle es an einer gesicherten Erschließung, so dass das
Flurstück X insgesamt nur als Bauerwartungsland eingestuft werden könne. Der
Einwurfswert der von ihm - dem Beteiligten zu 1) - eingebrachten Flächen erhöhe sich
danach gegenüber den Annahmen im Teilumlegungsplan U 6/2 um 141.070,00 DM.
Die ihn - den Beteiligten zu 1) - betreffende Zuteilung sei ebenfalls fehlerhaft, da sie auf
einer unrichtigen Bewertung der zugeteilten Flächen beruhe. Das neu zu bildende
Flurstück X habe der Beteiligte zu 2) allgemein nach der Wertverordnung bewertet, ohne
die individuellen Besonderheiten des Flurstücks zu berücksichtigen. Ein
Reihenhausgrundstück könne wertmäßig nicht ohne weiteres mit einem Grundstück
gleichgesetzt werden, das sich für die Errichtung eines Einfamilienhauses in offener
Bauweise eigne. Die wegen der geringen Flurstücksbreite von nur 7 m allein mögliche
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Reihenhausbebauung sei mit negativen baulichen Zwängen behaftet, die die
architektonischen Möglichkeiten, sachgerechten Wohnraum zu schaffen, erheblich
einschränkten und den Marktwert des Flurstücks wesentlich herabsetzten. Bei einer vom
Bebauungsplan vorgegebenen bebaubaren Grundfläche von maximal 105 qm könne
beispielsweise keine Garage errichtet werden, ohne die zu Wohnzwecken nutzbare Fläche
unangemessen zu verringern. Eine Tiefgarage sei teuer und führe wegen der
anzulegenden Zufahrt zum weitgehenden Verlust der Vorgartenfläche. Die Anlegung und
Pflege eines Gartens im Hintergelände sei mangels Zugangs schwierig.
Des weiteren habe der Beteiligte zu 2) die mit der Kanaltrasse verbundenen
Beeinträchtigungen nicht ausreichend gewürdigt. Der auf die Kanaltrasse bezogene Ge-
stattungsvertrag von 1973 sehe einen Schutzstreifen von insgesamt nur 6 m Breite vor, der
von Bäumen und tief wurzelnden Sträuchern freizuhalten sei. Die Ränder des
Schutzstreifens verliefen jeweils 3 m von der Kanalachse entfernt, wobei mit Kanalachse
die Mittellinie zwischen den beiden Kanälen gemeint sei. Das ergebe sich aus dem
Gestattungsvertrag und den der Baulasteintragung zu Grunde gelegten Plänen. Dagegen
schreibe der Teilumlegungsplan einen Schutzstreifen mit einer Gesamtbreite von 7,5 m
Breite vor, was eine zusätzlich in Anspruch genommene Fläche von etwa 40 qm
ausmache. In dieser Größenordnung seien die zugeteilten Flächen wertlos, da sie baulich
nicht genutzt werden könnten. Der Wert der Zuteilung sei daher um 10.695,00 DM niedriger
anzusetzen als vom Beteiligten zu 2) angenommen.
Die bezüglich der Kanaltrasse verlangte Grundbucheintragung wirke sich stärker
wertmindernd aus als die bislang bestehende Baulast. Kaufinteressenten informierten sich
regelmäßig über die Eintragungen im Grundbuch und die Banken sähen jegliche
Eintragung einer dinglichen Belastung als wertreduzierend an. Der Zuteilungswert sei
entsprechend weiter herabzusetzen.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Schlussantrag erster Instanz zu
erkennen.
Der Beteiligten zu 2) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ergänzt seinen erstinstanzlichen Vortrag wie folgt: Bei der Ermittlung der Einwurfswerte
habe er sich an den von dem Bebauungsplan Nr. 46A vorgegebenen Möglichkeiten der
baulichen Nutzung orientiert. Das Flurstück X sei bis zu einer Tiefe von 22,5 m als Bauland
bewertet worden. Jenseits dieser gedachten Linie falle das Gelände stark ab in das Tal des
Y Baches. Dieses abfallende Gelände sei nicht für eine Bebauung nutzbar und daher mit
Grünland richtig bewertet. Soweit eine 28 qm große Fläche im östlichen hinteren Teil des
Flurstücks X3 als Rohbauland bewertet worden sei, handele es sich um einen
Geländestreifen, der künftig als Abstandfläche für eine mögliche Bebauung benötigt werde.
Dasselbe gelte für den als Rohbauland bewerteten Teil des Flurstücks 1X, dessen restliche
Fläche baulich nicht nutzbar gewesen sei. Ein Wertunterschied zwischen
Reihenhausgrundstücken und Grundstücken für Einzelhausbebauung bestehe schon
deshalb nicht, weil bei Reihenhausgrundstücken die wirtschaftliche Ausnutzbarkeit wegen
des Fortfalls der seitlichen Abstandflächen besonders hoch sei und die vom Beteiligten zu
1) angeführten Nachteile ausgleiche. Was die Kanaltrasse angehe, sei das im
Teilumlegungsplan gewählte Instrument der persönlichen beschränkten Dienstbarkeit
gegenüber der Baulast das adäquatere Sicherungsmittel. Im Übrigen verlaufe die
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Kanaltrasse und der zugehörige Schutzstreifen außerhalb der überbaubaren
Grundstücksfläche und außerhalb des als Bauland bewerteten Grundstücksbereichs.
Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der vorgelegten Unterlagen des Umlegungsverfahrens und des
Bebauungsplanverfahrens ergänzend Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet allerdings nicht etwa deshalb an einem
wesentlichen Mangel im Sinne des § 539 ZPO, weil das Landgericht die Mieter des
Hauses "T" Nr. 28 nicht als Beteiligte im gerichtlichen Verfahren angesehen hat. Gemäß §
222 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder, der in dem Umlegungsverfahren Beteiligter war, auch in
dem gerichtlichen Verfahren Beteiligter, wenn seine Rechte oder Pflichten durch die
Entscheidung des Gerichts betroffen werden können. Wer im Umlegungsverfahren
Beteiligter ist, ergibt sich aus § 48 Abs. 1 BauGB. Nach Nr. 3 dieser Vorschrift sind
Beteiligte auch die Inhaber eines persönlichen Rechts, das zum Besitz oder zur Nutzung
des Grundstücks berechtigt. Das Recht auf Überlassung und Nutzung eines Grundstücks
auf Grund eines Mietvertrages ist ein solches Recht. Allerdings werden die Inhaber eines
solchen Rechts erst zu dem Zeitpunkt Beteiligte, in dem die Anmeldung ihres Rechts der
Umlegungsstelle zugeht, wobei die Anmeldung nur bis zur Beschlussfassung über den
Umlegungsplan nach § 66 Abs. 1 BauGB erfolgen kann (§ 48 Abs. 2 BauGB). Die Mieter
des Hauses "T" Nr. 28 haben ihr Recht nicht bei dem Beteiligten zu 2) angemeldet. Zudem
ist der Mietvertrag mangels Genehmigung durch den Beteiligten zu 2) schwebend
unwirksam. § 51 Abs. 1 Satz 1 BauGB sieht vor, dass während des Umlegungsverfahrens
bestimmte tatsächliche und rechtliche Veränderungen im Zusammenhang mit den im
Umlegungsgebiet belegenen Grundstücken genehmigungsbedürftig sind. Dazu zählen
auch Vereinbarungen, durch die einem anderen ein Recht zur Nutzung eines Grundstücks
oder Grundstücksteils eingeräumt wird. Der Abschluss des Mietvertrages für das Haus "T"
Nr. 28 ist auf den 29. Juni 1988 datiert und liegt damit zeitlich nach der Bekanntmachung
des Umlegungsbeschlusses, die den Zeitpunkt für das Entstehen der
Genehmigungsbedürftigkeit einer solchen Vereinbarung darstellt.
Die Berufung ist jedoch begründet, weil der Teilumlegungsplan der Beteiligten zu 3) U6/2 -
T, östlicher Teil - vom 31. Oktober 2001 rechtswidrig ist.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BauGB hat die Umlegungsstelle den Maßstab für die Verteilung
der Verteilungsmasse nach pflichtgemäßem Ermessen unter gerechter Abwägung der
Interessen der Beteiligten je nach Zweckmäßigkeit einheitlich zu bestimmen. Geht sie - wie
hier - für die Errechnung der den beteiligten Grundeigentümern an der Verteilungsmasse
zustehenden Anteile (Sollanspruch) von dem Verhältnis der Werte aus, in dem die früheren
Grundstücke vor der Umlegung zueinander gestanden haben (§ 56 Abs. 1 Satz 1 BauGB),
hat sie die Einwurfs- und Zuteilungswerte zu ermitteln. Bei der Verteilung nach Werten
gemäß § 57 BauGB ist der nach § 194 BauGB in Verbindung mit der Verordnung über
Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken
(Wertermittlungsverordnung - WertV) zu ermittelnde Verkehrswert maßgeblich, wobei es
allein auf den Wert des Bodens ankommt. Stichtag für die Wertermittlung ist der Tag, an
dem der Umlegungsbeschluss Wirksamkeit erlangt.
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Die Bestimmung der Wertzonen, mit denen der Beteiligte zu 2) zur Ermittung der
Einwurfswerte die im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke - abgesehen von den als
Straßenland angesehenen Flächen - in Bauland, Rohbauland und Grünland unterteilt hat,
begegnet durchgreifenden Bedenken.
Alle Grundstücke sind im Bebauungsplan Nr. 46A in der Fassung der hier maßgeblichen 3.
Änderung als Reines Wohngebiet (WR) festgesetzt, wobei die Flurstücke X und x, die im
Eigentum des Beteiligten zu 1) beziehungsweise der Beteiligte zu 4) stehen, jeweils mit
einem Wohnhaus bebaut sind. Diese Flurstücke, die der Beteiligte zu 2) zum Teil als
Bauland, zum Teil als Rohbauland und zum Teil als Grünland bewertet hat, sind nach
Auffassung des Senats einheitlich als Bauland zu bewerten. Nach § 194 BauGB wird
nämlich der Verkehrswert durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die
Wertermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen
Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der
Lage des Grundstücks zu erzielen wäre. Zwar kann es im Einzelfall angezeigt sein, den
hinteren Teil eines an einer öffentlichen Verkehrsfläche gelegenen bebauten oder
bebaubaren Grundstücks qualitätsmäßig nicht als Bauland zu bewerten, weil er zu weit von
der zum Anbau vorgesehenen Straße entfernt liegt,
vgl. zum so genannten "vorgeschobenen Hinterland" BGH, Urteil vom 14. Januar
1982 - III ZR 134/80 -, BRS 45 Nr. 126 = MDR 1982, 826 = NVwZ 1982, 458,
doch wird eine solche Hinterlandbewertung regelmäßig nur für Flächen in Betracht
kommen, die mehr als 40 m von der Verkehrsfläche zurückliegen, da im normalen
Grundstücksverkehr für Grundstücke dieser Tiefe der volle Quadratmeterhöchstpreis erzielt
werden kann.
Vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1990 - III ZR 97/89 -, BRS 53 Nr. 119 = MDR
1991, 229 = NVwZ 1991, 404.
Sowohl das Flurstück X als auch das Flurstück X weisen nur in Teilbereichen eine Tiefe
von etwas mehr als 40 m auf, wobei die maximale Grundstückstiefe bei etwa 41 m liegt.
Der Umstand, dass diese Flurstücke von der Straße "T" aus nach Süden hin insgesamt um
bis zu 10 m abfallen und die Neigung des Geländes in den südlichen
Grundstücksbereichen besonders stark zunimmt, rechtfertigt es nicht, von einer
einheitlichen Bewertung als Bauland abzusehen. Topographische Besonderheiten wie
zum Beispiel Geländeeinschnitte können einem Grundstück allerdings die Baulandqualität
nehmen, wenn die künftige Bebauung dieses Grundstücks wegen der topographischen
Besonderheit aus tatsächlichen Gründen oder aus Kostengründen insgesamt
unwahrscheinlich erscheint. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das betroffene
Grundstück bereits bebaut ist oder bebaut werden kann und sich die ungünstige
Geländeformation nur auf die von Bebauung ohnehin freizuhaltende Grundstücksfläche
auswirkt. So kann eine Hanglage, bei der die überbaubaren Grundstücksflächen am
oberen Rand des Hanges liegen, sogar besonders reizvoll sein, wenn das abfallende
Gelände - wie hier - einen von Nachbargebäuden unverstellten Blick in die freie Landschaft
oder zumindest in einen rückwärtigen begrünten Bereich ermöglicht.
Auch die auf den Flurstücken X3 und x im Abstand von etwas mehr als 25 m parallel zur
Straße "T" verlaufende Kanaltrasse steht einer einheitlichen Bewertung der Flurstücke als
Bauland nicht entgegen. Dass die Kanaltrasse einschließlich eines Schutzstreifens von
insgesamt 7,50 m von Bebauung grundsätzlich freizuhalten ist, ist insoweit ohne Belang.
Wenn ein Grundstück im normalen Geschäftsverkehr als Baugrundstück mit
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Baulandqualität gehandelt wird, bedeutet dies nicht, dass jeder Quadratmeter dieses
Grundstücks bebaubar sein muss. Entscheidend ist allein, dass nach den tatsächlichen
und rechtlichen Gegebenheiten auf dem Grundstück gebaut werden kann. Ist dies der Fall,
so muss im normalen Geschäftsverkehr auch für die Freiflächen - selbst wenn sie für die
eigentliche Bebauung ausscheiden - der Baulandpreis entrichtet werden, solange die
Grundstücksgröße insgesamt im Rahmen des Üblichen bleibt.
Aus denselben Gründen ist es für die einheitliche Bewertung des Flurstücks X als Bauland
unerheblich, dass der südliche Teil dieses Flurstück ungünstig geschnitten ist. Nach den
Festsetzungen des Bebauungsplans kommt dieser ungünstig geschnittene Teil des
Flurstücks für die eigentliche Bebauung ohnehin nicht in Betracht, sondern stellt eine
beispielsweise als Garten zu nutzende Freifläche dar, die die überbaubare
Grundstücksfläche ergänzt und den Verkehrswert des gesamten Grundstücks mit bestimmt.
Der Pflegezustand der rückwärtigen Grundstücksbereiche, die der Beteiligte zu 2) in der
mündlichen Verhandlung als verwilderte, mit Gestrüpp bewachsene Brachflächen
beschrieben hat, beeinflusst den Wert des Bodens in keiner Weise und stellt keine
Handhabe dar, einem Grundstück die ansonsten gegebene Baulandqualität abzusprechen.
Nach allem bleibt festzuhalten, dass sich die Hängigkeit des Geländes, die vorhandene
Kanaltrasse und der zum Teil ungünstige Grundstückszuschnitt im normalen
Geschäftsverkehr möglicherweise mindernd auf den für das jeweilige Grundstück je
Quadratmeter zu berechnenden Baulandpreis auszuwirken vermögen, dass sie aber eine
uneinheitliche Bewertung der 670 qm beziehungsweise 661 qm großen Flurstücke X und X
teilweise als Bauland, Rohbauland oder Grünland nicht rechtfertigen können.
Der Senat lässt offen, ob die Bewertung der eingeworfenen Flurstücke X und X als Bauland
mit einem Abzug für die geringe Grundstückstiefe zutrifft. Nach § 4 Abs. 4 WertV sind nur
solche Flächen als baureifes Land anzusehen, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften
baulich nutzbar sind. Ob sich auf den Flurstücken X und X angesichts ihres jeweiligen
Zuschnitts und der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen unter Berücksichtigung
der landesrechtlichen Abstandflächenvorschriften eine selbstständige Bebauung auch
ohne Umlegung hätte realisieren lassen, ist zumindest im Hinblick auf das Flurstück X
zweifelhaft.
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ist auch die Bestimmung der Wertzonen
zur Ermittung der Zuteilungswerte für die im Umlegungsgebiet neu zu bildenden
Grundstücke nicht haltbar. Aus den genannten Gründen ist eine uneinheitliche Bewertung
der neu gebildeten Flurstücke X, X, X, X und X zum Teil als Bauland und zum Teil als
Grünland nicht nachzuvollziehen.
Die fehlerhafte Ermittlung der Einwurfs- und Zuteilungswerte führt zur Aufhebung des
angefochtenen Teilumlegungsplans U6/2 insgesamt. Die notwendige Neuberechnung der
Verkehrswerte kann zu wesentlichen Änderungen der Sollansprüche aller am
Umlegungsverfahren Beteiligten führen und einen gänzlich neuen Zuschnitt der
Zuteilungsgrundstücke erforderlich machen.
Im Hinblick auf weitere von dem Beteiligten zu 1) aufgeworfene Fragen weist der Senat
klarstellend noch auf Folgendes hin:
Hinsichtlich der Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 46A in der Fassung der 4. Änderung
bestehen keine Bedenken. Rügepflichtige Form- und Verfahrensmängel im Sinne des §
215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind nach Aktenlage gegenüber der Beteiligten zu 3) innerhalb der
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gesetzlich vorgeschriebenen Jahresfrist nicht geltend gemacht worden. Dasselbe gilt für
Mängel der Abwägung, für die - hier beginnend mit dem 1. Juli 1987 - eine Rügefrist von
sieben Jahren gilt (§ 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB). Sonstige materielle Mängel sowie Form-
und Verfahrensmängel, die auch ohne Rüge beachtlich sind, hat der Beteiligte zu 1) nicht
benannt. Sie sind auch nicht ersichtlich.
Der vom Beteiligten zu 1) eingelegte Widerspruch gegen das Umlegungsverfahren stammt
vom 27. September 1999 und ist damit verspätet. Das bedeutet allerdings nicht, dass der
Beteiligte zu 1) im vorliegenden Verfahren von vornherein nicht mehr geltend machen, die
Umlegung sei zur Verwirklichung der 4. Änderung des Bebauungsplans Nr. 46A nicht
erforderlich.
Das Umlegungsverfahren vollzieht sich zwar in mehreren Stufen und die spätere Stufe ist
regelmäßig von der Bestandskraft der vorher ergangenen Verwaltungsakte abhängig,
jedoch werden dem Eigentümer im Verfahren gegen den Umlegungsplan mit der
Bestandskraft des Umlegungsbeschlusses keine Einwendungen abgeschnitten, die im
Verfahren der Anfechtung des Umlegungsbeschlusses nicht oder nicht abschließend zu
prüfen waren.
Vgl. BGH,
1984, 559 = NVwZ 1984, 750.
Die Erforderlichkeit der Umlegung ist keine Voraussetzung, die im Zusammenhang mit dem
Umlegungsbeschluss abschließend zu prüfen wäre. Die städtebauliche Umlegung dient
dem Vollzug der Bauleitplanung. Die Umlegung ist nur anzuordnen und durchzuführen,
wenn und sobald sie zur Verwirklichung eines Bebauungsplans erforderlich ist (§ 46 Abs. 1
BauGB). Das bedeutet, dass die Umlegung im Einzelfall zum Wohl der Allgemeinheit, das
heißt im öffentlichen Interesse an einer plangerechten Bodenordnung notwendig sein
muss. Mit den Festsetzungen im Bebauungsplan ist für die einzelnen vom Plan erfassten
Grundstücke nur die zulässige Benutzungsart bestimmt. Damit steht aber noch nicht fest,
dass das Wohl der Allgemeinheit es erfordert, den Bebauungsplan gerade jetzt im Wege
der Umlegung zu verwirklichen. Es muss über das öffentliche Interesse an der Planung
hinaus ein Zurücktreten der Interessen des Eigentümers hinter das Gemeinwohl
erforderlich sein. Für die Umlegung gelten - ebenso wie für die Enteignung - die
Verfassungsgrundsätze des geringstmöglichen Eingriffs und der Verhältnismäßigkeit der
Mittel. Das hat zur Folge, dass eine den Eigentümer stärker belastende Maßnahme
rechtswidrig ist, wenn ein ihn weniger berührender Eingriff ohne größere Schwierigkeiten
die notwendige Neuordnung des Bodens im Umlegungsgebiet ermöglicht. Die Gemeinde,
die eine Umlegung durchführt, muss von mehreren zur Wahl stehenden Mitteln dasjenige
benutzen, das das Grundeigentum und die sonstigen durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG
geschützten Rechte der Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt.
Im Hinblick auf die unterbliebene rechtzeitige Anfechtung des Umlegungsbeschlusses
kann der Beteiligte zu 1) nicht mehr geltend machen, seine Flurstücke hätten nicht in die
Umlegung einbezogen werden dürfen. Da aber der in Aussicht genommene Neuzustand
des Umlegungsgebiets mit allen tatsächlichen und rechtlichen Änderungen erst aus dem
Umlegungsplan hervorgeht (§ 66 Abs. 2 Satz 1 BauGB), bleibt im vorliegenden Verfahren
Raum für die Prüfung, ob sich die Einzelausgestaltung des Umlegungsplans, soweit er den
beteiligten Eigentümer betrifft, in den durch die obigen Grundsätze gezogenen rechtlichen
Grenzen hält.
Vgl. BGH,
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Ob und wann letztlich die Erforderlichkeit besteht, einen Bebauungsplan durch eine
Umlegung zu verwirklichen, hängt weitgehend von den örtlichen Gegebenheiten ab, vom
Zuschnitt der Grundstücke, von den Eigentumsverhältnissen und von den planerischen
Absichten.
Vgl. Dieterich, Baulandumlegung, 4. Aufl., Rdn. 87.
Unter Anlegung dieser Maßstäbe bestehen an der Erforderlichkeit der Umlegung im
vorliegenden Fall keine Zweifel. Der Zuschnitt der Grundstücke - auch im Bereich des
Teilumlegungsplans - erweist sich für eine Bebauung entsprechend den Festsetzungen der
4. Änderung des Bebauungsplans Nr. 46A als ungünstig. Ziel dieser 4. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 46A ist die Veränderung der Straßenbegrenzungslinie der Straße "T",
um die ursprünglich festgesetzte öffentliche Verkehrsfläche im Interesse der
städtebaulichen Bedeutung des Ortsteils Alt-T und zur Sicherung der erhaltenswerten und
denkmalgeschützten Bausubstanz zu verringern. Außerdem soll eine sinnvolle
Neubebauung der vorhandenen Baulücken ermöglicht werden, die von Seiten einzelner
Beteiligter auch tatsächlich angestrebt wird. Anhaltspunkte dafür, dass die betroffenen
Grundstückseigentümer bereit und in der Lage sind, die Grundstücksverhältnisse auf
privatrechtlicher Grundlage den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechend
umzugestalten, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig lässt sich erkennen, dass das
Instrumentarium der Grenzregelung nach den §§ 80 ff. BauGB zu einer die Eigentümer
weniger belastenden Grundstücksneuordnung führen würde.
Die Flächenberechnung bezüglich des Flurstücks X3, die von den Angaben im
Liegenschaftskataster - 653 qm - abweicht, ist nicht zu beanstanden. Der Beteiligte zu 2)
hat die Abweichung plausibel und nachvollziehbar erklärt. Es ist davon auszugehen, dass
die in den Teilumlegungsplan U 6/2 eingestellte, graphisch berechnete Fläche von 670 qm
richtig ist. Eine Beeinträchtigung des Beteiligten zu 1) scheidet in diesem Zusammenhang
jedenfalls aus, da die für das Flurstück X eingestellte Fläche um 17 qm größer ist als im
Liegenschaftskataster angegeben.
Dass der Teilumlegungsplan U 6/2 in Bezug auf die Kanäle beschränkte persönliche
Dienstbarkeiten zu Gunsten der Beteiligten zu 3) begründet und deren Eintragung in das
Grundbuch verlangt, lässt § 61 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu. Die Vorschrift räumt der
Umlegungsstelle die Wahl zwischen der Begründung einer solchen Dienstbarkeit oder der
Begründung einer Baulast (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BauGB) ein. Dass der Beteiligte zu 2)
insoweit die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder
von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht hat (§ 223 Satz 1 BauGB), ist nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich
nicht erkennen, weshalb der Beteiligte zu 1) durch die Dienstbarkeiten stärker belastet sein
soll als durch entsprechende - inhaltlich identische - Baulasten. Die gegenteilige
Argumentation des Beteiligten zu 1) teilt der Senat nicht.
Was die Breite des Schutzstreifens angeht, hat sich gegenüber der früheren vertraglichen,
durch Baulast gesicherten Regelung keine Veränderung zu Lasten des Beteiligten zu 1)
ergeben. Bei verständiger Auslegung der 1973 von der Rechtsvorgängerin des Beteiligten
zu 1) gegenüber der Bauaufsichtsbehörde im Wege der Baulast übernommenen
Verpflichtung, ist diese so zu verstehen, dass Bäume und tief wurzelnde Sträucher in einem
Streifen von 3,00 m Breite beiderseits der (jeweiligen) Kanalachse nicht zulässig sein
sollen. Maßgeblich für diese Auslegung ist der Zweck, der mit der Freihaltung des
Schutzstreifens verfolgt wird. Pflanzen, deren Wurzelwerk geeignet ist, durch
Einwachsungen in die Kanalleitung oder durch Verwerfung derselben erhebliche Schäden
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anzurichten, sollen einen angemessenen Mindestsicherheitsabstand zu der Kanalleitung
einhalten, der - würde man dem Auslegungsvorschlag des Beteiligten zu 1) folgen - hier
nicht mehr gegeben wäre.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 543, 708 Nr. 10, 711 ZPO.