Urteil des OLG Hamm vom 20.10.2005

OLG Hamm: unwiderlegbare vermutung, scheidung, erwerbstätigkeit, strafanzeige, unterhaltspflicht, ausnahmefall, zuwendung, verfügung, zustellung, strafverfahren

Oberlandesgericht Hamm, 6 UF 64/05
Datum:
20.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 UF 64/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Detmold, 15 F 28/04
Tenor:
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
für die Berufungsinstanz vom 08.06.2005 wird zurückgewiesen.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Antragsgegnerin durch
Beschluss nach
§ 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und gibt der Antragsgegnerin
Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zustellung.
Gründe:
1
I.
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Die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO, so dass ihr Prozesskostenhilfe dafür nicht
bewilligt werden kann.
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Die Berufungsangriffe der Antragsgegnerin sind nicht geeignet, die angefochtene
Entscheidung zu Fall zu bringen.
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1.
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Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass besondere Härtegründe im
Sinne des § 1568 BGB einer Scheidung der Ehe der Parteien nicht entgegenstehen und
dass die Ehe der Parteien vielmehr als gescheitert anzusehen ist.
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In Anbetracht der gegeneinander erhobenen Vorwürfe, eingeleiteten Strafverfahren und
geführten Zivilprozesse kann eine erneute Annäherung der Parteien für den Fall der
Zurückweisung des Scheidungsantrages nicht erwartet werden.
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Soweit die Antragsgegnerin auf die lange Ehedauer verweist, bestand für sie aufgrund
der nunmehr seit Januar 2003 gegebenen Trennungssituation hinreichend Gelegenheit,
sich auf den Ausspruch der Scheidung vorzubereiten und einzustellen. Ab Januar 2006
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sich auf den Ausspruch der Scheidung vorzubereiten und einzustellen. Ab Januar 2006
greift insoweit auch die unwiderlegbare Vermutung des § 1566 Abs. 2 BGB, dass die
Ehe der Parteien endgültig als gescheitert anzusehen ist. Es ist nichts dafür vorgetragen
oder sonst ersichtlich, dass der Antragsteller bei Unterbleiben der Scheidung eine
Aussöhnung mit der Antragsgegnerin in Betracht ziehen wird.
Die von der Antragsgegnerin angeführten wirtschaftlichen Nachteile reichen als
Härtegrund im Sinne des § 1568 BGB nicht aus (OLG Düsseldorf FamRZ 1980, 780).
Sie sind hier bereits dadurch abgemildert worden, dass der Antragsgegnerin im
Verfahren-15 F 464/03- AG Detmold mit Wirkung ab Februar 2003 ein
Trennungsunterhalt in nicht unbeträchtlicher Höhe zugesprochen worden ist. Ein
weiterer Ausgleich findet im Rahmen der Scheidungsfolgesachen nach den zur
Verfügung stehenden und einzusetzenden Mitteln statt. Etwaig danach verbleibende
finanzielle Einbußen sind von den geschiedenen Eheleuten hinzunehmen.
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Ihre in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, dass sie sich nur auf Drängen
und zum persönlichen Vorteil des Antragstellers die von ihr erworbenen
Rentenanwartschaften vorzeitig hat auszahlen lassen, wird von der Antragsgegnerin auf
Bestreiten durch den Antragsteller nicht unter Beweis gestellt.
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Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin die behinderte Tochter der Parteien
betreut und sich dabei vom Antragsteller allein gelassen fühlt, führt nicht zu einer
anderen Beurteilung.
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So ist bereits nicht ersichtlich, wie allein durch das Unterbleiben des
Scheidungsausspruches der Antragsteller, der sich bereits seit Januar 2003 räumlich
von seiner Ehefrau und seiner Tochter getrennt hat, dazu gebracht werden könnte, sich
wieder intensiver der Betreuung seiner Tochter zu widmen. Entweder sieht sich der
Antragsteller insoweit als Vater in der Pflicht oder er tut dies nicht. Inwieweit der
Nichtausspruch der Scheidung auf diese seine Einstellung und sein Verhalten
maßgeblichen Einfluss nehmen kann, ist nicht nachvollziehbar.
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Überdies ist in Anbetracht der eigenen Äußerungen der Antragsgegnerin und der
Tochter der Parteien mehr als zweifelhaft, ob eine gesteigerte Zuwendung des
Antragstellers sich in der gegebenen Situation überhaupt gedeihlich auf das Befinden
der Tochter auswirken kann. So hat diese zum Verfahren –7 C 572/03- AG Detmold (vgl.
Bl. 102 der Beiakte –1 O 356/03- LG Detmold) ein von ihr unterzeichnetes und auf den
24.07.2003 datiertes Telefax übersandt, in dem sie dem Gericht mitteilt, dass sie Angst
vor ihrem Vater habe. Auch die Antragsgegnerin hat in Telefaxen vom 30.06.2003 und
vom 14.07.2003 zu den Verfahren –23 XVII K 817- und 7 C 572/03- AG Detmold (vgl. Bl.
103 ff. der vorgenannten Beiakte) darauf hingewiesen, dass der Antragsteller Dinge in
die Wege leite, um der Tochter weh zu tun. Weiterhin hat die Antragsgegnerin gegen
den Antragsteller Strafanzeige mit der Begründung erstattet, er habe Geld der Tochter
unterschlagen.
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Wie angesichts dieser Einstellung gegenüber dem Antragsteller und der gegen ihn
erhobenen Vorwürfe seitens der Antragsgegnerin und der Tochter noch eine
vertrauensvolle Unterstützung und Betreuung durch den Antragsteller im Fall des
Unterbleibens der Scheidung erwartet werden kann, ist nicht nachvollziehbar.
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2.
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Das Amtsgericht hat auch einen Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen
Unterhalt mit zutreffender Begründung verneint.
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Die nunmehr noch vom Antragsteller erzielten Erwerbseinkünfte sind überobligatorisch
und damit zumindest bei der Bemessung des nachehelichen Unterhaltes nicht mehr zu
berücksichtigen.
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Es entspricht ganz einhelliger Auffassung, dass nach dem Erreichen des 65.
Lebensjahres eine Verpflichtung zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit
grundsätzlich nicht mehr besteht (BGH FamRZ 1982, 252). Etwas anders kann nur in
besonderen Ausnahmefällen (etwa bei einer nicht ausreichenden Altersabsicherung
eines selbständig Tätigen oder einer gegenüber einem minderjährigen Kind
bestehenden Unterhaltspflicht) gelten; ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht
vor.
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In Anbetracht des Lebensalters des Antragstellers, der am 19.12.2005 sein 68.
Lebensjahr vollendet, ist eine weitere (dauerhafte) Ausübung dieser Erwerbstätigkeit
auch nicht zumutbar, so dass nicht von so hinreichend gesicherten Einkünften
ausgegangen werden kann, dass darauf eine Zahlungspflicht bzgl. nachehelichen
Unterhaltes tragend gestützt werden kann.
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Nach alledem sind hinreichende Gründe, die eine Abänderung der angefochtenen
Entscheidung gebieten würden, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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II.
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Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen. Die Berufung hat aus den unter Ziffer I. dargelegten Gründen keine
Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erfordern nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichtes.
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