Urteil des OLG Hamburg vom 27.06.2013

OLG Hamburg: 1. § 13 TMG, wonach der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs u.a. über Art

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1. § 13 TMG, wonach der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs u.a. über Art,
Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher
Form zu unterrichten hat, ist eine im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG das Marktverhalten regelnde Norm. Denn
nach den Erwägungsgründen der dieser Norm zugrundeliegenden Datenschutzrichtlinie 95/46/EG soll
durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung des
Mitbewerbers geschützt werden. Den Erwägungsgründen zur Richtlinie ist darüber hinaus zu entnehmen,
dass die in § 13 TMG geregelten Aufklärungspflichten auch dem Schutz der Verbraucherinteressen bei der
Marktteilnahme dienen, weil sie den Verbraucher über die Datenverwendung aufklären und dadurch seine
Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit beeinflussen.
2. Es handelt sich nicht um einen gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG für ein Medizinprodukt zulässigen Geld- oder
Naturalrabatt, wenn Blutzuckermessgeräte in der Weise beworben werden, dass Patienten für das Ausfüllen
einer Gutscheinkarte oder für eine Internet-Registrierung die Übersendung eines Blutzuckermessgeräts und
eines Ernährungsratgebers im Nennwert von 100 € versprochen wird.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 3. Zivilsenat, Urteil vom 27.06.2013, 3 U 26/12
§ 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 5 UWG, § 8 UWG, § 7 HeilMWerbG, § 5 TMG, § 13 TMG
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen,
vom 20.1.2012, Geschäfts-Nr. 406 HKO 155/11, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es am Ende des
Verfügungstenors zu I. b) „wie aus der Anlage A 2 ersichtlich“ und am Ende des Verfügungsantrags zu c) „wie
aus der Anlage A 6 und A 7 ersichtlich“ heißt.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin 7 % und die Antragsgegnerin 93 % zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die in Deutschland B.-Produkte vertreibt, wendet sich im vorliegenden Eilverfahren auf
wettbewerbsrechtlicher Grundlage gegen eine Werbung für Blutzuckermessgeräte der Antragsgegnerin, die in
Deutschland Roche-Blutzuckermesssysteme vertreibt.
Die Antragstellerin beanstandet von dem Dienstleister C. GmbH unter www.d.de geschaltete Werbung im
Internet, mit der Diabetiker aufgefordert wurden, sich zu registrieren und das Gerät „A.“ „unter
Alltagsbedingungen zum Kennenlernen“ zu erhalten (Anlage A 2). Zudem wurde in einer auf dem Postweg
versendeten Mitteilung Diabetikern unter dem Banner „Gutschein im Wert von 100 €“ angeboten, sich ein
„hochwertiges A. Blutzuckermessgerät (…) kostenfrei zum Testen unter Alltagsbedingungen“ nebst dem
Ratgeber „Gesunde Ernährung“ zuschicken zu lassen (Anlage A 3). Die Seite www.d.de enthielt am 19.8.2011
kein Impressum (Anlage A 2); sie enthielt auch keine Informationen zur Erhebung und Verwendung der für die
Registrierung der angesprochenen Kunden erforderlichen personenbezogenen Daten (Anlagen A 6, A 7).
Die Antragstellerin hat unter dem 22.8.2011 die Fa. R. GmbH (Anlage A 9) und die Fa. C. GmbH (Anlage A 11)
sowie unter dem 1.9.2011 die Antragsgegnerin (Anlage A 12) abgemahnt. Die Fa. C. GmbH hat sich daraufhin
am 26.8.2011 strafbewehrt unterworfen (Anlage A 14), nicht aber die Antragsgegnerin (vgl. Anlage A 18).
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Auslobung einer kostenlosen Zuwendung im Wert von 100 €
verstoße gegen § 7 Abs. 1 HWG in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG. Ein Ausnahmetatbestand des § 7 HWG
liege nicht vor. Zudem beeinflusse die Auslobung entgegen § 4 Nr. 1 UWG die Entscheidungsfreiheit der
Verbraucher in unangemessener und unsachlicher Art und Weise, weil ein erheblicher Anreiz zum
„Ausprobieren“ gesetzt und der Patient „geködert“ werde. Die weiteren Anträge seien begründet, weil der
angegriffene Internetauftritt den Vorschriften der §§ 5 und 13 TMG nicht genüge. Die Antragsgegnerin sei
neben der Fa. C. GmbH als Mittäterin passivlegitimiert, denn sie habe die genannte Fa. mit der
streitgegenständlichen Werbung beauftragt. Eingehende Anfragen von Kunden würden von der Antragsgegnerin
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selbst bearbeitet; diese versende auch die versprochenen Gegenstände. Auch sei die Internetpräsenz der
Antragsgegnerin auf dem Mailing gem. Anlage A 3 als weitere Informationsmöglichkeit angegeben. Zudem
seien weite Teile der Adressbestände, an die das Mailing gem. Anlage A 3 versandt worden sei, der
Antragstellerin in strafrechtlich relevanter Weise entwendet worden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Wege der einstweiligen
Verfügung zu verbieten, in geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für für das
Blutzuckermessgerät „A.“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:
a) mit dem Versprechen, interessierten Diabetikern ein A. Blutzuckermessgerät und den Ratgeber
„Gesunde Ernährung“, beides in einem Gesamtwert von € 100,00, zur Verfügung zu stellen und/oder
stellen zu lassen, wenn der Diabetiker hierfür lediglich eine Gutscheinkarte ausfüllt oder eine
Registrierung seiner Person über das Internet vornimmt, und/oder
b) Nutzern die Angebote von Telemedien zur Verfügung zu stellen und/oder zur Verfügung stellen zu
lassen, wenn diese Angebote nicht gleichzeitig die gem. § 5 TMG notwendigen Informationen zur
Verfügung stellen, und/oder
c) Nutzern gegenüber innerhalb eines Angebotes von Telemedien personenbezogene Daten zu erheben
und/oder erheben zu lassen, ohne gleichzeitig die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur
Verfügung zu stellen und/oder die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung stellen zu
lassen.
Das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 15, hat am 6.9.2011 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung
erlassen.
Im Widerspruchsverfahren hat die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben, den auf ihren Erlass gerichteten Antrag insoweit
zurückzuweisen und der Antragstellerin die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen: Die Antragstellerin handele rechtsmissbräuchlich. Denn sie habe bereits
am 22.8.2011 umfassend vom beanstandeten Sachverhalt Kenntnis gehabt, jedoch gleichwohl willkürlich und
zur Kostenvervielfältigung den Fall in mehrere Abmahnvorgänge und gerichtliche Eilverfahren aufgespalten. Sie
habe die Antragsgegnerin bezüglich des Aspekts „Datenverwendung“ gesondert im Verfahren 315 O 454/11 vor
dem Landgericht Hamburg in Anspruch genommen (Anlage B 1). Es fehle hinsichtlich der Anträge zu 1.b) und
1.c) auch am Verfügungsgrund, denn es bestehe keine aktuelle Rechtsbeeinträchtigung. Für den Internetauftritt
sei allein die Domain-Inhaberin (Anlage B 2) Fa. C. GmbH verantwortlich, die sich bereits strafbewehrt
unterworfen habe. Aus dem gleichen Grund seien diese Anträge auch unbegründet, denn die Antragsgegnerin
sei nicht der Diensteanbieter gewesen. Die Antragsgegnerin habe die Fa. C. GmbH u.a. mit der Versendung
von Postwurfsendungen an Haushalte beauftragt. Der Antrag zu 1.c) sei auch deswegen unbegründet, weil
diese datenschutzrechtliche Norm keine Bestimmung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG darstelle. Es sei auch
nicht erkennbar, inwiefern die Antragstellerin hier in ihren wettbewerblichen Interessen berührt sei. Die Werbung
verstoße nicht gegen § 7 HWG oder § 4 Nr. 1 UWG. Das Mailing sei nicht auf den von der Antragstellerin
herausgestellten Aspekt einer kostenfreien Zusendung des Geräts und des Ernährungsratgebers beschränkt,
sondern spreche einen Fragebogen an, der dem Testgerät beiliege. Hier werde nichts schlicht „verschenkt“,
sondern eine Gegenleistung in Gestalt des auszufüllenden Fragebogens verlangt. Die Antragstellerin werbe
selbst ähnlich für ihre Geräte (Anlage B 2). Es bestehe auch keine erhebliche Anreizwirkung. Für den gestellten
abstraken Antrag bestehe keine Begehungsgefahr; er treffe auch nicht die konkrete Verletzungsform. Der
Antrag zu b) sei zudem unbestimmt, weil es sich um eine reine Gesetzeswiederholung handele. Die Erfüllung
der Voraussetzungen des § 5 TMG könne im Einzelfall höchst problematisch sein, weshalb ein pauschaler
Verweis auf diese Vorschrift zur Unbestimmtheit des Antrags führe. Keinesfalls bestehe eine Begehungsgefahr
für alle von § 5 TMG geregelten Sachverhalte.
Hierauf hat die Antragstellerin erwidert: In der angegriffenen Werbung verspreche die Antragsgegnerin die
beschriebenen Gaben gegen Ausfüllung der Gutscheinkarte oder Registrierung; das Ausfüllen und
Zurücksenden des Fragebogens stelle keine relevante Gegenleistung dar. § 13 TMG habe
verbraucherschützenden Charakter. Die Antragsgegnerin sei auch hinsichtlich dieser Anträge passivlegitimiert,
da sie mit der Fa. C. GmbH kollusiv zusammengewirkt habe und Nutznießerin des Gemeinschaftsprojekts
gewesen sei. Sämtliche Anträge seien hinreichend bestimmt. Die Anträge zu 1.b) und c) seien bestimmt, weil
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die in ihnen zitierten Informationspflichten keine unbestimmten Rechtsbegriffe darstellten, sondern konkret und
in keiner Weise interpretationsfähig seien. Das Vorgehen der Antragstellerin sei nicht rechtsmissbräuchlich, da
sie nicht einen einheitlichen Wettbewerbsverstoß, sondern zwei unterschiedliche Streitgegenstände verfolge,
nämlich der unlauteren Werbung einerseits und der Verwertung von kriminell erlangten Kundendaten
andererseits.
Das Landgericht Hamburg hat mit am 20.1.2012 verkündeten Urteil die einstweilige Verfügung bestätigt.
Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten
Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und ergänzt diesen wie folgt: Zum
rechtsmissbräuchlichen Charakter des Vorgehens der Antragstellerin sei zu beachten, dass diese eine
Abmahnung an zwei Parteien hätte richten können, anstatt zwei Parteien getrennt und mit doppelter
Kostenfolge abzumahnen. Das Landgericht habe nicht gesehen, dass die Beantwortung des Fragebogens in
direktem Zusammenhang mit dem Hinweis auf das „Testpaket“ stehe. Auf das Bestehen einer rechtlichen
Verpflichtung zur Ausfüllung des Fragebogens komme es für die Frage der geforderten Gegenleistung nicht an.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 20.1.2012, Az. 406 HKO 455/11, die
einstweilige Verfügung vom 6.9.2011 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag
zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es am Ende des Verfügungsantrags zu b) „wie
aus der Anlage A 2 ersichtlich“ und am Ende des Verfügungsantrags zu c) „wie aus den Anlagen A 6
und A 7 ersichtlich“ heiße.
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ergänzt ihren Vortrag wie folgt:
Es stehe völlig außer Frage, dass die Zuwendung eines Wertes von 100 € dem Verbotstatbestand des § 7
HWG unterfalle. Für das Verhalten der Fa. C. GmbH hafte die Antragsgegnerin gem. § 8 Abs. 2 UWG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie
die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1. Antrag zu a)
a) Mit ihrer Berufung wehrt sich die Antragsgegnerin gegen das auf den Antrag zu a) ergangene Verbot,
- für für das Blutzuckermessgerät „A.“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:
- mit dem Versprechen, interessierten Diabetikern ein A. Blutzuckermessgerät und den Ratgeber
„Gesunde Ernährung“, beides in einem Gesamtwert von € 100,00, zur Verfügung zu stellen und/oder
stellen zu lassen,
- wenn der Diabetiker hierfür lediglich eine Gutscheinkarte ausfüllt oder eine Registrierung seiner
Person über das Internet vornimmt.
Es handelt sich also um einen abstrakten, nicht auf das Verbot der konkreten Verletzungsform bezogenen
Antrag.
b) Der Antrag ist zulässig
aa) Die von der Antragsgegnerin erhobene Rüge des Rechtsmissbrauchs hat keinen Erfolg.
Rechtsmissbrauch im Sinne des des § 8 Abs. 4 UWG ist anzunehmen, wenn sich der Gläubiger bei der
Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Motiven leiten lässt; diese müssen nicht das
alleinige Motiv des Gläubigers sein, sondern es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH
GRUR 2009, 1180 Rn. 20 –0,00 Grundgebühr). Der Bundesgerichtshof hat vielfach ausgeführt, dass
Anhaltspunkte für missbräuchliche Anspruchsverfolgung im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG etwa dann bestehen
können, wenn ein Gläubiger bei einem Wettbewerbsverstoß getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die
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Kostenlast erheblich erhöht. Hierbei kann es sich um die Mehrfachverfolgung eines Verstoßes (so die
Konstellation in BGH GRUR 2000, 1089 –Missbräuchliche Mehrfachverfolgung) oder die Verfolgung mehrerer
identischer oder ähnlicher Verstöße eines Handelnden (so die Konstellation in BGH GRUR GRUR 2009, 1180 –
0,00 Grundgebühr) oder um gemeinschaftliche Wettbewerbsverstöße von Mittätern (so die Konstellation in
BGH GRUR 2006, 243 – MEGA SALE) handeln, deren Bündelung im Sinne der genannten Rechtsprechung
tunlich erscheint.
Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist vorliegend ein Überwiegen sachfremder Motive bei der Art der
Geltendmachung der Unterlassungsansprüche jedoch nicht zu konstatieren. Die Antragstellerin weist zu Recht
darauf hin, dass Gegenstand der „aufgespaltenen“ Verfahrensweise (Abmahnung und Eilverfahren) einerseits
der vorliegend verfolgte Wettbewerbsverstoß, andererseits die Verwendung behauptetermaßen kriminell
erlangter Daten war. Unbeschadet der Frage, ob es sich hierbei um unterschiedliche Streitgegenstände im
zivilprozessualen Sinne handelt, erscheint die getrennte Geltendmachung angesichts der unterschiedlichen
Anforderungen an Sachvortrag und Beweislage nicht überwiegend sachfremd (vgl. zu dem Kriterium
„unterschiedliche Beweislage“ BGH GRUR 2009, 1180 Rn. 20 – 0,00 Grundgebühr). Es bedürfte für das Verdikt
des Rechtsmissbrauchs weiterer, hier nicht vorgetragener und auch nicht erkennbarer Umstände, die das
gewählte Vorgehen als von sachfremden Motiven bestimmt erscheinen ließen.
bb) Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Die von der Antragsgegnerin
herangezogene Rechtsprechung des 5. Zivilsenats (WRP 2007, 816) zur fehlenden Dringlichkeit bei
Abwesenheit einer „aktuellen Rechtsverletzung“ streitet vorliegend nicht für die Antragsgegnerin. Zutreffend hat
das Landgericht hierzu ausgeführt, dass die genannte urheberrechtliche Entscheidung eine Spezialkonstellation
(Verwendung eines Bildes nicht auf der Homepage, sondern auf „tiefer liegende Seiten“ auf Web-Servern und
deren Unterverzeichnissen, die unbeteiligten Dritten nicht zugänglich sind) betrifft, die vorliegend nicht passt.
c) Der Antragstellerin steht der mit dem Antrag zu a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 4
Nr. 11, 8 UWG i.V.m. § 7 HWG zu.
Nach § 7 HWG ist es u.a. unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen)
anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn,
dass die Zuwendungen oder Werbegaben geringwertig sind (Nr. 1) oder in einer bestimmten oder auf bestimmte
Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden (Nr. 2).
aa) Der Sinn und Zweck des § 7 HWG liegt darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im
Bereich der Heilmittel, der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer
Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen kann (BGH GRUR 2009, 1082 – DeguSmiles & more, Tz.
16; a.A. Spickhoff/Fritzsche, MedizinR 1. Aufl. 2011, § 7 Rn. 1). Zuwendungen und sonstige Werbegaben sind
nur in den in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 –5 HWG geregelten Fällen zulässig. Es besteht also ein grundsätzliches
Verbot, welches nur ausnahmsweise nicht gelten soll. Bei den von der Antragsgegnerin beworbenen
Blutzuckermessgeräten handelt es sich –wie zwischen den Parteien nicht streitig ist –um Medizinprodukte
i.S.d. § 3 Nr. 1 lit. c) MPG. Die Vorschriften des HWG sind daher gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG anwendbar.
bb) Die vorliegend in Aussicht gestellten Vorteile sind „Zuwendungen“ bzw. „Werbegaben“ im Sinne des § 7
HWG. Bei den Zuwendungen und Werbegaben i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG handelt es sich um Zugaben i.S.d.
früheren ZugabeV. Der Begriff der Werbegabe ist weit auszulegen und erfasst grundsätzlich jede im
Zusammenhang mit der Werbung für ein Heilmittel gewährte unentgeltliche Vergünstigung (vgl. BGH, GRUR
2012, 1279 –DAS GROSSE RÄTSELHEFT, Tz. 22 m.w.N.). Die vorliegend versprochenen Gegenstände –
Blutzuckermessgerät und Buch „Gesunde Ernährung“ – sind Zugaben in diesem Sinne. Die Antragsgegnerin
versucht erfolglos, die Einstufung als unentgeltliche – also ohne Gegenleistung erfolgende – Vergünstigung
durch den Hinweis auf den Fragebogen zu entkräften, den die Kunden nach Erhalt der ausgelobten
Gegenstände ausfüllen sollen. Weder im Internet (Anlage A 2) noch im postalischen Anschreiben (Anlage A 3)
findet sich ein Anhaltspunkt dafür, dass die Antragsgegnerin den Versand der ausgelobten Gegenstände von
der Ausfüllung und dem Zurücksenden eines Fragebogens hätte abhängig machen wollen. Dass die Kunden
gemeinsam mit dem Blutzuckermessgerät den Hinweis erhalten, sie dürften das Gerät behalten, wenn sie den
Fragebogen zurückschicken (Anlage BB 1), ändert nichts daran, dass in der vorausgehenden Werbung, der die
Kunden zur Registrierung veranlasst, ein solcher Zusammenhang nicht hergestellt wird; auf in dieser Weise
dem Kunden auferlegte Bedingungen kann bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung der vorausgehenden
Werbemaßnahme nicht abgestellt werden. Jedenfalls handelt es sich bei dem Ausfüllen des Fragebogens
(Anlage BB 1) nicht um eine adäquate Gegenleistung für Waren im (von der Antragsgegnerin behaupteten) Wert
von € 100. Insofern liegt dieser Fall anders als die Konstellation in der Senatsentscheidung vom 19.7.2007 (3 U
53/07, Magazindienst 2007, 1044), in der einem Arzt für das Ausfüllen eines Fragebogens zur
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Patientenzufriedenheit ein Koffergurt und ein Kofferanhänger versprochen worden war.
Aus dem Begriff „Werbegabe“ in § 7 HWG und aus dessen Sinn und Zweck folgt zusätzlich, dass aus der Sicht
des Werbeadressaten stets ein Zusammenhang zwischen der Abgabe eines Heilmittels und der Abgabe der
Zuwendung bestehen muss (Spickhoff/Fritzsche, MedizinR 1. Aufl. 2011, § 7 Rn. 10 m.w.N.). § 7 HWG bezieht
sich nur auf produktbezogene Absatzwerbung. Im vorliegenden Fall besteht ausweislich des angegriffenen
Internetauftritts bzw. des per Post versandten Werbeschreibens ein konkreter Bezug zu dem Produkt „A.“ der
Antragsgegnerin.
cc) Die Voraussetzungen der Ausnahme nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG liegt nicht vor, da der Aussicht
gestellte Vorteil im Wert von € 100 nicht geringwertig ist.
dd) Auch die Voraussetzungen der Ausnahme gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG liegen nicht vor. Diese
Ausnahme vom Zuwendungsverbot gilt nur, wenn die Zuwendung oder Werbegabe zusammen mit einem
Heilmittel angeboten, angekündigt oder gewährt wird (vgl. Zipfel/Rathke, LebensmittelR, 149. EL 2012, § 7
HWG Rn. 24). Regelungsgegenstand dieser Ausnahme vom Zuwendungsverbot sind Geldrabatte (1.Alt.; hierzu
OLG Frankfurt GRUR-RR 2005, 393 Tz. 5) oder Naturalrabatte (2. Alt.). Zwar ist eine Rabattierung unzulässig,
wenn durch sie gegen Preisvorschriften (AMG, AMPreisVO) verstoßen wird, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HS. 2 HWG.
Diese Rückausnahme ist aber für die vorliegend beworbenen Medizinprodukte irrelevant (vgl.
Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 4. Aufl. 2012, § 7 Rn. 66: „Rabatte jeder Art sind für nicht apothekenpflichtige
Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel erlaubt“; ebenso Riegger, Heilmittelwerberecht, Kap. 7 Rn.
25).
Vorliegend handelt es sich nicht um eine „Zugabe“ im Sinne eines Naturalrabatts, sondern ein reines
„Werbegeschenk“. Denn Gerät und Buch werden nicht im Zusammenhang mit einem Kaufvorgang abgegeben,
sondern im Rahmen einer „isolierten“ Werbeaktion, mit der zum Test der Geräte aufgerufen wird. Es handelt
sich bei den ausgelobten Gegenständen im Übrigen auch nicht um eine „bestimmte oder auf bestimmte Art zu
berechnenden Menge gleicher Ware“, denn das Buch ist – bezogen auf die beworbene Ware
Blutzuckermessgerät – ungleichartig.
d) Die Antragsgegnerin haftet für den Verstoß der Fa. C. GmbH als ihrer Beauftragten gem. § 8 Abs. 2 UWG.
Beauftragter im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG ist jeder, der, ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen eines
anderen auf Grund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist und hierbei in die betriebliche
Organisation dergestalt eingliedert ist, dass der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem
Unternehmensinhaber zugute kommt und dem Unternehmensinhaber ein bestimmender und durchsetzbarer
Einfluss jedenfalls auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist (Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.41).
Anerkanntermaßen unterfallen Unternehmer dem Begriff des Beauftragten, die im Rahmen von
Interessenwahrungsverhältnissen für den Auftraggeber tätig sind, wie etwa Mitglieder von Absatzorganisationen
(Handelsvertreter, Vertragshändler; Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.45).
Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Fa. C. AG zum Zwecke der Bewerbung ihrer Produkte vertraglich
eingeschaltet. Ferner ist die Antragsgegnerin in die Abwicklung der Werbeaktion eingebunden, so dass auch
bei ihrer Durchführung ein enger Bezug zur Antragsgegnerin besteht. Diese Umstände rechtfertigen die
Annahme der Beauftragtenhaftung.
e) Der Antrag ist in seiner abstrakten Form begründet (Wiederholungsgefahr). Er enthält sämtliche Merkmale,
die die Unlauterkeit des gerügten Verhaltens bestimmen, und verweist durch die „oder“-Verknüpfung auf die
beiden Alternativen „Registrierung über das Internet“ bzw. „Ausfüllen einer Gutscheinkarte“. Genauso hat die
Antragsgegnerin geworben, deshalb kann es ihr auch in dieser Weise abstrahiert verboten werden.
2. Antrag zu b)
a) Die Antragsgegnerin wehrt sich gegen das vom Landgericht zugesprochene Verbot,
- für für das Blutzuckermessgerät „A.“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:
- Nutzern die Angebote von Telemedien zur Verfügung zu stellen und/oder zur Verfügung stellen zu
lassen,
- wenn diese Angebote nicht gleichzeitig die gem. § 5 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung
stellen.
Die Antragstellerin hat diesen Antrag in der mündlichen Berufungsverhandlung mittels des Zusatzes „wie aus
der Anlage A 1 ersichtlich“ auf die konkrete Verletzungsform zurückgeführt.
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b) Für die Zulässigkeit des Antrags gelten die obigen Ausführungen zu 1.b) entsprechend.
c) Der Antrag ist gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 4, 5a Abs. 4, 8 UWG i.V.m. § 5 TMG begründet. Denn im
beanstandeten Internetauftritt fehlt die gemäß § 5 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4 und 6 TMG obligatorische Angabe von
Namen und Anschrift, Email-Adresse, Handelsregister-Eintragung und Umsatzsteueridentifikationsnummer der
Fa .C. GmbH, auf die hier als Diensteanbieter abzustellen ist. Der beanstandete Verstoß ist auch
wettbewerbsrechtlich „spürbar“ (vgl. hierzu KG MMR 2012, 240, juris-Rn. 9 ff.). Für die Passivlegitimation der
Antragsgegnerin gelten die Ausführungen oben 1.d) entsprechend.
3. Antrag zu c)
a) Die Antragsgegnerin wehrt sich gegen das vom Landgericht zugesprochene Verbot,
- für das Blutzuckermessgerät „A.“ wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:
- Nutzern gegenüber innerhalb eines Angebotes von Telemedien personenbezogene Daten zu erheben und/oder
erheben zu lassen,
- ohne gleichzeitig die gem. § 13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen und/oder die gem. §
13 TMG notwendigen Informationen zur Verfügung stellen zu lassen.
Auch diesen Antrag hat die Antragstellerin in der mündlichen Berufungsverhandlung mittels des Zusatzes „wie
aus den Anlagen A 6 und A 7 ersichtlich“ auf die konkrete Verletzungsform zurückgeführt.
b) Der Antrag ist in gleicher Weise zulässig wie die bereits erörterten Anträge (s.o. 1.b]).
c) Der geltendgemachte Unterlassungsanspruch besteht gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG i.V.m. § 13 Abs. 1
TMG, denn die beanstandete Internetseite beinhaltet nicht die nach § 13 Abs. 1 TMG erforderlichen
Informationen.
Nach § 13 Abs. 1 TMG hat der Diensteanbieter den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang
und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner
Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher
Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.
Bei dieser Norm handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG das
Marktverhalten regelnde Norm (a.A. KG GRUR-RR 2012, 19). Diese Vorschrift setzt u.a. Art. 10 der
Datenschutzrichtlinie 95/46/EG um, die nicht nur datenbezogene Grundrechte gewährleisten (Erwägungsgrund
1), sondern auch den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches
Schutzniveau heben soll (Erwägungsgründe 6 und 7), weil ein unterschiedliches Schutzniveau ein Hemmnis für
die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten auf Gemeinschaftsebene darstellen und den Wettbewerb verfälschen
könne (Erwägungsgrund 7 Satz 2). Die Regelungen der Richtlinie dienen deshalb auch der Beseitigung solcher
Hemmnisse, um einen grenzüberschreitenden Fluss personenbezogener Daten kohärent in allen
Mitgliedsstaaten und in Übereinstimmung mit dem Ziel des Binnenmarktes zu regeln (Erwägungsgrund 8).
Entgegen der Auffassung des Kammergerichts (a.a.O.) handelt es sich deshalb bei dem Verstoß gegen § 13
TMG nicht nur um die Mißachtung einer allein überindividuelle Belange des freien Wettbewerbs regelnden
Vorschrift. Denn § 13 TMG soll ausweislich der genannten Erwägungsgründe der Datenschutzrichtlinie
jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung des Mitbewerbers schützen, indem gleiche
Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die Vorschrift dient mithin auch dem Schutz der Interessen der
Mitbewerber und ist damit eine Regelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt ist, das Marktverhalten
im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., Rn 11.35c zu §
4 UWG). Angesichts der vorgenannten, der Datenschutzrichtlinie zugrundeliegenden Erwägungen ist darüber
hinaus anzunehmen, dass die Aufklärungspflichten auch dem Schutz der Verbraucherinteressen bei der
Marktteilnahme, also beim Abschluss von Austauschverträgen über Waren und Dienstleistungen, dienen,
indem sie den Verbraucher über die Datenverwendung aufklären und dadurch seine Entscheidungs- und
Verhaltensfreiheit beeinflussen (vgl. auch Köhler, a.a.O., Rn. 11.35d).
Für die Passivlegitimation der Antragsgegnerin gelten die Ausführungen oben 1.d) entsprechend.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 269 Abs. 3 ZPO.