Urteil des OLG Hamburg vom 30.01.2013

OLG Hamburg: kreditvertrag, widerklage, dienstleistungsvertrag, avb, lebensversicherungsvertrag, verbraucher, rechtswahl, vermögensverwaltungsvertrag, versicherungsnehmer, rückzahlung

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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 13. Zivilsenat, Urteil vom 30.01.2013, 13 U 203/11
§ 355 BGB, § 495 Abs 1 BGB, Art 29 Abs 1 aF BGBEG
Verfahrensgang
vorgehend LG Hamburg, 13. Oktober 2011, Az: 330 O 112/10
anhängig BGH, Az: XI ZR 78/13
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13.10.2011, Az. 330 O
112/10, abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten € 51.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5% p.a.
seit dem 01.06.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtstreits beider Instanzen trägt die Klägerin 92%, der Beklagte 8%.
Weiter trägt der Beklagte 9% der durch die Nebenintervention verursachten Kosten. Die übrigen durch die
Nebenintervention verursachten Kosten trägt die Nebenintervenientin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des
jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Gegenstandswert wird für das Berufungsverfahren auf € 91.084,82 festgesetzt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Klägerin, eine Bank mit Sitz in Liechtenstein, nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines fällig
gestellten Darlehens in Anspruch, welches ihm zum Zwecke der Finanzierung einer Kapital-
Lebensversicherung bei der C. (im Folgenden: C.) gewährt worden war.
Wegen des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs.1 S.1 ZPO
auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass der Kreditvertrag
keine Widerrufsbelehrung gem. §§ 355 Abs.2 S.1, 358 Abs. 5 BGB a.F. enthielt.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.11.2009 seine auf Abschluss des Kreditvertrags gerichtete
Willenserklärung widerrufen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen mit der Begründung, dass für
das Rechtsverhältnis der Parteien wegen der zwischen diesen getroffenen wirksamen Rechtswahl i.S.v. Art.
27 Abs.1 EGBGB a.F. liechtensteinisches Recht maßgeblich sei. Verbraucherschützende Normen des
deutschen Rechts stünden dem nicht entgegen. Art. 29 Abs.1 Nr. 1 EGBGB a.F. sei nicht einschlägig, da es
sich bei dem streitgegenständlichen Darlehen nicht um eine Dienstleistung gehandelt und dieses auch nicht
der Finanzierung einer Dienstleistung im Sinne der Norm gedient habe. Die Klägerin habe gemäß ihren AGB
die Lebensversicherung rechtmäßig verwertet und die restliche Darlehensvaluta wirksam fällig gestellt, so
dass ihr der Rückzahlungsanspruch zustehe.
Die Widerklage sei unbegründet. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass ihm nach liechtensteinischem
Recht Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer angeblichen
Aufklärungspflichtverletzung der Klägerin im Hinblick auf das finanzierte Anlagegeschäft zustünden.
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Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Beklagten.
Er macht geltend, dass das Darlehen der Finanzierung einer fondsgebundenen Lebensversicherung gedient
und ein mit der Lebensversicherung verbundenes Geschäft i.S.v. § 358 BGB dargestellt habe. Zu Unrecht
habe das Landgericht die Anwendung deutschen Verbraucherschutzrechts abgelehnt. Der
streitgegenständliche Lebensversicherungsvertrag umschreibe lediglich Pflichten der
Finanzportfolioverwaltung und sei deshalb als Geschäftsbesorgungsvertrag einzuordnen, weswegen er dem
Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB unterfalle. Dies habe zur Folge, dass wegen der von den Parteien
getroffenen Rechtswahl zwar liechtensteinisches Recht anwendbar sei. Begrenzt werde die Rechtswahl aber
durch die Weitergeltung der den Verbraucher schützenden zwingenden Bestimmungen des deutschen
Rechts, weshalb dem Beklagten als Verbraucher ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs.1, 355, 358 BGB a.F.
zustehe. Wegen des Verbundgeschäfts sei er nach §§ 357 Abs.1 S.1, 346 ff. BGB nicht verpflichtet, der
Klägerin die Darlehensvaluta zurückzugewähren und könne von der Klägerin vielmehr Rückerstattung der von
ihm erbrachten Zahlungen verlangen.
Die Klägerin sei ihm darüber hinaus aufgrund institutionellen Zusammenwirkens mit der S. S. wegen der
Verletzung von Aufklärungspflichten über die Risiken des Anlagemodells zu Schadensersatz verpflichtet und
hafte zudem aus Delikt
Er macht mit der Widerklage in zweiter Instanz - nach teilweiser Rücknahme im Hinblick auf einen
behaupteten Zinsschaden in Höhe von € 7.595,- - noch die Rückzahlung folgender Positionen geltend:
- eingebrachtes Eigenkapital i.H.v. € 50.000,-,
- an die S. S. gezahlte Darlehensvermittlungsprovision i.H.v. € 1.000,-.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen
sowie widerklagend,
die Klägerin zu verurteilen,
1. an ihn € 51.000 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 zu zahlen,
sowie
2. ihm die Kosten der außergerichtlichen Vertretung i.H.v. € 539,50 zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags
und verweist auf die in Parallelverfahren zu ihren Gunsten ergangenen Entscheidungen des OLG Frankfurt
und des OLG Hamm.
Eine Dienstleistung i.S.v. Art. 29 EGBGB a.F. liege nicht vor. Es treffe nicht zu, dass die Versicherung den
Deckungsstock verwaltet habe. Das Konzept der C. habe vielmehr darauf basiert, dass dem
Versicherungsnehmer die Möglichkeit eingeräumt worden sei, selbst oder durch einen Vermögensverwalter
den Deckungsstock verwalten zu lassen, um so möglicherweise höhere Renditen erzielen zu können. Davon
habe der Beklagte auch Gebrauch gemacht.
II.
Die Berufung ist -nach der Teilrücknahme der Widerklageforderung in Höhe des geltend gemachten
Zinsschadens- in der Hauptsache begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta zu und sie
muss dem Beklagten den von ihm aus Eigenmitteln aufgebrachten Teil der Anlagesumme in Höhe von €
50.000,- sowie die gezahlte Vermittlungsprovision von € 1.000,- zurückerstatten, denn §§ 355, 358, 357
i.V.m. 346 Abs. 1 BGB sind nach Art. 29 Abs.1 EGBGB a.F. auch dann, wenn die Parteien wirksam die
Anwendung liechtensteinischen Rechts vereinbart haben sollten, anwendbar (dazu 1.). Bei dem Kreditvertrag
und dem Kapitallebensversicherungsvertrag handelt es sich um verbundene Geschäfte i.S.v. § 358 BGB und
der Beklagte hat seine auf Abschluss des Darlehensvertrag gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen
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(dazu 2.).
1.) Ob die Parteien gemäß Ziffer 12 des Kreditvertrages vom 22.03.2006 (Anl. K 1) eine wirksame Rechtwahl
auf liechtensteinisches Recht getroffen haben, kann, da der Beklagte die Widerklage hinsichtlich des geltend
gemachten Zinsschadens zurückgenommen hat, für welchen ihm ein nicht dem Verbraucherschutzrecht
unterfallender Schadensersatzanspruch hätte zustehen müssen, hier zunächst dahinstehen.
Auch bei wirksamer Rechtswahl blieben die deutschen Verbraucherschutzvorschriften der §§ 355, 357, 358
BGB a.F. nach Art. 29 EGBGB a.F. anwendbar, da die Voraussetzungen des Art. 29 EGBGB a.F. nach
Auffassung des Senats erfüllt sind.
Der Kreditvertrag ist entgegen der Ansicht des Landgerichts als Vertrag zur Finanzierung einer Dienstleistung
anzusehen.
Unstreitig diente der streitgegenständliche Kreditvertrag der Aufbringung des Fremdkapitalanteils der an die
C. zu zahlenden Einmalprämie und damit der Finanzierung des Erwerbs der Lebensversicherung. Der
Lebensversicherungsvertrag des Beklagten mit der C. aber stellt sich bei der gebotenen wertenden
Betrachtung als Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art. 29 EGBGB a.F. dar (sogleich a).
Zudem diente der Kreditvertrag, sofern man vom Bestehen eines selbständigen
Vermögensverwaltungsvertrages des Beklagten mit der S. S. ausgeht (Anl. B 5), auch der Finanzierung
dieses Vertrages, der ebenfalls als Dienstleistungsvertrag zu beurteilen ist (s.u. b) und schließlich ist
jedenfalls die Gesamtheit der Rechtsbeziehungen der Beteiligten, die nach Auffassung des Senats nicht
getrennt beurteilt werden können, da sie sich als unselbständige Teile eines einheitlichen Anlagekonzeptes
darstellen, als Dienstleistungsverhältnis einzustufen.
Der Begriff der Erbringung von Dienstleistungen in Art. 29 EGBGB a.F. ist autonom zu bestimmen. Dies folgt
u.a. aus Art. 36 EGBGB a.F., wonach die auf die EuSchVÜ zurückgehenden Regelungen in allen
Vertragsstaaten einheitlich aus dem Übereinkommen heraus ausgelegt werden sollen. Art. 29 EGBGB a.F.
liegt dessen Art. 5 zugrunde. Er ist weit auszulegen und bezieht sich auf tätigkeitsbezogene Leistungen an
einen Verbraucher, die aufgrund von Dienstverhältnissen, von Werk- und Werklieferungsverträgen und von
Geschäftsbesorgungsverhältnissen erbracht werden (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1993, XI ZR 42/93, zitiert nach
juris, Rdnr. 18 f.).
(a) Bei der Beurteilung, ob die von dem Beklagten bei der C. abgeschlossene Lebensversicherung
einen Dienstleistungsvertrag i. S. v. Art. 29 EGBGB a.F. darstellt, ist daher nicht auf die
Bezeichnung der Kapitalanlage abzustellen, sondern auf die inhaltliche Ausgestaltung. Nach
Auffassung des Senats kann der Lebensversicherungsvertrag nur im Zusammenhang mit dem hier
streitgegenständlichen Kreditvertrag und der Beteiligung an dem S. S. gesehen werden, da es sich
um ein geschlossenes Anlagekonzept handelte.
Dabei ist festzustellen, dass der Vertrag von tätigkeitsbezogenen Leistungen an den Beklagten, der
diesen Vertrag unstreitig als Verbraucher einging, geprägt war.
Es handelte sich bei der Versicherung nicht um eine Kapitallebensversicherung, wie sie der von der
Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Hamburg vom 2.3.1990 (11 U 160/88) zugrunde lag;
vielmehr ergibt sich aus § 11 der zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Anl. B
23), dass das für eine Lebensversicherung typische Risiko der Leistung einer bestimmten
garantierten Versicherungssumme bei Eintritt der Versicherungsfalles die C. hier (abgesehen von
einem Mindestbetrag von 10% der Einmalprämie) gerade nicht traf: Der Leistungsbetrag bei Tod der
versicherten Person bemaß sich vielmehr nach dem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Wert des
Deckungsstocks. Hierbei waren nach § 23 Abs. 3 AVB zudem Bankspesen und Gebühren "für die
Vermögensverwaltung" dem Deckungsstock zu belasten, eine hierdurch etwa entstehende
Unterdeckung oder auch besondere Verwaltungskosten waren vom Versicherungsnehmer hiernach
an die C. nachzuschießen.
Jedenfalls indem die C., die mit versicherungstypischen Risiken gerade nicht belastet war, den
Deckungsstock hiernach eben nicht nur mit den üblichen versicherungsspezifischen Kosten
belastete (zu diesen § 23 Abs. 1 der AVB), sondern unmittelbar an einem wichtigen Teilaspekt der
Vermögensverwaltung - der Regulierung der aus der Vermögensverwaltung anfallenden Kosten -
direkt mitwirkte, erbrachte sie selbst, gewissermaßen eigenhändig, eine wesentliche Dienstleistung
im Rahmen der Vermögensverwaltung.
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Da die C. zudem aufgrund der fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Einmal-
Prämienzahlung gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet war, dessen Einlage in Fonds,
und zwar konkret in S. S. zu investieren, stellt sich auch der eigentliche Anlagevorgang (wie
vereinbart in Ziffer V des "Antrags auf Wertpapierkredit" vom 22.03.2006 (Anl. K 1b)) als
Dienstleistung dar. Dies umso mehr, als dieser Vorgang eben nicht die bloße Valutierung des
Darlehensbetrages nach Anweisung des Kunden war, sondern die C. damit zugleich die
Voraussetzungen für die weitere Durchführung der Vermögensverwaltung durch die S. S. schuf.
Faktisch trat die C. schon damit wie ein Vermögensverwalter auf.
Darüber hinaus besteht für den Senat aber auch kein Zweifel daran, dass die S. S. in Auftrag der C.
und gerade nicht direkt im Auftrag des Versicherungsnehmers, hier des Beklagten, handelte. Dies
ergibt sich insbesondere aus der die Vollmacht betreffenden Formulierung in dem Formular
„Anlagestrategie“ (Anlage B 5), wonach der Beklagte eben nicht selbst der S. S. eine Vollmacht zur
Verwaltung des Versicherungsdepots erteilt hat, sondern sich lediglich - und zwar auf einem Formular
der C. (Anl. B 5, rechts unten) - „ausdrücklich damit einverstanden erklärt (hat), dass die S. S. als
Vermögensverwalter eine Vollmacht für die Verwaltung des Deckungsstocks erhält“. Zudem heißt es
auch in § 5 Abs.5 der AVB (Anl. B 23), dass der Versicherungsnehmer keinen direkten Einfluss auf
die Auswahl und Verwaltung des Deckungsstocks habe und eine Änderung der Anlagestrategie
vielmehr von der C. veranlasst werde, was - neben der schon erwähnten Belastung des
Deckungsstocks mit den Kosten der Vermögensverwaltung - gleichfalls deutlich dafür spricht, dass
der Verwalter S. S. tatsächlich in deren Auftrag tätig wurde.
Ein Vermögensverwaltungsvertrag ist jedoch nach der Rechtsprechung des BGH als
Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter zu qualifizieren (BGH, III ZR 237/01, zitiert
nach juris, Rdnr. 12).
Der entgegenstehenden Auffassung des OLG Frankfurt vom 14.5.2012 (17 U 170/11) und des OLG
Hamm vom 23.8.2012 (I-34 U 83/11), dass die bei der C. abgeschlossene Lebensversicherung
lediglich als „steuerbegünstigende Investmenthülle“ erworben worden sei und sich die Rolle der C.
von vornherein auf die Zurverfügungstellung des rechtlichen Mantels beschränkt habe, vermag sich
der Senat nicht anzuschließen. Zwar findet sich in § 5 Abs.3 der Versicherungsbedingungen (Anlage
B 23) die Regelung: „Wie Ihre Beiträge, abgestimmt auf Ihre Risikobereitschaft, angelegt werden,
bestimmen Sie aufgrund der vor Versicherungsbeginn festgelegten Anlagestrategie“. Diese von der
Klägerin so betonte vermeintliche Wahlfreiheit bestand jedoch tatsächlich gerade nicht, da das
gesamte Anlagekonzept darauf angelegt war, dass die eingezahlten Beträge in einen der S. S.
angelegt wurden: Dies ergibt sich zwanglos daraus, dass der Beklagte von vornherein schon
gegenüber der S. S. die Weisung zur Anlage eben in S. S. erteilt hatte (Anl. B 5), womit
offensichtlich eine verbindliche Weisung an die Versicherung zur Ausführung der Anlage verbunden
war, da nach dem eigenen Vortrag der Klägerin auch der Beklagte bei Vertragsschluss mit der C. ein
Anl. K 18 entsprechendes Formular gezeichnet hatte, in dem als Verwalter des Deckungsstockes
gerade die S. S. eingesetzt wurde. Zudem war auch im an die Klägerin gerichteten "Antrag zur
Eröffnung von Konten und / oder Depots" vom 22.03.2006 (Anl. B 6a) die S. S. als (weitere)
Zustelladresse benannt und schließlich durch die Weisung in Ziffer V des "Antrag auf
Wertpapierkredits " (Anl. K 1b) die Durchführung sichergestellt, die dann ausweislich des
Kontoauszuges Anl. K 5 zeitnah (am 01.04.2006) erfolgte.
Eine Gesamtwürdigung dieser Umstände verdeutlicht, dass nicht lediglich der Erwerb eines von der
C. zur Verfügung gestellten Investitionsmantels zu Steuersparzwecken mit der Möglichkeit, sodann
nach eigener Wahl eine Anlagestrategie zu entwickeln, angeboten und von der Klägerin finanziert
wurde, sondern eine Anlage in den S. S. auf der Grundlage eines bereits erarbeiteten Konzepts. Dies
wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin den S. S. Kunden mit Schreiben vom 29.5.2009 (Anl. B 8)
erklärt hat, sie habe das Produkt (die S. S.) genauestens geprüft und aufgrund der vorliegenden
Informationen als Sicherheit für die ausgereichten Lombardkredite akzeptiert. Eine solche Prüfung
hätte sie nicht vornehmen können, wenn die Finanzierung lediglich dem Erwerb eines
Investitionsmantels mit noch offenen Anlagemöglichkeiten gedient hätte.
(b) Auch wenn man vom Bestehen eines Vermögensverwaltungsvertrages des Beklagten mit der S.
S. ausgeht, gelangt man zu keiner anderen Beurteilung: Dieser Vermögensverwaltungsvertrag würde
sich ohne weiteres als Dienstleistungsvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter darstellen.
Nach dem Inhalt der Prospekte Anl. B 1 - B 3 betreibt die S. S. klassische Vermögensverwaltung,
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indem sie die im Deckungsstock befindlichen Kundengelder (das "Teilfondsvermögen" - Anl. B 1, S.
3 oben) "nach dem Grundsatz der Risikostreuung in unterschiedliche alternative
Investmentstrategien über mehrere Hedge Fonds Manager und Commodity Trading Advisors
investiert".
Der streitgegenständliche Darlehensvertrag dient auch der Finanzierung dieser
Dienstleistungstätigkeit - zum einen mittelbar, indem er über die Kreditgewährung einen wesentlichen
Teil der verwalteten Vermögensmasse erst schafft, zum anderen aber auch ganz unmittelbar und
direkt, indem die Kosten der Vermögensverwaltung nach § 23 Abs. 3 der AVB der C. aus dem
wesentlich durch die Kreditierung geschaffenen Deckungsstock bedient werden (s.o.).
(c) Schließlich ist jedenfalls die Gesamtheit von Lebensversicherungsvertrag und
Vermögensverwaltungsvertrag (sofern man einen selbständigen Vertrag des Beklagten mit der S. S.
annehmen will) als Dienstleistungsvertrag einzustufen, da jeder Vertrag für sich
Dienstleistungscharakter hat und eine getrennte Betrachtung der beiden Verträge nach Auffassung
des Senats einen einheitlichen Lebenssachverhalt unnatürlich aufspalten würde.
Dass es sich vorliegend um ein geschlossenes Anlagemodell handelte, wurde bereits ausgeführt und
wird weiter ganz entscheidend durch den Umstand belegt, dass auch zwischen der Klägerin und der
S. S. eine Vereinbarung über die zukünftige Zusammenarbeit geschlossen worden war (Anlage B 20),
welche zeigt, dass auch die Klägerin in die Finanzierung des Anlagemodells „S. S.“ mit eingebunden
war, und eben gerade nicht in die Finanzierung irgendwelcher "neutraler Investitionsmäntel".
Insbesondere die Entgeltregelung in § 5 d. Ziff. 1. des Vertrags verdeutlicht die von vornherein
angelegte Verknüpfung zwischen der Klägerin, der C. und der S. S., indem hier ausdrücklich gerade
auf das Anlageprodukt S. S. Bezug genommen wird.
Es liegt im Übrigen - weder bezogen auf den Lebensversicherungsvertrag oder den (ggf.
anzunehmenden) Vermögensverwaltungsvertrag noch hinsichtlich der Gesamtheit dieser Verträge -
auch keine Dienstleistung von nur untergeordneter Natur vor, was eine Qualifizierung als
Dienstleistungsvertrag i.S.v. Art. 29 EGBGB a.F. nach der Rechtsprechung des BGH ausschließen
würde (BGH, Urt. v. 19.03.1997, VIII ZR 316/96, zitiert nach juris, Rdnr. 28-30). Die
Vermögensverwaltung stellte ein ganz wesentliches Element des Vertrags dar, denn die
Kapitalanlage sollte möglichst gewinnbringend investiert werden. So wurde in dem Prospekt S. S.
(Anlage B1) auch mit intelligenten Handelsstrategien und einer 75%-igen
Gewinnhöchststandsgarantie geworben.
Aus den dargelegten Gründen ist der vorliegende Sachverhalt mit dem „Berlindarlehen-Fall“ (BGH XI
ZR 82/05), auf welchen sich die Klägerin stützt, nicht vergleichbar. Dort hatte die finanzierende Bank
das Darlehen an eine Wohnungsbaugesellschaft ausgezahlt, welcher sich der Kreditnehmer zur
Gewährung eines „Berlindarlehens“ verpflichtet hatte, hatte also selbst keinerlei Verwaltung des
Kapitals vorgenommen. Der BGH hat dort auch in dem Vertrag zwischen dem Kreditnehmer und dem
Vermittler der Anlage keinen Dienstleistungsvertrag gesehen, „weil keine Anhaltspunkte dafür
bestünden, dass dieser für seine Leistungen aus dem streitgegenständlichen Darlehen ganz oder
teilweise entlohnt werden sollte“ (juris, Rdnr. 15). Hier wurden Vermögensverwaltungsleistungen
erbracht und die im Auftrag der C. handelnde S. S. hat, wie sich aus § 5 Abs.1 der AVB (Anlage B
23) ergibt, Verwaltungsgebühren erhalten und zwar gerade aus dem Deckungsstock (aaO., § 23 Abs.
3 der AVB).
Auch die Ausnahmeregelung des Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. greift hier nicht, denn nach
Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift sind Verträge zur Finanzierung von Geschäften über
die Erbringung von Dienstleistungen im Ausland nicht von der Anwendbarkeit der Art. 29 Abs. 1-3
EGBGB a.F. ausgenommen (BGH, Urt. v. 26.10.1993, XI ZR 42/93, zitiert nach juris, Rdnr. 28).
2.) Daraus ergibt sich für die Klage, dass diese wegen des am 24.11.2009 durch den Beklagten erklärten
Widerrufs unbegründet ist. Die weiteren Voraussetzungen des Art. 29 Abs.1 Nr. 1 und 2 EGBGB a.F. liegen
vor, denn die Anlagemöglichkeit ist dem Beklagten in Deutschland angeboten worden, sämtliche zum
Abschluss des Vertrages erforderliche Rechtshandlungen sind in Deutschland vorgenommen worden und die
Bestellung des Beklagten ist von Vertretern der Klägerin in Deutschland entgegengenommen worden. Der im
Schriftsatz vom 24.11.2009 erklärte Widerruf des Beklagten seiner auf Abschluss des Kreditvertrags
gerichteten Willenserklärung ist gem. §§ 495 Abs. 1, 355 BGB a.F. wirksam. Aufgrund fehlender Belehrung
des Beklagten über das Widerrufsrecht nach diesen Normen lief gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. keine
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Widerrufsfrist.
Da auch Art und Reichweite der Rückabwicklung Ausprägung des Verbraucherschutzes sind, gilt für diese
ebenfalls deutsches Recht.
Bei dem Darlehens- und dem Kapitalanlagevertrag handelte es sich um verbundene Verträge i.S.v. § 358
Abs.3 BGB a.F., denn der Kredit ist - wie bereits dargelegt - ausschließlich zur Finanzierung des
Anlagemodells gewährt worden und die Klägerin und die C. wirkten aus der Sicht des Beklagten arbeitsteilig
zusammen; insbesondere verfügte der Anlagevermittler über Vertragsantragsformulare sowohl der Klägerin
als auch der C.; jedenfalls die Rahmenvereinbarung Anl. B 20 lässt hier im Übrigen keinen Raum für Zweifel.
Infolge des wirksamen Widerrufs sind die beiderseitigen Leistungen gem. §§ 357, 346 ff. BGB
zurückzugewähren. Da es sich um ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 358 Abs.3 BGB gehandelt hat, muss
der Beklagte der Klägerin jedoch weder die Darlehensvaluta noch die entstandenen Zinsen oder Kosten
erstatten. Die Klägerin tritt vielmehr in das Abwicklungsverhältnis betreffend den verbundenen Vertrag ein und
könnte von dem Beklagten Abtretung der abgeschlossenen Lebensversicherung verlangen. Da diese bereits
abgewickelt und der Erlös aus dem Rückkauf von der Klägerin mit der noch offenen Darlehensvaluta
verrechnet worden ist (Anl. K 8), stehen der Klägerin insoweit keine weiteren Ansprüche mehr zu.
Die Klägerin ist ihrerseits verpflichtet, dem Beklagten die auf das Darlehen erbrachten Leistungen
zurückzuerstatten; da die Klägerin sich hier durch Zugriff auf den Deckungsstock befriedigt hatte (Anl. K 8),
ist sie verpflichtet, den vom Verbraucher aus eigenen Mitteln an den Unternehmer geleisteten Betrag zu
erstatten (vgl. BGH NJW 09, 3572). Der Beklagte kann danach die von ihm eingebrachten € 50.000,-
zurückverlangen. Gleiches gilt auch für die an die S. S. geleistete Vermittlungsprovision in Höhe von €
1.000,-, denn diese hat er (anders als in dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf, ZIP 10,617 zugrunde
liegenden Fall) aus seinem eigenen Vermögen erbracht.
3.) Der Zinsanspruch ist aus §§ 1333,1334 i.V.m. 1000 ABGB begründet; insoweit - d.h. soweit nicht
zwingende Normen des deutschen Verbraucherschutzrechts abbedungen werden sollen - ist die im
Kreditvertrag getroffene Rechtswahl auf liechtensteinisches Recht nach Art. 27, 31 EGBGB a.F. i.V.m. Art. 4
Abs. 2 EGBGB wirksam.
Da jedenfalls im allgemeinen Zivilrecht in Liechtenstein weitgehend österreichisches Recht anzuwenden ist
(S. 3, 4 des Gutachtens Prof. Dr. T. vom 22.10.2010) greift hier § 1333 ABGB, da sich die Klägerin mit der
Erfüllung der Forderung des Beklagten jedenfalls seit Zustellung der Widerklage am 01.06.2010 im Sinne des
§§ 1295, 1333 ABGB in Verzug befindet. Der Verzugszins beläuft sich auf 5% p.a..
Dem Beklagten steht daneben kein Anspruch auf die geltend gemachten Kosten der außergerichtlichen
Rechtsverfolgung zu: Zwar ist gem. §§ 918 Abs. 1, 1333 ABGB bei Verschulden des Verpflichteten auch bei
Geldforderungen neben dem Zinsanspruch die Geltendmachung weiteren Schadensersatzes möglich (Klang;
Kommentar zum ABGB, 2. Aufl. 1951, S. 192/193; Kapfer, ABGB, 31. Aufl. 1980, § 1333, Anm. E 10).
Der Beklagte ist dem sehr substantiierten Bestreiten der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.06.2010 (dort S.
9/10) jedoch nicht mehr entgegengetreten und hat insbesondere die angekündigte Rechnung über die
entstandenen Kosten nicht zur Akte gereicht. Eines Hinweises des Senats bedurfte es insoweit nicht (§§
525, 139 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs.3, 92 Abs.1, 101 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Gem. § 543 Abs.2 Nrn. 1 und 2 ZPO ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung die Revision zuzulassen: Die Vielzahl der bundesweit anhängigen Verfahren
und die von den Parteien vorgelegten zahlreichen divergierenden Entscheidungen zeigen, dass der
entscheidungserheblichen Frage, ob es sich bei dem Anlagemodell der streitgegenständlichen Art um einen
Vertrag zur Erbringung einer Dienstleistung i.S.d. des Art. 29 Abs.1 EGBGB a.F. handelt, grundsätzliche
Bedeutung zukommt.