Urteil des OLG Hamburg vom 15.08.2013

OLG Hamburg: Bei dem Studiengang Rechtswissenschaft fehlt es regelmäßig an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Zulassung zum ersten Fachsemester erforderlichen Anordnungsgrund

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Bei dem Studiengang Rechtswissenschaft fehlt es regelmäßig an dem für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung auf vorläufige Zulassung zum ersten Fachsemester erforderlichen Anordnungsgrund, solange
das Studium zulassungsfrei an einer anderen deutschen Universität aufgenommen werden kann. Der
erforderliche Anordnungsgrund ist nur dann anzunehmen, wenn der betroffene Antragsteller besondere
persönliche Bindungen an den Studienort Hamburg geltend und glaubhaft machen kann.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 3. Senat, Beschluss vom 15.08.2013, 3 Nc 16/13
Art 12 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 123 Abs 1 VwGO
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. April
2013 geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Wie sie zutreffend dargelegt hat, kann der Antragsteller den
Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht beanspruchen, weil ihm der hierfür erforderliche
Anordnungsgrund nicht zur Seite steht.
I.
Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn nach
den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2013 vorläufig zum Studium der Rechtswissenschaft
(Staatsprüfung) zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat seinem Antrag stattgegeben; hiergegen richtet sich
die vorliegende Beschwerde der Antragsgegnerin.
Die Wissenschaftsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg setzte mit der Verordnung über
Zulassungsbeschränkungen und Zulassungszahlen für die Universität Hamburg für das Wintersemester
2012/2013 und das Sommersemester 2013 vom 27. Juni 2012 (HmbGVBl. S. 279) – VO ZZ 2012/2013 - für
den Studiengang Rechtswissenschaft (Staatsprüfung) die Zulassungszahl für das Wintersemester 2012/2013
auf 300 und für das Sommersemester 2013 auf 247 fest. Für die drei weiteren Studiengänge der Lehreinheit
Recht ergaben sich aus der genannten Verordnung jeweils für das Wintersemester 2012/2013 (zum
Sommersemester 2013 erfolgten in diesen Studiengängen keine Zulassungen) die folgenden
Zulassungszahlen: Finanzen und Versicherung (LL.B.): 33, Arbeits- und Sozialmanagement (LL.B.): 33,
Rechtswissenschaft (Nebenfach): 27. Sämtliche Zulassungszahlen entsprachen den jeweiligen Vorschlägen
der Antragsgegnerin in ihrem Kapazitätsbericht 2012/2013 (S. 1).
Das Verwaltungsgericht hat bezogen auf die Rechtsverhältnisse des Wintersemesters 2012/2013 für den
Studiengang Rechtswissenschaft (Staatsprüfung) mit Beschluss vom 17. Oktober 2012 (20 ZE REW WS
12/13, juris) eine Jahreskapazität von 638 Studienplätzen angenommen und diese Plätze entsprechend dem
von der Antragsgegnerin angewandten Verteilungsschlüssel (300/247) dahingehend verteilt, dass es dem
Wintersemester 2012/2013 eine Kapazität von 350 und dem Sommersemester 2013 eine Kapazität von 288
Plätzen zugeordnet hat, und auf dieser Grundlage den Eilanträgen von 47 Antragstellern stattgegeben. Es hat
dabei den nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsgrund in allen Fällen bejaht trotz des Umstands,
dass an einigen deutschen Universitäten die Zulassung zum Studiengang Rechtswissenschaft (Staatsprüfung)
zum Wintersemester 2012/2013 ohne kapazitäre Beschränkungen eröffnet war, und dazu mit eingehender
Begründung (a. a. O., juris, Rn. 17 – 38) ausgeführt, dem insoweit entgegengesetzten obiter dictum in dem
Beschluss des Beschwerdegerichts zum Vorjahr (OVG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012, 3 Nc 53/11, juris, Rn. 75
ff.) folge es nicht. Für die ebenfalls der Lehreinheit Recht zugeordneten Bachelor-Studiengänge Finanzen und
Versicherung bzw. Arbeits- und Sozialmanagement hat das Verwaltungsgericht mit weiteren Beschlüssen vom
17. Oktober 2012 Kapazitäten von 42 bzw. von 43 Studienplätzen angenommen.
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Zum Sommersemester 2013 hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. April 2013 die Antragsgegnerin
im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Zulassung von weiteren sieben Antragstellern zum
Studiengang Rechtswissenschaft (Staatsprüfung) verpflichtet. Es hat erneut die Jahreskapazität dieses
Studiengangs mit 638 Plätzen angenommen und den Anordnungsgrund in allen Fällen bejaht trotz des
Umstands, dass auch zum Sommersemester 2013 an einigen deutschen Universitäten die Zulassung zum
Studiengang Rechtswissenschaft (Staatsprüfung) ohne kapazitäre Beschränkungen eröffnet war, und dabei
seine Ausführungen aus dem o. g. Beschluss vom 17. Oktober 2012 wiederholt. Hiergegen hat die
Antragsgegnerin in allen sieben Fällen Beschwerde eingelegt; eines der Verfahren hat sich zwischenzeitlich
durch Rücknahme des Eilantrags erledigt. Zwei weitere Beschwerdeverfahren sind von Antragstellern anhängig
gemacht worden, die im Verfahren erster Instanz beim Verwaltungsgericht unterlegen waren.
Die Antragsgegnerin hat auf Anfrage des Beschwerdegerichts zuletzt mitgeteilt, zum Studiengang
Rechtswissenschaft (Staatsprüfung) seien nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/2013 und
des Sommersemesters 2013 insgesamt 631 (349 bzw. 282) Bewerber zugelassen und immatrikuliert worden; in
dieser Zahl seien die sieben vom Verwaltungsgericht zum Sommersemester 2013 angeordneten vorläufigen
Zulassungen nicht enthalten. Nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/2013 seien für die
Bachelorstudiengänge Finanzen und Versicherung bzw. Arbeits- und Sozialmanagement 41 bzw. 42
Zulassungen und Immatrikulierungen erfolgt; für den Studiengang Rechtswissenschaft (Nebenfach) habe es 18
Zulassungen und Immatrikulierungen gegeben. Nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2013
seien in diesen drei Studiengängen keine Zulassungen erfolgt.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie, entgegen der diesbezüglichen Rüge einzelner
Antragsteller, fristgemäß erhoben und begründet worden. Der angefochtene Beschluss des
Verwaltungsgerichts ist der Antragsgegnerin am 17. April 2013 gegen ein vom Verwaltungsgericht für alle
Beschlüsse in Sachen Rechtswissenschaft (Sommersemester 2013) erstelltes Sammel-Empfangsbekenntnis
zugestellt worden. Sofern diese Zustellung trotz des Umstands, dass auf diesem Sammel-
Empfangsbekenntnis offenbar nicht die Aktenzeichen sämtlicher Verfahren aller Antragsteller, sondern (neben
der Sammelbezeichnung „20 ZE REW SS 2013“) nur das Aktenzeichen eines (anderen) Antragstellers (20 ZE
344/13) vermerkt war, wirksam gewesen sein sollte (andernfalls ist die Beschwerdefrist gar nicht erst in Lauf
gesetzt worden), ergibt sich das genannte Zustellungsdatum daraus, dass es von der Antragsgegnerin auf dem
von ihr unterschriebenen Empfangsbekenntnis eingetragen worden ist (vgl. § 56 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 174
Abs. 4 Satz 1 ZPO). Diese Eintragung ist unabhängig davon, wann der Beschluss des Verwaltungsgerichts
tatsächlich in den Herrschaftsbereich der Antragsgegnerin gelangt ist, maßgeblich für das Datum der
Zustellung. Denn hierfür ist es entscheidend, wann der Adressat des Schriftstücks dieses mit dem Willen
entgegen genommen hat, es als zugestellt gelten zu lassen (vgl. Stöber in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 174
Rn. 6). Dieser Grundsatz gilt nicht nur bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an Rechtsanwälte,
sondern auch bei solchen Zustellungen an Körperschaften des öffentlichen Rechts. Legt man somit eine
Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Antragsgegnerin am 17. April 2013 zugrunde, so hat sie die
Beschwerde am 29. April 2013 fristgemäß erhoben (vgl. § 147 Abs. 1 VwGO) und am 17. Mai 2013 fristgemäß
begründet (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Diese Prozesshandlungen sind auch wirksam vorgenommen
worden. Sowohl der Unterzeichner der Beschwerdeschrift als auch der Unterzeichner der Begründungsschrift
sind, wie das Beschwerdegericht weiß bzw. in Erfahrung gebracht hat, gegenüber dem Oberverwaltungsgericht
postulationsfähig im Sinne des § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Der o. g. Fristwahrung steht es nicht, wie einzelne Antragsteller meinen, entgegen, dass die Antragsgegnerin
sie bereits am 8. April 2013, der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts folgend, vorläufig zum
Studium der Rechtswissenschaft zugelassen hat. Dies ist zwar in der Tat in Kenntnis der angefochtenen
Beschlüsse geschehen. Diese tatsächliche Kenntnisnahme von dem Beschluss war aber keine „Bekanntgabe“
des Beschlusses im Sinne des § 147 Abs. 1 bzw. des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO. Ist wie im vorliegenden Fall
eine Entscheidung förmlich zuzustellen, weil durch sie eine Frist in Lauf gesetzt wird (§ 56 Abs. 1 VwGO), so
ist unter der fristauslösenden „Bekanntgabe“ die rechtlich erforderliche Zustellung zu verstehen. Die hier vom
Verwaltungsgericht veranlasste Zustellung gegen Empfangsbekenntnis erfolgt, wie vorstehend ausgeführt,
durch das Unterschreiben und das Einfügen des Datums durch den Zustellungsadressaten, wobei dieses
Datum dokumentiert, wann der Adressat den für die Wirksamkeit der Zustellung notwendigen Empfangswillen
hat. Die bereits am 8. April 2013 geschehene faktische Befolgung der vom Verwaltungsgericht
ausgesprochenen einstweiligen Anordnung seitens der Antragsgegnerin dokumentiert hingegen nicht deren
Empfangswillen im Sinne des Zustellungsrechts. Die Antragsgegnerin war unabhängig davon, ob sie die
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einstweilige Anordnung anfechten würde oder nicht, zu deren unverzüglicher Umsetzung verpflichtet. Dem hat
die Antragsgegnerin mit der umgehenden vorläufigen Zulassung der Antragsteller nach faktischer
Kenntnisnahme des Beschlusses genügt. Der für die Auslösung der Beschwerdefrist maßgebliche Wille, den
Beschluss als zugestellt gelten zu lassen, ist damit nicht gleichzusetzen.
2. Die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt, dass der angefochtene Beschluss mit der
dort gegebenen Begründung keinen Bestand haben kann. Damit ist das Beschwerdegericht berechtigt und
verpflichtet, ohne die Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO über die Beschwerde in eigener
Kompetenz zu entscheiden (zu dieser Folge vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.12.2003, 3 Bs 415/02). Diese
Prüfung (nachfolgend unter „3.“) führt zur Änderung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des
vom Antragsteller gestellten Eilantrags.
a) Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss nicht nur darauf gestützt, dass für den Antragsteller ein freier
Studienplatz zur Verfügung stehe (Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO), sondern es hat,
wie dies für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ebenfalls erforderlich ist, auch das Vorliegen eines
Anordnungsgrundes bejaht, obwohl der Antragsteller an einigen anderen deutschen Universitäten ohne
Zulassungsbeschränkung zum Studiengang Rechtswissenschaft (Staatsprüfung) hätte Zugang finden können
und er keine besondere Bindungen an den Studienort Hamburg glaubhaft gemacht hat. Das Verwaltungsgericht
ist damit der vom Beschwerdegericht in dessen Beschluss zum Studiengang Rechtswissenschaft
(Staatsprüfung – im Folgenden: Rechtswissenschaft) des Vorjahres (OVG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012, a. a.
O.) angekündigten, auf Verfahren nach den Rechtsverhältnissen ab dem Wintersemester 2012/2013 bezogenen
Einschätzung entgegengetreten, dass die Möglichkeit, an (mindestens) einer anderen deutschen Universität
zulassungsfrei im Studiengang Rechtswissenschaft eingeschrieben werden zu können, dem erforderlichen
Anordnungsgrund entgegensteht, sofern der betreffende Bewerber keine besonderen persönlichen Bindungen
an den Studienort Hamburg vortragen und glaubhaft machen kann.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, die o.g., vom
Beschwerdegericht in seinem Beschluss vom 4. April 2012 für künftige Verfahren angekündigte
Rechtsauffassung sei mit dem Grundrecht der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und mit Art. 19
Abs. 4 GG nicht vereinbar.
aa) Die erhöhten Anforderungen an den Anordnungsgrund führten zum einen dazu, dass das Grundrecht auf
freie Wahl der Ausbildungsstätte praktisch leerlaufe. Es sei nicht ersichtlich, dass Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG
einen grundlegenden Bedeutungswandel dahin erfahren hätte, dass heutzutage nicht mehr die freie Wahl der
Ausbildungsstätte, sondern nur noch die freie Wahl des Studienfachs im Vordergrund stünde. Vielmehr spreche
die in letzter Zeit erfolgte Entwicklung zu Elite-Hochschulen im Rahmen der Exzellenzinitiative der
Bundesregierung und der verstärkten Profilbildung der Hochschulen seit der Einführung des Bachelor-Master-
Systems für die gegenteilige Entwicklung. So habe die Vielfältigkeit der Gestaltung von Bachelorstudiengängen
im Wettbewerb der Hochschulen in vielen Fällen dazu geführt, dass ein Übergang zum Masterstudium
praktisch nur noch an der eigenen Hochschule möglich sei, so dass schon der Einstieg in das Studium
vorentscheidend für das konsekutive Masterstudium und damit für den Berufszugang sein könne. Für das
Studium der Rechtswissenschaft gelte nichts anderes. Dieses schließe inzwischen nicht mehr mit einem
bundesweit einheitlichen Examen ab, sondern bestehe aus einer universitären Schwerpunktprüfung und der
staatlichen Pflichtfachprüfung mit einer Gewichtung von 30 v. H. zu 70 v. H.; auch hier führe die Profilbildung
dazu, dass die Wahl der Hochschule vorprägend für den späteren Berufseinstieg sei. Als gleichwertig und
damit als zumutbare Alternative kämen damit allenfalls Hochschulen mit einem gleichwertigen
Schwerpunktangebot in Betracht. Auch das hamburgische Hochschulrecht und das Zulassungsrecht der
Antragsgegnerin entsprächen dem verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte.
Dieser Anspruch sei nicht für den Fall eingeschränkt, dass es an einer beliebigen anderen deutschen
Hochschule eine unbeschränkte Zugangsmöglichkeit zu dem gewünschten Studiengang gebe. Eine solche
Beschränkung bestehe lediglich für die Studiengänge des von den Bundesländern auf staatsvertraglicher
Grundlage organisierten zentralen Vergabeverfahrens.
bb) Zum anderen seien die vom Beschwerdegericht angekündigten erhöhten Anforderungen an den
Anordnungsgrund nicht mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Diese Verfassungsnorm gebiete die umfassende
Überprüfung der Kapazität seitens der Verwaltungsgerichte im Eilverfahren, wenn ansonsten schwere und
unzumutbare, im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile entstünden. Erhöhte
Anforderungen an den Anordnungsgrund ließen sich auch nicht mit der Erwägung begründen, dass durch die
vorläufige Zulassung zu dem gewünschten Studiengang die Hauptsache weitgehend vorweggenommen werde.
Dem stehe die zwischen dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund bestehende Wechselwirkung
entgegen, die es verbiete, im Verhältnis zwischen der Hochschule und den Studienbewerbern allein zu Lasten
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der Letzteren abzuwägen. Die Hochschule habe im Fall einer mit hoher Wahrscheinlichkeit ausreichenden
Kapazität durch die vorläufige Zulassung von voraussichtlich anspruchsberechtigten Eilantragstellern nur eine
geringe Beeinträchtigung ihrer Rechte hinzunehmen. Die Folgen einer ggf. (zu Gunsten von Antragstellern)
fehlerhaften Berechnung der Kapazität durch die Verwaltungsgerichte seien für die Hochschulen eher zu
ertragen als für die Antragsteller, denn die Hochschulen könnten ihre Kapazitätsberechnungen nicht nur in der
zweiten Gerichtsinstanz verteidigen, sondern auch in folgenden Berechnungszeiträumen. Die zwischen dem
Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund bestehende Wechselwirkung verbiete es auch, wie vom
Beschwerdegericht in Aussicht gestellt, lediglich denjenigen Antragstellern den Anordnungsgrund
zuzusprechen, die zwingende persönliche Gründe für eine Bindung an den Studienort Hamburg im Sinne der
von der Stiftung für Hochschulzulassung erstellten Fallgruppen für eine bevorzugte Berücksichtigung des
ersten Studienortwunsches im zentralen Vergabeverfahren geltend machen könnten. Die strengen
Obliegenheiten der Antragsteller im zentralen Vergabeverfahren dürften nicht auf das von den Hochschulen
gesteuerte lokale Zulassungs- und Vergabeverfahren übertragen werden. Die Hochschulen hätten hier mehr
Gestaltungsspielraum als die Stiftung für Hochschulzulassung im zentralen Vergabeverfahren.
cc) Erhöhte Anforderungen an den Anordnungsgrund seien schließlich auch nicht praktikabel und hätten
unerwünschte Folgewirkungen.
Die Studienbewerber wären darauf verwiesen, ihr Studium an anderen Hochschulen zu beginnen und ihren
Zulassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung im
Hauptsacheverfahren durchzusetzen. Dann bestehe das Risiko der Verlagerung der Streitigkeiten auf
Hauptsacheverfahren. Außerdem bestehe das weitere Risiko, dass eventuell vorhandene Studienplätze im
Eilverfahren an andere Studienbewerber vergeben würden, die besondere Bindungen an den Studienort
Hamburg glaubhaft gemacht hätten. Des Weiteren müssten die Studienbewerber im Eilverfahren Umstände
vortragen, auf die es im Hauptsacheverfahren nicht mehr ankomme. Faktisch würden zusätzliche
Studienplätze (im Eilverfahren) nur noch in Härtefällen vergeben werden, was im Widerspruch dazu stehe, dass
das Zulassungsverfahren der Antragsgegnerin bereits eine Härtefallregelung enthalte. Auch würden die
gerichtlichen Eilverfahren an ihre Grenzen stoßen, wenn die Verwaltungsgerichte die Vergleichbarkeit der
Studiengänge an verschiedenen Hochschulen einerseits und die von den Antragstellern vorgetragenen Gründe
für ein Studium gerade in Hamburg andererseits in einer aufwändigen Prüfung bewerten müssten.
Schließlich dürften erhöhte Anforderungen an den Anordnungsgrund im Rahmen des Eilrechtsschutzes eine die
Studiennachfrage zu Gunsten der weniger attraktiven Hochschulen faktisch steuernde Wirkung haben, für die
es keine rechtliche Grundlage gebe und die hochschulpolitisch relevant sei. Auch bestehe die Sorge, dass die
Hochschulen ihre durch öffentliche Mittel finanzierten Kapazitäten nicht mehr voll ausschöpfen würden, da sie
auf freie Plätze an anderen Hochschulen verweisen könnten und eine Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte
im Eilverfahren nicht mehr zu befürchten hätten.
b) Die Antragsgegnerin tritt dem mit ihrer Beschwerdebegründung u. a. wie folgt entgegen:
Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht von dem Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte zugleich auf
schwere und unzumutbare Nachteile im Fall der Versagung einer einstweiligen Anordnung geschlossen, und
damit nicht hinreichend zwischen dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund unterschieden. Ein
solcher Anordnungsgrund müsse aber gerade bei einer teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache durch die
erstrebte einstweilige Anordnung vorliegen. Der Anordnungsgrund sei auch nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts Voraussetzung für die Pflicht der Verwaltungsgerichte, im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes eine Prüfung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen, die ihrem Umfang nach
einem Hauptsacheverfahren angenähert sei. Die Möglichkeit, dass Antragsteller mit glaubhaft gemachtem
Anordnungsgrund Studienplätze belegen, die dann für andere Antragsteller (ohne Anordnungsgrund) nicht mehr
zur Verfügung stehen würden, sei kein rechtlich zu missbilligender Nachteil, sondern der den Bewerbern mit
Anordnungsgrund zukommenden Garantie auf effektiven Rechtsschutz geschuldet. Maßstab für das Bestehen
des Anordnungsgrundes in hochschulzulassungsrechtlichen Verfahren sei es, ob den Studienbewerbern durch
die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes eine erhebliche Ausbildungsverzögerung drohe; diese Gefahr
bestehe nicht, wenn der Studienbewerber das gewünschte Studium zum gewünschten Termin an einer anderen
deutschen Hochschule ohne Zulassungsbeschränkung aufnehmen könne. Dann habe er bereits die reelle
Chance auf zeitnahe Zuteilung eines Studienplatzes, die ansonsten durch die Möglichkeit des vorläufigen
Rechtsschutzes erst eröffnet werden solle. Zum Sommersemester 2013 habe es an zahlreichen deutschen
Universitäten keine Zulassungsbeschränkung für den Studiengang Rechtswissenschaft gegeben, so z. B. in
Bayreuth, Erlangen-Nürnberg, Greifswald, Jena, Marburg und Regensburg. Keiner der beim Verwaltungsgericht
erfolgreichen Antragsteller habe besondere persönliche Bindungen an den Studienort Hamburg glaubhaft
gemacht.
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Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts sei es den Antragstellern auch zumutbar, das Studium
der Rechtswissenschaft - zunächst - an einer anderen deutschen Hochschule aufzunehmen. Damit sei keine
Vorentscheidung für den späteren Berufszugang verbunden. Die vom Verwaltungsgericht hervorgehobene
Exzellenzinitiative der Bundesregierung habe im Bereich der Rechtswissenschaft keine Bedeutung. Auch sei
ein Wechsel des Studienorts von einer anderen deutschen Hochschule zur Antragsgegnerin beim Studiengang
Rechtswissenschaft ohne weiteres möglich. Bei der anderen Hochschule erbrachte Studienleistungen
einschließlich Zwischenprüfungen würden von der Antragsgegnerin nach § 17 Abs. 1 und 3 der Studienordnung
der Fakultät für Rechtswissenschaften bzw. nach § 13 der Zwischenprüfungsordnung der Fakultät ohne
weiteres anerkannt. Auch die Schaffung von universitären Schwerpunktbereichen habe die Möglichkeit zum
Studienortwechsel nach Hamburg nicht beschränkt. Für Wechsel nach dem vierten Fachsemester komme es
lediglich auf das Bestehen der Zwischenprüfung an, nicht hingegen auf Leistungsnachweise in universitären
Schwerpunktbereichen. Auch solche Leistungsnachweise seien freilich nach § 17 Abs. 1 der genannten
Studienordnung anzuerkennen. Vor allem aber seien nach § 4 Abs. 4 der Studienordnung die
Lehrveranstaltungen zu den Schwerpunktbereichen erst vom sechsten bis zum achten Semester vorgesehen.
Die Schwerpunktbildung sei also bei der Antragsgegnerin erst nach Bestehen der Zwischenprüfung am Ende
des Grundstudiums möglich. Für Zulassungsbegehren zum ersten Fachsemester komme somit dem an einen
Schwerpunktbereich anknüpfenden Studienortwunsch zunächst keine maßgebliche Bedeutung zu.
Des Weiteren sei die vom Verwaltungsgericht vorgenommene, zu Lasten der Antragsgegnerin ausgefallene
Interessenabwägung fehlerhaft. Eine vorläufige Zulassung zum gewünschten Studiengang stehe entsprechend
der daran anknüpfenden Studiendauer einer partiell endgültigen Zulassung gleich, weil dem Antragsteller die
während dieser Zeit erbrachten Studienleistungen nicht mehr genommen werden könnten. Es sei eine
vorgefärbte und nicht begründete Einschätzung, wenn das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelange, dass
die Antragsgegnerin im Fall einer sich später als fehlerhaft herausstellenden vorläufigen Zulassung von
Antragstellern eine nur geringe Beeinträchtigung ihrer Rechte erfahre, und dass dies für die Antragsgegnerin
eher zu ertragen sei als der umgekehrte Fall für die einzelnen Antragsteller. Verfehlt sei auch der Hinweis des
Verwaltungsgerichts auf die Möglichkeit der Hochschulen zu weiteren Kapazitätsprüfungen in künftigen
Berechnungszeiträumen; dadurch könne eine übermäßige Zulassung von Antragstellern im konkret betroffenen
Berechnungszeitraum nicht wieder beseitigt werden.
Die Rüge des Verwaltungsgerichts, dass die im zentralen Vergabeverfahren bestehenden Obliegenheiten der
Antragsteller in Fällen von Anträgen auf Berücksichtigung des ersten Studienortwunsches nicht auf
Kapazitätsstreitigkeiten bei lokalem numerus clausus übertragen werden dürften, sei ebenfalls unbegründet.
Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die in den Veröffentlichungen der Stiftung für Hochschulzulassung
angegebenen Gründe hier lediglich Anhaltspunkte für das Vorliegen des Anordnungsgrundes geben sollten. Der
materielle Anspruch auf Zulassung werde dagegen nicht an das Vorliegen solcher Gründe geknüpft.
Soweit das Verwaltungsgericht meine, dass sich bei hohen Anforderungen an den Anordnungsgrund der
Wettbewerb der Hochschulen zu Gunsten der weniger attraktiven Hochschulen ohne
Zulassungsbeschränkungen verschiebe, erschließe sich dies nicht. Diese Einschätzung des
Verwaltungsgerichts beruhe auf einer Fehlvorstellung vom Wettbewerb zwischen den Hochschulen. Einen
solchen „Wettbewerb“ gebe es nicht für Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität; solche Plätze
seien weder gewollt noch würden sie gesteuert. Dementsprechend erleide die Antragsgegnerin keinen Nachteil,
wenn Bewerber um außerkapazitäre Plätze ihr Studium nicht in Hamburg, sondern andernorts begönnen.
Entgegen der Befürchtung des Verwaltungsgerichts bestehe auch nicht die Gefahr, dass die Hochschulen bei
den gebotenen Anforderungen an den Anordnungsgrund ihre Kapazitäten nicht mehr voll ausschöpften.
Abgesehen davon, dass es bei der Prüfung einer einstweiligen Anordnung darum gehen müsse, ob dem
jeweiligen Antragsteller wesentliche Nachteile drohten, und somit in diesen Fällen der Antragsteller und nicht
die Hochschule in den Blick zu nehmen sei, unterstelle das Verwaltungsgericht damit den Hochschulen ohne
irgendeinen Anhalt den Willen zum Rechtsmissbrauch; auch den Hochschulen als Teil der öffentlichen
Verwaltung könne jedoch grundsätzlich Rechtstreue unterstellt werden.
c) Die vorstehend wiedergegebenen Argumente der Antragsgegnerin stellen die Richtigkeit der Erwägungen des
Verwaltungsgerichts, mit denen es trotz der beim Studiengang Rechtswissenschaft bestehenden
Zulassungsfreiheit an zahlreichen anderen deutschen Universitäten bei allen Antragstellern den
Anordnungsgrund bejaht hat, ohne auf persönliche Bindungen an den Studienort Hamburg abzustellen,
nachhaltig in Frage. Das Beschwerdegericht hält die o. g. Argumente der Antragsgegnerin, soweit es um
hochschulzulassungsrechtliche Streitigkeiten beim Studiengang Rechtswissenschaft geht, für zutreffend und
gelangt insoweit zu einer anderen Rechtsauffassung als das Verwaltungsgericht; auf die nachstehenden
Ausführungen wird Bezug genommen.
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3. Das Beschwerdegericht hält es in hochschulzulassungsrechtlichen Streitigkeiten beim Studiengang
Rechtswissenschaft angesichts der hierfür (auch zum Sommersemester 2013) an anderen deutschen
Universitäten bestehenden Zulassungsfreiheit für geboten, den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung
auf vorläufige Zulassung zum ersten Fachsemester dieses Studiengangs erforderlichen Anordnungsgrund nur
dann anzunehmen, wenn der betroffene Antragsteller besondere persönliche Bindungen an den Studienort
Hamburg geltend und glaubhaft machen kann. Da der Antragsteller diese Anforderungen nicht erfüllt, ist sein
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Das Beschwerdegericht folgt damit hinsichtlich des Studiengangs Rechtswissenschaft seiner mit dem o. g.
Beschluss vom 4. April 2012 (a. a. O., juris Rn. 80) gemachten Ankündigung, die solchermaßen erhöhten
Anforderungen an das Vorliegen des Anordnungsgrundes zu stellen. Maßgeblich hierfür sind die folgenden
Erwägungen:
a) Zur Klarstellung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass – jedenfalls bei Studiengängen außerhalb des
zentralen Vergabeverfahrens - die an einer anderen Hochschule ohne Zulassungsbeschränkung gegebene
Möglichkeit der Einschreibung für den gewünschten Studiengang nicht den Anordnungsanspruch berührt,
sondern allein den Anordnungsgrund betreffen kann.
Art. 12 Abs. 1 GG begründet nicht nur ein Grundrecht auf freie Wahl von Beruf und Ausbildung, sondern auch
auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, hier also der Hochschule. Auch wenn Einschränkungen dieses Rechts im
Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung weniger einschneidend und eher hinzunehmen sind als
Einschränkungen bei der Wahl des Studiengangs, sind sie gleichwohl ebenfalls nur auf gesetzlicher Grundlage
zulässig (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Daran fehlt es jedoch für Studiengänge mit lokalem hamburgischem
numerus clausus im Hinblick auf die beschränkungsfreie Zulassungsmöglichkeit an anderen Hochschulen. Im
Hamburgischen Hochschulzulassungsgesetz (HZG) gibt es keine Bestimmung, nach der ein
Zulassungsanspruch ausgeschlossen wäre, soweit der betreffende Studiengang in Hamburg
zulassungsbeschränkt ist und für diesen Studiengang an mindestens einer Hochschule in einem anderen
deutschen Bundesland keine Zulassungsbeschränkung besteht. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen
eine solche Bestimmung mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar wäre, bedarf hier keiner Prüfung.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht in einigen älteren Entscheidungen angenommen hat, durch die
endgültige Zulassung in dem betroffenen Studiengang an einer anderen Hochschule erledige sich ein
Hauptsacheverfahren, in dem der Kläger einen außerkapazitären Studienplatz erstrebe (vgl. BVerwG, Urt. v.
13.12.1984, 7 C 16/84 u. a; Urt. v. 8.2.1980, VII C 92.77; Urt. v. 7.6.1978, VII C 63.76; alle in juris), führt dies
hier zu keiner anderen Bewertung. Diese Entscheidungen beziehen sich sämtlich auf Studiengänge mit
absolutem numerus clausus im zentralen Vergabeverfahren und auf Fälle, in denen die Antragsteller auf ihren
eigenen ZVS-Antrag hin eine endgültige Zulassung an einer von ihnen ebenfalls angegebenen, wenn auch einer
anderen als der zuerst gewünschten Hochschule erhalten hatten. In diesen Fällen hat es das
Bundesverwaltungsgericht für unvereinbar mit dem Kapazitätserschöpfungsgebot gehalten, dass ein
Studienbewerber zunächst den ihm zugewiesenen Studienplatz in Anspruch nimmt und diesen erst später nach
einem Erfolg im Klagverfahren gegen die Wunsch-Hochschule wieder freigibt, weil dann der zunächst von ihm
besetzte und verbrauchte Studienplatz allenfalls noch für Quereinsteiger zum entsprechend höheren Semester,
nicht aber mehr einem Studienanfänger zur Verfügung gestellt werden könne (Urt. v. 8.2.1980, a. a. O., juris
Rn. 16) bzw. er bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits gegen die Wunsch-Hochschule „potentiell
zwei Studienplätze in Anspruch“ nehme (Urt. v. 13.12.1984, a. a. O., juris Rn. 6). Diese Argumentation stellt
ersichtlich ab auf die Situation des absoluten numerus clausus, in der die bundesweit zu wenigen
Studienplätze möglichst schnell auf möglichst viele Studienanfänger verteilt werden müssen. Sie passt
hingegen nicht zu der hier gegebenen Situation eines lediglich lokalen numerus clausus mit anderweitigen
Möglichkeiten der Zulassung ohne Beschränkung, in der der Antragsteller mit einer endgültigen Zulassung an
einer anderen Hochschule ohne Beschränkungen keinem anderen Bewerber einen Platz wegnehmen würde.
b) In Bezug auf den Anordnungsgrund gelten die nachstehenden Ausführungen.
aa) Der richtigerweise anzulegende Maßstab ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat anlässlich eines Kapazitätsrechtsstreits um
Zulassung zum Studiengang Humanmedizin (BVerfG, Beschl. v. 31.3.2004, NVwZ 2004, 1112, juris, Leitsatz
2a)) zur Bedeutung des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt:
„Der in Art 19 Abs. 4 S 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf eine tatsächlich und rechtlich
wirksame Kontrolle verpflichtet die Gerichte, bei ihrer Entscheidungsfindung im Verfahren des
Eilrechtsschutzes diejenigen Folgen zu erwägen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes
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für den Bürger verbunden sind. Je schwerer die sich daraus ergebenden Belastungen wiegen, je
geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig
gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder
Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v.
25.10.1988, BVerfGE 79, 69, 74).“
Auch wenn dieser Maßstab anlässlich eines Rechtstreits im Bereich des absoluten numerus clausus (mit)
formuliert worden ist, ist er nicht nur in diesen Fällen einschlägig, sondern durchaus allgemein gültig (die dort
zitierte Entscheidung vom 25.10.1988 betraf keinen Kapazitätsrechtsstreit, sondern einen Fall aus dem
Kommunalverfassungsrecht). Er entspricht im Ergebnis auch der vom Verwaltungsgericht wie von den
Antragstellern selbst formulierten Prämisse, dass es darauf ankommt, ob eine Versagung des vorläufigen – in
den hier betreffenden Fällen allerdings auf eine weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten -
Rechtsschutzes zu schweren und unzumutbaren Nachteilen führt, die durch das Hauptsacheverfahren nicht
mehr beseitigt werden können.
Zu einem entsprechenden Maßstab führt der Beschluss des Berliner Verfassungsgerichtshofs vom 16.
September 2008 (VerfGH 81/08, 81 A/08, NVwZ 2009, 243, juris). In dem dortigen Fall, in dem es um die
Zulassung zum Bachelorstudiengang Geschichte ging, hat der Berliner Verfassungsgerichtshof darauf
abgestellt, dass es bei einer Regelstudienzeit des Bachelorstudiengangs von sechs Semestern angesichts der
Dauer von Hauptsacheverfahren bis zu deren rechtskräftigem Abschluss nicht auszuschließen sei, dass der
Betreffende sein andernorts aufgenommenes Studium bereits annähernd oder gar vollständig abgeschlossen
habe, und eine günstige Entscheidung im Hauptsacheverfahren also „zu spät“ komme, um den dann
tatsächlich gegebenen Zulassungsanspruch gegen die Wunschhochschule noch ohne wesentliche Nachteile
durchsetzen zu können (a. a. O., juris, Rn. 13). Auch nach dieser Entscheidung kommt es entscheidend darauf
an, ob eine Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes zu unzumutbaren Nachteilen führt, die durch das
Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können.
bb) Die daran anknüpfende Frage, was genau bei einer Verweisung der Antragsteller auf das
Hauptsacheverfahren „zumutbar“ ist, ist dahin zu beantworten, dass zumutbar nicht etwa die Verweisung auf
ein Absolvieren des gesamten Studiums an der anderen Hochschule ist, sondern lediglich der Beginn des
Studiums an der anderen Hochschule mit der realisierbaren Option, den behaupteten Zulassungsanspruch bei
der Wunschhochschule ggf. noch rechtzeitig genug im Hauptsacheverfahren durchsetzen zu können, um es an
der Wunschhochschule ohne wesentliche Nachteile zu beenden.
Wie oben bereits ausgeführt, gibt es (jedenfalls in Hamburg) keine gesetzliche Grundlage für die Einschränkung
oder gar Vernichtung des durch Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls geschützten Rechts auf freie Wahl der
Ausbildungsstätte allein deswegen, weil an anderen deutschen Hochschulen ein entsprechender Studiengang
mit gleichem Abschluss ohne Zulassungsbeschränkung zur Verfügung steht. Nach dem o. g. Maßstab des
Bundesverfassungsgerichts darf daher die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in diesen Fällen nur wegen
fehlenden Anordnungsgrundes und nur dann versagt werden, wenn die realistische Chance für den jeweiligen
Antragsteller in dem betreffenden Studiengang besteht, dass er im Falle eines Obsiegens im
Hauptsacheverfahren das Studium an der im Rechtsstreit unterlegenen hamburgischen Wunschhochschule
noch unter „zumutbaren“ Bedingungen aufnehmen und beenden kann, dass also der Erfolg im
Hauptsacheverfahren nicht „zu spät“ kommt. Dies setzt voraus, dass das betreffende Studium lang genug ist,
um nach einem rechtskräftigen Erfolg im Hauptsacheverfahren einen Quereinstieg bei der Wunschhochschule
unter Anerkennung der bei der anderen Hochschule erbrachten Studienleistungen zu ermöglichen, und dass
dies auch in fachlicher Hinsicht möglich ist, weil sich die Studiengänge an beiden Hochschulen strukturell
ähnlich sind und die Studienordnung an der Wunschhochschule die Möglichkeit des Quereinstiegs bzw. die
Anerkennung anderweitig erbrachter Studienleistungen mit klarer Anerkennungsperspektive vorsieht.
Soweit die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster zu den hier betroffenen Fallgruppen (vgl.
etwa OVG Münster, Beschl. v. 19.7.2011, 13 C 56/11, juris, Rn. 7, betr. Rechtswissenschaft; Beschl. v.
21.1.2010, 13 C 408/09, juris, zum Bachelorstudiengang Psychologie) in einem anderen (gegenüber den
Antragstellern strengeren) Sinn gemeint sein sollte, würde das Beschwerdegericht dem aus den o. g. Gründen
nicht folgen. Insbesondere kann es in diesem Zusammenhang nicht ausreichen, allein auf die Vergleichbarkeit
der von den Bewerbern angestrebten und bei verschiedenen Hochschulen angebotenen Studienabschlüsse
abzustellen (so aber wohl OVG Münster, Beschl. v. 21.1.2010, a. a. O., Rn. 11). Denn dies kann im Ergebnis
bedeuten, dass die Vernichtung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten bzw. zu machenden
Anspruchs auf freie Wahl der gewünschten Hochschule durch Zeitablauf in Kauf genommen und dies für
zumutbar gehalten wird, weil der Betreffende an einer anderen Hochschule den gleichen Studienabschluss
erwerben könne.
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cc) Im Hinblick auf den Studiengang Rechtswissenschaft hält es das Beschwerdegericht für angebracht, den
Anordnungsgrund zu verneinen, wenn der betreffende Antragsteller (wie es im Sommersemester 2013 der Fall
war) dieses Studium an mindestens einer anderen deutschen Hochschule ohne Zulassungsbeschränkung
aufnehmen kann und er keine besondere persönliche Bindung an den Studienort Hamburg glaubhaft macht.
Denn dieser Studiengang weist – insbesondere im Vergleich zu den Bachelor- und Masterstudiengängen -
einige Besonderheiten auf, die einen Quereinstieg bei der Antragsgegnerin nach einem Obsiegen der
Antragsteller im Hauptsacheverfahren als gut möglich und zumutbar erscheinen lassen.
Die Regelstudienzeit beträgt bei der Antragsgegnerin neun Semester (vgl. § 3 Abs. 3 HmbJAG) und ist damit
deutlich länger als die üblichen Bachelorstudiengänge. Der Inhalt und die Struktur dieses Studiengangs sind
durch §§ 5, 5 a DRiG im Wesentlichen bundesweit vorgegeben. Ein Wechsel zum höheren Fachsemester und
insbesondere ins Hauptstudium bei der Antragsgegnerin dürfte fachlich von jeder anderen deutschen
Universität aus problemlos möglich sein; an der anderen Hochschule erbrachte Studienleistungen werden ohne
weiteres anerkannt (vgl. § 17 Abs. 1 und 3 der Studienordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der
Antragsgegnerin vom 17.4.2007 und § 13 Abs. 3 Satz 3 und 4 der Zwischenprüfungsordnung dieser Fakultät
vom 7.11.2007). Punktuelle Unterschiede zwischen den Hochschulen gibt es zwar bei der jeweiligen
Schwerpunktbereichsausbildung. Den Antragstellern soll jedoch nicht zugemutet werden, auch noch diese
Ausbildung bei einer anderen deutschen Hochschule zu absolvieren; das Beschwerdegericht geht vielmehr
davon aus, dass die Antragsteller, die ihr Studium der Rechtswissenschaft an einer anderen deutschen
Hochschule begonnen haben, einen ggf. vorhandenen Zulassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin noch
vor Beginn der Schwerpunktbereichsausbildung realisieren können. Diese Annahme ist realistisch, weil die
Schwerpunktbereichsausbildung bei der Antragsgegnerin erst mit dem sechsten Semester beginnt (§ 4 Abs. 4
der Studienordnung). Hinzu kommt, dass bei der Antragsgegnerin für den Studiengang Rechtswissenschaft
auch für höhere Semester ein neues reguläres Zulassungsverfahren mit neuen Zulassungszahlen stattfindet
(zum WS 2013/2014 und zum Sommersemester 2014: jeweils 35, vgl. die Verordnung über
Zulassungsbeschränkungen und Zulassungszahlen für die Antragsgegnerin v. 12.7.2013, HmbGVBl. S. 324 –
VO ZZ 2013/2014 -) und sich dadurch jedes Semester neue Zulassungschancen eröffnen. Sollte also ein
Antragsteller zunächst das Studium an einer anderen deutschen Hochschule aufnehmen und sich etwa bis zu
seinem Abschluss des Grundstudiums mit der Zwischenprüfung noch kein rechtskräftiges Obsiegen im
Hauptsacheverfahren ergeben haben, kann er bei der Antragsgegnerin zum Hauptstudium erneut seine
Zulassung beantragen. Sollte auch diese ihm aus Kapazitätsgründen versagt werden, dürfte es geboten sein,
in dieser Situation für den Wechsel zum nun angestrebten höheren Fachsemester das Vorliegen eines
Anordnungsgrunds zu bejahen, falls sich in seinem anhängigen Hauptsacheverfahren (auf Zulassung zum
Studium in die Kohorte der seinerzeitigen Studienanfänger) keine baldige rechtskräftige Klärung zu seinen
Gunsten abzeichnet.
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die bundesweit einheitliche Struktur dieses Studiengangs mit
der problemlosen Anerkennung der anderweitig erbrachten Studienleistungen dazu führen dürfte, dass
gegenüber Studienanfängern eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes noch nicht dazu führt, dass
wesentliche Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit einer späteren Fortsetzung des Studiums bei der
Antragsgegnerin entstehen müssten, die im Falle des Obsiegens im Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt
werden könnten.
dd) Zur Abgrenzung und Klarstellung im Hinblick auf künftige Verfahren weist das Beschwerdegericht allerdings
darauf hin, dass es ihm in Verfahren nach § 123 VwGO, die auf eine vorläufige Zulassung zu einem Bachelor-
und Masterstudiengang gerichtet sind, als zweifelhaft erscheint, bei einer beschränkungsfreien
Zulassungsmöglichkeit an einer anderen deutschen Hochschule zu einem solchen Studium mit gleichem
Abschluss das Vorliegen des Anordnungsgrundes daran zu knüpfen, dass der jeweilige Antragsteller eine
besondere persönliche Bindung an den Wunschstudienort glaubhaft macht (anders wohl OVG Münster, Beschl.
v. 21.1.2010, a. a. O.). Denn im Gegensatz zum Studiengang Rechtswissenschaft spricht bei Bachelor- und
Masterstudiengängen in der Regel wenig dafür, dass das betreffende Studium lang genug ist, um nach einem
rechtskräftigen Erfolg im Hauptsacheverfahren einen Quereinstieg bei der Wunschhochschule unter
Anerkennung der bei der anderen Hochschule erbrachten Studienleistungen zu ermöglichen, und dass dies
auch in fachlicher Hinsicht möglich ist, weil sich die Studiengänge an beiden Hochschulen strukturell ähnlich
sind und die Studienordnung an der Wunschhochschule die Möglichkeit des Quereinstiegs bzw. die
Anerkennung anderweitig erbrachter Studienleistungen mit klarer Anerkennungsperspektive vorsieht.
(1) Das Bachelorstudium hat in den meisten Fällen eine Regelstudienzeit von nur sechs Semestern. Eine
Vergleichbarkeit der Studiengangsinhalte bei den deutschen Hochschulen dürfte schwerer zu beurteilen sein
und sich jedenfalls nicht in vergleichbarem Maße aufdrängen wie im Studiengang Rechtswissenschaft, weil es
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bei Bachelorstudiengängen in der Regel keine bundesrechtlichen Vorgaben für die Studieninhalte gibt und die
Hochschulen sich häufig bemühen werden, im Sinne von Alleinstellungsmerkmalen eigene Strukturen und
Ausbildungsinhalte zu entwickeln. Auch die Anerkennungsperspektive bei hamburgischen Hochschulen für
Studienleistungen, die an anderen Hochschulen erbracht worden sind, ist weniger klar. § 40 Abs. 1 HmbHG
schreibt die Anerkennung auswärtiger Studien- und Prüfungsleistungen vor, „sofern keine wesentlichen
Unterschiede zwischen den erworbenen und den an der aufnehmenden Hochschule zu erwerbenden
Kenntnissen und Fähigkeiten bestehen“. Ob solche „wesentlichen Unterschiede“ bestehen, dürfte von den
jeweiligen Inhalten der Studiengänge abhängen. Inwiefern nach den jeweiligen Prüfungs- und Studienordnungen
bzw. fachspezifischen Bestimmungen und den dazu erstellten Modulbeschreibungen bei den einzelnen
Studiengängen an den hamburgischen Hochschulen ein Quereinstieg möglich bzw. praktikabel ist, dürfte nur
nach einer (häufig aufwändigen) Einzelfallprüfung mit Vergleich der fachspezifischen Bestimmungen bzw. der
Prüfungs- und Studienordnungen und der Modulbeschreibungen beider Hochschulen (der auswärtigen und der
hamburgischen) möglich sein.
Zum Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre (BWL/B.Sc.) etwa sieht die Prüfungsordnung des
Departments Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der
Antragsgegnerin für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ vom 20. September 2006 (Amtl.
Anz. 2006 S. 2959, mit späteren Änderungen) in § 8 Abs. 1 vor, dass Studienzeiten sowie Studien- und
Prüfungsleistungen an einer Universität anerkannt werden, soweit die Gleichwertigkeit gegeben ist (Satz 1).
Gleichwertigkeit ist gegeben, wenn sie nach Art, Inhalt und Umfang den Anforderungen des jeweiligen
Bachelorstudiengangs im Wesentlichen entsprechen (Satz 2). „Dabei wird kein schematischer Vergleich,
sondern eine Gesamtbetrachtung und Gesamtbewertung vorgenommen“ (Satz 3). Eine Anerkennung mit
Auflagen ist möglich (Satz 4). Absatz 4 bestimmt: Werden Prüfungsleistungen angerechnet, sind die Noten –
soweit die Notensysteme vergleichbar sind – zu übernehmen und in die Abschlussnote einzubeziehen. Bei
nicht vergleichbaren Notensystemen wird die Prüfungsleistung mit „bestanden“ ausgewiesen. Nach Absatz 5
entscheidet über die Anrechnung der Vorsitzende des Prüfungsausschusses auf Antrag des Studierenden.
Absatz 6 bestimmt schließlich: „Die Anrechnung kann teilweise versagt werden, wenn mehr als die Hälfte der
Modulprüfungen oder die Bachelorarbeit anerkannt werden soll. Näheres regeln die Fachspezifischen
Bestimmungen.“
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass bei Bachelorstudiengängen ein Wechsel der Hochschule mit Quereinstieg im
höheren Semester nicht selbstverständlich problemlos möglich ist, sondern im Einzelfall zu Schwierigkeiten
und Zeitverzögerungen (etwa bei Entscheidungen über die Anerkennung der andernorts erbrachten Leistungen)
führen kann. Wie einfach oder wie schwierig ein solcher Übergang bei allen möglichen Bachelorstudiengängen
wäre, dürfte nicht ohne weiteres zu prognostizieren sein und könnte (wie bemerkt) zu aufwändigen Prüfungen
führen, die die Antragsteller überfordern und den Rahmen des Anordnungsgrundes sprengen würden. Dem
entsprechen die von der Antragsgegnerin bekannt gegebenen „Hinweise zum Studienortswechsel“
(http://www.uni-hamburg.de/campuscenter/bewerbung/fachwechsel-ortswechsel.html, dort weiter unter dem
download „Hinweise zum Studienortwechsel (PDF)"). Dort heißt es auf Seite 4: „Wenn Sie aber an der
Universität Hamburg ihr Studium beenden wollen, müssen Sie sich um die Anerkennung aller auswärtigen
Studienleistungen kümmern; im Einzelfall kann dies auch bedeuten, Scheine/Module nachmachen zu müssen.“
Im Übrigen sind die vorstehend beschriebenen Schwierigkeiten insofern nachvollziehbar, als das „Bologna“-
System nicht zuletzt darauf beruht, dass vom ersten Semester an Studien- und Prüfungsleistungen erbracht
werden, die mit der jeweiligen Note und der jeweiligen Zahl an „Creditpoints“ in die Gesamtnote des Studiums
eingehen, und es daher einleuchtet, dass die Hochschulen mit der Anerkennung von andernorts erbrachten
Leistungen vorsichtiger sind. All das unterscheidet diese Studiengänge erheblich von denjenigen mit dem
Abschluss der Staatsprüfung (oder mehreren Staatsprüfungen) und einem bundesrechtlich weitgehend
vorgegebenen Studien- und Prüfungsinhalt, in denen sich die Abschluss- oder Gesamtnote erst aus der
abschließenden Staatsprüfung ergibt.
(2) Für die Masterstudiengänge gelten die vorstehenden Bedenken erst recht. Diese Studiengänge dürften noch
spezieller und noch mehr von dem Bemühen der Hochschulen um Alleinstellungsmerkmale geprägt sein, als
dies bereits bei Bachelorstudiengängen der Fall ist. Direkt ausgeschlossen ist ein Quereinstieg ins höhere
Fachsemester eines Masterstudiums zwar nicht unbedingt; so enthält etwa die Prüfungsordnung der Fakultät
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss Master of Science (M.Sc.) vom 4.
Februar 2009 (Amtl. Anz. 2009 S. 606) in § 8 wörtlich die gleiche Anerkennungsregelung wie die oben
wiedergegebene Bestimmung in der Prüfungsordnung der Fakultät für Studiengänge mit dem Abschluss
„B.Sc.“. Gleichwohl ist ein solcher Quereinstieg ohne Zeit- und Reibungsverluste bei Masterstudiengängen
praktisch allenfalls ausnahmsweise vorstellbar. Hinzu kommt, dass diese Studiengänge höchstens zwei Jahre
dauern, was einen Quereinstieg unter zumutbaren Bedingungen nach einem Erfolg im Hauptsacheverfahren
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noch unwahrscheinlicher macht.
Dem entspricht es, dass die Antragsgegnerin Quereinstiege in Masterstudiengänge nicht einzuplanen scheint.
So richten sich ihre o. g. „Hinweise zum Studienortwechsel“ erklärtermaßen nicht an Studierende von
Masterstudiengängen. Auch an anderer Stelle definiert die Antragsgegnerin allein denjenigen als
Studienortwechsler, der entweder in den Studiengängen Rechtswissenschaft, Evangelische Theologie,
Althebraistik, Pharmazie, Lebensmittelchemie, Medizin oder Zahnmedizin nach Anerkennung des anderweitig
absolvierten Grundstudiums an der Universität das Hauptstudium aufnehmen oder der hier in einem
Bachelorstudiengang im höheren Fachsemester weiterstudieren will; Studierende von Masterstudiengängen
werden dort ebenfalls nicht angesprochen (http://www.uni-hamburg.de/campuscenter/bewerbung/fachwechsel-
ortswechsel.html). All dem entspricht es, dass kaum ein Masterstudiengang ersichtlich ist, für den hinsichtlich
der Zulassung zum höheren Semester nicht die Zulassungszahl „0“ festgesetzt ist (vgl. die VO ZZ 2013/2014,
a. a. O.).
4. Der Antragsteller hat, wie die Antragsgegnerin zutreffend vorträgt, keine besonderen persönlichen Bindungen
an den Studienort Hamburg glaubhaft gemacht.
Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts ist in dem Sinne an die Grundsätze der Stiftung für
Hochschulzulassung für die bevorzugte Berücksichtigung des ersten Studienortwunsches im Rahmen der
Wartezeitquote bei Studiengängen des zentralen Vergabeverfahrens anzuknüpfen, dass sie Anhaltspunkte für
eine besondere Ortsbindung vermitteln (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 1.6.2012, 3 Nc 51/11; Beschl. v.
4.4.2012, a. a. O., juris Rn. 77; Beschl. v. 19.7.2011, 3 Nc 116/10). Dort sind verschiedene Fallgruppen
(gesundheitliche, familiäre, wirtschaftliche Gründe, Gründe des besonderen öffentlichen Interesses und
sonstige Gründe, vgl. das Heft von hochschulstart.de zum Sommersemester 2013, S. 45/46) beschrieben, in
denen eine besondere Bindung der Bewerber an einen bestimmten Studienort anzunehmen ist.
Derartige oder ansonsten vergleichbare Bindungen an den Studienort Hamburg sind bei dem Antragsteller
weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Somit ist in seinem Fall der nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche
Anordnungsgrund nicht gegeben. Es kann für den Antragsteller auch keine Überraschungsentscheidung
darstellen, dass das Beschwerdegericht hier diesen Maßstab anlegt, nach dem es dies bereits mit seinem o. g.
Beschluss vom 4. April 2012 (a. a. O., juris Rn. 80) für diejenigen hochschulzulassungs-rechtlichen
Eilverfahren in Aussicht gestellt hatte, die sich auf die Rechtsverhältnisse ab dem Wintersemester 2012/2013
beziehen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung für
das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.