Urteil des OLG Frankfurt vom 05.05.2000

OLG Frankfurt: sicherheitsleistung, vorverfahren, vollstreckbarkeit, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, kauf, quelle, irrtum, zwangsvollstreckung, dokumentation

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Gericht:
OLG Frankfurt 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 W 95/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 276 Abs 1 S 1 ZPO, § 276
Abs 2 ZPO, § 331 Abs 3 S 1
ZPO, § 719 Abs 1 S 2 ZPO
(Schriftliches Vorverfahren: Maßgeblicher Zeitpunkt für
eine rechtzeitige Verteidigungsanzeige)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer
des Landgerichts Darmstadt vom 29. März 2000 wird kostenpflichtig (§ 97 Abs. 1
ZPO) als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 180.000,00 DM
Gründe
Nachträgliche Entscheidungen des Prozeßgerichts im Zusammenhang mit der
vorläufigen Vollstreckbarkeit eines von ihm erlassenen Urteils sind nicht
anfechtbar (§§ 719 Abs.1, 707 Abs.2 S.2 ZPO), das heißt: ein Rechtsmittel
dagegen ist nicht statthaft. Eine gleichwohl erhobene sofortige Beschwerde des
vorläufig vollstreckbar verurteilten Beklagten ist folglich unzulässig und muß
deshalb verworfen werden.
Ein außerordentliches Rechtsmittel, wie es - praeter legem - von der
Rechtsprechung in solchen Ausnahmefällen zugebilligt wird, in denen die formal
nicht mehr angreifbare Entscheidung auf einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit
beruht, die eine dem Gesetz völlig fremde Regelung enthält, kann im vorliegenden
Fall nicht eingeräumt werden; denn die Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen
nur gegen Sicherheitsleistung anstatt ohne Erbringung einer solchen ist dem
Gesetz nicht fremd. Die Gestattung der vorläufigen Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung mag rechtsfehlerhaft sein, wenn eigentlich auch eine
Einstellung ohne Sicherheitsleistung in Betracht kommt und das Prozeßgericht bei
zutreffender Ausübung seines Ermessens (vgl. § 707 Abs. 1 S. 1: "... kann das
Gericht ... anordnen".) so hätte erkennen können. Lediglich rechtsfehlerhafte
Entscheidungen eröffnen aber nicht einen gesetzlich nicht vorgesehenen
Rechtsbehelf (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1993, 798), sondern werden vom
Gesetzgeber in Kauf genommen, weil Irrtum menschlich ist und deshalb auch
Gerichten unterlaufen kann.
Es wäre allerdings nach Auffassung des Senats angesichts des klaren
Gesetzeswortlauts, der in § 276 Abs.1 S.1 ZPO bei der unter eine Notfrist
gestellten Absichtserklärung, sich gegen die Klage zur Wehr setzen zu wollen,
ausdrücklich bestimmt, daß die entsprechende Anzeige "dem Gericht" und gerade
nicht der Geschäftsstelle des zuständigen Spruchkörpers gegenüber erfolgen muß
(vgl. MK-Prütting, ZPO, 1.Aufl. 1992, § 276 Rn 24, insbes. § 331 Rn 45 und Fußnote
14 hierzu; Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 21.Aufl. 1998, § 331 Rn 45; Zöller-Greger,
ZPO, 21.Aufl. 1999, § 276 Rn 10), richtig gewesen, die Vollstreckung ohne
Sicherheitsleistung einzustellen (vgl. § 719 Abs.1 S. 2 ZPO).
Der Senat vermag in dieser Frage der entgegenstehenden Auffassung (vgl. KG
MDR 89,1003; Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 58.Aufl. 2000, § 331 Rn 17),
wonach die Erklärung der Verteidigungsabsicht rechtzeitig bei der Geschäftsstelle
des mit der Sache befaßten Spruchkörpers eingegangen sein müsse, um
beachtlich zu sein, nicht zu folgen. Diese Ansicht mag Praktikabilitätsgründe für
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beachtlich zu sein, nicht zu folgen. Diese Ansicht mag Praktikabilitätsgründe für
sich haben, wird aber vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt (vgl. MK-Prütting,
a.a.0.) und belastet den Rechtsuchenden unangemessen mit den für ihn nicht
beherrschbaren Interna der Behördenorganisation. Eine Partei, die einen
Schriftsatz fristgerecht, aber außerhalb der Öffnungszeiten des Gerichts dort
angebracht hat, kann keinen Einfluß darauf nehmen, daß und wann dieser
Schriftsatz bei der Geschäftsstelle des zuständigen Spruchkörpers eingeht.
In der nicht statthaften sofortigen Beschwerde des Beklagten kann ein rechtlich
möglicher, an das Landgericht gerichteter Antrag auf Abänderung des die
Einstellung der Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung
aussprechenden Beschlusses des Landgerichts zu sehen sein, der alsdann vom
Landgericht zu bescheiden wäre.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.