Urteil des OLG Frankfurt vom 07.11.2001

OLG Frankfurt: besondere gefahr, fahrbahn, fahrstreifen, ampel, fahrzeugverkehr, fahrzeugführer, gebühr, fahrspur, fahrverbot, form

1
2
3
Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Senat für
Bußgeldsachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ws (B) 391/01
OWiG
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 25 Abs 1 S 1 StVG, § 37 Abs
2 S 2 Nr 1 S 7 StVO, § 49 Abs
3 Nr 2 StVO, § 1 Abs 1 Anl 1
Nr 34.2 BKatV, § 2 Abs 1 Nr 4
BKatV
(Qualifizierter Rotlichtverstoß bei unberechtigtem Benutzen
eines Sonderfahrstreifens: Unterschreitung der
Regelgeldbuße und Absehen von der Verhängung eines
Regelfahrverbots)
Leitsatz
Für Fahrzeugführer, die einen Sonderstreifen (Busspur) unberechtigt benutzen, gelten
die Lichtzeichen für den allgemeinen Fahrzeugverkehr auf den übrigen Fahrstreifen
(Rotlichtverstoß).
Tenor
Das Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße von 100,-- DM festgesetzt. Im übrigen
wird die Rechtsbeschwerde verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und ¼ seiner
notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Gebühr wird um ¾ ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen
werden zu ¾ der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Das Amtsgericht Frankfurt a.M. verurteilte den Betroffenen wegen Missachtung
des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage, wobei die Rotphase bereits länger als eine
Sekunde gedauert habe, begangen am 19.11.2000 gegen 00.05 Uhr in der D. Lstr.
in F. a.M. in Höhe der Hausnummer .., durch Urteil vom 14.5.2001 zu einer
Geldbuße von 250,- DM und einem Fahrverbot von einem Monat Dauer. Hiergegen
richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete
Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts
rügt.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
Hinsichtlich des Schuldspruchs ist die Rechtsbeschwerde entsprechend den
Ausführungen der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. in
ihrer Stellungnahme vom 15.10.2001, welcher der Senat insoweit folgt,
offensichtlich unbegründet (§§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
Insbesondere ist die Annahme des Amtsgerichts, der Betroffene habe durch das
Umgehen des Rotlichts der allgemeinen Fahrbahn mittels unbefugten Benutzens
der Busspur einen Rotlichtverstoß gemäß den §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7, 49 Abs. 3 Nr.
2 StVO begangen, nicht zu beanstanden. Es liegt nicht lediglich ein Verstoß gegen
das Gebot der Fahrbahnbenutzung gemäß den §§ 41 Abs. 2 Nr. 5, 49 Abs. 3 Nr. 4
StVO vor. Der Betroffene hatte das Rotlicht zu beachten, obwohl er die Fahrspur,
welche das Rotlicht betraf, gar nicht benutzte. Für ihn galt nicht statt dessen die
4
5
welche das Rotlicht betraf, gar nicht benutzte. Für ihn galt nicht statt dessen die
Lichtzeichenregelung des Sonderfahrstreifens. Für Fahrzeugführer, die den
Sonderfahrstreifen unberechtigt benutzen, gelten die Lichtzeichen für den
allgemeinen Fahrzeugverkehr auf den übrigen Fahrstreifen (vgl. OLG Hamburg,
VRS 100, 205 ff.). Denn die besonderen Lichtzeichen auf dem Sonderfahrstreifen
sind nach § 37 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 StVO nicht bestimmten Fahrstreifen, sondern
bestimmten Fahrzeugen, nämlich hier den Linienbussen, zugeordnet (vgl.
Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001, § 37 StVO, Rdnr. 56).
Dementsprechend begeht einen Rotlichtverstoß, wer mit seinem Pkw eine
Rotlichtampel bewusst und gezielt umfährt, um hinter ihr - trotz andauernden
Rotlichts noch innerhalb des durch die Ampel geschützten Bereichs - wieder auf
die Fahrbahn zurückzuwechseln (vgl. BayObLG, NZV 1994, 80; OLG Karlsruhe, NZV
1989, 58; OLG Köln, VRS 61, 291 f., jeweils m.w.N.). Der Rechtsfolgenausspruch
hält hingegen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen
des Amtsgerichts lag ein sogenannter qualifizierter Rotlichtverstoß, welcher die
Erhöhung der Geldbuße auf 250,- DM und die Verhängung eines Fahrverbots
rechtfertigen würde, nicht vor. Das Amtsgericht ist ersichtlich von einem Regelfall
nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 BKatV in Verbindung mit Nr. 34.2 der Anlage zu § 1 Abs. 1
der BKatV ausgegangen und hat die entsprechenden Rechtsfolgen verhängt, da es
angenommen hat, daß die Rotphase der Lichtzeichenanlage schon länger als eine
Sekunde andauerte. Diese Annahme ist bereits durch die getroffenen
Feststellungen nicht gedeckt. Das Amtsgericht hat die Zeitdauer von mehr als
einer Sekunde allein daraus geschlossen, daß vor dem Rotlicht mindestens ein
Pkw gestanden habe. Dieser Schluß ist allerdings keineswegs zwingend. Er hätte
vielmehr Feststellungen dazu vorausgesetzt, in welcher Phase der Ampelschaltung
der Anhaltevorgang dieses Pkw begonnen und geendet hatte, und gegebenenfalls
eine nachvollziehbare Schätzung, wie lange der Pkw bereits stand, als der
Betroffene seinerseits die Haltelinie passierte. Anderenfalls ist es denkbar, daß der
Fahrer des anderen Pkw den Anhaltevorgang bereits bei Gelblicht einleitete, so
daß der bis zum Anhalten benötigte Zeitraum nur teilweise oder sogar überhaupt
nicht in die Rotphase der Lichtzeichenanlage fiel und die gezogene
Schlussfolgerung damit nicht mehr gerechtfertigt ist.
Darüber hinaus stand der Verkehrsverstoß des Betroffenen aufgrund der
besonderen tatsächlichen Umstände dem Regelfall eines Rotlichtverstoßes gemäß
§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO im Sinne der Nr. 34.2 BKat nicht gleich, so daß eine
Abweichung von der gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 BKatV von gewöhnlichen
Tatumständen ausgehenden Regelbuße und ein Absehen von der Verhängung
eines Fahrverbots geboten waren. Nr. 34.2 BKat soll eine schärfere Ahndung
besonders schwerwiegender Rotlichtverstöße erlauben. Die Missachtung eines
Wechsellichtzeichens, obwohl die Rotphase bereits länger als eine Sekunde
andauert, ist nach der amtlichen Begründung (VkBl 1991, 702, 704) als gefährlich
anzusehen, weil sich der Querverkehr - insbesondere auch Fußgänger - nach
dieser Zeit bereits in dem Bereich der durch Rotlicht ge- sperrten Fahrbahn
befinden kann. Die besondere Gefahr liegt also regelmäßig darin, daß die Ampel
von dem Betroffenen in Fahrt passiert wird und eine besondere Beobachtung des
Quer- und Fußgängerverkehrs nicht stattfindet (vgl. KG, NZV 1994, 238 f.; OLG
Oldenburg, NZV 1995, 119; OLG Düsseldorf, NZV 1996, 39 f.). Eine abstrakte
Gefährdung des Querverkehrs und von Fußgängern war hier aber ausgeschlossen,
weil die Lichtzeichenanlage für den Linienbusverkehr, nach welcher der Betroffene
sich gerichtet hatte, die Fahrt für den Busverkehr freigegeben hatte. Daraus ergibt
sich, daß Querverkehr zu diesem Zeitpunkt in die Kreuzung gar nicht einfahren
und querende Fußgänger die Fahrbahn nicht betreten durften. Feststellungen zu
dem Vorhandensein etwaigen Querverkehrs waren für diese Annahme nicht
erforderlich.
Der Betroffene hat damit nicht grob pflichtwidrig im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1
StVG gehandelt. Sein Fehlverhalten ist nicht auf besonders groben Leichtsinn,
grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückzuführen; es lässt nicht erkennen,
daß der Verstoß auf eine besonders zu missbilligende innere Einstellung zu den
Verkehrspflichten zurückgeht. Eine Zurückverweisung der Sache an das
Amtsgericht war nicht erforderlich, da weitere Feststellungen nicht getroffen
werden müssen. Vielmehr konnte der Senat auf der Grundlage der getroffenen
Feststellungen selbst über die Rechtsfolgen entscheiden (§ 79 Abs. 6 OWiG). Bei
Abwägung der Tatumstände erscheint neben dem Wegfall des Fahrverbots die
Herabsetzung der Geldbuße auf 100,- DM entsprechend Nr. 34 BKat als
angemessen. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 79 Abs. 3
S. 1 OWiG, 473 Abs. 4 StPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.