Urteil des OLG Frankfurt vom 26.05.2009

OLG Frankfurt: urkunde, auszahlung, darlehensvertrag, lebensversicherungsvertrag, zwangsvollstreckung, eigentumswohnung, erwerb, kaufpreis, rückzahlung, werklieferungsvertrag

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Gericht:
OLG Frankfurt 14.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 U 71/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Anmerkung
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom
10.04.2008 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das vorgenannte Urteil teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. dem Kläger die Ansprüche aus dem A-Lebensversicherungsvertrag Nr. …
rückabzutreten,
2. an den Kläger 10.947,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2006 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug hat die Beklagte zu tragen.
Von den Kosten des 2. Rechtszugs haben die Beklagte 53 %, der Kläger 47 %
zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger hat sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde
gewandt, die beklagte Bank begehrt im Wege der Hilfswiderklage die Rückzahlung
eines Darlehens. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger und seine Ehefrau wurden am 23. Dezember 1995 von einem
Vermittler geworben, im Rahmen eines steuersparenden Bauträger- und
Treuhandmodells eine Eigentumswohnung in einer noch nicht fertiggestellten
Wohnanlage in Stadt1, …- Straße, zu erwerben. Der Vermittler war für eine
Gesellschaft tätig, die damals in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, deren
Finanzierung über die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden: Beklagte)
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Finanzierung über die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden: Beklagte)
abgewickelt wurde. Die Wohnanlage war von einer Bauträgergesellschaft geplant
und errichtet worden mit dem Ziel, die 203 Wohneinheiten an Anleger zu
veräußern. Die Finanzierung des Bauvorhabens hatte die Beklagte übernommen,
die dann über ihre Filiale ... auch den Erwerb der einzelnen Wohneinheiten
finanzierte.
Entsprechend dem Anlagekonzept, das für die Vorbereitung einschließlich der
Finanzierung und die Durchführung des Erwerbs sowie die anschließende
Vermietung die Vertretung der Erwerber durch einen Abwicklungsbeauftragten
vorsah, unterbreiteten der Kläger und seine Ehefrau der B ... mbH mit Sitz in
Stadt1 (im folgenden Geschäftsbesorgerin) am 27.12.1995 ein notarielles Angebot
auf Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages zum Erwerb der
Eigentumswohnung. Zugleich erteilten sie der Geschäftsbesorgerin, die über eine
Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht verfügte, eine umfassende
Vollmacht, sie bei der Vorbereitung, Durchführung und gegebenenfalls
Rückabwicklung des Erwerbs zu vertreten. Unter anderem sollte die
Geschäftsbesorgerin den Kaufvertrag und die Darlehensverträge abschließen.
Zudem war sie zur Bestellung der dinglichen und persönlichen Sicherheiten befugt.
Der kalkulierte Gesamtaufwand für das Kaufobjekt war mit 166.556,00 DM
ausgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urkunde vom 27.12.1995,
Anlage K 3 zur Klageschrift (Band I Blatt 46 ff. d.A.) Bezug genommen. Die
Geschäftsbesorgerin nahm das Angebot am 28.12.1995 an und schloss am
27.12.1995 im Namen des Klägers und seiner Ehefrau einen Darlehensvertrag mit
der Beklagten über einen Nettokredit von 129.507,00 DM.
Der Kläger und seine Ehefrau traten der Beklagten jeweils die Ansprüche aus
einem Lebensversicherungsvertrag ab, bei dessen Fälligkeit das Darlehen abgelöst
werden sollte, und zahlten darauf nur die laufenden Zinsen, in den Jahren 2002,
2003 und 2004 je 4.105,55 € (Band VI Blatt 169 ff. d.A.). Der Beklagten lag bei
Abschluss des Darlehensvertrages eine Ausfertigung der die Geschäftsbesorgerin
als Vertreterin des Klägers und seiner Ehefrau ausweisenden notariellen
Vollmachtsurkunde nicht vor.
Die Geschäftsbesorgerin erwarb sodann namens des Klägers und seiner Ehefrau
mit notariellem Kauf- und Werklieferungsvertrag vom 29.12.1995 (Band I Blatt 31
ff.d.A.) die Eigentumswohnung … mit einer Wohnfläche von 25,48 qm mit
Tiefgaragenstellplatz für einen Kaufpreis von 129.447 DM von der Bauträgerin. Sie
übernahm namens der Vertretenen aus der zugunsten der Beklagten
eingetragenen Grundschuld von 40.661.000 DM einen Teilbetrag in Höhe von
166.556 DM sowie die persönliche Haftung für einen Betrag in dieser Höhe nebst
16% Jahreszinsen und unterwarf sie wegen der Zahlungsverpflichtung der
sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Die Darlehensvaluta,
insgesamt 66.215,87 €, wurde von der Beklagten entsprechend dem Baufortschritt
auf Anweisung der Geschäftsbesorgerin teilweise auf ein von der
Geschäftsbesorgerin für den Kläger bei der Beklagten eingerichtetes Konto,
teilweise an die Geschäftsbesorgerin und teilweise direkt an die Verkäuferin
ausbezahlt (Überweisungsanweisungen Band II Blatt 65 ff. d.A.).
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe mit dem Vertrieb und der
Geschäftsbesorgerin, die die Immobilienanlage mit Wissen der Beklagten selbst
initiiert und konzipiert habe, institutionalisiert und kollusiv in der Absicht, die
Darlehensnehmer arglistig zu täuschen, zusammengewirkt, deshalb den evidenten
Missbrauch der Vollmacht durch die Geschäftsbesorgerin, die als auf der anderen
Seite des Geschäfts Stehende die Interessen des Klägers nicht treuhänderisch
habe wahrnehmen können, gekannt und für sich ausgenutzt und könne sich
deshalb nicht darauf berufen, auf die wegen Verstoßes des
Geschäftsbesorgungsvertrages gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtige
Vollmacht vertraut zu haben
Vor Vertriebsbeginn seien zwischen der Geschäftsbesorgerin und der Beklagten
die Bedingungen der Enderwerberfinanzierung ausgehandelt worden und die
Geschäftsbesorgerin habe mit der Beklagten vereinbart, dass ausschließlich diese
den Erwerb jedes Käufers zu den ausgehandelten Bedingungen finanzieren dürfe.
Sie habe mit Wissen und Einverständnis der Beklagten sinn- und wertlose
Provisionen und Gebühren auf die Bauträgerabgabepreise aufkalkuliert und mit
Hilfe der unwiderruflichen Vollmacht an die Beklagte, den Vertrieb und die
Funktionsträger verteilt. Deshalb sei die vom Kläger erworbene Wohnung mehr als
doppelt überteuert gewesen. Etwa zur Hälfte, nämlich in Höhe von 73.413,39 DM,
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doppelt überteuert gewesen. Etwa zur Hälfte, nämlich in Höhe von 73.413,39 DM,
habe es sich um Zahlungen auf Gebühren und Provisionen gehandelt. Der
ausgewiesene Kaufpreis habe eine versteckte Innenprovision von 18,4 % =
30.646,30 DM = 32,9 % des um die Provisionen und Gebühren bereinigten
Kaufpreises enthalten. Dem Kläger und seiner Ehefrau sei nur eine Außenprovision
von 3 % offengelegt worden. Dadurch sei ihnen ein Schaden in Höhe von
34.310,53 DM entstanden. Die garantierte Miete sei doppelt so hoch wie die am
Markt erzielbare. Nach dem Mietspiegel seien in Stadt1 1996 qm-Preise zwischen
10 und 17 DM in mittlerer Wohnlage mit mittlerer Ausstattung zu erzielen
gewesen. Die realistische Kaltmiete für das absolut einfach ausgestattete Objekt
von 25,48 qm habe nur 305,76 DM (12 DM/qm) betragen. Der Wert solcher
Wohnungen habe damals dem 14- bis 17 fachen des Jahresnettomietertrages
entsprochen, so dass die Wohnung allenfalls 62.375,04 DM wert gewesen sei. Das
alles habe die Beklagte gewusst.
Die Beklagte habe das Darlehen nicht an den Kläger ausbezahlt. Es sei weder ihm
persönlich zugeflossen noch auf seine Weisung an einen Dritten ausbezahlt
worden.
Er habe von August 2001 bis März 2004 10.947,84 € Zinsen auf das Darlehen
geleistet.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars Dr. N1 aus Stadt1,
UR-Nr. … für 1995 vom 29. Dezember 1995 (Kauf- und Werklieferungsvertrag) für
unzulässig zu erklären,
2. festzustellen, dass der Darlehensvertrag der Parteien vom 27./29. Dezember
1995 unwirksam ist,
3. die Beklagte zu verurteilen, den zur Sicherung des Darlehensvertrages
abgetretenen Lebensversicherungsvertrag an den Kläger zurückabzutreten,
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.947,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Fall der Verurteilung,
den Kläger zu verurteilen, an sie 66.215,87 € nebst 6,2 % Zinsen aus 14.827,46 €
seit dem 28.3.1996, 6,2 % Zinsen aus 18.531,77 € seit dem 05.02.1997, 6,2 %
Zinsen aus 3.323,40 € seit dem 24.02.1997, 6,2 % Zinsen aus 18.551,77 € seit
dem 17.03.12997, 6,2 % Zinsen aus 6.949,48 € seit dem 30.07.1997 sowie 6,2 %
Zinsen aus 4.051,99 € seit dem 22.09.1997 zu zahlen.
Sie hat behauptet, mit (in ihren Akten nicht mehr auffindbarem) Schreiben vom
8.1.1996 habe die Geschäftsbesorgerin die Ausfertigung der von den Klägern
erteilten Vollmacht nachgereicht. Alle Auszahlungen seien nach diesem Zeitpunkt
auf Anweisung der Geschäftsbesorgerin erfolgt.
Die Wohnung sei zu marktgerechten Preisen veräußert worden.
Sie habe sich ausschließlich auf die Rolle als finanzierende Bank beschränkt und
sei in die Konzeption und den Vertrieb der Kapitalanlage nicht eingebunden
gewesen. Sie habe lediglich ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, nach jeweiliger
Bonitätsprüfung Enderwerber nach Maßgabe der bei Abschluss der einzelnen
Darlehensverträge herrschenden Marktverhältnisse zu finanzieren.
Das Landgericht hat Beweis zu der Frage erhoben, ob der Beklagten bei der
Anweisung zur Auszahlung der Darlehensvaluta eine Ausfertigung der
Vollmachtsurkunde vorgelegen hat. Es hat den Klageanträgen zu 1. und 2.
stattgegeben, den Klageantrag zu 3. als unzulässig und den Klageantrag zu 4. und
die Hilfswiderklage als unbegründet abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Geschäftsbesorgungsvertrag und die
Bevollmächtigung seien wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig.
Infolgedessen habe die Geschäftsbesorgerin den Kauf- und Werklieferungsvertrag
nicht für den Kläger und seine Ehefrau abschließen können und die in diesem
Vertrag erklärte Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung sei
unwirksam. Da auch der Darlehensvertrag unwirksam sei, weil der Beklagten bei
dessen Abschluss die Ausfertigung der Vollmacht nicht vorgelegen und sie deshalb
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dessen Abschluss die Ausfertigung der Vollmacht nicht vorgelegen und sie deshalb
auch auf die Wirksamkeit der Vollmacht nicht habe vertrauen können, ergebe sich
auch daraus keine Verpflichtung des Klägers, sich der sofortigen
Zwangsvollstreckung zu unterwerfen.
Mit dem Antrag zu 3. sei die Klage unzulässig, weil er nicht ausreichend bestimmt
sei. Der Antrag zu 2. sei unbegründet, weil der Kläger trotz eines entsprechenden
Hinweises die von der Beklagten bestrittenen Zinszahlungen nicht näher dargelegt
und unter Beweis gestellt habe.
Die Widerklage sei unbegründet, weil die Beklagte den ihr obliegenden Beweis,
dass eine Ausfertigung der Vollmachtsurkunde ihr bei Auszahlung der
Darlehensvaluta vorgelegen habe, nicht geführt habe. Aus den Unterlagen heraus
könne der Zugang nicht festgestellt werden. Weder die in den Händen der
Beklagten befindliche Ausfertigung der Urkunde noch das Übersendungsschreiben
trügen einen Eingangsstempel. Die Zeugin Z1 sei unsicher gewesen. Der Zeuge
Z2 habe zwar erklärt, er wisse, dass das Schreiben vom 8.1.1996 das Haus der B
... mbH verlassen habe. Das sei aber eine unzulässige Schlussfolgerung, weil er
nicht gewusst habe, wer es in den Postausgang gegeben habe. Dann könne er
auch nicht ausschließen, dass das Schreiben nicht vor der ersten Auszahlung in
den Postausgang gelangt sei. Soweit er darauf verwiesen habe, dass die Beklagte
in der Regel rückgefragt habe, wenn ein solches Schreiben nicht eingegangen sei,
folge daraus nicht, dass sie das uneingeschränkt immer getan habe.
Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Die Beklagte wendet sich (nur) gegen die Abweisung der Widerklage. Sie hält die
Beweisanforderungen des Landgerichts für überzogen. Hier lasse sich aus
konkreten Gesichtspunkten kein Zweifel ableiten. Jedenfalls dürfe nicht verlangt
werden, dass mögliche Zweifel mit Sicherheit ausgeschlossen seien. Alle
konkreten Umstände sprächen für einen regelmäßigen Ablauf. Die Beklagte habe
die Zahlungen angewiesen, die Ausfertigung der Vollmacht sei ihr zugegangen und
in den Akten der Geschäftsbesorgerin befinde sich die Kopie des
Übersendungsschreibens vom 8.1.1996. Ob dieses Übersendungsschreiben das
Haus der B ... mbH am 8. oder 9.01.1996 verlassen habe, könne dahinstehen, weil
die Postlaufzeit jedenfalls keine drei Monate betrage und der Zugang der Urkunde
feststehe, weil sie in deren Besitz sei.
Es widerspreche auch jeder Lebenserfahrung, dass die Urkunde bei Verfügung der
Auszahlungen nicht vorgelegen habe. Nach der Aussage der Zeugin Z1 sei es die
übliche Praxis aufgrund einer internen Weisung gewesen, nur bei vorliegender
Vollmacht auszuzahlen. Da das Original des Übersendungsschreibens nicht mehr
auffindbar sei, habe die Zeugin keine Gedächtnisstütze gehabt. Sie habe nur
allgemein Fehler nicht ausschließen können. Auch von dem Zeugen Z2 könne
nicht verlangt werden, dass er einen atypischen Geschehensverlauf ausschließe.
Aus konkreten Gesichtspunkten sei auch hier kein Zweifel ableitbar.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihrem im ersten Rechtszug zur
Hilfswiderklage gestellten Antrag zu erkennen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und
2. die Beklagte zu verurteilen,
a. ihm die Ansprüche aus dem A-Lebensversicherungsvertrag Nr. … über
ursprünglich 20.000 DM und aus dem A-Lebensversicherungsvertrag Nr. … über
ursprünglich 57.409 DM rückabzutreten,
b. an ihn 10.947,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger legt jetzt die Versicherungsscheine der der Beklagten abgetretenen
Lebensversicherungsverträge (Band VI Blatt 162 ff. d.A.) und drei Bescheinigungen
der Beklagten über in den Jahren 2002, 2003 und 2004 geleistete Zinszahlungen
von je 4.105,44 € vor (Band VI Blatt 169 ff. d.A.).
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Im übrigen verteidigt er das angefochtene Urteil. Ob der Beklagten überhaupt vor
Prozessbeginn eine Ausfertigung der Vollmacht vorgelegen habe, lasse sich nicht
feststellen. Trotz der behaupteten Weisung seien in zahlreichen Fällen
Darlehensverträge geschlossen, Konten eröffnet und Auszahlungen vorgenommen
worden, ohne dass der Beklagten eine Ausfertigung der Vollmacht vorgelegen
habe. Ein „übliches Vorgehen“ gebe es also nicht. Da die Beklagte angeblich keine
Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachten gehabt habe, sei es auch nicht
plausibel, dass sie strikt auf deren Vorlage geachtet haben wolle.
Er vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Beklagte keinen Vertrauensschutz in
Anspruch nehmen könne und wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag zum
kollusiven Zusammenwirken der Beklagten mit der Geschäftsbesorgerin als der
eigentlichen Initiatorin. Der Beklagten sei aus den jeweils vor Vertriebsbeginn
stattfindenden Gesprächen mit der Geschäftsbesorgerin im einzelnen bekannt
gewesen, welche Provisionen und Gebühren auf den eigentlichen Kaufpreis
aufkalkuliert worden seien, nämlich Bauzeitzinsen von 4,5 % des Kaufpreises und
Disagio, „Funktionsträgergebühren“ von insgesamt 21.748 €, die offengelegte
Maklerprovision von 3 % und die versteckte Innenprovision in Höhe von 18,4 %.
Der Beklagten sei auch bekannt gewesen, dass die zur schnellen Vermarktung
vorgegebene Mietrendite von 4 % am Markt nicht erzielbar, sondern subventioniert
gewesen sei. Der eigentliche Zweck dieser Kapitalanlagepakete sei das Generieren
von Provisionen und Gebühren für die Beklagte und ihren Vertrieb gewesen
Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Parteivorbringens wird auf die
Schriftsätze der Beklagten vom 18.06.2008 (Band VI Blatt 94 ff. d.A.), vom
31.08.2008 (Band VI Blatt 200 ff. d.A.), vom 30.03.2009 (Band VI Blatt 907 ff. d.A.)
und vom 19.05.2009 (Band VII Blatt 86 ff. d.A.) sowie auf die Schriftsätze des
Klägers vom 25.07.2008 (Band VI Blatt 143 ff. d.A.), vom 12.05.2009 (Band VII
Blatt 1 ff. d.A. und 45 ff.d.A.) und vom 19.05.2009 (Band VII Blatt 84 f. d.A.) mit
den dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.
II.
1. Berufung der Beklagten:
Die fristgerecht nach Zustellung des Urteils (21.04.2008) am 08.05.2008
eingelegte und am 19 06.2008 begründete Berufung ist zulässig (§§ 511, 513, 517,
519, 520 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Rückzahlung des
Darlehens aus § 607 BGB a.F.. Der Darlehensvertrag ist nichtig, weil der Beklagten
bei Vertragsschluss weder das Original noch eine Ausfertigung der notariellen
Vollmachtsurkunde vorlagen. Darüber besteht zwischen den Parteien auch kein
Streit.
Der Beklagten steht auch kein Anspruch gegen den Kläger aus ungerechtfertigter
Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB aufgrund der Auszahlung des
Darlehens zu, weil der Kläger die Darlehensvaluta durch die aufgrund der
Anweisungen der Geschäftsbesorgerin am 28.03.1996, 05.02.1997, 24.02.1997,
17.03.1997, 30.07 1997 und 22.09.1997 erfolgten Auszahlungen nicht erlangt hat.
Die von der Geschäftsbesorgerin vorgenommenen Verfügungen über die
Darlehensvaluta muss der Kläger sich nicht zurechnen lassen. Die Anweisung ist
ihm vorliegend nicht aufgrund eines von ihm wissentlich gesetzten Rechtsscheins
einer Vollmacht in entsprechender Anwendung der §§ 171 bis 173 BGB
zuzurechnen, weil die Beklagte nicht bewiesen hat, dass ihr bei Ausführung der
Zahlungsanweisung durch Überweisung auf die von der Geschäftsbesorgerin
angegebenen Konten eine Ausfertigung der notariell beglaubigten Vollmacht, die
der Kläger der Geschäftsbesorgerin erteilt hatte, vorlag (BGH, Urteil vom
27.05.2008, XI ZR 149/07). Als Gläubigerin des Bereicherungsanspruches trägt die
Beklagte die Beweislast dafür, dass der Kläger um das ausgezahlte Kapital
bereichert ist, wozu hier gehört, dass das Geld dem Kläger zugeflossen ist, was
wiederum voraussetzt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer
Rechtsscheinvollmacht bei den Auszahlungen vorgelegen haben.
Dass der Beklagten die Vollmachtsurkunde vor der Auszahlung der
Darlehensvaluta vorlag, ist jedoch nicht mit der für eine Überzeugungsbildung
erforderlichen Sicherheit festzustellen. Bei der Beweiswürdigung muss der Richter
davon überzeugt sein, dass auf der Grundlage eines Beweisergebnisses eine
Tatsache mit derart hoher Wahrscheinlichkeit festzustellen ist, dass Zweifeln
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Tatsache mit derart hoher Wahrscheinlichkeit festzustellen ist, dass Zweifeln
Schweigen geboten ist, ohne sie - in Anbetracht der allgemeinen Grenzen
menschlicher Erkenntnisfähigkeit - völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256;
BGHZ 61, 165, 169; BGH NJW 2000, 953, 954). Dabei muss der Richter nach seiner
Überzeugung und unter Beachtung der Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze den
gesamten Prozessstoff bewerten.
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweis, dass ihr zu den relevanten
Zeitpunkten eine Ausfertigung der Vollmacht vorgelegen hat, nicht geführt. Auf die
Aussage der Zeugin Z1, die erklärt hat, sie halte es für ausgeschlossen, dass die
Auszahlung erfolgt sei, ohne dass der Geschäftsbesorgungsvertrag mit Vollmacht
vorgelegen habe, weil es eine entsprechende Anweisung vom Leiter gegeben
habe, so dass in der Regel nicht ausgezahlt worden sei, wenn der
Geschäftsbesorgungsvertrag nicht vorgelegen habe, kann eine Überzeugung nicht
gestützt werden. Die Zeugin hatte keine konkrete Erinnerung mehr an den hier
streitigen Fall. Das kann angesichts der Dauer der seitdem vergangenen Zeit und
im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich für die Beklagte um ein Massengeschäft
handelte, allerdings auch nicht verlangt werden. Es dürfen insoweit keine unbilligen
oder übertriebenen Anforderungen gestellt werden (BGH NJW 1985, 1399 m.w.N.).
Andererseits ist der Schluss von einer allgemeinen Handhabung auf einen
konkreten Einzelfall nicht generell geboten, denn die Handlungsanweisung
beinhaltet noch nicht die Garantie, dass sie auch im konkreten Fall eingehalten
wurde. Zudem bestehen auch Zweifel an einer solchen Handlungsanweisung, denn
zwei Zeugen der Beklagten (von der Filiale ...) haben vor dem Landgericht Berlin
(Band V Blatt 18 ff. d.A.) ausgesagt, es habe keine spezielle Weisung gegeben,
dass bei Auszahlung die notarielle Vollmachtsausfertigung vorliegen musste, bzw.
eine weitere Anweisung, dass Vollmachtsausfertigungen noch vor
Darlehensauszahlung hätten vorliegen müssen, sei nicht bekannt. Demgegenüber
soll es in der Filiale ... eine entsprechende Anweisung vom Leiter gegeben haben.
Eine unterschiedliche Handhabung in den verschiedenen Filialen wäre aber
ungewöhnlich, weil die Vorgaben von der Rechtsabteilung der Beklagten in
München kamen. Da die Rechtsprechung des BGH zum Rechtsberatungsgesetz im
Jahr 1996 noch nicht existierte, war auch das Problembewusstsein für die
Bedeutung des Vorliegens der Vollmacht noch nicht vorhanden und es ist
durchaus denkbar, dass sich die Beklagte damals noch auf die auch hier ihr
vorliegende Notarbestätigung, dass die Vollmacht erteilt sei, verlassen hat. Selbst
wenn man aber davon ausgeht, dass es jedenfalls in der Filiale ... eine
entsprechende Handlungsanweisung gegeben hat, genügt die Bezeugung einer
allgemeinen Übung zum Nachweis der Vollmachtsvorlage vorliegend nicht, weil
Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass im konkreten Einzelfall die
Vollmachtsvorlage entgegen sonstiger Übung unterlassen wurde. Denn der
Darlehensvertrag wurde im „Jahresendgeschäft“ abgeschlossen und bei der
Annahme des Angebots auf das Vorliegen der Vollmacht verzichtet. Im weiteren
Verlauf kann dann – möglicherweise versehentlich – die Vollmacht aus dem Blick
geraten sein. Damit würde sich auch erklären, warum von der Beklagten keine
Rückfrage bei der B ... mbH kam. Es liegt hier auch kein „Hausbrief/Notiz“
(Checkliste) wie Band V Blatt 12 ff. d.A. („Prüfungsprotokoll der Rechtsabteilung“)
über die Vollmachtsprüfung vor. Die Beklagte hat zwar das Original der notariellen
Ausfertigung der Vollmacht im Termin vor dem Landgericht vorgelegt (Kopie Band
II Blatt 54 Anlage B9) und nach der Aussage des Zeugen Z2 befinden sich in den
Akten der Geschäftsbesorgerin ein Schreiben vom 08.01.1996 (Band V hinter Blatt
214 d.A.) und eine Kopie der Vollmachtsausfertigung. Dazu hat der Zeuge erklärt,
herausgeschickte Unterlagen seien zuvor kopiert worden. Diese zusätzlichen
Indizien reichen aber zum Nachweis des Zugangs des die Bevollmächtigung
enthaltenen Geschäftsbesorgungsvertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht
aus, denn die Beklagte kann nicht aus ihren Akten belegen, wann die in ihrem
Besitz befindliche 4.Ausfertigung der Vollmacht bei ihr eingegangen ist, weil das
Übersendungsschreiben, das mit einem Eingangsvermerk versehen worden sein
müsste, nicht mehr auffindbar ist und die notarielle Urkunde selbst keinen
Eingangsvermerk trägt. Auch hier findet sich also eine Abweichung von der
generellen Handhabung, denn es entspricht nicht der Übung, dass ein
eingegangenes Schreiben nicht zu den Akten gelangt oder dort verbleibt, gerade
wenn der Zeitpunkt des Zugangs von Bedeutung ist. Die Unvollständigkeit der
Unterlagen der Beklagten lässt es deshalb nicht zu, von der Tatsache des
Zugangs der Urkunde allein auf deren Vorliegen bei der Beklagten zu einem
bestimmten Zeitpunkt zu schließen.
Wenn man der Aussage des Zeugen Z2 folgt, kann man zwar davon ausgehen,
dass das Schreiben vom 08.01.1996 an die Beklagte abgesandt worden ist.
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dass das Schreiben vom 08.01.1996 an die Beklagte abgesandt worden ist.
Jedenfalls muss aber die Möglichkeit, dass das Schreiben nicht zeitnah versandt,
sondern im Geschäftsgang hängengeblieben und erst zu einem unbekannten
Zeitpunkt abgesandt worden ist, ernsthaft in Betracht gezogen werden, so dass
auch der Senat den der Beklagten obliegenden Beweis nicht als geführt ansieht.
Damit steht der Beklagten kein Bereicherungsanspruch gegen den Kläger zu.
2. Berufung des Klägers:
Die fristgerecht nach Zustellung des Urteils (21.04.2008) am 21.05.2008
eingelegte und nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
am 23 07.2008 begründete Berufung ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520
ZPO).
Sie hat in der Sache auch teilweise Erfolg.
Die Klage ist allerdings mit dem in zweiter Instanz erhobenen Anspruch auf
Rückabtretung der von der Ehefrau des Klägers abgeschlossenen
Lebensversicherung unzulässig. Insoweit macht der Kläger ein fremdes Recht
geltend. Auch wenn aus seinem Vortrag, er mache diesen Anspruch im Wege der
Prozessstandschaft geltend, die Behauptung einer entsprechenden Ermächtigung
durch die Inhaberin des Rechts entnommen wird, fehlt es an einem für die
gewillkürte Prozessstandschaft erforderlichen schutzwürdigen Eigeninteresse des
Klägers an der Geltendmachung des fremden Rechts im eigenen Namen.
Im übrigen ist die Klage zulässig. Der Kläger hat den Anspruch auf Rückabtretung
der von ihm an die Beklagte zur Sicherheit abgetretenen Lebensversicherung im
2. Rechtszug hinreichend individualisiert. Da die dem Anspruch zugrundeliegenden
nunmehr neu vorgetragenen Tatsachen unstreitig sind, sind sie zu
berücksichtigen, weil § 531 Abs. 2 ZPO auf solche Tatsachen, die erstmals im
Berufungsrechtszug vorgetragen und unstreitig werden, nicht anwendbar ist (BGH,
Urteil vom 18.11.2004, IX ZR 229/03).
Der Anspruch gegen die Beklagte auf Rückabtretung dieser Lebensversicherung ist
aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB begründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch
auf diese Sicherheit, weil der Darlehensvertrag unwirksam ist und ein Anspruch
aus ungerechtfertigter Bereicherung ihr gegen den Kläger ebenfalls nicht zusteht.
Der Anspruch auf Rückzahlung an die Beklagte gezahlter Zinsen ist ebenfalls aus §
812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB begründet. Der Kläger hat im 2. Rechtszug den
Anspruch schlüssig dargelegt und auch insoweit hat die Beklagte seinen Vortrag
nicht bestritten. Er hat auch klargestellt, dass er mit dem Betrag von 10.947,84 €
die für die Kalenderjahre 2001 und 2002 und für die Monate Januar bis August
2003 gezahlten Zinsen geltend macht. Diesen Betrag hat die Beklagte seit
Rechtshängigkeit mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 97 Abs. II ZPO. Der Kläger hat die
Kosten seiner Berufung auch zu tragen, soweit sie erfolgreich war, weil er aufgrund
neuen Vorbringens obsiegt, das er im ersten Rechtszug hätte gelten machen
können.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine
grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.