Urteil des OLG Frankfurt vom 30.01.2007

OLG Frankfurt: akte, rechtsverweigerung, untätigkeitsklage, anweisung, eltern, anforderung, befangenheit, eingriff, sorgerecht, erlass

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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 WF 232/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 567 ZPO, § 1666 BGB
(Sorgerechtsverfahren: Zulässigkeit einer
Untätigkeitsbeschwerde)
Leitsatz
Zur Frage der Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde (hier im Sorgerechtsstreit)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin zu 2)
auferlegt ( § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ).
Beschwerdewert: bis EUR 1.000,00 ( §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2, Satz 2
KostO ).
Gründe
Unter dem 4.12.2003 begehrte das Jugendamt des …-Kreises die Einleitung eines
Verfahrens nach § 1666 BGB zur Klärung der Frage, ob wegen der seit Jahren
laufenden Konflikte der Eltern zum Sorge- und Umgangsrecht bezüglich der Kinder
... und ... A ein Eingriff in das Sorgerecht der Eltern erforderlich ist.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Hanau hat am 29.12.2003 die Einholung eines
Sachverständigengutachtens angeordnet. Die hiergegen eingelegte Beschwerde
des Beteiligten zu 3) wies der Senat mit Beschluss vom 24.3.2004 zurück (Az 3 WF
57/04). Nach Rückkehr der Akte leitete das Amtsgericht - Familiengericht - Hanau
diese am 3.5.2004 dem Sachverständigen zu. Auf das am 13.3.2005
eingegangene Gutachten schloss sich die Antragstellerin zu 2) unter dem 3.5.2005
dem Antrag des Jugendamtes mit einem eigenen Antrag zur Regelung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts an.
Am 19.5.2005 bestimmte das Amtsgericht einen Anhörungstermin auf den
4.7.2005. In diesem Termin lehnte der Beteiligte zu 3) den Sachverständigen
wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Nach dem Termin erfolgte ein weiteres
Befangenheitsgesuch gegen die zuständige Richterin durch den Beteiligten zu 3).
Hierauf wurde die Beschwerdeführerin auf ihre Nachfrage vom 29.9.2005 am
6.10.2005 hingewiesen. Auf eine am 8.11.2005 erfolgte
Dienstaufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin forderte das Landgericht
Hanau die Akte am 15.11.2005 an, die am 8.12.2005 von dort zurückkehrte.
Nach abschließender Entscheidung über das Befangenheitsgesuch gegen die
erkennende Richterin wurde unter dem 14.2.2006 für die Kinder eine
Verfahrenspflegschaft angeordnet und wegen des Zeitablaufs ein neuer
Anhörungstermin angekündigt. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom
9.3.2006 gegen diesen Beschluss vom 14.2.2006 wies der Senat mit Beschluss
vom 23.5.2006 zurück (Az 3 UF 135/06). Unter dem 11.7.2006 musste die Akte
nach Rückkehr vom OLG Frankfurt am Main auf Anforderung vom 14.6.2006 erneut
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nach Rückkehr vom OLG Frankfurt am Main auf Anforderung vom 14.6.2006 erneut
an das LG Hanau übersandt werden.
Unter dem 11.8.2006 ging beim Senat ein als Untätigkeitsklage bezeichneter
Schriftsatz der Beschwerdeführerin ein, der zunächst dem Amtsgericht zur
Entscheidung über eine Abhilfe übersandt wurde. Unter dem 4.9.2006 lehnte das
Amtsgericht eine Abhilfe ab und teilte mit, dass die Akte noch beim LG Hanau sei.
Am 14.12.2006 leitete das Amtsgericht die Akte an den Senat weiter.
Die als Untätigkeitsbeschwerde auszulegende sogenannte Untätigkeitsklage hat,
worauf der Senat die Antragstellerin zu 2) bereits unter dem 14.9.2006 mit dem
Hinweis auf eine durch die noch nicht erfolgte Aktenübersendung entstehende
weitere Verzögerung hinwies, keinen Erfolg.
Ob eine Untätigkeitsbeschwerde statthaft ist, ist streitig. Die Rechtsmittelsysteme
der ZPO und des FGG gehen davon aus, dass ein Rechtsmittel den Erlass einer
Entscheidung voraussetzt, die angefochten und deren Richtigkeit überprüft werden
soll. Demgemäß entsprach es der bisherigen überwiegenden Meinung, dass bei
Verweigerung oder Verzögerung der Rechtsgewährung nicht der Rechtsmittelweg
eröffnet, sondern die Dienstaufsicht anzurufen ist (vgl. hierzu Zöller/Gummer,
ZPO, 24. Aufl., § 567 Rdnr. 21 m. w. Nachw.). Im Hinblick auf die neuere
Rechtsprechung des BVerfG ( FamRZ 2001, 753; NJW 2003, 2672) und des EuGMR
(NJW 2001, 2694) und, dem folgend, einer in Vorbereitung befindlichen Ergänzung
des GVG, durch die das Rechtsinstitut einer Untätigkeitsbeschwerde für den Fall
kodifiziert werden soll, dass ein gerichtliches Verfahren ohne zureichenden Grund
nicht in angemessener Frist vom Gericht gefördert wird, scheint allerdings fraglich,
ob diese Auffassung noch uneingeschränkt aufrecht zu erhalten ist. Während dies
teilweise bejaht wird (vgl. BVerwG, Beschl. vom 5.12.2006, Az. 10 B 68/06; LSG
Berlin, Beschl. vom 9.11.2006, Az. L 10 B 934/06), hat der Senat unter anderem
mit Beschluss vom 31.1.2006 (Az 3 WF 295/05) die Möglichkeit der Zulässigkeit
einer Untätigkeitsbeschwerde dann gesehen, wenn besondere Umstände
vorliegen, insbesondere Anlass zu der Annahme besteht, dass ein Fall völlig
unzumutbarer und auf Rechtsverweigerung hinauslaufender Verzögerung vorliegt (
so wohl auch Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 127 Rz. 34 f m. w. N.;
Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 127 Rdnr. 11 m. w. N.; Schneider, MDR 1968, 254;
1998, 1368; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2003, 1653). Versteht man es demgemäß
als ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit , in derartigen Fällen die Beschwerde zu
eröffnen, so kann es aber keinesfalls als zulässig erachtet werden, wenn die
Untätigkeitsbeschwerde darauf gerichtet wird, das Familiengericht aufzufordern,
eine inhaltlich bestimmte Entscheidung zu treffen. Ein solches Rechtsschutzziel
liegt eindeutig außerhalb des Bereichs statthafter Einflussnahme des
Beschwerdegerichts auf den Fortgang des erstinstanzlichen Rechtsstreits ( vgl.
OLG Frankfurt am Main, Beschl. vom 26.07.2006, Az 19 W 47/06). Ziel der
Beschwerde kann nur sein, die Vorinstanz anzuweisen, dem Verfahren Fortgang zu
geben, wobei zu beachten sein wird, dass durch die Zulässigkeit der
Untätigkeitsbeschwerde das Verfahren nicht insgesamt weiter verzögert wird (vgl.
hierzu Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 567 Rdnr. 21a ).
Soweit man in der auf eine bestimmte Einflussnahme zielenden
Untätigkeitsbeschwerde der Antragstellerin zu 2) als minus einen Antrag auf eine
dahingehende Anweisung sehen kann, verhilft aber auch dies der Beschwerde
nicht zum Erfolg. Das Verfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Hanau
gibt keine Veranlassung zu der Annahme, es liege eine sachlich nicht zu
rechtfertigende Untätigkeit des Familiengerichts vor, die zu einem der
Rechtsverweigerung gleichkommenden Stillstand des Verfahrens geführt habe.
Der Verfahrensgang belegt, dass das Amtsgericht jederzeit, wenn es nicht durch
Rechtsmittel, Befangenheitsanträge oder Dienstaufsichtsbeschwerden an einer
Sachbearbeitung gehindert wurde, bemüht war, die notwendigen Ermittlungen
anzustellen und das Verfahren einer Endentscheidung zuzuführen. Hätte die
wiederholt notwendige Versendung der Akte an das LG Hanau und das OLG
Frankfurt am Main nicht erfolgen müssen, kann davon ausgegangen werden, dass
das Verfahren bereits zum Abschluss gekommen wäre. Eine unzumutbare
Verzögerung durch das Amtsgericht, die eine Anweisung in dem genannten Sinne
rechtfertigen könnte, vermag der Senat deshalb nicht festzustellen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.