Urteil des OLG Frankfurt vom 24.04.2008

OLG Frankfurt: zweigniederlassung, handelsregister, ausländische gesellschaft, wirtschaftliche tätigkeit, entstehung, eugh, rechtsform, kapitalgesellschaft, geschäftsführung, hauptniederlassung

1
2
3
4
Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 425/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 43 EGVtr, Art 48 EGVtr, §
13 HGB, § 13d HGB, § 13e
HGB
Handelsregister: Erzwingen einer Anmeldung bei
Übernahme der Stellung als Komplementärin in einer
deutschen KG durch eine englische Limited
Leitsatz
Die Übernahme der Komplementärstellung in einer nach deutschem Recht
gegründeten KG durch eine nach englischem Recht wirksam gegründeten und
registrierten Limited begründet keine nach § 14 HGB mit Zwangsgeld durchsetzbare
rechtliche Verpflichtung zur Anmeldung und Eintragung dieser Limited nach §§ 13 d und
e GmbHG zu dem deutschen Handelsregister des Sitzes der Limited & Co. KG.
Tenor
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom
05. September 2007 sowie dessen Verfügungen vom 15. August 2007 werden
aufgehoben.
Beschwerdewert. 1.000,-- EURO.
Gründe
I.
Auf Anmeldung wurde am 30. November 2006 die A Ltd. & Co. KG unter HRA ... in
das Handelsregister des Amtsgerichts Wiesbaden eingetragen.
In dem nachfolgenden Schriftverkehr mit den beiden Beschwerdeführern als
Geschäftsführer der Komplementärin vertrat die Rechtspflegerin des
Registergerichts die Auffassung, eine englische Limited, deren Zweck
ausschließlich darauf gerichtet sei, die Geschäfte einer Deutschen KG zu führen,
dürfte im Inland regelmäßig über eine Niederlassung verfügen, die als
Zweigniederlassung zum Handelsregister B anzumelden sei. Nachdem die
Beschwerdeführer dem mit Rechtsausführungen entgegengetreten waren, forderte
die Rechtspflegerin des Registergerichtes sie mit Verfügungen vom 15. August
2007 unter Androhung eines Zwangsgeldes von jeweils 500,-- EUR auf, der
Verpflichtung zur Anmeldung der in Deutschland betriebenen Zweigniederlassung
der A Ltd. zur Eintragung in das Handelsregister B nachzukommen oder die
Unterlassung mittels Einspruchs binnen eines Monats zu rechtfertigen.
Die hiergegen fristgerecht erhobenen Einsprüche der beiden Beschwerdeführer
wies das Registergericht mit Beschluss vom 05. September 2007 zurück.
Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde vom 13. September 2007
machten die Beschwerdeführer geltend, die Limited sei innerhalb der KG lediglich
Vollhafterin und erhalte hierfür ausschließlich die Haftungsvergütung; sie übe keine
auf Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeit und damit kein kaufmännisches
Handelsgewerbe aus und sei deshalb zur Anmeldung einer Zweigniederlassung
nicht verpflichtet. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2007 wies das Landgericht die
sofortige Beschwerde zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,
5
6
7
8
sofortige Beschwerde zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,
die Limited beschränke sich nicht darauf, eine Beteiligung an der KG zu halten,
sondern sei als deren Komplementärin berechtigt und verpflichtet, die Geschäfte
der KG zu führen. Dies impliziere alle Maßnahmen, die zur Erreichung des
Gesellschaftszweckes im Inland erforderlich seien, so dass regelmäßig davon
ausgegangen werden könne, dass in Deutschland eine Zweigniederlassung
vorliege. Weil es sich um die inländische Niederlassung einer ausländischen
Briefkastengesellschaft und somit eigentlich um die Hauptniederlassung handele,
komme es hier auf die Abgrenzung zwischen Haupt- und Zweigniederlassung nicht
an. Da die Limited ausschließlich in Deutschland als Komplementärin der KG tätig
werde, sei es wenig nachvollziehbar, dass sie hier keine Organisationsstruktur mit
den dazu erforderlichen Betriebsmitteln innehalte.
Gegen den am 24. Oktober 2007 zugestellten landgerichtlichen Beschluss wenden
sich die Beschwerdeführer mit der am 06. November 2007 bei Gericht
eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit welcher sie an ihrer
Rechtsauffassung festhalten, dass die bloße Übernahme der Tätigkeit einer
Komplementärin einer KG durch eine ausländische Kapitalgesellschaft nicht die
Gründung oder Bildung einer Zweigniederlassung im Inland beinhalte.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 14 HGB, 132 Abs. 1, 134, 135 Abs. 2,
139 Abs. 1, 27, 29 Abs. 2 FGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sie
insbesondere form- und fristgerecht erhoben wurde. Das Rechtsmittel führt auch
in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer
Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Allein die Übernahme
der Stellung als Komplementärin in der nach deutschem Recht gegründeten und in
das Handelsregister eingetragenen KG führt nicht zur Entstehung einer
inländischen Zweigniederlassung, die nach § 13 d und e HGB zur Eintragung in das
deutsche Handelsregister anzumelden wäre.
Nach inzwischen einhelliger Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung
und Literatur kann eine nach englischem Recht wirksam errichtete private limited
companybyshares (im Folgenden: Limited) als im EG-Ausland gegründete
Kapitalgesellschaft die Stellung einer Komplementärin in einer nach deutschem
Recht gemäß § 161 Abs. 1 HGB gegründeten und gemäß §§ 161 Abs. 2, 106 HGB
zum Handelsregister anzumeldenden Kommanditgesellschaft übernehmen (vgl.
BayObLG NJW 1986, 3029; Wachter EWiR 2005, 541; Kowalski/Bormann, GmbHR
2005, 1045; Binz/Sorg, GmbHR 2003, 249; Werner GmbHR 2005, 288; anders nur
die vereinzelt gebliebene Entscheidung des AG Bad Oeynhausen GmbHR 2005,
1045). Sowohl in der EU-Zweigniederlassungsrichtlinie (Elfte Richtlinie 89/666/EWG
über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von
Gesellschaften bestimmter Rechtsform errichtet wurden, die dem Recht eines
anderen Staates unterliegen, vom 21. Dezember 1989 – ABl. Nr. L 395/36) als
auch in der Einpersonen-Gesellschaft-Richtlinie (Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG auf
dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter
Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 21. Dezember 1989 – ABl. Nr. L
395/40, geändert durch Beschluss vom 01. Januar 1995 – ABl. Nr. L 1/144) wird die
Vergleichbarkeit der englischen Limited mit einer GmbH deutschen Rechts
bestätigt (vgl. KG FGPrax 2004, 45; OLG Celle GmbHR 2005, 1303; Wachter ZNotP
2005, 122/123; Klose-MokroßDStR 2005, 971/972). Deshalb ist ebenso wie die
Komplementärfähigkeit der GmbH im Rahmen der Rechtsform der GmbH & Co.
KG anerkannt, dass auch die nach englischem Recht wirksam gegründete Limited
die Stellung einer Komplementärin in einer Limited & Co KG übernehmen kann.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die in einem Vertragsstaat wirksam
gegründete Gesellschaft in den übrigen Vertragsstaaten in der Rechtsform ihrer
Gründung auch dann anzuerkennen, wenn sie sich nur in einem anderen
Vertragsstaat wirtschaftlich betätigt (vgl. EuGH-Überseering NJW 2002, 3614 und
Inspire Art ZIP 2003, 1885 sowie BGH NJW 2003, 1461 und 2005, 1648). Aus dieser
auf der in Art. 43 und 48 EGV garantierten Niederlassungsfreiheit beruhenden
Rechtsprechung folgt zugleich, dass die Fähigkeit einer englischen Limited zur
Übernahme der Komplementärstellung in einer deutschen KG und deren
Eintragung in das Handelsregister A entgegen einer teilweise vertretenen
Auffassung (vgl. Kowalski/Bormann, a.a.0., S. 1046; Werner, a.a.0., S. 291; Volb,
Die Limited, Rn. 628; Zöllner GmbHR 2006, 1/9) nicht davon abhängig gemacht
werden kann, dass diese Auslandsgesellschaft zuvor eine inländische
Zweigniederlassung zum deutschen Handelsregister B zur Anmeldung gebracht
9
10
11
Zweigniederlassung zum deutschen Handelsregister B zur Anmeldung gebracht
hat (vgl. Wachter, GmbHR 2006, 79/80; Süß, GmbHR 2005, 673/674; Müther, Das
Handelsregister in der Praxis, § 9 Rn. 57).
Die Übernahme der Komplementärstellung in einer nach deutschem Recht
gegründeten KG begründet darüber hinaus für sich genommen keine nach § 14
HGB mit Zwangsgeld durchsetzbare rechtliche Verpflichtung zur Anmeldung und
Eintragung der Limited nach §§ 13 d und e GmbHG zu dem deutschen
Handelsregister des Sitzes der Limited & Co KG. Es ist anerkannt, dass eine
Auslandsgesellschaft durch die bloße Übernahme einer Gesellschafterstellung
oder den Erwerb einer Beteiligung an einer deutschen Handels- oder
Kapitalgesellschaft noch keine Zweigniederlassung im Inland begründet, da hierin
die Schaffung einer selbständigen Organisationseinheit nicht gesehen werden
kann (Mankowski in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 12 Rn.
11, Wachter, GmbHR 2006, 79/80; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 4 a Rn. 48) . Etwas
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass mit der Übernahme
der Stellung eines Komplementärs gemäß §§ 161 Abs. 1, 114 HGB das Recht und
die Pflicht zur Geschäftsführung der KG verbunden ist. Soweit teilweise die
Auffassung vertreten wird, im Falle der Übernahme der Komplementärstellung
durch eine ausländische Gesellschaft führe diese Geschäftsführungstätigkeit
bereits zur Begründung einer inländischen Zweigniederlassung (Wachter, a.a.0. S.
80), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn bei der hierzu herangezogenen
Begründung, zur Wahrnehmung dieser Geschäftsführung müsse in der Regel eine
gewisse Organisationsstruktur geschaffen werden und es sei eine bestimmte
sachliche und personelle Ausstattung erforderlich, handelt es sich letztlich um eine
Unterstellung, die in dieser Allgemeinheit sachlich nicht gerechtfertigt ist. Als
Komplementärgesellschaft übt die Limited im Inland keine wirtschaftliche
Geschäftstätigkeit im eigenen Namen aus. Für die Wahrnehmung der
Geschäftsführungsaufgaben in der KG kann sie weitgehend auf deren sachliche
Ausstattung und Organisation zurückgreifen. Eine Gewinnerzielungsabsicht sowie
eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit am Markt ist demgegenüber mit der
Übernahme der Komplementärstellung in einer KG typischerweise nicht
verbunden. Der Senat kann sich deshalb der teilweise im Schrifttum vertretenen
Auffassung, mit der Übernahme der Komplementärstellung durch eine Limited sei
die Entstehung einer Zweigniederlassung im Inland verbunden (so etwa: Werner,
a.a.0., S. 289; Kowalski/Bormann, a.a.0., S. 1045; Wachter, a.a.0. S. 80 und EWiR §
161 HGB 2/05, S. 541, Zöllner, a.a.0., S. 9) nicht anschließen.
Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht aus der Erwägung ableiten, dass die
Übernahme der Komplementärstellung die einzige wirtschaftliche Betätigung der
Limited darstellt (so aber: Roth/Altmeppen, a.a.O., § 4 a Rn. 48; MüKomm/ Krafka,
HGB, 2. Aufl., § 33 Rn. 7). Zwar hat die bereits zitierte Rechtsprechung des EuGH
zur Umsetzung der in Art. 43 und 48 EGV garantierten Niederlassungsfreiheit zur
Folge, dass die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft
mit deren effektiven Verwaltungssitz im Inland zusammenfallen kann (vgl. OLG
Zweibrücken NZG 2003, 537 und OLG München GmbHR 2006, 600). Dem
entsprechend ist der Begriff der Zweigniederlassung einer ausländischen
Gesellschaft im Sinne der §§ 13 d – 13 g HGB richtlinienkonform dahingehend
auszulegen, dass hierunter jede Begründung eines faktischen Geschäftssitzes
durch eine im europäischen Ausland wirksam gegründete und dort mit ihrem
Satzungssitz registrierte Gesellschaft im Inland durch eine auf gewisse Dauer
angelegte Organisationsstruktur zur wirtschaftlichen Betätigung zu verstehen ist,
ohne dass es auf die Existenz einer sonst in § 13 HGB für die Zweigniederlassung
vorgesetzten Hauptniederlassung ankommt (vgl. KG GmbHR 2004, 116; Lutter,
Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 7/8). Hieraus kann jedoch
nicht geschlossen werden, dass das Fehlen einer wirtschaftlichen Betätigung oder
der Begründung eines tatsächlichen Verwaltungssitzes einer Auslandsgesellschaft
im Gründungsstaat im Falle der Übernahme der Komplementärstellung einer KG
zwangsläufig zur Errichtung einer Zweigniederlassung in Deutschland führt, da das
nach der Rechtsprechung des EuGH insoweit anzuerkennende Recht des
Gründungsstaates für die Entstehung der Limited als Rechtspersönlichkeit deren
Gründung und Registrierung in Großbritannien ausreichen lässt.
Der Senat schließt sich deshalb der im Schrifttum ebenfalls vertretenen
Auffassung an, wonach allein die Übernahme der Stellung einer Komplementärin
einer KG durch eine nach englischem Recht wirksam gegründete Limited für diese
per se nicht zur Entstehung einer Zweigniederlassung in Deutschland und somit
auch nicht zu einer diesbezüglichen Registerpflicht führt (vgl. Süß, a.a.0., S. 673;
Mankowski/Knöfel in: Hirte/Bücker, a.a.O.,§ 13 Rn. 11 b; Eidenmüller/Rehberg,
12
13
Mankowski/Knöfel in: Hirte/Bücker, a.a.O.,§ 13 Rn. 11 b; Eidenmüller/Rehberg,
Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 5 Rn. 86; Heinz, Die
englische Limited, 2.Aufl., § 20 Rn. 8; Kessler DStR 2005, 2101/2106).
Der angefochtene landgerichtliche Beschluss sowie die den Einspruch
zurückweisende Entscheidung des Registergerichtes und die zugrundeliegende
Zwangsgeldandrohung nach § 14 HGB waren somit aufzuheben.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 Kost0.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.