Urteil des OLG Frankfurt vom 17.12.2009

OLG Frankfurt: treu und glauben, due diligence prüfung, vertragliche haftung, sanierung, materialien, gebäude, asbest, auskunft, estrich, schadstoff

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Gericht:
OLG Frankfurt 22.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 U 143/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 633 BGB, §§
633ff BGB, § 286 ZPO
(Haftung des mit Schadstoffuntersuchungen beauftragten
Ingenieurs bei nicht festgestellter Chloridbelastung einer
Tiefgarage durch Tausalz)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Darmstadt vom 29. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens – einschließlich der Kosten
der Streithelfer der Beklagten – zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund dieses Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Gegenstandswert zweiter Instanz beträgt 1.261.596,85 €.
Gründe
I.
Die Klägerin hat am 15. August 2001 das Grundstück des Ende der 1960er Jahre
errichteten und 1997 geschlossenen A in O1 von der B mbH & Co zu einem
Kaufpreis von 15.000.000,00 DM erworben (Anlage K8) und zum Einkaufszentrum
„C“ umgebaut (Einzelheiten des Projektes Anlage B7). Der Gesamtaufwand
einschließlich Erwerbskosten war auf 79.949.447,00 DM netto kalkuliert
(Kostenkalkulation K28) worden. Inzwischen ist das Objekt an einen Investor
verkauft.
Die beklagte Ingenieurgesellschaft (früher D GmbH - HRB …), die im Jahr zuvor
schon eine Asbestuntersuchung für die Verkäuferin vorgenommen hatte (B1, K36 -
1. Bericht), war am 9. Juli 2001 - vor dem Erwerb - gemäß ihrem Angebot zur
Durchführung dieser „Untersuchungen zur Abgrenzung erheblicher finanzieller
Risiken beim Kauf des Gebäudes“ (K1 = B1) von der Komplementärin der Klägerin
zu „Schadstoffuntersuchungen in Gebäude und Untergrund“ beauftragt (K3)
worden. Das daraufhin für 8.625,00 DM erstattete Gutachten vom 30. Juli 2001 (2.
Bericht - K6) erwähnte die in der zweistöckigen Tiefgarage vorhandene – von
Fahrzeugen durch Tausalz eingebrachte – Chloridbelastung der dortigen
Betonbauteile mit daraus resultierender Korrosion des Bewehrungsstahls nicht.
Den entsprechenden Zustand (Anstrichabblätterungen, Salzausblühungen,
Betonabplatzungen - K13/4) haben zwei Jahre später das
Baustoffberatungszentrum (K12) - und die Beklagte selbst in ihrem gesondert
beauftragten Bericht zur Chlorid-Hauptuntersuchung (K13) - dokumentiert; laut
Gutachter der Versicherung der Beklagten, Dipl.-Ing. SV1 (K15), hätten im Jahre
2001 „bei ordnungsgemäßer Bestandsaufnahme ..... die an vielen Stellen der
Tiefgarage offensichtlich sichtbaren Schäden eindeutig erkannt werden müssen“.
Korrosionsschäden am Bewehrungsstahl in Tiefgaragen aus den 1960/70er Jahren
in Folge Tausalzeintrags durch einfahrende Fahrzeuge sind ein in Fachkreisen
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in Folge Tausalzeintrags durch einfahrende Fahrzeuge sind ein in Fachkreisen
allgemein bekanntes Phänomen, ihr Erkennen gehört zum „Kleinen Einmaleins“
(so die Klägerin Bl. 2 d.A.) bzw. zum „Standardwissen“ (so die Beklagte Bl. 37 d.A.)
von Architekten.
Die Klägerin begehrt – aus abgetretenem Recht ihrer Komplementärin -
Schadensersatz in Höhe von 1.261.596,85 €; das ist die Summe (Bl. 12 d.A.) der
im Einzelnen dargestellten (K17 - K21) Sanierungskosten der Tiefgarage. Sie trägt
vor, sie hätte eine Verringerung des Kaufpreises um diesen Betrag durchgesetzt,
wenn sie von den auf Grund der Chloridschäden erforderlichen Sanierungskosten
Kenntnis gehabt hätte. In dieser Differenz liege ihr Schaden, der vermieden
worden wäre, wenn die Beklagte ihren Gutachtenauftrag, der – so die Klägerin - die
Untersuchung der Tiefgarage auf mögliche Chloridschäden umfasste, richtig erfüllt
oder doch jedenfalls ihre Hinweispflichten wahrgenommen hätte.
Die Beklagte hingegen hält Chlorid nicht für einen Schadstoff oder eine Altlast. Nur
auf solche sei der Untersuchungsauftrag gerichtet gewesen und nicht auf statisch-
konstruktive Schäden an der Bausubstanz. Im Übrigen beruft sich die Beklagte auf
fehlenden bzw. in zu großer Höhe geltend gemachten Schaden, Verjährung,
Haftungsausschluss für entgangenen Gewinn und Folgeschäden sowie
Mitverschulden, weil die Klägerin den Schaden nicht gegenüber dem zur
schlüsselfertigen Erstellung zum Pauschalpreis verpflichteten Generalunternehmer
geltend gemacht habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug
genommen.
Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin ihren Anspruch unter Ergänzung und
Vertiefung ihres Vorbringens weiter.
Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an
sie 1.261.596,85 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 611.596,85 €
seit dem 3.3.2005 und aus 650.000,00 € seit dem 10.5.2004 zu zahlen.
Die Beklagte und ihre Streithelfer beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres Vorbringens.
Auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze aller Prozessbeteiligten nebst
Anlagen wird zur Ergänzung des Sachvortrags Bezug genommen. Der Senat hat
Beweis erhoben über den Inhalt der die Auftragserteilung vorbereitenden
Besprechung vom 23. Mai 2001 durch Vernehmung der Zeugen Z1, Z2, Z3, Z4,
Z5, Z6 und Z7. Zum Beweisergebnis wird auf die Sitzungsniederschriften vom 17.
September und 29. Oktober 2009 verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu
Recht abgewiesen. Die Beklagte haftet der Klägerin nicht auf den geltend
gemachten Schaden, weder aus unrichtigem Gutachten (1.), noch wegen
Verletzung eines Beratungsvertrages (2.) oder vertraglicher Nebenpflichten (3.).
Zu beurteilen war dies nach dem bis 31. Dezember 2001 geltenden Recht.
1. Das Gutachten der Beklagten ist nicht unvollständig und damit nicht fehlerhaft
im Sinne der §§ 633 ff BGB a.F. Es erfüllt den erteilten Gutachtenauftrag. Dieser
hatte nicht den Inhalt, die Tiefgarage des Gebäudes auf eventuelle Chloridschäden
zu untersuchen.
Der ausdrückliche Wortlaut der schriftlich fixierten Vereinbarung umfasst keine
solche Verpflichtung. Wie schon das Landgericht im angefochtenen Urteil
zutreffend ausgeführt hat, lässt sie sich auch nicht durch eine verständige
Auslegung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen
hineininterpretieren. Hierauf wird Bezug genommen.
Etwas anderes kann der Senat auch nicht auf Grund des Ergebnisses der
Beweisaufnahme zum Inhalt der dem Vertragsschluss mit der Beklagten
vorangehenden Besprechung vom 23. Mai 2001 annehmen.
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Ausgangspunkt ist, dass diese Besprechung aller an der „due diligence“ – Prüfung
Beteiligten der Aufgabenverteilung auf die Spezialisten für die jeweiligen
Problemfelder diente. Hierüber wurde ein Protokoll geführt, die Gesprächsnotiz
(S1.1. – Bl 406f d.A.) des Architekten Z5 der Klägerin, des jetzigen Streithelfers der
Beklagten. Über den Inhalt der Gesprächsnotiz hinaus konnte er bei seiner
Zeugenvernehmung (Bl. 675 d.A.) keine Angaben machen, so dass von ihrem
Inhalt auszugehen ist. Danach war Aufgabe der Beklagten die „Altlastenklärung
und deren Kostenermittlung“ und – unter der Überschrift „Altlasten“ - erläuterte
der Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge Z7, dass er „mögliche
Altlastenprobleme“ in den Bereichen „Asbest, Boden, Parkettkleber,
Fassadenabdichtung, Flachdachabdichtung“ sehe.
Dass der Zeugin Z2 die Verwendung des Wortes „Altlast“ in dieser Notiz aus
heutiger Sicht als „etwas ungünstig“ erscheint, ist verständlich. Zugleich hat sie
jedoch auch bestätigt, das Wort „Altlast“ ebenso wie „Kontamination“ gewiss
gebraucht zu haben. Der Senat glaubt ihr auch, dass sie, die für die Analyse der
mit dem Kauf verbundenen Risiken verantwortlich war, von den eingeschalteten
Fachleuten alle technischen Risiken erfahren wollte, die wirtschaftlich von
Bedeutung sein konnten, und deshalb alle Begriffe im weitesten Sinne verstanden
haben wollte. Nur hilft dies bei der Beantwortung der Frage, welchen Ausschnitt
aus diesen technischen Fragen gerade die Beklagte bearbeiten sollte, nicht
entscheidend weiter. Hierbei kommt es nämlich weniger auf Feinheiten der
begrifflichen Abgrenzungen, als darauf an, was nach dem übereinstimmenden
Willen die jeweilige Aufgabenstellung sein sollte.
Deutlicher geworden in dieser Hinsicht, welchen technischen Risikobereich die
Beklagte abdecken sollte, ist der Zeuge Z6: Da das Gebäude „gestrippt“, also alle
Teile bis auf den tragenden Rohbau entfernt werden sollten, sei auch die Frage
aufgetaucht, welche Entsorgungskosten entstehen, wenn in den zu entsorgenden
Massen Asbest, PCB oder Ähnliches enthalten sein sollte. Dies entspricht
vollinhaltlich dem in der Gesprächsnotiz Z5 Festgehaltenen. Die erforderlichen
Kosten sollten in der Kalkulation unter Position 213 „Altlastenbeseitigung“ gebucht
werden. Z6 bestätigt auch, was Z7 ausgeführt hat, dass es um die Auswertung
und Aktualisierung der schon vorhandenen Gutachten ging, die auf
Ergänzungsnotwendigkeit hin überprüft werden sollten. Diese Gutachten bezogen
sich hinsichtlich des Gebäudes auf Asbest, also einen Stoff, welcher gesondert zu
entsorgen ist, ebenso wie krebserregende Weichmacher (PCB) und polyzyklische
aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).
Der konkrete Auftrag an die Beklagte ist nicht in dieser Besprechung erteilt
worden, sondern sollte ausdrücklich anschließend erfolgen (letzter Satz der
Gesprächsnotiz – Bl. 407 d.A.). Demzufolge hat der Zeuge Z7 noch am selben
Tage seine Einschätzung der bisherigen Gutachten und Vorschläge für weitere
Untersuchungen zusammengefasst (B3). Dass diese Darstellung nicht der
abgesprochenen und beabsichtigten Aufgabenstellung entspreche, ist ihm nicht
entgegengehalten worden. Konsequent enthält sein konkretisiertes Angebot vom
31. Mai 2001 (B4) unter der Position „Kostenschätzung“: „Massenschätzung der
kontaminierten Materialien und Schätzung der Kosten für die Sanierung und
Entsorgung der kontaminierten Materialien“. Dies entspricht dem, was Z6 als
Aufgabe von der Beklagten erwartete, so dass es nicht verwundert, dass zwar über
die Reduzierung des Honorars der Beklagten (Herausnahme der PAK-Prüfung),
nicht aber über eine Erweiterung des Auftragsumfangs verhandelt wurde, bevor
das reduzierte Angebot vom 9. Juli 2001 (K1) am 12. Juli 2001 angenommen wurde
(K3).
Nach alledem ist der Senat überzeugt, dass die Beklagte nach dem Vertrag
keineswegs die Tiefgarage auf Chloridbelastung untersuchen sollte. Zwar kann
Chlorid (hier Tausalz) abstrakt begrifflich gewiss unter den Oberbegriff „Schadstoff“
eingeordnet werden, weil es in bestimmten Zusammenhängen durchaus
„schädlich“ sein kann. Ein hoher Chloridgehalt wirkt unter anderem auf Beton und
eisenhaltige Metalle zerstörend (vgl. Die Umweltdatenbank – Bl. 527 d.A.). Konkret
bestand aber im seinerzeitigen Zusammenhang aus der Sicht der Beteiligten
keine Veranlassung, im Gebäude nach Tausalz zu suchen, um es – und die von
ihm kontaminierten Materialien - zu entfernen und die Kosten dieser Beseitigung
zu kalkulieren. Da Tausalz als solches keine direkte toxische Wirkung zeigt
(Schadstoff-Glossar – Bl. 530 d.A.), wirft seine Entsorgung keine Kostenprobleme
auf, zu deren Schätzung ein Ingenieurbüro hätte beauftragt werden müssen.
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An dieser Beurteilung ändert sich auch dadurch nichts, dass die Beklagte nach
Darstellung der Klägerin später eine Auftragserteilung insoweit eingeräumt haben
soll. Dass der Geschäftsführer der Beklagten, Z3, der Geschäftsführerin der
Klägerin, Z2, gegenüber bestätigt habe, zu einer Chloriduntersuchung der
Tiefgarage verpflichtet gewesen zu sein, hält der Senat nicht für bewiesen. Es ist
schon fraglich, ob einem Satz wie „Die (meine Leute) haben einfach nicht daran
gedacht“ überhaupt eine solche Bedeutung zugemessen werden kann. Jedenfalls
ist es überzeugend, wie es Z3 ausgeführt hat, dass ein – zumal neuer -
Geschäftsführer nicht ohne nähere Prüfung der Einzelheiten mit weitreichenden
finanziellen Folgen Fehler seiner Mitarbeiter einräumt.
2. Die Beklagte haftet nicht aus positiver Vertragsverletzung eines selbständigen
Beratungsvertrags. Ein gesonderter Beratungsvertrag zusätzlich zum oben
genannten Werkvertrag ist zwischen den Parteien nicht geschlossen worden.
Zwar kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter
bestimmten Voraussetzungen eine vertragliche Haftung eines Auskunftgebers für
die Richtigkeit seiner Auskunft auf Grund eines stillschweigenden Abschlusses
eines – auch unentgeltlichen - Auskunftsvertrages in Betracht. Dabei ist
entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung
der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluss zulassen,
dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum
Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben (vgl. BGH, Urteil
vom 13. Dezember 2005 - KZR 12/04 – zitiert nach Juris Rn 12 m.w.N.). Bei der
hiesigen Konstellation lässt sich jedoch weder feststellen, dass die Beklagte einen
Rat oder eine Auskunft erteilt hat (ihr wird gerade vorgeworfen, dies nicht getan zu
haben), noch dass sie insoweit eine Verpflichtung hatte eingehen wollen. Aus dem
Vorschlag der Beklagten, bestimmte zusätzliche Untersuchungen für erforderlich
zu halten, lässt sich kein verbindlicher Rat herleiten, die Klägerin solle ihren Auftrag
auf diese Untersuchungen beschränken. Die Beklagte hatte ein Interesse daran,
möglichst weit reichende und umfassende Aufträge zu erhalten und der Klägerin
stand es frei, solche zu erteilen. In diesem Zusammenhang einen
rechtsverbindlichen Rat der Beklagten anzunehmen, ihr keine weiteren Aufträge zu
erteilen, wäre ihrem Interesse zuwider gewesen. In solchen Akquisitionsphasen
besteht kein Verkehrsbedürfnis für eine eventuelle Haftung über die bei
Vertragsanbahnungen ohnehin geschuldete übliche und erforderliche Sorgfalt
hinaus.
3. Die Beklagte hat auch keine (vor-)vertragliche Nebenpflicht zur Aufklärung (§
242 BGB) schuldhaft verletzt, indem sie die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat,
dass die Tiefgarage möglicherweise durch Tausalzeintrag chloridbelastet sei,
Untersuchungen auf Chloridbelastungen aber von ihrem Auftrag nicht umfasst
seien. Eine solche Pflicht der Beklagten bestand nicht.
Aus Treu und Glauben abzuleitende Informations- und Beratungspflichten hängen
von den Umständen des Einzelfalles ab. Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass jeder Vertragspartner verpflichtet
ist, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den von diesem
verfolgten Vertragszweck vereiteln können und daher für seinen Entschluss von
wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung
erwarten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 402/99 – zitiert nach Juris
Rn 8); dies gilt auch für den Unternehmer gegenüber dem Besteller eines Werkes
(BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 – X ZR 26/97 – zitiert nach Juris Rn 18 m.w.N.).
Der Umfang der Aufklärungs- und Prüfungspflicht wird maßgeblich durch das
Fachwissen des Unternehmers und den Beratungsbedarf des Auftraggebers
– zitiert nach Juris
Rn 25).
Unwissenden aufklärt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2006 - XII ZR 50/04 – zitiert nach
Juris Rn 19). Im Übrigen steckt der Rahmen der vertraglich übernommenen
Verpflichtungen zugleich den Umfang der Obhuts- und Beratungspflichten ab
(BGH, Urteil vom 3. Mai 2000 – X ZR 49/98 – zitiert nach Juris Rn 9).
Ein solches Informationsgefälle, welches die Beklagte nach Treu und Glauben hätte
beseitigen müssen, ist hier jedoch nicht feststellbar:
Das Gebäude sollte „gestrippt“, also alle Teile bis auf den Rohbau entfernt,
werden. Der Beklagten war als Fachingenieurunternehmen die Prüfungsaufgabe
zugewiesen, Schadstoffe / Altlasten zu identifizieren und im Rahmen der
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zugewiesen, Schadstoffe / Altlasten zu identifizieren und im Rahmen der
Abbruchmaßnahmen den Beseitigungsaufwand der von ihnen kontaminierten
Materialien abzuschätzen (siehe oben unter II.1.). Festzustellen, ob oder in
welchem Umfang die verbleibende Rohbausubstanz – insbesondere von der Statik
der Betonkonstruktionen her - tauglich war oder Schäden aufwies und der
Sanierung bedurfte, oder in welchem Umfang der Estrich erneuert werden musste,
war reine Architektenaufgabe. An vielen Stellen der Tiefgarage waren Schäden
sichtbar. Dass bei in den 1960er Jahren gebauten Tiefgaragen in Folge
Tausalzeintrags durch einfahrende Fahrzeuge wahrscheinlich Korrosionsschäden
an Beton und Bewehrungsstahl entstanden seien, war in Fachkreisen allgemein
bekannt. Dass der Stoff, durch welchen Estrich und Betonkonstruktionen der
Tiefgarage in Mitleidenschaft gezogen worden waren, Tausalz war, war ebenfalls
bekannt und bedurfte keiner ingenieurtechnischen Untersuchung. Es ging nicht
darum, das Salz – wie die anderen schädlichen Stoffe - als solches zu entfernen,
sondern die Folgen, die es in den letzten dreißig Jahren an der Bausubstanz
verursacht hatte. Die zur Sanierung der Tiefgarage erforderlichen Kosten waren
unter der Rubrik „300 Baukonstruktionen“ und nicht unter „213
Altlastenbeseitigung“ zu kalkulieren. Dies ist auch geschehen. Nach Angaben des
Architekten der Klägerin waren für die Betonsanierung Kosten angesetzt.
Es bestand demnach für die Beklagte keinerlei Veranlassung, sich ohne
ausdrückliche Anfrage – wie zwei Jahre später an sie herangetragen - um diesen
Problemkreis zu kümmern. Sie wusste, dass die Klägerin Architekten eingeschaltet
hatte, so dass für sie kein Informationsdefizit der Klägerin ersichtlich war. Die
Architekten der Klägerin zu kontrollieren, war nicht ihre Aufgabe. Die Beklagte
durfte sich darauf verlassen, dass nach der Aufgabenverteilung der Spezialisten
für die „due diligence“ – Prüfung sie nur für ihren Bereich „Altlasten“ verantwortlich
war. Hinsichtlich Betonsanierungen hatte sie auch kein überlegenes Fachwissen.
Wenn die Architekten der Klägerin ihre Kostenschätzungen zur Betonsanierung
machten, ohne die Tiefgarage überhaupt besichtigt zu haben (so Architekt Z5 im
Senatstermin vom 19. März 2009 – Bl. 493 d.A.), ist dies der Klägerin zuzurechnen
und nicht der Beklagten.
Hinzu kommt, dass auch eine seinerzeitige Chloriduntersuchung keineswegs die
von der Klägerin gewünschte Information über Kosten der Sanierung gezeitigt
hätte. Wie die spätere gesondert beauftragte Untersuchung der Beklagten (K13)
zeigt, bringt sie über das seinerzeit für die Architekten der Klägerin ohnehin
Sichtbare (der Estrich ist auszutauschen, die auffälligen Bereiche sind instand zu
setzen, eine Schädigung der Bewehrung – Lochkorrosion - ist wahrscheinlich, ein
Instandsetzungskonzept muss aufgestellt werden) hinaus keine neuen
Erkenntnisse.
4. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Es handelt sich um eine
Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen
Rechtsprechung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.