Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.05.2003

OLG Düsseldorf: fahrbahn, kollision, rente, schmerzensgeld, verkehrsunfall, fahren, taxifahrer, mitverschulden, entlastungsbeweis, versicherungsrecht

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-1 U 215/01
Datum:
26.05.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-1 U 215/01
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. Oktober 2001 verkündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld unter Zurückweisung
des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt
wie folgt neu gefasst:
Die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes (Klageantrag zu 1.)
wird abgewiesen.
Die Klage auf Zahlung einer monatlich im Voraus zu leistenden Rente
ab dem 1. April 1999 (Klageantrag zu 2.) ist dem Grunde nach zu 20 %
ge-rechtfertigt. Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs wird die
Sache an die 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld zurückverwiesen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
sind, der Klägerin 20 % ihres zukünftigen materiellen Schadens aus dem
Verkehrsunfall vom 28. März 1999 gegen 5.49 Uhr in Krefeld, zu
ersetzen. Die Haftung der Beklagten ist auf die Höchstbeträge des § 12
Abs. 1 StVG a.F. beschränkt. Der weitergehende Klageantrag zu 3. wird
abge-
wiesen.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil des
Landgerichts vorbehalten.
T a t b e s t a n d :
1
Am 28. März 1999 gegen 5.49 Uhr befuhr der Beklagte zu 1. mit dem bei der Beklagten
zu 2. versicherten Taxi, einem Pkw Daimler Benz Vito, KR- , in dem sich der Zeuge F.
als Fahrgast befand, den Südwall in Krefeld in westliche Richtung. Halter des Taxis war
Herr W. K., bei dem der Beklagte zu 1. als angestellter Fahrer arbeitete.
2
Der Südwall ist zwischen Ostwall und Königstraße in der von dem Beklagten zu 1.
befahrenen Richtung zweispurig; vor der Kreuzung zur Königstraße befinden sich eine
Fußgängerfurt und eine zum damaligen Zeitpunkt nicht in Betrieb befindliche
Ampelanlage.
3
Im Bereich der Fußgängerfurt kollidierte das von dem Beklagten zu 1. gefahrene Taxi
mit der aus seiner Sicht von rechts als Fußgängerin den Südwall überquerenden
Klägerin. Durch die Kollision wurde die damals 26-jährige schwer verletzt. Sie erlitt eine
vordere und hintere beidseitige Beckenringfraktur, ein Schädelhirntrauma zweiten
Grades mit Blutung und mehreren Kontusionsarealen, eine beidseitige
Kreuzbandfraktur, ein tetraspastisches Syndrom, eine Thoraxquetschung mit
Hämatothorax beidseitig, ein apallisches Syndrom, einen Lungenanriss und einen
Schädelbasisbruch. Infolge dieser Verletzungen ist die Klägerin nicht mehr in der Lage
zu sprechen, zu gehen oder zu stehen; sie ist rechtsseitig gelähmt und steht unter
Betreuung.
4
Mit der Klage hat sie eine Haftung der Beklagten für die Folgen des Unfalls von 1/3
geltend gemacht und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000 DM, eine
monatliche Rente sowie die Feststellung der Haftung für alle zukünftigen Schäden
begehrt.
5
Sie hat im Wesentlichen behauptet, der Beklagte zu 1. sei mit einer für die örtlichen
Verhältnisse überhöhten Geschwindigkeit von mindestens 60 km/h gefahren und habe
zu spät gebremst. Sie hat dem Beklagten zu 1. ferner vorgeworfen, nicht richtig reagiert
zu haben; sie hat behauptet, der Beklagte zu 1. hätte der Klägerin bei einer richtigen
Reaktion ausweichen können. Sie sei nicht über die Straße "gerannt", sondern allenfalls
"gelaufen". Sie habe beabsichtigt, eine auf der gegen-überliegenden Seite des
Südwalls in Höhe der Königstraße gelegene Telefonzelle zu erreichen.
6
Vor dem Verkehrsunfall habe sie monatlich durchschnittlich 6.300 DM brutto verdient. Ihr
Arbeitgeber habe beabsichtigt, sie künftig als Vorarbeiterin zu beschäftigen. Die
jährlichen Tariflohnsteigerungen hätten bei durchschnittlich 3 % gelegen und wären mit
diesem Prozentsatz auch künftig zu erwarten gewesen.
7
Die Klägerin hat beantragt,
8
1.
9
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes
Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, zu
zahlen,
10
2.
11
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteile, ab dem 01.04.1999 eine
monatlich im Voraus zu leistende Rente in angemessener Höhe zu zahlen, die sich
ab dem 01.01. eines jeden Jahres, beginnend ab dem 01.01.2000 um jeweils 3 %
erhöht,
12
3.
13
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, mit einer
Haftungsquote von 1/3 an sie sämtliche weiteren Schäden, die ihr in Zukunft aus
dem Verkehrsunfall vom 28.03.1999, 5.49 Uhr Südwall/König-straße in Krefeld
entstehen, zu ersetzen.
14
Die Beklagten haben beantragt,
15
die Klage abzuweisen.
16
Sie haben geltend gemacht, dass der Unfall für den Beklagten zu 1. unabwendbar
gewesen sei. Der Beklagte zu 1. sei mit einer Geschwindigkeit von allenfalls 40 km/h
gefahren und habe durch eine Vollbremsung versucht, der Klägerin auszuweichen. Die
dunkel gekleidete Klägerin sei zwischen parkenden Autos hindurch in Höhe der
Fußgängerampel, ohne auf den Verkehr auf dem Südwall zu achten, unvermittelt auf die
Fahrbahn gerannt. Die Klägerin habe sich in einer psychischen Ausnahmesituation
befunden. Sie sei zuvor - wie insoweit unstreitig ist - gemeinsam mit zwei Begleiterinnen
beim Verlassen einer Diskothek auf der Königstraße gegen 5.30 Uhr von mehreren
Männern tätlich angegriffen worden. Die Klägerin sei deshalb losgerannt, um Hilfe zu
holen. Die Beklagten haben ferner darauf verwiesen, dass eine bei der Klägerin am 28.
März 1999 um 8.00 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,07
‰ ergeben habe.
17
Das Landgericht hat nach Beweiserhebung gemäß Beschluss vom 23. Mai 2000 (67
GA) durch die Vernehmung des Zeugen F: (82 ff. GA) sowie die Einholung eines
unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen T: (107 ff. GA) die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme, insbesondere dem Sachverständigengutachten, lasse sich ein
unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1. nicht feststellen; vielmehr sei davon
auszugehen, dass der Unfall für den Beklagten zu 1. unvermeidbar gewesen sei. Die
von dem Sachverständigen festgestellte maximale Ausgangsgeschwindigkeit des Taxis
von 50 km/h sei angesichts der guten Witterungsbedingungen zur Unfallzeit, der gut
einsehbaren Örtlichkeit und Umstandes, dass mit Fußgängerverkehr zu der frühren
Morgenstunde kaum zu rechnen gewesen sei, nicht überhöht gewesen. Insoweit sei die
Kollision für den Beklagten zu 1. bei der ihm zur Verfügung stehenden Reaktionszeit
zwischen 1,2 und 1,7 sek. nicht abwendbar gewesen.
18
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin unter Vertiefung
und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Klagebegehren weiter.
Insbesondere rügt sie, dass die Annahme des Landgerichts und des Sachverständigen,
sie sei durch parkende Fahrzeuge hindurch auf die Straße gelaufen, unzutreffend sei;
vielmehr sei der Bereich der Fußgängerampel für den Beklagten zu 1. frei einsehbar
gewesen. Dieser habe sich nicht auf das Abbremsen beschränken dürfen, sondern habe
auch ausweichen müssen. Zudem bestreitet die Klägerin, dass Herr K. als Arbeitgeber
der Beklagten zu 1. diesen sorgfältig ausgewählt und überwacht habe.
19
Die Klägerin beantragt,
20
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein
angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts
gestellt ist, jedoch zumindest 100.000 DM (51.129,19 EUR) zu zahlen.
21
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ab dem
01.04.1999 eine monatlich im Voraus zu leistende Rente in angemessener Höhe
zu zahlen, die sich ab dem 01.01. eines jeden Jahres, beginnend ab dem
01.01.2000 um jeweils 3 % erhöht.
22
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, mit
einer Haftungsquote von 1/3 an die Klägerin sämtliche weiteren Schäden, die der
Klägerin in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 28.03.1999, 5.49 Uhr,
Südwall/Königstraße in Krefeld entstehen, zu ersetzen.
23
Die Beklagten beantragen,
24
die Berufung zurückzuweisen.
25
Auch sie vertiefen und ergänzen insoweit ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Sie
bestreiten, dass der Beklagte zu 1. der Klägerin habe ausweichen können. Sie machen
zudem geltend, dass Herr K. sich bei der Einstellung des Beklagten zu 1. im Jahre 1996
und in der Folgezeit wiederholt davon überzeugt habe, dass der Beklagte zu 1. ein
zuverlässiger und besonnener Fahrer sei.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu
den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
27
Die Akten 15 Js 530/99 Staatsanwaltschaft Krefeld lagen dem Senat vor und waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
28
Der Senat hat Beweis erhoben aufgrund des Beschlusses vom 13. Januar 2003 (243 f.
GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
vom 7. April 2003 (262 ff. GA) verwiesen.
29
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30
Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.
31
I.
32
Die Beklagten sind verpflichtet, der Klägerin gesamtschuldnerisch den durch das
Unfallereignis entstandenen und noch entstehenden materiellen Schaden
(Klageanträge zu 2. und zu 3.) zu 20 % zu ersetzen gemäß §§ 7, 9, 18 StVG, 254 BGB, 3
Nr. PflVersG. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin, insbesondere auf Ersatz ihres
immateriellen Schadens, besteht hingegen nicht.
33
Zu dieser Haftungsverteilung gelangt der Senat bei der gebotenen Abwägung der
Verursachungs- und Verschuldensbeiträge beider Unfallbeteiligter, wobei zu Lasten
einer Partei nur solche unfallursächlichen Tatsachen berücksichtigt werden dürfen, auf
welche die Partei sich entweder berufen oder die unstreitig oder bewiesen sind.
34
1.
35
Die grundsätzliche Haftung der Beklagten folgt aus §§ 7, 18 StVG, 3 Nr. 1 PflVersG. Sie
ist entgegen der Ansicht des Landgerichts weder nach § 7 Abs. 2 StVG
36
ausgeschlossen, noch steht das Nichtverschulden des Beklagten zu 1. als Fahrer des
Taxis gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 StVG fest.
a.
37
Zutreffend ist, dass nach den plausiblen Ausführungen in dem Gutachten des
Sachverständigen T., der Beklagte zu 1. mit einer hier nicht auszuschließenden
Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h die Kollision mit der jedenfalls über die
Fahrbahn "laufenden" Klägerin nicht vermeiden konnte. Indes geboten es die
vorliegenden Umstände für einen äußerst sorgsamen Kraftfahrer ("Idealfahrer") die
Geschwindigkeit von 50 km/h deutlich zu unterschreiten. Bei der gebotenen deutlichen
Reduktion der Geschwindigkeit ist aber nicht auszuschließen, dass der Unfall hätte
abgewendet werden können (§ 7 Abs. 2 StVG a.F.).
38
Der Beklagte zu 1. durfte mit der grundsätzlich erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50
km/h nur unter günstigsten Umständen fahren (§ 3 Abs. 3 StVO). Diese lagen hier aber
nicht vor. Denn es war zu dem Unfallzeitpunkt im März um 5.49 Uhr noch dunkel, die
von dem Beklagten zu 1. befahrene zweispurige Straße war insgesamt lediglich 6,6 m
breit und - nach eigener Darstellung der Beklagten - auf dem rechten Fahrstreifen
zugeparkt. Überdies befand sich der Beklagte zu 1. in einem Viertel in Krefeld, in dem
sich Gaststätten befinden; an dem frühen Sonntagmorgen musste also durchaus auch
mit - alkoholisierten und daher möglicherweise unaufmerksamen - Fußgängern
gerechnet werden, zumal im Bereich eines Fußgängerüberwegs. Nach den
Gesamtumständen wäre daher ein Fahren mit 50 km/h verkehrswidrig gewesen.
39
Die Beklagte zu 2. muss sich deshalb die Betriebsgefahr des Pkw Daimler Benz Vito
anrechnen lassen und haftet insoweit grundsätzlich für den unfallbedingten materiellen
Schaden der Klägerin.
40
b.
41
Der Beklagte zu 1. hat den ihm obliegenden Entlastungsbeweis (§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG)
gleichfalls nicht geführt, weil eine unfallursächliche Geschwindigkeitsüberschreitung
nicht auszuschließen ist. Hingegen ist - wie das Landgericht insoweit zutreffend
ausgeführt hat - ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1. nicht
feststellbar; die Klägerin kann daher insoweit kein Schmerzensgeld gemäß den §§ 823,
847 BGB von den Beklagten verlangen.
42
Es ist nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1. mit einer den vorliegenden Umständen
nicht angepassten Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h oder darüber gefahren ist.
Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass er mit lediglich 40 km/h gefahren ist; eine
solche Geschwindigkeit kann hier noch als verkehrsgemäß akzeptiert werden. Der
Sachverständige T. hat in seinem überzeugenden Gutachten eine
Kollisionsgeschwindigkeit zwischen und 40 und 45 km/h ermittelt. Da sich die Kollision
noch in der Vorbremszeit ereignet haben kann, ist dann die Kollisionsgeschwindigkeit
von 40 bis 45 km/h mit der Ausgangsgeschwindigkeit identisch.
43
Es ist nicht feststellbar, dass der Beklagte zu 1. fehlerhaft und/oder zu spät reagiert hat.
Auch wenn die Klägerin nur gelaufen (4 m/sek.) und nicht gerannt sein sollte, war sie
vom Betreten der Fahrbahn bis zur Kollision lediglich 1,2 sek. auf der Fahrbahn. Dieser
Zeitraum reichte - wie dies der Sachverständige T. richtig und überzeugend ausgeführt
44
hat - für den Beklagten zu 1. nicht aus, um mit bloßem Abbremsen die Kollision mit der
Klägerin vermeiden zu können.
Entgegen dem Berufungsvorbringen konnte selbst von einem Berufskraftfahrer wie dem
Beklagten zu 1. nicht erwartet werden, eine Ausweichlenkung nach rechts
vorzunehmen, wodurch möglicherweise die Klägerin an der linken vorderen Ecke des
Taxis noch gerade vorbei gekommen wäre. Denn mit einer solchen Ausweichlenkung
hätte der Beklagte zu 1. das Fahrzeug der laufenden Klägerin entgegen lenken müssen;
es kann aber selbst einem Berufskraftfahrer nicht vorgeworfen werden, wenn er in der
Augenblicksreaktion sein Fahrzeug - instinktiv - von der gefährdeten Person weglenkt
bzw. jedenfalls nicht noch auf diese zuhält.
45
Dem Beklagten zu 1. kann jedenfalls auch ein Verschuldensvorwurf nicht deswegen
gemacht werden, weil er nicht ganz rechts gefahren ist. Wie aus dem mit dem Kreuz auf
der Rückseite gezeichneten Foto in der Ermittlungsakte (Hülle Bl. 7) ersichtlich ist, war
an dem rechten Rand des Südwalls zumindest ein Pkw abgestellt, der einen Teil des
rechten Fahrstreifens versperrte.
46
Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 1. schon maßgeblich
früher hätte reagieren können als in dem Augenblick, in dem er erkennen konnte, dass
die Klägerin auf die Fahrbahn treten werde. Es bestehen keine gesicherten
Erkenntnisse über die Geh- und Laufrichtung der Klägerin. Insofern kann auch nicht
festgestellt werden, dass der Beklagte zu 1. die Klägerin bereits früher hätte erkennen
und reagieren können.
47
2.
48
Die Beklagte zu 2. in ihrer Eigenschaft als Versicherin des Halters des Taxis, Herrn W.
K., haftet der Klägerin auch nicht weitergehend aus §§ 831 BGB i. V. m. § 3 PflVersG,
insbesondere auf Ersatz ihrer immateriellen Schäden.
49
a.
50
Dass die Klägerin davon abgesehen hat, den Halter K. auf Schadensersatz in Anspruch
zu nehmen, steht einer Haftung der Beklagten zu 2. unter dem Gesichtspunkt des § 831
BGB nicht entgegen.
51
b.
52
Zwar sind diesbezüglich grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Haftung erfüllt.
Denn der Beklagte zu 1. war als angestellter Taxifahrer des Halters K. bei der
vorliegenden Fahrt, bei der es zu dem Unfall mit der Klägerin kam, als dessen
Verrichtungsgehilfe tätig. Den dem Geschäftsherrn obliegenden Beweis eines
verkehrsgerechten Verhaltens des Beklagten zu 1. (vgl. BGHZ 24, 21) hat die Beklagte
zu 2. nicht geführt, da - wie ausgeführt - nicht auszuschließen ist, dass dieser mit einer
den Umständen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist.
53
c.
54
Die Beklagte zu 2. hat jedoch den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB
erbracht. Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme ist der Senat
55
davon überzeugt, dass Herr K. den Beklagten zu 1. sorgfältig ausgewählt und auch
hinreichend überwacht hat.
aa.
56
Der Zeuge K. hat glaubhaft bekundet, dass ihm der Beklagte zu 1. als zuverlässiger und
bewährter Fahrer der Konkurrenzfirma Ö. bekannt gewesen sei und er ihn deshalb nach
der Übernahme der Firma Ö. Ende 1996 auch für sich habe fahren lassen. Herr K. hat
insofern plausibel geschildert, dass er sich davon überzeugt habe, dass der Beklagte zu
1. die Voraussetzungen zur Ausübung des Berufs als Taxifahrer erfüllte, er
insbesondere über den sogenannten Taxischein und den Funkausweis verfügte.
57
Damit hatte sich der Zeuge K. bei der Einstellung des Beklagten zu 1. im Rahmen des
Möglichen hinreichend von dessen Eignung für die ihm zugedachte Tätigkeit als
Taxifahrer überzeugt. Diese Eignung hat die Beklagte zu 1. in der Folgezeit bestätigt;
nach der Aussage des Zeugen K. hat der Beklagte zu 1. seine Aufgabe als
Aushilfsfahrer bis heute beanstandungsfrei wahrgenommen; mit Ausnahme des
streitgegenständlichen Unfalls hat es keinerlei negative Vorfälle gegeben.
58
bb.
59
Der Zeuge K. hat ferner glaubhaft dazu ausgesagt, wie er den Beklagten zu 1.
überwacht hat.
60
Hiernach hat er regelmäßig monatlich kontrolliert, ob der Beklagte zu 1. weiterhin in
Besitz des Taxischeins war, er ist bei ihm - wie auch bei seinen anderen angestellten
Fahrern - mitgefahren, um sich ein Bild von der Fahrweise des Beklagten zu 1. zu
machen, wobei er sich allerdings auf Stichproben beschränkt hat. Zudem hat er den
Beklagten zu 1. im Rahmen der Überwachung sämtlicher Fahrer gelegentlich auch
durch Hinterherfahren verdeckt kontrolliert bzw. beobachtet. Der Zeuge hat weiter
angegeben, den Beklagten zu 1. zu Beginn der Tätigkeit öfter kontrolliert zu haben;
angesichts seiner hierbei festgestellten, außerordentlichen Zuverlässigkeit, die sich
darin dokumentierte, dass es in dem bereits seit Ende 1996 andauernden
Beschäftigungsverhältnis - anders als bei den anderen Fahrern - bei dem Beklagten zu
1. zu keinerlei Kundenbeschwerden, Unfällen oder Bußgeldbescheiden gekommen war,
hiermit jedoch nachgelassen zu haben. An eine gezielte Kontrolle des Beklagten zu 1.
in den ersten Monaten des Jahres 1999 vor dem Unfall vermochte sich der Zeuge K.
nicht zu erinnern.
61
Insgesamt genügt aber die von dem Zeugen K. bekundete Kontrolltätigkeit noch den
diesbezüglich im Rahmen des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB anzulegenden strengen
Anforderungen (vgl. BGH NJW 2003, 288; OLG Düsseldorf, ZfS 2002, 523), auch wenn
eine in der Rechtsprechung vielfach (generell) geforderte fortdauernde, planmäßige und
unauffällige Überwachung (vgl. OLG Hamm, NJW RR 1998, 1403 f.; OLG Karlsruhe,
Versicherungsrecht 2000, 863, OLG Köln, ACE - Der Verkehrsjurist, 2001, 5 ff.) nicht
durchgängig durchgeführt worden ist.
62
Art und Ausmaß der Überwachung richten sich letztlich nach den Umständen des
Einzelfalles; neben der Gefährlichkeit der übertragenden Tätigkeit sind insbesondere zu
berücksichtigen: die Persönlichkeit des Gehilfen, sein Alter, seine Vorbildung und
Erfahrung und seine bisherige Bewährung im Verhältnis zu der von ihm zu erfüllenden
63
Aufgabe; starre Regeln gibt es insoweit nicht (vgl. BGH NJW 2003, 288;
Versicherungsrecht 1984, 67).
Vorliegend konnte sich der Zeuge K. auf den Beklagten zu 1. als einen zum Zeitpunkt
des Unfalls langjährig besonders bewährten und sorgfältigen Kraftfahrer weitestgehend
verlassen. Es war unter den gegebenen Umständen gerechtfertigt, die Überwachung
seiner Fahrweise nicht mehr in dem Umfang wie zu Beginn seiner Tätigkeit oder wie bei
einem eher durchschnittlich zuverlässigen angestellten Fahrer oder etwa bei einem
Berufsanfänger durchzuführen. Der Zeuge K. durfte sich vielmehr - wie erfolgt -
zunehmend auf stichprobenartige und zeitlich weiter auseinanderliegende Kontrollen
des Beklagten zu 1. beschränken. Dabei verkennt der Senat nicht, dass an die
Kontrollpflichten eines Taxiunternehmers grundsätzlich besonders hohe Anforderungen
zu stellen sind.
64
3.
65
Der Haftung der Beklagten aus §§ 7, 18 StVG, 3 Nr. 1 PflVersG für den unfallbedingten
materiellen Schaden der Klägerin steht ein anspruchsminderndes, ganz erheblich
überwiegendes Mitverschulden der Klägerin an dem Zustandekommen des Unfalls
gegenüber (§§ 9 StVG, 254 BGB). Die Klägerin räumt ein Mitverschulden ein, indem sie
die Beklagten nur zu einem Drittel in Anspruch nimmt. Sie hat die maßgebliche
Unfallursache gesetzt, indem sie sich unaufmerksam und ungeachtet des nahenden
Fahrzeuges des Beklagten zu 1. auf die Fahrbahn begeben hat, wenn auch im Bereich
einer Fußgängerfurt. Ohne Grünlicht hatte sie jedoch keinen Vorrang; vielmehr war sie
wartepflichtig.
66
Der Klägerin kann jedoch insoweit nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht
werden, auch wenn sie objektiv die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders
schwerem Maße verletzt haben mag. Sie trifft nämlich in subjektiver Hinsicht nicht dieser
schwere Verschuldensvorwurf, weil sie sich aufgrund des vorangegangenen tätlichen
Übergriffs in einer Notsituation befand, in der sie offensichtlich vollständig auf die
Notwendigkeit konzentriert war, Hilfe für sich und ihre beiden Begleiterinnen
herbeizuholen. Infolgedessen ist nicht auszuschließen, dass die Einsichtsfähigkeit in
die Gefährlichkeit ihres Tuns bei dem Betreten der Fahrbahn erheblich gemindert war.
67
Deshalb ist es nach Ansicht des Senats auch nicht gerechtfertigt, die Betriebsgefahr des
Taxis gegenüber dem schuldhaften Verkehrsverstoß der Klägerin vollständig
zurücktreten zu lassen.
68
4.
69
Insgesamt bemisst der Senat das Mitverschulden der Klägerin mit 80 %. Die Beklagten
haften mithin für den materiellen Schaden der Klägerin mit 20 %. Insoweit war den
Klageanträgen zu 2. und zu 3. deshalb teilweise stattzugeben.
70
Die Höhe des der Klägerin durch den Unfall entstandenen Verdienstausfallschadens
(Rente) bedarf noch weiterer Aufklärung. Da die bislang vorgelegten Unterlagen keine
ausreichende Grundlage für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO bilden und
zudem die Höhe der künftigen Lohnentwicklung streitig ist, macht der Senat von der
Möglichkeit des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO a.F. Gebrauch und verweist den Rechtsstreit
insoweit an das Landgericht zur Entscheidung über den Betrag des Anspruchs zurück.
71
II.
72
Eine Kostenentscheidung ergeht nicht, weil das Verhältnis des wechselseitigen
Obsiegens und Unterliegens der Parteien noch nicht feststeht.
73
Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entfällt, da das Urteil keinen
vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
74
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 113.336,36 EUR.
75
Die Beschwer der Klägerin mehr; diejenige der Beklagten weniger als 20.000 EUR.
76
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
77
a. Kr E
78
79