Urteil des OLG Düsseldorf vom 15.01.2009

OLG Düsseldorf: in verkehr bringen, sortenschutz, eigentum, immaterialgüterrecht, entwendung, veranlagung, entziehung, berechtigter, vermögensvorteil, eingriffskondiktion

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 99/07
Datum:
15.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 99/07
Tenor:
I.
Die Berufung gegen das am 18. September 2007 verkündete Teilurteil
der 4b Zi-vilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten
wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils
zwangsweise durchzusetzenden Betrages abzuwenden, falls nicht die
Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 75.000,-- €.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Kläger verlangt von den Beklagten Übertragung von Sortenschutzrechten und
Sortenschutzanmeldungen, Schadensersatz, hilfsweise Herausgabe des erzielten
Gewinns als Bereicherungsausgleich, sowie Auskunftserteilung und Rechnungslegung.
3
Der Kläger nahm den Beklagten 1 vor dem Landgericht Düsseldorf u.a. auf Übertragung
des ihm erteilten, jeweils im. November 1993 zur Anmeldung gebrachten
4
Sortenschutzes zu der Kennnummer CLL 1 mit der Sortenbezeichnung "A" und zu der
Kennnummer CLL 2 mit der Sortenbezeichnung "B" sowie auf Übertragung des
Anspruchs auf Erteilung des Sortenschutzes für die vom Beklagten zu 1 unter
demselben Datum unter der Bezeichnung "C" angemeldeten Sorte mit der Kennnummer
CLL 3 in Anspruch. Hinsichtlich der zuletzt genannten Sorte stellte das Landgericht die
Erledigung der Hauptsache fest, nachdem der Beklagte zu 1 seinen Erteilungsantrag
beim Bundessortenamt zurückgenommen hatte. Hinsichtlich der beiden weiteren Sorten
verurteilte das Landgericht den Beklagten zu 1 zur Übertragung. Mit Urteil vom 13.
September 2001 (Anlage K 1) wies der Senat die Berufung u.a. im Hinblick auf die
Übertragung der Sorte "B" und mit Urteil vom 2. Juni 2005 (Anlage K 3) die Berufung
u.a. im Hinblick auf die Übertragung der Sorte "A" zurück.
Im September/Oktober 1996 stellte der Beklagte zu 1 beim Bundessortenamt
Sortenschutzanträge für die im Klageantrag zu I. näher bezeichneten Sorten "D", "E"
und "F". Für die beiden zuletzt genannten Sorten wurde dem Beklagten zu 1
Sortenschutz erteilt. Später beantragten die Beklagten auch für die im Klageantrag zu II.
genannten Sorten Sortenschutz, der inzwischen für die Sorte mit der Bezeichnung "G"
gewährt wurde.
5
Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen, sämtliche der in Streit stehenden
Sorten seien – wie er im Anschluss an einen im Jahr 2005 durchgeführten Testkauf
festgestellt habe – entsprechend der nachfolgend wiedergegebenen Übersicht erste
Ableitungen der ihm zustehenden Ausgangssorten.
6
Der Beklagte zu 1 habe sich anlässlich eines Besuchs bei ihm im Herbst 1992 in
unrechtmäßiger Weise Pflanzenmaterial von Züchtungsergebnissen verschafft, indem er
ohne Erlaubnis Pflanzenteile von neu gezüchteten Sorten abgeschnitten habe, um
damit Pflanzen zu vermehren und im Rahmen des Anbaus Mutationen zu entdecken.
Die Beklagten hätten Mutationen ohne das Entwenden seines auf dem freien Markt nicht
erhältlichen Pflanzenmaterials nicht entdecken und infolge dessen die
streitgegenständlichen Sortenschutzrechte nicht erhalten können. Nach Feststellung der
Entwendung habe er selbst entsprechendes Pflanzenmaterial angepflanzt und durch
Verklonung weitervermehrt. Am 30.09.1995 habe er Mutationen aus seinen Klonen "4"
und "5" mit jeweils grauweißen Knospen entdeckt, die den Sorten "F und "E"
entsprächen. Bei einem Vergleich der von ihm erhaltenen Mutanten mit den von den
Beklagten bei der Prüfstelle vorgelegten Registerpflanzen habe er festgestellt, dass
deren Merkmale allein aufgrund unterschiedlicher Anbaubedingungen voneinander
abwichen, aber als identisch anzusehen seien. Wegen der insoweit fehlenden
Unterscheidbarkeit habe er von einer Anmeldung der von ihm entdeckten Mutanten
abgesehen.
7
Der Kläger hat beantragt,
8
I.
9
den Beklagten zu 1 zu verurteilen, die nachstehenden Sortenschutzrechte, nämlich den
durch Beschluss des Bundessortenamtes
10
- vom 21.06.1999 zur Kennnummer CLL 80 erteilten Sortenschutz für die Sorte mit der
Sortenbezeichnung "E", - vom 02.05.2000 zur Kennnummer CLL 81 erteilten
Sortenschutz für die Sorte mit der Sortenbezeichnung "F"
11
sowie
12
- die am 05.09.1996 unter der Kennnummer CLL 71 angemeldete Sorte mit der
vorläufigen Bezeichnung "H" (vorgeschlagene Sortenbezeichnung "I"),
13
auf ihn zu übertragen;
14
II.
15
die Beklagten zu 1) und 2) zu verurteilen,
16
das durch Beschluss des Bundessortenamtes vom 06.06.2006 unter der
Kennnummer CLL 7 erteilte Sortenschutzrecht für die Sorte mit der
Sortenbezeichnung "G",
17
18
sowie
19
- die am 28.10.2002 unter der Kennnummer CLL 8 angemeldete Sorte mit der
vorläufigen Sortenbezeichnung "W 8" (vorgeschlagene Sortenbezeichnung "J"), - die
am 30.09.2003 unter der Kennnummer CLL 9 angemeldete Sorte mit der vorläufigen
Sortenbezeichnung "W 12", - die am 30.09.2003 unter der Kennnummer CLL 10
angemeldete Sorte mit der vorläufigen Sortenbezeichnung "W 13"
20
auf ihn zu übertragen;
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III. festzustellen, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist,
22
1.
23
ihm allen Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist und zukünftig entstehen
wird, dass der Beklagte zu 1) Pflanzen der in Ziffer I. genannten Sorten sowie
Vermehrungsmaterial hiervon in den Verkehr gebracht hat, hilfsweise den hiermit
erzielten Gewinn wegen ungerechtfertigter Bereicherung herauszugeben;
24
2.
25
Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen hinsichtlich Vermehrungs- und
Vertriebshandlungen zu Sorten gem. Ziffer I., und zwar hinsichtlich
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- der Menge des hergestellten, ausgelieferten, erzeugten oder bestellten
Pflanzenmaterials, - der Verkaufsmenge, -zeit und –preise, - des erzielten Umsatzes, -
des Inhalts von Angebotsschreiben unter Angabe der Auflagenhöhe, des
Verbreitungszeitraumes sowie des Verbreitungsgebietes,
27
durch Vorlage eines Verzeichnisses unter Angabe der Herstellungsmengen und -zeiten,
28
der einzelnen Lieferungen, der Gestehungskosten mit Angabe der einzelnen
Kostenfaktoren sowie Vorlage der Rechnungen über Lieferungen an gewerbliche
Abnehmer;
IV.
29
festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind,
30
1.
31
ihm allen Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist und zukünftig entstehen
wird, dass die Beklagten zu 1) und 2) Pflanzen der in Ziffer II. genannten Sorten sowie
Vermehrungsmaterial hiervon in den Verkehr gebracht haben, hilfsweise den hiermit
erzielten Gewinn wegen ungerechtfertigter Bereicherung herauszugeben;
32
2.
33
Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen hinsichtlich Vermehrungs- und
Vertriebshandlungen zu Sorten gem. Ziffer II., und zwar hinsichtlich
34
- der Menge des hergestellten, ausgelieferten, erzeugten oder bestellten
Pflanzenmaterials, - der Verkaufsmenge, -zeit und –preise, - des erzielten Umsatzes, -
des Inhalts von Angebotsschreiben unter Angabe der Auflagenhöhe, des
Verbreitungszeitraumes sowie des Verbreitungsgebietes,
35
durch Vorlage eines Verzeichnisses unter Angabe der Herstellungsmengen und -zeiten,
der einzelnen Lieferungen, der Gestehungskosten mit Angabe der einzelnen
Kostenfaktoren sowie Vorlage der Rechnungen über Lieferungen an gewerbliche
Abnehmer.
36
Die Beklagten haben beantragt,
37
die Klage abzuweisen.
38
Sie haben behauptet, die Sorten "E" und "F" seien Mutationen von Klonen des
Beklagten zu 1. Bereits seit 1991 hätten sie – so die Beklagten zu 1 und 2 –
verschiedene Typen violett blühender Knospenblüher in ihrem Betrieb gehabt; zu dieser
Zeit habe zwischen den Parteien eine "normale" Geschäftsbeziehung bestanden, in
deren Rahmen der Kläger dem Beklagten zu 1 ständig geschützte und ungeschützte
Pflanzen geliefert habe. Die Sorten "W8" und "W12" seien Mutationen der
Ausgangssorte "E", die Sorten "G" und "W13" solche der Sorte "F". Die Beklagten
haben außerdem gegenüber den mit den Klageanträgen zu I., III. und IV. geltend
gemachten Ansprüchen die Einrede der Verjährung erhoben.
39
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu I. bis III. durch Teilurteil
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stünden die insoweit
geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
40
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein insoweit
erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Klagebegehren unter Bezugnahme und Vertiefung
seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Er macht im Wesentlichen geltend: Das
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Landgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass die Ausgangssorten unmittelbar und
ausschließlich auf die züchterische Leistung des Klägers zurückgingen und er sich
seiner diesbezüglichen Eigentumsposition zu keiner Zeit freiwillig begeben habe. Da es
sich bei Caluna Vulgaris um eine mutationsfreudige Pflanze handele, sei davon
auszugehen, dass er die streitgegenständlichen Sortenmutationen selbst aufgefunden
hätte. Im Übrigen reiche für das Vorliegen eines schadensersatzrechtlichen
Übertragungsanspruchs die (inzwischen rechtskräftig vom Senat getroffene)
Feststellung aus, dass der Beklagte zu 1 Pflanzenmaterial der Ausgangssorten
widerrechtlich entwendet habe. Denn Teil seiner, der klägerischen, Eigentumsposition
sei die Veranlagung des entwendeten Pflanzenmaterials, Mutationen hervorzurufen.
Dies finde seine Bestätigung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur
objektiven Schadensberechnung, im Rahmen derer die Herausgabe des
Verletzergewinns verlangt werden könne. Ein Übertragungsanspruch ergebe sich auch
aus Bereicherungsrecht. Die Beklagten hätten auf Kosten des Klägers die mangels
freier Verfügbarkeit von Pflanzenmaterial der Ausgangssorten auf dem Markt allein ihm
vorbehaltene (konkurrenzlose) Möglichkeit, mit Hilfe des Pflanzenmaterials Mutationen
zu entdecken und zum Sortenschutz anzumelden, erlangt. Die Auffassung des
Landgerichts, das sortenschutzrechtliche Züchterprivileg stehe einer solchen Annahme
entgegen, sei rechtsfehlerhaft. Der Züchtervorbehalt könne nicht durchgreifen, wenn der
Züchter das Ausgangsmaterial an Pflanzen in rechtswidriger Weise unter Eingriff in das
Eigentumsrechts eines Dritten erlangt habe. Ferner ergebe sich der
Übertragungsanspruch auch aus den Grundsätzen der angemaßten
Eigengeschäftsführung.
Der Kläger beantragt,
42
das angefochtene Urteil abzuändern und entsprechend seinen erstinstanzlich
gestellten Klageanträgen zu I. bis III. zu erkennen.
43
Die Beklagten beantragen,
44
die Berufung zurückzuweisen.
45
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten unter Bezugnahme und Vertiefung
ihres erstinstanzlichen Vortrags dem Vorbringen des Klägers entgegen.
46
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
47
II.
48
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die mit den Klageanträgen
zu I. bis III. geltend gemachten Ansprüche zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die
insoweit geltend gemachten Übertragungs-, Schadenseratz-, Bereicherungs-,
Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche nicht zu.
49
1. a)
50
Die vom Kläger mit seinen Klageanträgen zu I. u. II. geltend gemachten
Übertragsansprüche ergeben sich nicht aus § 9 Abs. 2 SortG. Denn auch unter
Zugrundelegung des Klägervortrags sind die Beklagten, wie das Landgericht zutreffend
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ausgeführt hat, gemäß § 8 Abs. 1 SortG Entdecker der streitgegenständlichen Sorten
und damit berechtigte Inhaber dieser Sorten. Da das Immaterialgüterrecht des
Sortenschutzes nicht dem sachenrechtlichen Eigentum am Ausgangsmaterial folgt
(BGH, GRUR 1976, 385 – Rosenmutation, Keukenschrijver, SortG, 2001, § 8 Rdn. 13),
sind die Beklagten auch nicht deshalb im Sinne von § 9 Abs. 2 SortG als
Nichtberechtigte anzusehen, weil der Beklagte zu 1 nach Behauptung des Klägers das
Ausgangsmaterial widerrechtlich entwendet haben soll.
b)
52
Geht man – wie das Landgericht – von dem Klägervortrag aus, nach dem die
streitgegenständlichen Sorten aus den Sorten des Klägers "C", "A" und "B" abgeleitet
wurden, die der Beklagte zu 1 auf dem Betriebsgelände des Klägers unerlaubt
entwendet haben soll, stehen der Klägerin zwar dem Grunde nach
Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung zu (§§ 989, 990 BGB; §§ 992,
823 Abs. 2 BGB i.V.m. 858 BGB oder 242 StGB; §§ 992, 823 Abs. 2 BGB). Mit Recht ist
das Landgericht jedoch davon ausgegangen, dass sich hieraus in der Rechtsfolge nicht
die begehrten Übertragungsansprüche herleiten lassen.
53
Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand
herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht
eingetreten wäre (Grundsatz der Naturalrestitution). Zum Ersatz verpflichtender Umstand
ist bezogen auf die vorbezeichneten Anspruchsnormen die unerlaubte Entziehung des
Besitzes und Eigentums an Pflanzenmaterial der Ausgangssorten des Klägers.
Ausgehend hiervon kann der Kläger die Übertragung der streitgegenständlichen
Sortenschutzrechte und Sortenanmeldungen unter Schadensersatzgesichtspunkten nur
dann verlangen, wenn ohne die Entziehung er und nicht die Beklagten die
streitgegenständlichen Sorten entdeckt und zum Sortenschutz angemeldet haben
würde. Dafür, dass er die Sorten selbst entdeckt hat, ist der Kläger darlegungs- und
beweisfällig geblieben. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt sich
mangels objektiver Angaben zur Übereinstimmung von Sortenmerkmalen aus dem
(wertenden) Vorbringen des Klägers, anlässlich einer Besichtigung in der Prüfstelle R
Unterschiede seiner Klone 4 und 5 mit den Sorten "F" und "E" nicht erkannt haben zu
wollen, nicht die Feststellung ableiten, dass Abweichungen von den Merkmalen der
Sorten "F" und "E", die für die Feststellung der Sortenidentität relevant sind, nicht
vorliegen. Auch hat der Kläger sein diesbezügliches Vorbringen nicht mehr in der
Berufungsinstanz ergänzt. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger die Vorlage seiner
Zuchtunterlagen angeboten hat.
54
Soweit der Kläger darauf verweist, dass es sich bei Caluna Vulgaris um eine
mutationsfreudige Pflanze handelt, mag dies eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür
begründen, dass der sachkundige Kläger Mutationen selbst hätte entdecken können.
Die tatrichterliche Feststellung, dass der Kläger gerade auch die streitgegenständlichen
Sorten entdeckt haben würde, lässt sich auf dieser Grundlage jedoch nicht treffen.
Gegen eine solche Annahme spricht vielmehr, dass nach dem Sach- und Streitstand
davon auszugehen ist, dass der Kläger keine der streitgegenständlichen Sorten (vor
oder nach den Beklagten) selbst entdeckt hat.
55
Nicht beigetreten werden kann auch der Ansicht des Klägers, darauf, ob er die
streitgegenständlichen Sorten selbst entdeckt hätte, könne es nicht ankommen, weil Teil
seiner Eigentümerposition die Veranlagung des verwendeten Pflanzenmaterials,
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Mutationen hervorzurufen, gewesen sei. Inhalt des Eigentums an einer Sache ist die
Befugnis des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von der
Einwirkung auf sie ausschließen zu können (§ 903 S. 1 BGB). Ohne die mit der
Entwendung des Pflanzenmaterials verbundene Verletzung der
Ausschließungsbefugnis hätten die Beklagten – den Vortrag des Klägers unterstellt –
die streitgegenständlichen Sorten zwar nicht entdecken können. Das bedeutet aber
nicht auf der Kehrseite, dass dem Kläger hierdurch ein entsprechender Schaden
entstanden muss. Das zeigt sich schon darin, dass dem Kläger, der weiterhin im Besitz
der Ausgangssorten blieb, durch die Entwendung des Pflanzenmaterials die Möglichkeit
nicht genommen wurde, die streitgegenständlichen Mutationen zu entdecken. Darüber
hinaus ändert der Eingriff in das Eigentum auch nichts daran, dass bezogen auf die
Entdeckung von Mutationen dem Kläger ein eigener wirtschaftlicher Nachteil, der im
Wege der Naturalrestitution auszugleichen ist, nur dann entstanden ist, wenn er ohne
diesen Eingriff die streitgegenständlichen Sorten entdeckt und zum Sortenschutz
angemeldet hätte. Das ist – wie bereits ausgeführt – zu verneinen.
Dass der Kläger die gleichen Mutationen wie die Beklagten entdeckt hätte, lässt sich
entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus der im Immaterialgüterrecht
zugelassenen Schadensberechnungsmethode der Herausgabe des Verletzergewinns
herleiten, bei der fingiert wird, dass der Verletzte durch die ausschließlich ihm
vorbehaltene Verwertung des Schutzrechts den gleichen Gewinn wie der Verletzer
erzielt hätte, ohne dass es darauf ankommt, ob der Verletzte hierzu tatsächlich in der
Lage gewesen wäre (vgl. BGHZ 145, 366, 372 - Gemeinkostenanteil; BGHZ 150, 32, 44
- Unikatrahmen). Voraussetzung für die Zulassung dieser objektiven
Schadensberechnung ist zumindest das Vorliegen einer dem Immaterialgüterrecht
vergleichbaren Rechtsinhaberschaft (vgl. BGH, GRUR 1973, 478, 480 –
Modeneuheiten). Das ist bezogen auf die streitgegenständlichen
Sortenschutzanmeldungen jedoch zumindest deshalb nicht der Fall, weil gemäß § 10a
Abs. 1 Nr. 3 SortG – ebenso wie gemäß § 10 S. 2 u. 3 SortG a.F. – die Züchtung und
damit verbundene Entdeckung neuer Sorten vom immaterialgüterrechtlichen
Sortenschutz nicht eingeschlossen wird, sich nach der gesetzgeberischen Wertung die
mit der Züchtung der Ausgangssorte verbundene immaterielle Leistung insoweit also
gerade nicht mit einer Ausschließungsbefugnis verbunden sein soll.
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Vor diesem Hintergrund ergeben sich die begehrten Übertragsansprüche auch nicht aus
§ 37 Abs. 2 SortG oder § 83 BGB. Denn auch hier gilt, dass dem Kläger nur dann durch
die Sortenschutzanmeldungen der Beklagten ein ersatzfähiger Schaden entstanden
sein kann, wenn er ohne die Verletzungshandlung die streitgegenständlichen Sorten
selbst entdeckt und angemeldet hätte.
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c)
59
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Übertragungsansprüche ferner nicht gemäß
§ 812 Abs. 1 S. 1 2 Alt. BGB (Eingriffskondiktion) zu.
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Zwar ist für immaterielle Schutzrechte anerkannt, dass derjenige, der unberechtigt in
den Zuweisungsgehalt eines solchen Ausschließlichkeitsrechts eingreift, in sonstiger
Weise etwas – einen Vermögensvorteil – auf Kosten des Rechtsinhabers erlangt. Wie
bereits dargelegt und auch vom Landgericht zutreffend erkannt wurde, ergibt sich jedoch
aus § 10a Abs. 1 Nr. 3 SortG, dass die Züchtung und damit verbundene Entdeckung
neuer Sorten dem Inhaber der Ausgangssorte nicht zugewiesen ist. Die von dem Kläger
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begehrte Rechtsfolge ergibt sich aber selbst dann nicht, wenn man zu seinen Gunsten
eine entsprechende Ausschließungsbefugnis unterstellt. Denn das Erlangte kann in
solch einem Fall nicht in der Konsumierung einer allein dem Schutzrechtsinhaber
vorbehaltenen Marktchance und den hierdurch eröffneten Gewinnmöglichkeiten – hier
der Entdeckung der streitgegenständlichen Sorten und der dadurch möglichen
Erlangung von Sortenschutz – gesehen werden, weshalb die Gewinnherausgabe auch
nicht verlangt werden kann (vgl. BGH, NJW 1982, 1154, 1155 f. – Kunststoffhohlprofil II).
Erlangt haben die Beklagten durch die vom Kläger behauptete Entwendung den Besitz
an Pflanzenmaterial der Ausgangssorten. Dass die Erlangung des Besitzes unter
Eingriff in die Eigentums- und Besitzrechte des Klägers an dem konkreten
Pflanzenmaterial erfolgte, hat allerdings nicht zur Konsequenz, dass die Beklagten als
Vermögensvorteil die streitgegenständlichen Sortenschutzrechte bzw.
Sortenschutzanmeldungen auf Kosten des Klägers erlangt haben. Wie auch der in
§ 10a Abs. 1 Nr. 3 SortG niedergelegte Züchtervorbehalt bestätigt, folgt das
Immaterialgüterrecht des Sortenschutzes nicht dem sachenrechtlichen Eigentum oder
einem sonstigen Recht am Ausgangsmaterial; berechtigter Sortenschutzinhaber kann
also auch der sein, der nicht zugleich Eigentümer oder berechtigter Besitzer der
Ursprungspflanze oder Züchter der Ausgangssorte ist (vgl. BGH, GRUR 1976, 385, 386
– Rosenmutation). Das Sortenschutzrecht stellt demgemäß keinen Vermögenswert dar,
der auf das Eigentum und den Besitz an konkretem Pflanzenmaterial zurückgeht, und
kann damit auch nicht durch den Eingriff in diese Positionen auf Kosten des
Rechtsinhabers erlangt werden und Gegenstand einer Eingriffskondiktion sein.
62
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagten hätten auf seine Kosten etwas erlangt,
weil er Pflanzenmaterial der Ausgangssorte nicht freiwillig an Dritte abgeben habe und
daher allein ihm vorbehalten gewesen sei, aus den Ausgangssorten neue Sorten zu
züchten und zu entdecken, führt auch das zu keinem bereicherungsrechtlichen
Übertragungsanspruch des Klägers. Die geltend gemachte Position des Klägers beruht
nicht allein auf seinem Eigentum und Besitz an dem konkret entwendeten
Pflanzenmaterial, sondern darauf, dass er die Gesamtheit an Pflanzen der
Ausgangssorten Dritten nicht zugänglich gemacht hat. Da er hiermit Dritte von jeder
Benutzung der Ausgangssorten ausgeschlossen hat, hat er sein Eigentumsrecht
faktisch in einer Weise ausgenutzt, als stünde ihm hinsichtlich der Verwendung der
Ausgangssorten auch zu Züchtungszwecken ein Ausschließlichkeitsrecht zu. Aufgrund
dieser faktischen Stellung kann der Kläger aber nicht besser gestellt sein, als er stünde,
wenn ihm – wie oben zu seinen Gunsten unterstellt – ein entsprechendes immaterielles
Ausschließlichkeitsrecht zustehen würde, bei dem die Herausgabe als Gewinn erlangter
Sortenschutzrechte und Sortenanmeldungen gerade nicht verlangt werden kann. Damit
würde – wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat – der Gesetzeszweck des
Züchtervorbehalts der Förderung der züchterischen Forschungs- und
Entwicklungsarbeit, bei der das gesamte vorhandene biologische Material für die
Schaffung neuer Sorten verwendet können werden soll (vgl. Keukenschrijver, SortG,
2001, § 10 Rdn. 7), in unzulässiger Weise umgangen.
63
Da die vom Kläger geltend gemachte (faktische) Ausschließlichkeitsposition nicht allein
auf sein Eigentum an dem konkret entwendeten Pflanzenmaterial zurückgeht, stellen
sich die streitgegenständlichen Sortenschutzrechte und Sortenanmeldungen der
Beklagten schließlich auch nicht im Sinne von §§ 818 Abs. 1 oder §§ 819 Abs. 1, 818
Abs. 4, 15 BGB als Nutzungen oder Ersatz bzw. Surrogat des konkret erlangten
Pflanzenmaterials dar.
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d)
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Dem Kläger steht auch kein Übertragungsanspruch wegen angemaßter
Eigengeschäftsführung ohne Auftrag zu (§ 687 Abs.2 i.V.m. §§ 681 S. 2, 667 BGB). Aus
den vorgenannten Gründen ist dem Kläger weder aus seinem Eigentum an dem
entwendeten Pflanzenmaterial noch daraus, dass er die Gesamtheit an Pflanzen der
Ausgangssorten Dritten nicht zugänglich gemacht hat, ein ausschließliches
Züchtungsrecht unter Verwendung der Ausgangssorten zugewiesen. Bei der Verletzung
absoluter Rechte kommt eine Herausgabepflicht wegen angemaßter
Eigengeschäftsführung aber nur in Betracht, soweit der Zuweisungsgehalt des Rechts
reicht (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl, § 687 Rdn. 5).
66
2.
67
Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht die Klage abwiesen, soweit der Kläger mit
seinem Klageantrag zu III. bezogen auf die Sorten "E", "F" und "D" die Feststellung
begehrt, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, ihm allen Schaden zu ersetzen, der ihm
durch das in Verkehr bringen von Pflanzen oder Vermehrungsmaterial dieser Sorten
entstanden ist und entstehen wird.
68
Da es sich bei den vorgenannten Sorten um Altsorten im Sinne von § 41 Abs. 6 SortG
handelt, auf die die Regelung des § 10 Abs. 2 u. 3 SortG (n.F.) über die Erstreckung des
Sortenschutzes auf im wesentlichen von der Ausgangssorte abgeleitete Sorten keine
Anwendung findet, steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gemäß § 37 Abs. 2
SortG wegen unberechtigter Benutzung der Ausgangssorten zu.
Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung scheitern an den unter 1.b) zu
den geltend gemachten Übertragungsansprüchen genannten Gründen.
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Aus den unter 1.c) genannten Gründen steht dem Kläger auch nicht nach
Bereicherungsrecht der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des
vom Beklagten zu 1 erzielten Gewinns zu.
70
3.
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Auskunft- und Rechnungslegungsansprüche stehen dem Kläger schließlich mangels
Vorliegens eines Hauptanspruchs, zu dessen Durchsetzung der Kläger die begehrten
Angaben benötigen würde, ebenfalls nicht zu.
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III.
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Als im Berufungsverfahren unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO
die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen; die Anordnungen zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 61, 108 Abs. 1 ZPO.
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Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO
niedergelegten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat weder
grundsätzliche Bedeutung noch fordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung, da die
Rechtslage durch die zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes
("Rosenmutation" u. "Kunststoffhohlprofil II") hinreichend geklärt ist.
75