Urteil des OLG Düsseldorf vom 09.04.2008

OLG Düsseldorf: treu und glauben, dachgeschoss, wohnung, rückbau, zustandsstörer, firma, abwasser, eigentümer, kostenvoranschlag, heizung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 3/08
Datum:
09.04.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 3/08
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 11 T 216/07
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 2 tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der
weiteren Beschwerde.
Wert: 3.000,- Euro.
I.
1
Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft G.. Die Beteiligten zu 1
sind Eigentümer der im Erdgeschoss gelegenen etwa 68 qm großen Wohnung; die
Beteiligten zu 2 sind Eigentümer der etwa gleich großen Wohnung im ersten
Obergeschoss. Inhalt des Sondereigentums der Wohnung der Beteiligten zu 2 ist nach
der Teilungserklärung vom 28. November 1992 "das alleinige Recht, den Dachboden
unter Ausschluss der anderen Wohnungseigentümer allein zu nutzen". Ohne
Zustimmung der Beteiligten zu 1 bauten die Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 2 und
später die Beteiligten zu 2 selbst den Dachboden zu einer Wohnung bestehend aus drei
Wohnräumen und einem voll ausgestatteten Badezimmer aus.
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Das Amtsgericht Duisburg-Hamborn (9 II 36/04 WEG) verpflichtete die Beteiligten zu 2
auf Antrag der Beteiligten zu 1 am 20. Mai 2005 rechtskräftig (vgl. Senatsbeschluss I-3
Wx 244/05 vom 7. Februar 2006), die von ihnen im Dachgeschoss des Hauses für die
Herstellung einer Wohnung errichteten Trennwände und Decken sowie die darauf und
darin verlegten sanitären Leitungen, die sanitären Einrichtungen (Toilettenschüssel,
Spülkasten, Waschbecken, Duschtasse, Badewanne) und die in den Räumen verlegten
Bodenbeläge auf ihre Kosten zu beseitigen sowie den Rückbau der zum Dachgeschoss
führenden Steigleitungen für Wasser, Abwasser und Heizung auf Kosten der
Wohnungseigentümergemeinschaft zu dulden.
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Neben den in dem Verfahren 9 II 36 / 04 WEG streitgegenständlichen, zwischenzeitlich
jedenfalls teilweise zurück gebauten, baulichen Veränderungen der Beteiligten zu 2
selbst (und deren Rechtsvorgänger) stehen in dem Dachgeschoss heute noch (Trenn-)
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Wände und Decken des Badezimmers.
Die Beteiligten zu 1 holten bei der Firma H. Bauunternehmung einen über
8.109,85 Euro lautenden Kostenvoranschlag vom 19. März 2007 über die Beseitigung
der noch vorhandenen Trennwände, Decken und Steigleitungen ein.
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Am 28. März 2007 fand eine Eigentümerversammlung statt, auf der die Beteiligten zu 1
beantragten:
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"Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, die im Dachgeschoss
errichteten Badezimmer-Trennwände und Decken zusammen mit den zu dem
Dachgeschoss führenden Steigleitungen für Wasser, Abwasser und Heizung auf
Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu entfernen. [...]."
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Die Beteiligten zu 2 stimmten diesem Antrag nicht zu, weshalb ein Beschluss nicht
gefasst wurde.
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Die Beteiligten zu 1 haben erstinstanzlich vorgetragen, aufgrund der noch vorhandenen
Umbauten würde nach wie vor die Möglichkeit einer Wohnraumnutzung des
Dachgeschosses bestehen; außerdem entstünden ihnen durch die noch vorhandenen
Wände und Decken preisliche Nachteile bei etwaigen Kaufinteressenten.
9
Die Beteiligten zu 1 haben beantragt,
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die Beteiligten zu 2 zu verpflichten, den Rückbau der im Dachgeschoss des
Hauses G. für die Herstellung eines Badezimmers errichteten Trennwände und
Decken auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu dulden.
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Die Beteiligten zu 2 haben beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie haben die Auffassung vertreten, zur Durchsetzung der Duldung ihnen gegenüber
bedürfe es eines rechtmäßigen Eigentümerbeschlusses; das Begehren der Beteiligten
zu 1 falle in den Zuständigkeitsbereich der Wohnungseigentümergemeinschaft. Da sie,
die Beteiligten zu 2, gegen den Beschlussvorschlag gestimmt hätten, könne der
Anspruch nun nicht durchgesetzt werden. Es entspreche im Übrigen nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung, eine Maßnahme, die nach einem Kostenvoranschlag
der Firma H. Bauunternehmung 8.109,85 Euro koste, durchzuführen, während
andererseits die Außenfassade renovierungsbedürftig sei.
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juli 2007 den Antrag zurückgewiesen, weil
dem Duldungsanspruch aus § 1004 BGB entgegen stehe, dass der Aufwand zur
Beseitigung der Wände in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem mit der Beseitigung
verbundenen Erfolg stehe.
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Gegen den amtsgerichtlichen Beschluss haben die Beteiligten zu 1 sofortige
Beschwerde eingelegt.
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Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit am 19. Dezember 2007
verkündetem Beschluss die Beteiligten zu 2 verpflichtet, den Rückbau der im
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Dachgeschoss des Hauses für die Herstellung eines Badezimmers errichteten
Trennwände und Decken auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu dulden.
Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 2 ihr auf
Zurückweisung des Verpflichtungsantrags gerichtetes Begehren weiter.
18
Die Beteiligten zu 1 treten dem Rechtsmittel entgegen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
20
II.
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Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere
Beschwerde ist nicht begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht
auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 27 FGG.
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1.
Beteiligten zu 1 könnten gemäß § 1004 BGB von den Beteiligten zu 2 die Duldung der
Beseitigung der noch vorhandenen Trennwände des Badezimmers und der Decken in
dem Dachgeschoss beanspruchen. Die Beteiligten zu 2 hätten geltend gemacht, dass
nicht sie selbst, sondern ihre Sonderrechtsvorgänger diese Wände gezogen hätten,
weshalb sie sich nicht bereits aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung in dem
Verfahren 9 II 36/04 WEG, Amtsgericht Duisburg-Hamborn, zur Beseitigung verpflichtet
sähen.
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Habe indes der Sonderrechtsvorgänger eine unzulässige bauliche Veränderung im
Sinne von § 22 WEG durchgeführt, so sei der Sonderrechtsnachfolger zwar nicht selbst
gemäß § 1004 BGB zur Beseitigung, jedoch zur Duldung der Beseitigung durch die
Gemeinschaft verpflichtet [vgl. KG, NJW-RR 1991, 1421; Merle, in:
Wohnungseigentumsgesetz, 9. Aufl. 2003, § 22 Rn. 266; Bub, in: Staudinger, BGB,
13. Bearbeitung 2005, § 22 WEG Rn. 235, jeweils mit weiteren Nachweisen]. So
verhalte es sich hier. Bei dem Ausbau des Dachbodens, wozu auch die Errichtung der
noch vorhandenen Badezimmerwände und -decken zähle, handele es sich um eine
bauliche Veränderung, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft hätte.
Dies habe bereits das Amtsgericht, das Landgericht und auch der Senat in dem
Verfahren 9 II 36/04 WEG, Amtsgericht Duisburg-Hamborn, angenommen. Die
erforderliche Zustimmung der Beteiligten zu 1 habe insoweit nicht vorgelegen. Dies sei
bereits Gegenstand des vorgenannten Verfahrens gewesen. Dass eine diesbezügliche
Zustimmung erteilt worden sei, behaupteten die Beteiligten zu 2 daher nicht mehr.
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Die Duldungspflicht der Beteiligten zu 2 entfalle nicht etwa deshalb, weil die noch
verbliebenen Mauern, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, für sich genommen eine
Wohnnutzung u. U. nicht mehr ermöglichen und deshalb von ihnen insoweit
möglicherweise eine unmittelbare Beeinträchtigung der Beteiligten zu 1 nicht mehr
ausgehe. Entscheidend komme es darauf an, dass die Beteiligten zu 2 und ihre
Rechtsvorgänger den gesamten Dachboden unzulässigerweise zu einer Wohnung
ausgebaut gehabt hätten. Daher bestehe auch insgesamt ein Duldungs- und
Beseitigungsanspruch der Beteiligten zu 1 auf Entfernung aller Umbauten, die zu der
Erstellung der Wohnung geführt haben.
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Die Durchsetzung des Anspruchs sei nicht rechtsmissbräuchlich. Ein
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Beseitigungsverlangen könne zwar unter Umständen in Ausnahmefällen
rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Beseitigung / Duldung unverhältnismäßig große
Aufwendungen erfordert und deshalb unzumutbar sei. Dies sei hier jedoch nicht der
Fall.
2.
Nachprüfung stand. Die Kammer hat ihre Entscheidung überzeugend begründet.
Gesichtspunkte, aus denen sich ergibt, dass die Überlegungen der Kammer von
entscheidungserheblichen Rechtsfehlern beeinflusst sein könnten, haben die
Beteiligten zu 2 nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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a)
vorhandenen Badezimmerwände und -decken zählt, um eine bauliche Veränderung
handelt, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft hätte und der die
Beteiligten zu 1 nicht zugestimmt haben, haben bereits das Amtsgericht (9 II 36/04
WEG) und das Landgericht (11 T 128/05) angenommen und hat auch der Senat in
seinem Beschluss vom 7. Februar 2006 (I-3 Wx 244/05) bestätigt.
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b)
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Soweit die Beteiligten zu 2 die noch vorhandenen Wände und Decken nicht selbst
errichtet haben, ist ihnen deren Beseitigung weder durch den rechtskräftigen Beschluss
des Amtsgerichts vom 20. Mai 2005 im Verfahren 9 II 36 / 04 WEG Amtsgericht
Duisburg-Hamborn noch durch den angefochtenen Beschluss aufgegeben. Dies
entspricht der Rechtslage, die zur Beseitigung nur den Handlungsstörer gemäß § 1004
Abs. 1 BGB verpflichtet (BayObLG NZM 2002, 351; NJW-RR 1991, 1234 f.), nicht aber
den Sonderrechtsnachfolger des Handlungsstörers.
30
c)
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Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Beteiligten zu 2 für verpflichtet gehalten, als
Zustandsstörer die Beseitigung der von ihnen im Rahmen der Wohnnutzung
übernommenen Bauteile durch die Wohnungseigentümergemeinschaft zum Zwecke der
Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes auf deren Kosten zu dulden (vgl.
BGH NJW 2007, 432; BayObLG NZM 2002, 351; KK-WEG-Drabek 2006, § 22 Rdz. 60).
32
Die Eigenschaft der Beteiligten zu 2 als Zustandsstörer folgt allerdings nicht schon
daraus, dass sie sich weigern, den zur Störungsbeseitigung erforderlichen
(vollständigen) Rückbau zu dulden.
33
aa)
weder die Sachherrschaft über die störende Sache noch die damit einhergehende
Möglichkeit, die Störung zu beseitigen, um Jemanden als Störer im Sinne des § 1004
BGB anzusehen. Zustandsstörer ist vielmehr Derjenige, der die Beeinträchtigung zwar
nicht verursacht hat, durch dessen maßgeblichen Willen der beeinträchtigende Zustand
aber aufrechterhalten wird (BGH a.a.O. mit Nachweisen). Notwendig ist zunächst, dass
der in Anspruch Genommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit
der Beseitigung hat, ferner, dass ihm die Beeinträchtigung zurechenbar ist, weil er aus
irgend einem Rechtsgrund zur Duldung der Störungsbeseitigung verpflichtet ist (BGH
a.a.O.).
34
bb)
35
Diese Voraussetzungen sind in der Person der Beteiligten zu 2 erfüllt. Denn diese sind
als unmittelbare Besitzer des Dachbodens in der Lage, die verbliebenen Bauteile zu
beseitigen. Auch geht die Beeinträchtigung mittelbar auf ihren Willen zurück, weil sie die
Beseitigung der vorhandenen Wände und Decken nicht zulassen wollen. Dies zu
dulden sind die Beteiligten zu 2 rechtlich verpflichtet. Dies lässt sich zum Einen aus § 15
Abs. 3 WEG herleiten, wonach jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im
Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums
verlangen kann, der dem Gesetz, den Beschlüssen und, soweit sich die Regelung
hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach
billigem Ermessen entspricht und ergibt sich zudem auch aus dem Grundsatz von Treu
und Glauben (§ 242 BGB), dem im Verhältnis von Wohnungseigentümern zueinander
eine gesteigerte Bedeutung zukommt (vgl. Senat NZM 2007, 529).
36
c)
37
Darauf, ob sich die verbliebenen Bauteile für sich genommen (noch) zur Wohnnutzung
eignen, hat die Kammer zu Recht nicht abgestellt. Denn Gegenstand der
Duldungspflicht des Zustandsstörers ist die einheitliche Wiederherstellung des
ordnungsgemäßen Zustandes und nicht bloß eines solchen, der eine Wohnnutzung
nicht oder nicht mehr ermöglicht.
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Deshalb kann es – abgesehen von ganz marginalen Beeinträchtigungen, die nach
§ 242 BGB zu beurteilen wären - auch nicht darauf ankommen, ob ein verbliebenes
bauliches Zwischenstadium nach Teilbeseitigung sich noch als nachteilig für die
Gemeinschaft darstellt.
39
d)
40
Ohne Beanstandung hat die Kammer schließlich eine aus wirtschaftlichen Gründen
rechtsmissbräuchliche Wahrnehmung des Gemeinschaftsinteresses verneint.
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Sie hat im Einzelnen unter Bewertung des Kostenvoranschlages der Firma H. vom 19.
März 2007 plausibel ausgeführt, dass die Beteiligten zu 2 durch die Duldung der
Maßnahme auf Kosten der Gemeinschaft anteilig mit einem 2.000,- Euro
unterschreitenden Betrag belastet würden. Diese auf § 287 ZPO basierende Schätzung
erweist sich ebenso wenig als rechtlich fehlerhaft, wie die Beurteilung eines solchen
Aufwandes als zumutbar.
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3.
Erstattungsanordnung im Hinblick auf die im dritten Rechtszug notwendig entstandenen
außergerichtlichen Kosten nach Billigkeitsgesichtspunkten ist nicht veranlasst.
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