Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.09.2006

OLG Düsseldorf: verwaltung, abrechnung, entlastungsbeschluss, genehmigung, verwalter, rüge, unrichtigkeit, billigkeit, form, anfechtungsfrist

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 120/06
Datum:
26.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 120/06
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 11 T 252/05
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom
26. Oktober 2005 werden abgeändert soweit der Antrag der Beteiligten
zu 1, die auf der Eigentümerversammlung vom 17. März 2005 unter TOP
1 und 3 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären, zurückge-wiesen
worden sind; zugleich werden diese Beschlüsse für ungültig er-klärt.
Die im gesamten Verfahren entstandenen Gerichtskosten haben die
Beteiligten zu 2 bis 13 zu tragen.
Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 24.000,00 EUR.
I.
1
Die Beteiligten zu 1 bis 13 sind die Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage, die von
der Beteiligten zu 14 verwaltet wird. Die Beteiligte zu 1 begehrt jetzt noch die
Feststellung, dass die auf der Eigentümerversammlung vom 17.03.2005 unter TOP 1
und 3 gefassten Beschlüsse unwirksam sind.
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Unter TOP 1 fassten die Wohnungseigentümer einen Beschluss über die "Entlastung
der Abrechnung 2001". Hierbei lagen der Versammlung jeweils quartalsweise erfolgte
Abrechnungen über die Einnahmen und Ausgaben im Jahr 2001, eine
Zusammenstellung für das gesamte Jahr über Guthaben bzw. Forderungen betreffend
die einzelnen Wohnungseigentümer, eine Übersicht über die Entwicklung und den
Endbestand des Kontos und der Rückstellungen und die jeweilige Einzelabrechnung für
dieses Jahr vor. Unter TOP 3 wurde die "Entlastung der Verwaltung für 2001"
beschlossen.
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Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, sämtliche auf der Eigentümerversammlung
vom 17.03.2005 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.
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Das Amtsgericht hat das Begehren weitgehend zurückgewiesen mit der Einschränkung,
dass entgegen dem Beschluss zu TOP 1 die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht
mit einem in die Abrechnung eingestellten Betrag von 449,38 DM zu belasten sei.
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Die Beteiligte zu 1 hat sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht:
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Die unter TOP 1 beschlossene Jahresabrechnung für das Jahr 2001 enthalte
gravierende Fehler, sie sei weder übersichtlich noch aufschlussreich. Der Gesamtbetrag
der Heizkosten sei nicht nachvollziehbar. Es fehle eine zutreffende
Vermögensübersicht, weil die Entwicklung, insbesondere der Instandhaltungsrücklagen,
nicht nachvollzogen werden könne. Abgrenzungsposten, Forderungen und
Verbindlichkeiten fehlten gänzlich. Zudem müsste ein wesentlich höherer Geldbestand
vorhanden sein, da bereits die fortgeführten Fenster- und Reparaturrücklagenkonten
einen Bestand in Höhe von 73.390,89 DM aufweisen müssten. Die unter TOP 3
beschlossene Entlastung der Verwaltung komme aufgrund der Fehlerhaftigkeit der
Jahresabrechnung nicht in Betracht.
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Die Beteiligte zu 1 hat beantragt;
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unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung die Eigentümerbeschlüsse
vom 17.03.2005 zu TOP 1 und 3 für ungültig zu erklären.
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Die Beteiligten zu 2 bis 13 haben beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie haben den amtsgerichtlichen Beschluss verteidigt und vorgetragen:
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Sämtliche Beschlüsse vom 17.03.2005 seien ordnungsgemäß zustande gekommen.
Die Gesamtheizkosten seien der Berechnung der Fa. B, welche diese erstellt und die –
unstreitig – vorgelegen habe, zu entnehmen. Daneben seien auch die Ist-Daten der
Konten zutreffend dargestellt. Die von der Beteiligten zu 1 behauptete Differenz sei nicht
nachvollziehbar. Die behaupteten Kontostände von insgesamt 73.390,89 DM
entstammten deren Phantasie.
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Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen.
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Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der sofortigen weiteren Beschwerde, mit
der sie geltend macht, in den Abrechnungen bestünden erhebliche Differenzen
zwischen der rein rechnerischen Rücklage, wie sie sich aus den Zuführungen und den
Abgängen ergäben, und dem tatsächlichen Bestand.
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Die Beteiligten zu 2 bis 13 treten dem entgegen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
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Die gemäß §§ 45 Abs. 1 S. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere
Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem
Rechtsfehler, §§ 27 FGG, 546 ZPO.
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1. Die Kammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt:
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Der Beschluss zu TOP 1 über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Jahr
2001 sei nur dann antragsgemäß für ungültig zu erklären, wenn die Jahresabrechnung
derart unvollständig oder unrichtig wäre, dass eine Neuerstellung notwendig sei, das
aber sei nicht der Fall.
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Die Jahresabrechnung müsse eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende
Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben in dem betreffenden Kalenderjahr enthalten.
Sie müsse für einen Wohnungseigentümer aus sich heraus und auch ohne Zuziehung
eines Buchprüfers oder sonstigen Sachverständigen verständlich sein. Sie sei keine
Bilanz und keine Gewinn- und Verlustrechnung, sondern eine schlichte Einnahmen-
und Ausgabenrechnung, welche die tatsächlich angefallenen Beträge im
Abrechnungszeitraum einander gegenüber zu stellen habe. Über diese
Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben hinaus müsse sie Angaben über die
Höhe der gebildeten Rücklagen und die Kontostände der Gemeinschaftskonten am
Anfang und am Ende des Abrechnungszeitraumes enthalten. Forderungen und
Verbindlichkeiten seien demgegenüber nicht zu berücksichtigen; dasselbe gelte für
etwaige Abgrenzungsposten.
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Diesen Anforderungen entspreche die am 17.03.2005 unter TOP 1 beschlossene
Jahresabrechnung. Gegenstand dieser Abrechnung bzw. des
Genehmigungsbeschlusses seien die Quartalsübersichten über die Gesamteinnahmen
und -ausgaben, sowie für jeden Wohnungseigentümer eine Zusammenfassung und die
zu jeder Wohnung gehörende Einzelabrechnung.
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Eine zu Unrecht zu Lasten der Gemeinschaft verbuchte Handwerkerrechnung über
449,38 DM sei bereits vom Amtsgerichts berücksichtigt worden. Es sei nicht zu
beanstanden, dass das Amtsgericht die Jahresabrechnung bzw. den Beschluss
hierüber nur hinsichtlich dieses geringen Teils für ungültig erklärt und den Antrag im
Übrigen zurückgewiesen habe. Eine einzelne Unrichtigkeit über einen geringen Betrag
erfordere noch nicht die Neuerstellung der gesamten Jahresabrechnung.
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Die Antragstellerin rüge zu Unrecht, dass die Vermögensübersicht unzureichend sei.
Insoweit sei es ausreichend, dass die tatsächlichen Anfangs- und Endbestände im Jahr
2001 für sämtliche Konten der WEG (in diesem Fall zwei) angegeben würden. Das sei
in der Zusammenfassung für 2001 geschehen. Die Richtigkeit der tatsächlichen
Kontostände des Wohngeldkontos und des bestehenden Festgeldkontos würden von
der Antragstellerin auch nicht konkret angegriffen. Weitere tatsächliche Konten
existierten nicht; etwaige fiktive Konten bzw. Forderungen seien nicht in die
Jahresabrechnung aufzunehmen. Hinzu komme, dass die Antragstellerin auch nicht
näher dargelegt habe, auf welcher Grundlage sie etwaige Soll-Zahlen
zusammengetragen habe, so dass deren Richtigkeit nicht nachvollzogen werden könne.
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Der Beschluss zu TOP 3 über Entlastung der Verwaltung für 2001 sei ebenfalls nicht für
ungültig zu erklären.
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Die Anfechtung dieses Beschlusses sei zwar entgegen der Annahme des Amtsgerichts
nicht zu spät erfolgt. Das Anfechtungsschreiben vom 30.03.2005, welches dem Gericht
am 31.03.2005, also innerhalb der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG, zugegangen
sei, lasse deutlich erkennen, dass die Antragstellerin auch den Beschluss (zu TOP 3)
über die Entlastung der Verwaltung für 2001 (und zwei weitere Beschlüsse) anfechten
wollte. Dieser Schriftsatz sei der Antragsgegnerin auch innerhalb der Monatsfrist, und
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zwar am 13.04.2005, zugestellt worden, so dass die Ausführungen der Antragsgegner
zur angeblichen Verfristung neben der Sache lägen.
Der Anfechtungsantrag bleibe jedoch ohne Erfolg, weil der Entlastungsbeschluss
ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen,
wenn in Zusammenhang mit dem Wirtschaftsjahr 2001 noch ein Anspruch gegen die
Verwaltung in Betracht käme. Dies sei hier jedoch nicht ersichtlich.
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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung durch den Senat nicht stand.
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Sowohl der zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 17.03.2005 gefasste
Beschluss, der offensichtlich entgegen seiner Überschrift ("Entlastung der Abrechnung
2001") die Genehmigung der Jahresabrechnung 2001 betrifft, als auch der zu TOP 3
gefasste Entlastungsbeschluss entsprechen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und
sind daher auf den fristgerecht gestellten Antrag der Beteiligten zu 1 hin für ungültig zu
erklären (§§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG)
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a) Die der Beschlussfassung zu TOP 1 zugrunde liegende (Jahres) Abrechnung genügt
nicht den – vom Landgericht zutreffend dargelegten – Anforderungen, die an eine
ordnungsgemäße Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG zu stellen sind. Danach hat
der Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung aufzustellen.
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In der Jahresabrechnung sind deshalb die Einnahmen und Ausgaben für das gesamte
Jahr übersichtlich darzustellen. Schon diese Grundvoraussetzung erfüllen die jeweils für
die einzelnen Quartale des Jahres erstellten Abrechnungen nicht. Hier kann nicht darauf
verwiesen werden, dass die Gesamtabrechnung sich aus den Quartalsabrechnungen
ergibt, weil es nach § 28 Abs. 3 WEG Aufgabe des Verwalters ist, eine
Gesamtabrechnung vorzulegen und nicht Abrechnungen, aus denen die
Wohnungseigentümer eine Gesamtabrechnung ermitteln können.
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In der vorliegenden Form erfüllen die Abrechnungen für die einzelnen Quartale auch in
ihrer Gesamtheit betrachtet ferner einen wesentlichen Zweck der Jahresabrechnung
nicht, nämlich die Grundlage für die Einzelabrechnungen darzustellen (vgl.
Niedenführ/Schulze, WEG, 7. A., § 28 Rn. 38). So werden in den Quartalsabrechnung
vielfach Ausgaben unter der Position "Stadtwerke" aufgeführt, ohne dass klar wäre, für
welche Leistung Zahlungen an die Stadtwerke jeweils erbracht wurden. In der
Einzelabrechnung findet sich diese Position nicht wieder, sondern nur Ausgaben für
einzelne, möglicherweise von den Stadtwerken erbrachte Leistungen, etwa Müllabfuhr
und Straßenreinigung.
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Dass die in den Einzelabrechnungen aufgeführten Gesamtausgaben möglicherweise für
eine Gesamtjahresabrechnung ausreichend wären, ist unerheblich, weil sie als solche
nicht genehmigt worden sind. Das ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss.
Danach ist davon auszugehen, dass die unzureichenden Quartalsabrechnungen als
Jahresabrechnung, die in der Bezeichnung hiervon abweichenden Einzelabrechnungen
hingegen nur als solche genehmigt wurden.
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Auch letztere können angesichts der aufgezeigten Mängel der Gesamtabrechnung
keinen Bestand haben, weil zunächst eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung
genehmigt werden muss, aus der dann die Einzelabrechnungen abzuleiten sind.
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Hierbei erscheint es sinnvoll, sich zukünftig bei der Aufstellung der Abrechnung an
bewährten Mustern zu orientieren (vgl. etwa Niedenführ/Schulze § 28 WEG Rn. 53 u.
69).
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b) Da somit das Jahr 2001 seitens der Verwalterin nicht ordnungsgemäß abgerechnet
worden ist, entspricht auch der Entlastungsbeschluss nicht ordnungsgemäßer
Verwaltung.
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Ein Entlastungsbeschluss widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn Ansprüche
gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen
Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten (vgl. BGH NJW
2003, 3124). Es ist hier nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der bisher nicht erfolgten
Abrechnung Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft gegen die Beteiligte zu 14
geltend gemacht werden können.
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Selbst auf der Grundlage der Auffassung der Vorinstanzen zu der Jahresabrechnung
wäre aber der Entlastungsbeschluss aufzuheben. Denn danach steht bestandskräftig
fest, dass die Verwalterin eine Handwerkerrechnung über 449,38 DM zu Unrecht aus
der Gemeinschaftskasse beglichen hat. Auch hieraus können sich
Schadensersatzansprüche ergeben, die eine Verwalterentlastung ausschließen.
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III.
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Der Wert des (Beschwerde-) Verfahrens insgesamt wird gemäß § 48 Abs. 3 WEG –
unter Abänderung der Vorinstanzen - wie folgt festgesetzt:
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Anfechtung des Beschlusses zu TOP 1 – 21.000,00 EUR (ca. 25 % der Volumens der
Jahresabrechnung 2001 von ca. 85.000 EUR)
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Anfechtung des Beschlusses zu TOP 3 – 3.000,00 EUR
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Anfechtung der übrigen Beschlüsse insgesamt – 1.000,00 EUR
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Unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entspricht es der
Billigkeit, die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens den im wesentlichen
unterlegenen Beteiligten zu 2 bis 13 aufzuerlegen, § 47 Satz 1 WEG; für die Anordnung
einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten nach 47 Satz 2 WEG besteht kein
Anlass.
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