Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.12.2006

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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 113/06
Datum:
14.12.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 113/06
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 7 O 435/05
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gem. § 522 Abs. 2
ZPO zurück-zuweisen. Der Beklagte erhält Gelegenheit zu den Gründen
dieses Beschlusses bin-nen 2 Wochen ab Zustellung schriftsätzlich
Stellung zu nehmen.
Der für den 16. Januar 2007 geplante Termin entfällt.
G r ü n d e :
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I.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache voraussichtlich keinen Erfolg. Im Ergebnis hat
das Landgericht der Klage zu Recht stattgegeben. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt
keine abweichende Entscheidung. Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus dem
Mietvertrag der Parteien vom 30. Mai 2001 (MV) ein Anspruch auf Herausgabe der
Bürgschaftsurkunde der Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg vom 9. Juli 2001 zu.
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Der Beklagte ist verpflichtet, in Abwicklung des seit dem 30. September 2004 beendeten
Mietverhältnisses der Klägerin die Urkunde zurückzugeben, die sie ihm kurz nach
Beginn des Mietverhältnisses überlassen hatte. Im Ergebnis zutreffend hat das
Landgericht angenommen, dass eine Hauptverbindlichkeit der Klägerin, die noch von
dem Sicherungszweck der Bürgschaft umfasst sein könnte, nicht mehr besteht.
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1. Allerdings vermag der Senat dem Landgericht nicht darin zu folgen, dass ein
Schadensersatzanspruch des Beklagten aus §§ 280 Abs. 3, 281 BGB schon
deshalb nicht gesichert werden könnte, weil ihn das Landgericht im
Parallelprozess der Parteien durch Urteil vom 24. Mai 2006 wegen Verjährung
aberkannt hat (7 O 126/05 LG Wuppertal). Denn dies ist mit § 215 BGB nicht
vereinbar. Die Vorschrift schützt wie § 390 S. 2 BGB das Vertrauen des Gegners
auf eine bestehende Aufrechnungslage und ein entstandenes
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Zurückbehaltungsrecht, sofern die Gegenrechte in unverjährter Zeit bestanden und
durchsetzbar waren. Davon erfasst wird insbesondere auch die Aufrechnung des
Vermieters mit verjährten Forderungen gegen den Anspruch des Mieters auf
Rückzahlung der Mietkaution. Dies entsprach schon vor der Einführung von § 215
BGB der ständigen Rechtsprechung zu § 390 S. 2 BGB (vgl. BGHZ 101, 242, 252;
BGH NJW 1998, 981). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass das Urteil des
Landgerichts vom 24. Mai 2006 durch die Rücknahme der Berufung rechtskräftig
geworden ist (I-24 U 112/06). Denn der Vertrauensschutz erstreckt sich auch auf
verjährte und deswegen rechtskräftig aberkannte Forderungen (BGH DB 1971,
1619). Entsprechendes galt bisher schon für das Zurückbehaltungsrecht (BGHZ
48, 116; 53, 122) und ist nunmehr mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in § 215 BGB
Gesetz geworden. Entscheidend ist danach, ob dem Beklagten gegenüber dem
Anspruch der Klägerin auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde ein
Zurückbehaltungsrecht wegen eines noch nicht verjährten Gegenanspruchs
zustand. Das war grundsätzlich der Fall, weil etwaige Ersatzansprüche des
Beklagten wegen nicht vertragsgemäßer Rückgabe der Mieträume vor Fälligkeit
des Herausgabeanspruchs der Klägerin zur Entstehung gelangen und fällig
werden konnten.
2. Die Klage hat aber dennoch Erfolg, weil dem Beklagten
Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Schönheitsreparaturen nicht
erwachsen sind. Die Klägerin ist nicht aufgrund des Mietvertrags vom 30. Mai
2001 zur Ausführung von Schönheitsreparaturen oder zur Renovierung der
Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses verpflichtet. Sowohl § 15 Nr. 1
MV, der die Verpflichtung der Mieterin zur Ausführung von Schönheitsreparaturen
regelt, als auch § 18 Nr. 1 MV, der eine Pflicht der Mieterin zur Renovierung bei
Beendigung des Mietverhältnisses vorsieht, sind gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 Nr. 1 BGB unwirksam. Bei dem Mietvertrag der Parteien, insbesondere bei den
vorbezeichneten Klauseln handelt es sich um AGB im Sinne der §§ 305, 307 BGB.
a. Auf § 18 Nr. 1 MV, nach dessen Wortlaut der Mieter die Mieträume bei Beendigung
der Mietzeit in renoviertem Zustand zurückzugeben hat, kann der Beklagte seinen
Ersatzanspruch nicht gründen. Diese Fälligkeitsregelung benachteiligt den Mieter
unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist
deshalb unwirksam. Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist der Mieter nämlich
zur Renovierung verpflichtet, selbst wenn die vertraglichen Fristen zur
Renovierung noch nicht abgelaufen sind und ein Renovierungsbedarf noch nicht
besteht. Die in Formularmietverträgen enthaltene Verpflichtung des Mieters, neben
der Durchführung der Schönheitsreparaturen die Mietsache bei Beendigung des
Mietverhältnisses renoviert zurückzugeben, entfernt sich noch weiter vom
gesetzlichen Leitbild der Erhaltungspflicht des Vermieters und führt zu einer
zusätzlichen Verschärfung zu Lasten des Mieters. Er muss in diesen Fällen eine
Endrenovierung vornehmen unabhängig davon, wann die letzte
Schönheitsreparatur erfolgt ist und ob ein Bedarf hierfür besteht. Eine so weit
gehende Abweichung vom gesetzlichen Leitbild hat der für die Wohnraummiete
zuständige VIII. Zivilsenat des BGH als nicht mehr mit § 307 BGB vereinbar
angesehen (BGH NJW 2003, 2234; NZM 2003, 755). Dem hat sich der XII.
Zivilsenat auch für den Bereich der Geschäftsraummiete angeschlossen (BGH
NJW 2005, 2006). Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt der Senat.
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Dem Mieter wird - abweichend von der gesetzlichen Regelung - ein Übermaß an
Renovierungspflichten auferlegt. Er muss die Endrenovierung unabhängig vom
Zeitpunkt der letzten Schönheitsreparatur und dem Zustand der Mietsache
durchführen. Dass die vertragliche Äquivalenz einschneidend gestört werden
kann, wenn dem Vermieter zur Abgeltung der Gebrauchsgewährung nur die
Mietzahlung verbleibt, hat sich der Vermieter selbst zuzuschreiben. Wenn er dem
Mieter ein Übermaß an Renovierungspflichten auferlegt, trägt er das Risiko der
Gesamtunwirksamkeit und kann sich nicht darauf berufen, dass dadurch das
vertragliche Gleichgewicht gestört wird.
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b. Der Beklagte kann auch nicht anteilige Renovierungskosten in Anlehnung an § 18
Nr. 2 MV beanspruchen. Nach dieser Klausel beteiligt sich der Vermieter
entsprechend dem Zustand der Mieträume in angemessener Höhe an den
Renovierungskosten, wenn eine vom Mieter durchgeführte Renovierung (§ 15)
kürzer als zwei Jahre zurückliegt. Diese Klausel ist schon deshalb nicht
einschlägig, weil sie erst für das fünfte bis siebente Mietjahr bestimmt war, wie die
Bezugnahme auf § 15 MV und die dort niedergelegte fünfjährige Renovierungsfrist
zeigt. Der Beklagte kann diese Abgeltungsklausel aber auch deshalb nicht für sich
reklamieren, weil sie in Fortschreibung von § 15 Nr. 1 MV gemäß § 307 BGB
unwirksam ist. Denn der in § 15 Nr. 1 MV enthaltene Fristenplan stellt eine "starre"
Fälligkeitsregelung dar, die die Klägerin als Mieterin unangemessen benachteiligt.
Sie hat sich darin ohne Einschränkung verpflichtet, die Schönheitsreparaturen in
den Mieträumen "alle 5 Jahre" fachgerecht renovieren zu lassen. Es entspricht
inzwischen gefestigter Rechtsprechung, dass starre Fälligkeitsregelungen dieser
Art unwirksam sind (vgl. BGH NJW 2006, 1728; 3006, 2915; 2004, 2586). Aus der
Sicht eines verständigen Mieters hat die in § 15 Nr. 1 MV enthaltene Regelung die
Bedeutung, dass der Mieter nach Ablauf der dort festgelegten, verbindlichen Frist
von fünf Jahren auch dann zur Renovierung verpflichtet ist, wenn die Räume nach
ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild noch nicht renovierungsbedürftig sind (vgl.
BGH NJW 2006, 1728). Eine Formularklausel, die den Mieter zur zeitanteiligen
Abgeltung von Renovierungskosten nach einer "starren" Berechnungsgrundlage
verpflichtet, die an einem Fristenplan von fünf Jahren ausgerichtet ist, ist ebenfalls
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (BGH NJW 2006, 3778 -
Urteil vom 18.10.2006 –VIII ZR 52/06 – auch bei www.juris.de). Bei einer
Abgeltungsklausel handelt es sich um eine - zeitlich vorverlagerte - Ergänzung der
vertraglichen Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von
Schönheitsreparaturen nach dem Fristenplan (BGHZ 105, 71, 77). Ihr Zweck
besteht darin, dem Vermieter, der von dem ausziehenden Mieter mangels
Fälligkeit der Schönheitsreparaturen nach dem Fristenplan keine Endrenovierung
verlangen kann, wenigstens einen prozentualen Anteil an Renovierungskosten für
den Abnutzungszeitraum seit den letzten Schönheitsreparaturen während der
Mietzeit zu sichern (BGHZ aaO, S. 77, 84; NJW 2004, 3042 , unter II 2 a bb). Eine
derartige Formularklausel benachteiligt den Mieter entgegen den Geboten von
Treu und Glauben dann unangemessen, wenn sie eine "starre"
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Berechnungsgrundlage hat, die eine Berücksichtigung des tatsächlichen
Erhaltungszustands der Wohnung nicht zulässt. Denn dies kann im Einzelfall dazu
führen, dass der Mieter - gemessen am Abnutzungsgrad der Wohnung und der
Zeitspanne bis zur Fälligkeit der Schönheitsreparaturen - eine übermäßig hohe
Abgeltungsquote zu tragen hat. Sind etwa Wände und Decken der Räume mit
besonders "langlebigen" Materialien dekoriert oder hat der Mieter die einzelnen
Räume wenig genutzt, kann es an einem Renovierungsbedarf nach Ablauf der im
Mietvertrag für die Ausführung der Schönheitsreparaturen bestimmten üblichen -
Fristen fehlen (vgl. BGH NJW 2004, 2586). Auch eine "starre" Abgeltungsregelung
führt bei einem überdurchschnittlichen Erhaltungszustand der Räume dazu, dass
der Mieter mit höheren zeitanteiligen Renovierungskosten belastet wird, als es
dem tatsächlichen Abnutzungsgrad entspricht. Hierdurch wird dem Mieter eine
übermäßige, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässige
Verpflichtung zur zeitanteiligen Abgeltung zukünftiger Instandhaltungskosten
auferlegt. Dies ist mit dem Grundgedanken des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenso
wenig zu vereinbaren wie die Auferlegung von Renovierungspflichten nach einem
feststehenden Fristenplan ohne Rücksicht auf den tatsächlichen
Renovierungsbedarf. Dem folgt der Senat für den vorliegenden Fall. Der Beklagte
hat keinen Anspruch auf anteilige Renovierungskosten, die er auch in vollem
Umfang nach fünf Jahren nicht hätte ersetzt verlangen können.
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3. Der Beklagte kann sein Gegenrecht auch nicht mit Erfolg auf Ersatzansprüche
wegen des verfleckten Teppichbodens stützen. Zwar handelt es sich insoweit
nicht um Schönheitsreparaturen (vgl Fritz, Gewerberaummietrecht, 4. Aufl., Rn.
224 m.w.N.). Der Beklagte hat aber Einzelheiten zum Zustand des Bodens nicht
vorgetragen. Dann kann durchaus eine normale Abnutzung des Teppichbodens
vorliegen, die naturgemäß in für Schulungszwecke gemieteten Unterrichts- und
Büroräumen erheblich ist. Davon geht auch der Beklagte aus, wenn er geltend
macht, die Klägerin werde für den Verschleiß anteilig herangezogen. Dieser
Verschleiß ist durch den Mietzins abgegolten.
4. Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist aus den
zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils gerechtfertigt. Insoweit fehlt es
auch an einem Berufungsangriff.
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II.
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Auch die Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 ZPO liegen vor.
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Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme des Rechtsmittels vor
einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.
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Z. Vorsitzender Richter am
Oberlandesgericht
T. Richter am
Oberlandesgericht
S. Richter am
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Oberlandesgericht
Oberlandesgericht
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