Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.02.2008

OLG Düsseldorf: stand der technik, angemessene entschädigung, erfindung, zustand, rechnungslegung, aufnehmen, austritt, erstreckung, abrede, patentverletzung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 100/06
Datum:
14.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 100/06
Tenor:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Juli 2006 verkündete
Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der
Maßgabe zurückge-wiesen, dass die Worte „und bestimmt“ im
Urteilsausspruch (Absatz I. 1. a, 3. Zeile) gestrichen werden.
II.
Die Beklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,-- Euro
abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
IV.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 250.000,-- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten
3
europäischen Patentes 0 603 xxx (Klagepatent, Anlage K 6) betreffend ein Verfahren
zum dichtschließenden Verbinden eines Kanalrohrs mit einem Anschlussrohr und ein
zu diesem Zweck einsetzbares Anschlussrohr. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die
Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung
zum Schadenersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung in Anspruch.
Die dem Klagepatent zugrundeliegende Anmeldung ist am 18. Dezember 1993 unter
Inanspruchnahme zweier deutscher Unionsprioritäten vom 24. Dezember 1992 und vom
19. Oktober 1993 eingereicht und am 29. Juni 1994 im Patentblatt veröffentlicht, der
Hinweis auf die Patenterteilung am 4. September 1996 bekannt gemacht worden.
4
Die in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Patentansprüche 1 und 6 lauten:
5
1. Verfahren zum dichtschließenden Verbinden eines Kanalrohrs (1) mit einem
Anschlussrohr (2), das an einem Ende mit einer umlaufenden
Dichtungshaltekammer (10) versehen ist, mit folgenden Verfahrensschritten:
6
- das Kanalrohr (1) wird mit einer Abzweigöffnung (11) versehen,
7
- in die Dichtungshaltekammer (10) wird eine Ringdichtung (6) eingelegt, die eine
über die Außenseite der Dichtungshaltekammer reichende Dichtungslippe (7) mit
einem eine Endverdickung (8) ausbildenden oder versehenen Ende besitzt,
8
- das Anschlussrohr (2) wird mit der Dichtungshaltekammer (10) voran in die
Öffnung (11) geschoben, und zwar so weit, dass die beim Einschie- ben in die
Dichtungshaltekammer (10) eingestülpte Dichtungslippe (7) unter den Innenrand
des Kanalrohrs (1) gelangt und ausgestülpt wird,
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- anschließend das Anschlussrohr (2) in der Öffnung (11) nach außen gezogen
und verspannt wird, so dass die Dichtungslippe (7) mit der Endverdickung (8) den
Spalt zwischen der Dichtungshaltekammer (10) und der Innenfläche (112) des
Kanalrohrs (1) verschließt.
10
6. Verspannbares Anschlussrohr für ein Kanalrohr, das eine Abzweigöffnung
besitzt, zum Versehen mit einer Abzweigung unter Durchführung des Verfahrens
nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 5, mit einer an einem Ende des
Anschlussrohres (2) angeordneten Dichtungshaltekammer (10), in die eine
Ringdichtung (6) eingelegt ist, die eine über die Außenseite der
Dichtungshaltekammer (10) reichende Dichtungslippe (7) mit einem eine
Endverdickung (8) ausbildenden oder mit einer Endverdickung versehenen Ende
besitzt und einer Verspanneinrichtung (4), mit der die Ringdichtung (6)
verspannbar ist.
11
Die nachstehend wiedergegebenen Zeichnungen Figuren 1, 2 und 4 a bis c zeigen ein
Ausführungsbeispiel der Erfindung, und zwar Figur 1 in der rechten Zeichnungshälfte
das in das Kanalrohr eingeschobene Anschlussrohr vor und in der linken Hälfte nach
dem Zurückziehen zur Herstellung der Abdichtung zwischen Abzweigöffnung und
Anschlussrohr, Figur 2 das Anschlussrohr nach dem Festziehen, Figur 4 a das
Schieben des unteren Anschlussrohrendes mit eingestülpter Ringdichtung durch die
Abzweigöffnung des Kanalrohrs, Figur 4 b den Zustand nach dem Einschub zu Beginn
des Festziehens und Figur 4 c den Zustand nach dem Verspannen.
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Die am 17. Januar 2007 eingereichte Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 2. betreffend
den deutschen Teil des Klagepatentes hat das Bundespatentgericht mit Urteil vom 14.
November 2007 abgewiesen.
13
Die Beklagten bieten an und liefern im Bereich der Bundesrepublik Deutschland unter
der Bezeichnung "X" von der in Italien geschäftsansässigen Beklagten zu 2. hergestellte
Anbohrstutzen. Die hier interessierenden konstruktiven Einzelheiten ergeben sich aus
der als Anlage K 4 vorgelegten Werbeschrift der Beklagten, deren auf S. 3 abgebildete
Schnittzeichnung nachstehend wiedergegeben ist. Wie die Abbildung zeigt, ist das
untere Ende des Anschlussrohrs unterhalb des Außengewindes mit einem zylindrischen
Abschnitt versehen, der sich am unteren Rand gestuft und konisch erweitert. Auf diesem
zylindrischen Abschnitt befindet sich eine Elastomerdichtung, die beim Einschieben in
das Kanalrohr von der unteren Wandung des Außengewindes festgehalten wird, sich
aber beim Zurückziehen des Anschlussrohres auf dessen zylindrischem Abschnitt nach
unten bewegt und durch den Außenkonus am unteren Rand des Rohres mit ihrem
Vorsprung gegen den inneren Rand der Abzweigöffnung diesen untergreifend
verspannt wird.
14
Zusätzlich hat die Klägerin die europäische Patentanmeldung 1 548 xxx (Anlage K 9)
der Beklagten zu 2. vorgelegt, deren nachstehend ebenfalls wiedergegebene Figuren 4
bis 7 die Montage des Anschlussrohres in der Abzweigöffnung des Kanalrohres
darstellen, und zwar Figur 4 den Zustand unmittelbar vor dem Einschieben, Figur 5
denjenigen nach dem Einschieben, wobei das untere Ende des Anschlussrohres und
der Dichtung aus der Abzweigöffnung heraus in das Innere des Kanalrohrs gelangt ist,
Figur 6 den Zustand nach dem teilweisen Zurückziehen des Anschlussrohrs, bei dem
sich der Vorsprung der Ringdichtung bereits an die Innenkante der Abzweigöffnung
angelegt hat, und Figur 7 denjenigen nach dem Verspannen.
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Die Klägerin hält durch den Vertrieb dieses Anbohrstutzens Anspruch 6 des
Klagepatentes für unmittelbar und Anspruch 1 für mittelbar verletzt. Vor dem Landgericht
hat sie vorgetragen, der Abschnitt auf dem Anschlussrohr zwischen Außengewinde und
konischem Vorsprung sei die Dichtungshaltekammer. Der vorspringende Teil am
unteren Rand der Ringdichtung sei die Dichtungslippe; diese werde beim
Hindurchschieben des Anschlussrohrs durch die Abzweigöffnung eingestülpt, indem sie
in den Freiraum hinter der Dichtungslippe nach hinten verdrängt werde. Beim
Festziehen im Kanalrohr bewege sich das untere konische Ende des Anschlussrohres
in der Abzweigöffnung nach oben, weite die Ringdichtung nach außen und presse sie
gegen den von der Dichtungslippe untergriffenen inneren Rand der Abzweigöffnung im
Kanalrohr. Diese Funktionsweise mache die angegriffene Vorrichtung zu einem auf ein
wesentliches Element der in Anspruch 1 beschriebenen Erfindung bezogenen Mittel
und ermögliche die wortsinngemäße Anwendung des patentgeschützten Verfahrens.
Eine Anwendung außerhalb der patentgeschützten Lehre sei nicht möglich. Deshalb,
aber auch aufgrund der Montageempfehlungen der Beklagten treffe der Abnehmer die
Zweckbestimmung, die angegriffene Vorrichtung patentverletzend einzusetzen, die im
Übrigen auch sämtliche Merkmale des Vorrichtungsanspruches 6 wortsinngemäß
aufweise.
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Die Beklagten haben eine Verwirklichung der patentgeschützten Lehre in Abrede
gestellt und geltend gemacht, die angegriffene Vorrichtung besitze keine
Dichtungshaltekammer, wie sie das Klagepatent voraus setze. Diese müsse
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erfindungsgemäß die einliegende Dichtung in beiden Richtungen verschiebefest halten.
Die Elastomerdichtung der angegriffenen Vorrichtung sei jedoch axial verschiebbar.
Das verwirkliche ein abweichendes Lösungsprinzip. Weiterhin habe die angegriffene
Ausführungsform keine L-förmige Ringdichtung; sie werde beim Schieben des
Anschlussrohres durch die Abzweigöffnung nicht eingestülpt, sondern nur leicht nach
oben und innen komprimiert und dehne sich nach dem Austreten aus der
Abzweigöffnung im Kanalrohr wieder aus. Der Schutzbereich des Klagepatentes
beschränke sich auf eine spezielle Kombination einer Dichtungshaltekammer und einer
speziell daran angepassten Ringdichtung mit nach außen vorstehender Dichtungslippe
und äußerer Endverdickung. Das alles sei bei der angegriffenen Vorrichtung nicht
vorhanden.
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 25. Juli 2006 im Wesentlichen
entsprochen und wie folgt erkannt:
18
I.
19
Die Beklagten werden unter Abweisung im Übrigen verurteilt,
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1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise
Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter
Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen
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a) Vorrichtungen zum dichtschließenden Verbinden eines Kanalrohrs mit einem
Anschlussrohr zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten
und/oder zu liefern, die geeignet und bestimmt sind, für die Ausübung eines
Verfahrens benutzt zu werden, das durch die folgenden Schritte gekennzeichnet
ist:
22
- das Kanalrohr wird mit einer Abzweigöffnung versehen,
23
- in die Dichtungshaltekammer wird eine Ringdichtung eingelegt, die eine über die
Außenseite der Dichtungshaltekammer reichende Dich- tungslippe mit einem eine
Endverdickung ausbildenden oder versehe- nen Ende besitzt,
24
- das Anschlussrohr wird mit der Dichtungshaltekammer voran in die Öffnung
geschoben, und zwar so weit, dass die beim Einschieben in die
Dichtungshaltekammer eingestülpte Dichtungslippe unter den Innen- rand des
Kanalrohrs gelangt und ausgestülpt wird, und
25
- anschließend wird das Anschlussrohr in der Öffnung nach außen ge- zogen und
verspannt, so dass die Dichtungslippe mit der Endver- dickung den Spalt
zwischen der Dichtungshaltekammer und der Innen- fläche des Kanalrohrs
verschließt,
26
und/oder
27
b) verspannbare Anschlussrohre für ein Kanalrohr, das eine Abzweigöffnung
besitzt, mit einer an einem Ende des Anschlussrohres angeordneten
Dichtungshaltekammer, in die eine Ringdichtung eingelegt ist, die eine über die
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Außenseite der Dichtungshaltekammer reichende Dichtungslippe mit einem eine
Endverdickung ausbildenden oder mit einer Endverdickung versehenen Ende
besitzt, und einer Verspanneinheit, mit der die Ringdichtung verspannbar ist,
zum Versehen des Kanalrohrs mit einer Abzweigung gemäß den folgenden
weiteren Verfahrensschritten:
29
- das Anschlussrohr wird mit der Dichtungshaltekammer voran in die Öffnung
geschoben, und zwar so weit, dass die beim Einschieben in die
Dichtungshaltekammer eingestülpte Dichtungslippe unter den Innen- rand des
Kanalrohrs gelangt und ausgestülpt wird, und
30
- anschließend wird das Anschlussrohr in der Öffnung nach außen ge- zogen und
verspannt, so dass die Dichtungslippe mit der Endver- dickung den Spalt
zwischen der Dichtungshaltekammer und der Innenfläche des Kanalrohrs
verschließt,
31
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in den Verkehr zu
bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder
einzuführen;
32
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses und
der entsprechenden Belege, wie Aufträge, Auftragsbestätigung, Rechnungen,
Liefer- und Zollpapiere vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem
Umfang die Beklagte die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 4. Oktober
1996 (Antrag I. 1. a)) bzw. seit dem 29. Juli 1994 (Antrag I. 1. b)) begangen hat,
und zwar unter Angabe
33
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
34
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –
preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der
jeweiligen Abnehmer,
35
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –
preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der
jeweiligen Angebotsempfänger,
36
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
37
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten
und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen
Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den zu
Ziff. I. 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden;
38
wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 4. Oktober 1996 zu machen
sind;
39
wobei den Beklagten nachgelassen wird, die Namen und Anschriften der nicht
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gewerblichen Lieferempfänger und der Angebotsempfänger nicht der Klägerin,
sondern einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der
Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten die Kosten seiner
Einschaltung tragen und ihn zugleich ermächtigen und verpflichten, der Klägerin
auf konkretes Befragen anzugeben, ob ein bestimmt bezeichneter Name oder
eine bestimmt bezeichnete Lieferung in der erteilten Rechnung enthalten ist.
II.
41
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind,
42
1. der Klägerin für die zu I. 1. b) bezeichneten und in der Zeit vom 29. Juli 1994 bis
zum 3. Oktober 1996 begangenen Handlungen eine angemessene
Entschädigung zu zahlen;
43
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten,
seit dem 4. Oktober 1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch
entstehen wird.
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Lediglich soweit die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Rechnungslegung
ohne Wirtschaftsprüfervorbehalt begehrte, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Es hat die angegriffene Vorrichtung als Mittel bewertet, das sich auf ein wesentliches
Element der klagepatentgeschützten Erfindung beziehe und objektiv geeignet sei, das
in Anspruch 1 beschriebene Verfahren auszuüben, und zwar auch, soweit das
Klagepatent eine Dichtungshaltekammer mit einer Ringdichtung verlangt, die eine über
die Außenseite der Dichtungshaltekammer hinausreichende Dichtungslippe mit einem
verdickten Ende aufweist, die sich beim Einschieben des Anschlussrohrs in die
Abzweigöffnung in die Dichthaltekammer ein- und nach dem Gelangen unter den
Innenrand des Kanalrohrs wieder ausstülpt. Es hat ausgeführt, die
Dichtungshaltekammer sei der Abschnitt zwischen dem unteren Rand des
Außengewindes, der die Ringdichtung beim Einschieben festhalte und ein weiteres
Bewegen nach oben verhindere und dem nach außen weiter werdenden Konus am
anderen Ende, der beim Hochziehen des Anschlussrohrs die Ringdichtung so festhalte,
dass sie sich gegen die Innenwand der Abzweigöffnung verspanne und so bemessen
sei, dass das Anschlussrohr nicht wieder aus der Abzweigöffnung hinausgezogen
werden könne. Die verschiebliche Lagerung der Dichtung stehe dem nicht entgegen.
Die Dichtungslippe der Ringdichtung sei der über die Tiefe der Dichtungshaltekammer
und den Umfang des Außengewindes vorstehende Teil am unteren Rand; dass dieser
sich beim Einschieben in die Kanalöffnung einstülpe, zeigten insbesondere die Figuren
4 bis 7 der die angegriffene Vorrichtung betreffenden europäischen Patentanmeldung 1
548 xxx. Auch die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung seien
gegeben, denn die Abnehmer und Angebotsempfänger der Beklagten folgten deren
Montageanweisungen und setzten die angegriffene Ausführungsform patentverletzend
ein, die auch nicht anders verwendbar sei. Außerdem seien sämtliche Merkmale des
Vorrichtungsanspruches 6 wortsinngemäß erfüllt. Wegen weiterer Einzelheiten der
Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
45
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgen die Beklagten ihr
Klageabweisungsbegehren weiter. Sie führen zur Begründung unter ergänzender
Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen aus, das Landgericht habe verkannt,
46
dass der angegriffenen Vorrichtung eine Dichtungshaltekammer fehle. Der Begriff
"Kammer" verlange einen abgeschlossenen Raum mit diesen begrenzenden Wänden,
der die Dichtung dort fixiere. Diese Funktion der Dichtungshaltekammer habe das
Landgericht zwar erkannt, es habe aber nicht berücksichtigt, dass bei der angegriffenen
Ausführungsform der untere sich nach außen erweiternde Konus des Anschlussrohres
die Position der Ringdichtung nicht nach außen begrenzen könne, sondern die
Ringdichtung dort als bewegliche Dichtung verrutsche. Würde die Ringdichtung
festgehalten, könnte der Sattel wieder aus der Öffnung herausgezogen werden, ohne
dass es zu einer Abdichtung käme. Die Zeichnungen aus der europäischen
Patentanmeldung 1 548 xxx habe das Landgericht unzutreffend interpretiert.
Außerdem fehle der angegriffenen Vorrichtung eine Dichtungslippe mit Endverdickung.
Statt dessen werde eine Dichtungsmanschette mit einem über ihre Erstreckung
variierenden Querschnitt verwendet. Auch werde kein Teil der Dichtung ein- und
ausgestülpt, sondern lediglich komprimiert, was vom Landgericht unzutreffend als
Einstülpen angesehen worden sei. Einstülpen bedeute Einklappen; hierzu müsse die
Dichtung in der Kammer axial festgelegt sein.
47
Mangels Gleichwirkung, Auffindbarkeit und Gleichwertigkeit werde die Erfindung auch
nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln verwirklicht.
48
Die Beklagten beantragen,
49
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
50
Die Klägerin beantragt,
51
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter
ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag entgegen. Auf
Nachfrage des Senats hat sie in der mündlichen Verhandlung erklärt, die
Dichtungslippe sei bei der angegriffenen Vorrichtung der dünnere bewegliche Teil (vgl.
Anlage K 4), der in dem dahinter liegenden Freiraum ausweichen könne, und die
Endverdickung der dreieckförmige Vorsprung am unteren Rand, den die
Dichtungshaltekammer nach außen überrage.
53
Die Beklagten treten dem entgegen und machen geltend, der Vorsprung am unteren
Rand der Dichtung habe bei der angegriffenen Vorrichtung keine Dichtungsfunktion,
sondern solle nach dem Hindurchschieben durch die Abzweigöffnung unter deren
inneren Rand einrasten und sich dort verhaken. Die Elastomerdichtung bewirke eine
vollflächige Dichtung am Außenumfang des Rohres über ihre axiale Erstreckung. Der
Raum hinter dem unteren Teil der Dichtung diene deren Führung auf dem Rohr.
54
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten Bezug genommen.
55
Die Akten I-2 U 101/06 Oberlandesgericht Düsseldorf lagen zur Information vor und
waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
56
II.
57
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das
Landgericht das Anbieten und den Vertrieb des angegriffenen Anbohrstutzens als
mittelbare Verletzung des Klagepatentanspruches 1 und als unmittelbare Verletzung
des Vorrichtungsanspruches 6 beurteilt. Das Berufungsvorbringen der Beklagten
rechtfertigt keine andere Beurteilung. Allerdings ist die Formulierung "und bestimmt" in
Abschnitt I. 1. a) im ersten Absatz des landgerichtlichen Urteilsausspruches wegen
fehlender Bestimmtheit unzulässig (vgl. BGH GRUR 2006, 839, 841 – Deckenheizung);
der Senat hat sie daher gestrichen, ohne dass damit eine sachliche Änderung
verbunden wäre.
58
A.
59
1. Der angegriffene Anbohrstutzen ist ein Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG, das sich
auf ein wesentliches Element der in Anspruch 1 beschriebenen Erfindung bezieht.
Diese Eigenschaft ergibt sich daraus, dass sie objektiv zur Ausübung des
patentgeschützten Verbindungsverfahrens geeignet ist (vgl. BGH GRUR 2007, 773 -
Rohrschweißverfahren). Der angegriffene Anbohrstutzen erfüllt sämtliche
Anforderungen, die Anspruch 1 des Klagepatentes an die Verwendbarkeit als
Anschlussrohr im Rahmen der unter Schutz gestellten technischen Lehre stellt.
60
a) Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum dichtschließenden Verbinden eines
Kanalrohres mit einem in dessen Abzweigöffnung eingesetzten Anschlussrohr, und ein
zu diesem Zweck verwendbares in der Abzweigöffnung verspannbares Anschlussrohr,
das an einem Ende mit einer umlaufenden Kammer versehen ist.
61
Wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt (S. 2, Zeilen 5 bis 13), sind ein Verfahren
und ein Anschlussrohr der eingangs genannten Art aus der deutschen
Patentanmeldung 34 46 360 (Anlage SoFo 2) bekannt, deren Figuren 1 und 2
nachstehend wiedergegeben sind. Zur Verbindung mit dem Kanalrohr (1;
Bezugszeichen entsprechen den nachstehenden Abbildungen) weist das Einsatzstück
(2) des Anschlussrohres an seinem zum Einsetzen in die Öffnung bestimmten Ende die
Form eines nach außen gerichteten Bundes (4) mit einem Außendurchmesser im
Wesentlichen gleich dem Durchmesser der Öffnung auf. Das andere Ende zur
Aufnahme der – nicht dargestellten - Abzweigleitung hat außen ein Gewinde (7). Der
untere Abschnitt (8) des Einsatzstückes hat einen kleineren Außendurchmesser als
diejenigen des Bundes und des mit Gewinde versehenen Endes. In eine sich bildende
Dichtungskammer wird ein L-förmiger Dichtring (1) eingelegt und dann mit einem
Spannring (9) verspannt. Gehalten wird das Abzweigrohr durch eine außen auf dem
Kanalrohr aufliegende Stützschale (18).
62
Daran wird beanstandet (S. 2, Zeilen 14 bis 18), die Dichtung sei unsicher, müsse
häufig erneuert werden und ihre Herstellung sei aufwendig, weil die Dichtung auf der
Oberfläche des Kanals aufliege und nur zwischen Dichtungskammer und Innenwand
der Öffnung gelange, so dass zwischen der Innenfläche des Kanals und dem
Abzweigrohr eine unvollkommene Dichtung bestehe.
63
Wie die Klagepatentschrift weiter erörtert (S. 2, Zeilen 19 bis 21), ist aus der deutschen
Patentanmeldung 37 16 973 ein dichtschließendes Verbinden eines Kanalrohrs mit
einem Anschlussrohr bekannt, wobei das Anschlussrohr über eine Haltenut verfügt, in
die ein abgewinkelter Dichtungsring eingelegt und danach mit dem Anschlussrohr in
64
eine vorbereitete Öffnung des Kanals gebracht wird. Auch hieran wird beanstandet (S. 2,
Zeilen 22 bis 27), die Dichtung sei wegen einer fehlenden Abdichtung zur
Kanalinnenwand nicht sicher, weil eine Abdichtung nur zwischen der Innenwand der
Abzweigöffnung und dem Anschlussrohr sowie mit der Kanalaußenwand bestehe, und
zwar auch dann, wenn der Dichtungsring nach dem vollständigen Einbringen des
Anschlussrohrs in die Öffnung mit einer anderen Rasterwulst im Anschlussrohr
verankert wird. Weiterhin wird bemängelt, die Dichtung sei vollständig von einer
unverändert bestehenden Elastizität des Dichtungsrings abhängig, die zusätzlich von
außen auf das Anschlussrohr wirkende Kräfte aufnehmen müsse.
Nach den weiteren Erörterungen der Klagepatentbeschreibung (S. 2, Zeilen 28 bis 32)
offenbart die österreichische Patentschrift 332 815 einen Dichtring für
Außenverbindungen zwischen einem Kanal- und einem zu diesem etwa senkrecht
stehenden Anschlussrohr. Hierzu wird nicht das Anschlussrohr, sondern die
Abzweigöffnung im Kanalrohr mit einem Dichtring doppel-T-ähnlicher Konfiguration
versehen, wobei beide T-Schenkel als Lippen die Wand der Öffnung innen und außen
umfassen und das Anschlussrohr zwischen die entgegengesetzt zeigenden
Lippenpaare gedrückt wird. Daran beanstandet die Patentbeschreibung (S. 2, Zeilen 33
bis 37), die eigentliche Dichtung komme nur zwischen dem geraden Anschlussrohr und
der gegenüberliegenden Fläche des Dichtrings zustande; auch sei die Dichtung nur in
geraden Kanalwänden einsetzbar und die Dichtwirkung verschlechtere sich bei
Abwinklungen von mehr als 10 Grad; außerdem müsse die Dichtung gleichzeitig alle
auf das Anschlussrohr wirkenden Kräfte aufnehmen.
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Weiterhin beschreibt die deutsche Patentschrift 36 18 963 ein dichtschließendes
Verbinden eines Kanalrohrs mit einem Anschlussrohr, wobei zur Abdichtung des
Spaltes zwischen Anschlussrohr und Abzweigöffnung mit einem Gestänge von innen
her mit einer Halterung ein gegenüber der Öffnung vergrößerter Schild angeordnet wird,
an dessen Randteilen ein etwa sackartiger, elastischer Balg befestigt wird, dessen
freies Ende an einem vom Schild abstrebenden rohrförmigen Halteorgan befestigt wird.
Auf der Außenseite des Balgs wird eine Polyester-Spachtelmasse aufgetragen, mit Hilfe
von Druckluft zwischen Öffnung und Anschlussabdichtung gedrückt und unter
Hitzeeinwirkung ausgehärtet. Daran wird der hohe Material- und Montageaufwand
bemängelt (Klagepatentschrift S. 2, Zeilen 38 bis 47).
66
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Aufgabe (das technische Problem) besteht
darin, ein Verfahren zum dichtschließenden Verbinden eines Kanalrohrs mit einem
Anschlussrohr anzugeben, das die einfache Herstellung einer dichtschließenden
Verbindung mit dauerhafter und sicherer Abdichtung zwischen Kanal- und
Anschlussrohr erlaubt sowie auch eine Halterung des Anschlussrohrs im Kanalrohr
gewährleistet (Klagepatentschrift S. 2, Zeilen 49 bis 52).
67
Das zur Lösung dieser Aufgabe in Anspruch 1 beschriebene Verfahren kombiniert
folgende Merkmale miteinander:
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(1) Verfahren zum dichtschließenden Verbinden eines Kanalrohrs mit einem
Anschlussrohr, das an einem Ende mit einer umlaufenden Dichtungshaltekammer
versehen ist, mit folgenden Verfahrensschritten:
69
(2) das Kanalrohr wird mit einer Abzweigöffnung versehen;
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(3) in die Dichtungshaltekammer wird eine Ringdichtung eingelegt, die eine über
die Außenseite der Dichtungshaltekammer reichende Dichtungslippe mit einem
eine Endverdickung ausbildenden oder versehenen Ende besitzt;
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(4) das Anschlussrohr wird mit der Dichtungshaltekammer voran in die Öffnung
geschoben, und zwar so weit, dass die beim Einschieben in die
Dichtungshaltekammer eingestülpte Dichtungslippe unter den Innenrand des
Kanalrohrs gelangt und ausgestülpt wird;
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(5) anschließend wird das Anschlussrohr in der Öffnung nach außen gezogen und
verspannt, so dass die Dichtungslippe mit der Endverdickung den Spalt zwischen
der Dichtungshaltekammer und der Innenfläche des Kanalrohrs verschließt.
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Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass das Anschlussrohr nach dem Einlegen der
Ringdichtung in die Dichtungshaltekammer lediglich durch die Abzweigöffnung des
Kanalrohrs hindurch geschoben werden muss, bis die Dichtungslippe unter
gleichzeitigem Ausstülpen unten aus der Öffnung austritt und die dichtende Wirkung
danach sofort einsetzt, wenn das Anschlussrohr geringfügig nach außen zurück- bzw.
hochgezogen wird. Die Dichtungslippe und deren Endverdickung werden unbeschädigt
durch die Abzweigöffnung hindurch transportiert (Klagepatentschrift S. 3, Zeilen 7 bis
11).
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Kern der Erfindung ist nach dem Verständnis des angesprochenen
Durchschnittsfachmanns – ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Bauingenieurwesen,
der über Erfahrungen in der Entwicklung und Konstruktion von
Rohrleitungsverbindungen im Bereich der Kanalisation verfügt und zu dessen
Tätigkeitsgebiet der Umgang mit Betonarbeiten ebenso gehört wie Kenntnisse auf dem
Gebiet der Abwassertechnik (vgl. BPatG in dem das auf dem selben Fachgebiet
liegende europäische Patent 0 930 455 betreffenden Nichtigkeitsverfahren, BA Anlage
K 12, S. 9/10) – das Zusammenwirken der Dichtungshaltekammer mit der Ringdichtung.
Hieraus ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung der beiden
zusammenwirkenden Funktionsteile.
75
Die Dichtungs
halte
zutreffend ausgeführt hat (Umdruck, S. 20 ff.; Bl. 124 ff. d.A.), die Ringdichtung beim
Einsetzen des Anschlussrohrs in die Abzweigöffnung des Kanalrohrs in einer Position
halten, in der sie nach dem teilweisen Zurückziehen des Anschlussrohrs ihre in
Merkmal 5 beschriebene Dichtungsfunktion erfüllt und mit ihrer Endverdickung den
Spalt zwischen der Dichtungshaltekammer und der Innenfläche des Kanalrohrs
verschließt. Damit das möglich ist, muss die Kammer oben eine Begrenzung besitzen,
damit die Ringdichtung beim Durchtritt des Anschlussrohrs durch die Abzweigöffnung
nicht zu hoch verschoben und durch die Abzweigöffnung hindurch gedrückt wird, und
sie muss durch eine weitere Begrenzung am gegenüberliegenden unteren Rohrende
verhindern, dass die Ringdichtung beim teilweisen Zurückziehen des Anschlussrohres
von diesem abgleitet und es wieder vollständig aus der Abzweigöffnung herausgezogen
werden kann. Ferner muss die Dichtungshaltekammer – das ergibt sich aus Merkmal 4
des Anspruches 1 – in radialer Richtung ausreichend Platz bieten, damit die
Dichtungslippe der Ringdichtung während der Passage der Abzweigöffnung in die
Kammer eingestülpt werden kann. Weitere Vorgaben enthält die Klagepatentschrift für
die Ausgestaltung der Dichtungshaltekammer nicht. Insbesondere muss die Kammer
nicht wie im Ausführungsbeispiel und in den Figuren dargestellt nut- oder U-förmig sein,
76
sondern kann jede beliebige Konfiguration aufweisen, die die beiden genannten
Funktionen erfüllt. Ist das der Fall, kann sie statt radial senkrecht abstehender
Wandungen auch konische sich nach außen erweiternde Abschnitte als Begrenzung
aufweisen. Die Dichtungshaltekammer muss die Ringdichtung auch nicht von drei
Seiten formschlüssig und ohne Bewegungsspiel aufnehmen, sondern es ist
erfindungsgemäß ebenso möglich, dass die Ringdichtung sich beim Hindurchschieben
des unteren Anschlussrohr-Endes durch die Abzweigöffnung und beim anschließenden
Zurückziehen in der Kammer axial bewegt. In Einklang hiermit führt die
Patentbeschreibung aus (S. 3, Zeile 44), die Dichtungskammer nehme eine "im
Wesentlichen kompatible" Ringdichtung auf.
Die Ringdichtung muss erfindungsgemäß eine die Dichtungshaltekammer nach außen
überragende Dichtungslippe mit einem verdickten Ende besitzen (Merkmal 3), das nach
Merkmal 5 beim Verspannen des Anschlussrohrs den Spalt zwischen der
Dichtungshaltekammer und der Innenfläche des Kanalrohrs verschließen soll. Infolge
ihrer radial äußeren Lage bildet die Endverdickung zugleich den nach außen
vorragenden Teil der Dichtungslippe. Weitere Vorgaben zur Ausgestaltung der
Ringdichtung enthält Anspruch 1 nicht. Insbesondere schreibt er kein L- oder (-förmiges
Profil vor, wie es die Ausführungsbeispiele und Figurendarstellungen zeigen (S. 2,
Zeilen 49/50, S. 5, Zeilen 11 bis 16 und Figuren 1, 2 und 4a bis 5). Eine solche
Ausführungsform ist Gegenstand der Unteransprüche 7 bis 9 und wird auch in der
Patentbeschreibung ausdrücklich als bevorzugte Ausführungsform hervorgehoben (vgl.
S. 3, Zeile 49/50). Die Dichtungslippe kann auch ein axial verlaufender beweglicher
Abschnitt der Dichtung sein, der mit einem radial nach außen über die
Dichtungskammer vorstehenden Ende versehen ist und seiner Beweglichkeit zufolge
beim Einschieben des Anschlussrohres in einen dafür vorgesehenen Raum ausweicht
und sich beim Festziehen jedenfalls mit seiner Endverdickung in den abzudichtenden
Spalt zwischen Kanal- und Anschlussrohr legt.
77
Das in Merkmal 4 vorgesehene Einstülpen der Dichtungslippe in die
Dichtungshaltekammer muss ebenfalls nicht wie in dem in Figur 4a der
Klagepatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiel durch Umklappen erfolgen,
sondern es genügt jede Einwirkung, die die Dichtungslippe in einen dafür
vorgesehenen Ausweichraum der Dichtungshaltekammer verdrängt.
78
b) Der so verstandenen technischen Lehre entspricht auch das mit Hilfe des
angegriffenen Anbohrstutzens ausgeübte Verfahren zum dichtschließenden Verbinden
eines Kanalrohrs mit einem in dessen Abzweigöffnung einzusetzenden Anschlussrohr .
79
aa)
80
Der Stutzen weist eine Dichtungshaltekammer auf, wie sie das klagepatentgemäße
Verfahren in den Merkmalen 1 und 3 bis 5 verlangt. Hierbei handelt es sich um den die
Elastomer-Ringdichtung aufnehmenden unteren Abschnitt des Anschlussrohres
zwischen dem Überstand des Außengewindes und dem unteren Konus, die beide beim
Einschieben und Festziehen die Beweglichkeit der Ringdichtung nach oben und unten
begrenzen. Dies verdeutlicht die die angegriffene Vorrichtung betreffende Zeichnung
Anlage K 4, die das Anschlussrohr während des Verspannvorgangs darstellt. Noch
deutlicher ergibt sich die Begrenzungsfunktion der beiden genannten Abschnitte aus
den Figuren 4 bis 7 der europäischen Patentanmeldungen 1 548 349, deren
Gegenstand sich von der in der Anlage K 4 wiedergegebenen angegriffenen
81
Ausführungsform zwar in den unten zu bb) dargestellten Einzelheiten unterscheidet,
aber dennoch grundsätzlich den selben Funktionsablauf zeigen, der auch bei der
Montage des angegriffenen Gegenstandes stattfindet. Die Zeichnungen belegen, dass
die Ringdichtung vor dem Einschieben an der vom unteren Ende des Außengewindes
gebildeten überstehenden Wandung anliegt und von dieser Wandung auch während
des Hindurchschiebens durch die Abzweigöffnung ortsfest gehalten wird (vgl. Figur 5).
Diese Wandung verhindert so ein Hochschieben der Ringdichtung und zwingt sie
zusammen mit dem unteren Ende des Anschlussrohrs durch die Abzweigöffnung des
Kanalrohrs hindurch. Wird das Anschlussrohr wieder zurückgezogen, kommt der
Vorsprung (13a) der Ringdichtung an der Innenkante der Abzweigöffnung zur Anlage
und untergreift sie (vgl. Figur 6). Hierdurch wird die Ringdichtung bei einem weiteren
Zurückziehen des Anschlussrohres in ihrer Position festgehalten und gleitet auf den am
unteren Ende befindlichen Außenkonus, dessen unteres Ende sie gegen den Rand der
Abzweigöffnung verpresst (Figur 7). Die Weite des Konus ist gleichzeitig so bemessen,
dass die Ringdichtung nicht abrutschen kann und die Bewegung des Anschlussrohrs
begrenzt wird, das nicht weiter aus der Abzweigöffnung herausgezogen werden kann.
Dies heben auch die Erläuterungen zu der vorstehend abgebildeten Skizze auf S. 3 der
Anlage K 4 ausdrücklich hervor, indem dort ausgeführt wird, die Dichtung werde nach
dem Einsetzen durch Anziehen unverrückbar und absolut wasserdicht verpresst; ein
solches Verpressen wäre nicht zu erreichen, wenn das Anschlussrohr mit seinem
unteren Ende durch die Dichtung hindurch wieder aus der Abzweigöffnung entfernt
werden könnte.
bb)
82
Die angegriffene Vorrichtung verfügt auch über eine Ringdichtung mit einer
Dichtungslippe entsprechend den Merkmalen 3, 4 und 5. Als Dichtungslippe dient, wie
die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwiderlegt vorgetragen
hat, der in der Skizze gemäß Anlage K 4 gezeigte untere in radialer Richtung etwas
dünner ausgebildete Abschnitt der Elastomerdichtung mit seinem am unteren Ende
befindlichen Vorsprung, der radial über die Außenseite der Dichtungshaltekammer
hinausreicht und zufolge dieser Ausgestaltung die Endverdickung bildet. Diese
Dichtungslippe wird beim Hindurchschieben durch die Abzweigöffnung eingestülpt im
Sinne des Merkmals 4 und nicht, wie die Beklagten meinen, lediglich komprimiert. Das
zeigen sowohl die den angegriffenen Gegenstand betreffende Skizze gemäß Anlage K
4 als auch die Figuren der Patentanmeldung 1 548 349. Insoweit zeigen zwar beide
Darstellungen geringfügige Abweichungen, die aber an der hier beschriebenen
Funktionsweise im Grundsatz nichts ändern. In der Patentanmeldung ist die
Dichtungshaltekammer mit einer Einschnürung bzw. Nut (12, vgl. dortige Figur 3)
versehen, die beim Einschieben durch die Abzweigöffnung hinter der Rückseite der
Dichtlippe positioniert ist und in die die Dichtlippe beim Hindurchschieben durch die
Abzweigöffnung ausweichen kann. Die Skizze gemäß Anlage K 4 zeigt demgegenüber
den betreffenden Abschnitt über seine ganze Länge zylindrisch ohne Einschnürung,
statt dessen ist jedoch die Ringdichtung im Bereich der Dichtlippe dünner bemessen, so
dass auf der Rückseite der Dichtungslippe durch diese dünnere Ausbildung ein
Freiraum entsteht, in den die Dichtungslippe beim Passieren der Abzweigöffnung
ausweichen kann. Dieses Ausweichen ist ein Einstülpen im vorstehend erörterten
Sinne. Ob der unstreitig hinter dem dünneren Abschnitt befindliche Freiraum auch der
Führung der Dichtung auf dem Rohr dient, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass der
Freiraum die Dichtung mit ihrem Vorsprung beim Hindurchschieben durch die
Abzweigöffnung aufnimmt. Diese Aufnahme findet ohne Zweifel statt; anderenfalls
83
passte der Vorsprung wegen seines größeren Durchmessers nicht durch die
Abzweigöffnung hindurch.
Wie bereits erwähnt, wird bei der angegriffenen Ausführungsform das verdickte Ende
durch den am unteren Rand der Dichtung radial nach außen ragenden im Querschnitt
etwa dreieckförmigen Vorsprung gebildet. Dieser Vorsprung verhält sich beim
Einschieben und Verspannen des Anschlussrohres in der Abzweigöffnung so, wie es
das Klagepatent für das verdickte Ende der Dichtungslippe vorsieht. Beim Einschieben
in den Raum hinter der Dichtung zurückgedrängt, entspannt er sich beim Austritt in die
Öffnung des Kanalrohrs und untergreift den unteren Rand der Abzweigöffnung. Beim
Verspannen wird sie von dem den unteren Rand bildenden Vorsprung des
Anschlussrohres untergriffen und durch den Konus nach außen gedrängt und
entsprechend Merkmal 5 gegen den Spalt zwischen der Dichtungshaltekammer und der
Innenfläche des Kanalrohres diesen verschließend gezogen. Demgegenüber leuchtet
das Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht ein,
der Vorsprung lege die Dichtung nach dem Hindurchschieben durch die
Abzweigöffnung nur nach Art einer Rastverbindung axial fest und habe keine
Dichtungswirkung; letztere entstehe vollflächig an der axialen Anlagefläche am unteren
Rohrteil. Dieses Vorbringen widerspricht offensichtlich den aus der Prinzipzeichnung
Anlage K 4 erkennbaren Funktionszusammenhängen, wobei die Beklagten nicht in
Abrede gestellt haben, dass dort die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform
zutreffend wiedergegeben wird. Wird das Anschlussrohr zum Verspannen noch weiter
hochgezogen als dort gezeigt, gerät auch sein konisch sich nach außen erweiternder
unterer Abschnitt in den Spalt zur Kanalwandung, der sich dadurch im Bereich des
konischen Abschnittes zwangsläufig verengt. Dadurch wird auch der Zwischenraum zur
Aufnahme der Dichtung enger und deren Vorsprung gleichzeitig auch gegen den Rand
der Abzweigöffnung verpresst, auch wenn sich das Material der Dichtung beim
Ausweiten ähnlich einem gedehnten Gummiring zusammenzieht und radial etwas
dünner wird. Auf diese Presswirkung weisen die Erläuterungen zu der genannten
Zeichnung in Anlage K 4 zu Ziffer 3 ausdrücklich hin. Dafür, dass die Dichtwirkung, wie
die Beklagten geltend machen, im Axialabschnitt der Dichtung eintritt, bietet die aus
Anlage K 4 ersichtliche Ausgestaltung keinerlei Anhaltspunkte. Eine vollflächige Anlage
besteht nach dieser Darstellung nur im oberen Bereich, in dem die Dichtung radial
etwas dicker ausgeführt ist. Dort tritt beim Festziehen des Anschlussrohres jedoch keine
Spaltverengung ein, und etwa bis dorthin wirkende Verformungen durch die
Spaltverengung im Bereich des konischen Vorsprungs können in axialer Richtung nach
oben ausweichen, weil der obere Rand der Dichtung in diesem Verfahrensstadium von
der Wandung des Außengewindes beabstandet ist.
84
cc)
85
Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die angegriffene
Ausführungsform entspreche der US-Patentschrift 4 411 458. Mit diesem Vorbringen
sind sie nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil sie sich darauf in erster
Instanz nicht berufen und auch in der Berufungsbegründung nichts dafür dargetan
haben, aus welchem Grund sie bisher daran gehindert waren. Auch wenn man das
Vorbringen berücksichtigen wollte, könnte es ihnen nicht zum Erfolg verhelfen.
Abgesehen davon, dass bei der hier in Rede stehenden wortsinngemäßen Benutzung
ohnehin der Einwand verschlossen ist, die angegriffene Ausführungsform entspreche
dem Stand der Technik, fehlt es bei der älteren Vorrichtung an einer
Dichtungshaltekammer im Sinne des Klagepatentes. Die als Dichtung fungierende
86
Muffe (24; Bezugszeichen entsprechen der nachstehenden Abbildung) wird zusammen
mit dem Gewinderohr in die Öffnung eingesteckt und ist nach diesem Vorgang im
Wesentlichen auch bündig abschließend darin untergebracht (vgl. Anlage SoFo 1 a, S.
8, 9). Während dieses Vorganges befindet sie sich nicht in einer Kammer, sondern auf
dem Schraubgewinde, und sie wird auch nicht durch eine Wandung festgehalten und in
die Öffnung gezwängt. Einer solchen Vorrichtung bedarf es nicht, weil die Dichtung in
diesem Stadium noch keinen die lichte Weite der Öffnung überragenden Vorsprung zum
Untergreifen der des Kanalrohres aufweist und ohne Schwierigkeiten durch die Öffnung
geschoben werden kann. Anschließend wird die Kupplungsmuffe (27, 32)
aufgeschraubt, die das Gewinde hoch zieht und die Dichtungsmuffe gleichzeitig in der
Öffnung festhält und sie zwingt, auf das breitere untere Rohrende zu gleiten und so die
Öffnung abzudichten (vgl. Übersetzung S. 10 ff. und nachstehend wiedergegebenen
Figuren 1 bis 6 der US-Patentschrift).
2. Der subjektive Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung liegt ebenfalls vor.
Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, die angegriffene Ausführungsform sei
ausschließlich im Rahmen der patentgeschützten Lehre verwendbar; auch die
Beklagten haben keine patentfreie Verwendbarkeit aufgezeigt. Schon aufgrund dessen
muss als sicher davon ausgegangen werden, dass auch die Abnehmer die Vorrichtung
zur Ausübung des patentgemäßen Verfahrens verwenden werden. Hinzu kommen die
Montageanweisungen, die die Abnehmer befolgen werden und die ebenfalls zu einer
Anwendung des patentgeschützten Verfahrens führen.
87
3. Zutreffend ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass Anspruch 6
des Klagepatentes unmittelbar verletzt wird, denn die angegriffene Vorrichtung
verwirklicht die in ihm angegebenen Merkmale wortsinngemäß. Die in Anspruch 6 unter
Schutz gestellte Vorrichtung soll folgende Merkmale aufweisen:
88
(1) Verspannbares Anschlussrohr für ein Kanalrohr, das eine Abzweigöffnung
besitzt,
89
(2) mit einer an einem Ende des Anschlussrohres angeordneten
Dichtungshaltekammer,
90
(a) in die eine Ringdichtung eingelegt ist,
91
(b) die eine über die Außenseite der Dichtungshaltekammer reichende
Dichtungslippe mit einem eine Endverdickung ausbildenden oder mit einer
Endverdickung versehenen Ende besitzt;
92
(3) mit einer Verspanneinheit, mit der die Ringdichtung verspannbar ist;
93
(4) zum Versehen des Kanalrohrs mit einer Abzweigung gemäß den folgenden
weiteren Verfahrensschritten:
94
- das Anschlussrohr wird mit der Dichtungshaltekammer voran in die Öffnung
geschoben, und zwar so weit, dass die beim Einschieben in die
Dichtungshaltekammer eingestülpte Dichtungslippe unter den Innen- rand des
Kanalrohrs gelangt und ausgestülpt wird, und
95
- anschließend wird das Anschlussrohr in der Öffnung nach außen gezo- gen und
96
verspannt, so dass die Dichtungslippe mit der Endverdickung den Spalt zwischen
der Dichtungshaltekammer und der Innenfläche des Kanalrohrs verschließt.
Dass diese Merkmale verwirklicht werden, ergibt sich aus den Ausführungen in den
vorstehenden Abschnitten 1 und 2.
97
4.
98
Dass die Beklagten im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung
der Klägerin zur Unterlassung und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung,
und, weil sie schuldhaft gehandelt haben, auch zum Schadenersatz verpflichtet sind,
und der Klägerin weiterhin im Wege der Rechnungslegung im Einzelnen über das
Ausmaß ihrer Benutzungshandlungen Auskunft geben müssen, hat das Landgericht im
angefochtenen Urteil im Einzelnen ausgeführt; auf diese Darlegungen wird zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
99
5.
100
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 24. Januar 2008 rechtfertigt
keine andere Beurteilung und veranlasst auch keine Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung.
101
III.
102
Als im Berufungsverfahren unterlegene Partei haben die Beklagten nach § 97 Abs. 1
auch die Kosten ihres erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen; die Anordnungen
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
103
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, denn die hierfür in § 543
ZPO aufgestellten Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Als reine
Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts
nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
104
R1 R2 R3
105